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Nr. 206 Ministerrat, Schönbrunn, 9. November 1849 - Retrodigitalisat (PDF)

  • RS.; P. Ransonnet; VS. Kaiser; anw. Schwarzenberg, Krauß, Bach, Gyulai, Schmerling, Bruck, Thinnfeld, Thun, Kulmer; BdE. (Schwarzenberg 12. 11.), Krauß 13.11., Bach 30.11., Gyulai 17.11., Schmerling, Bruck, Thinnfeld 14.11., Thun, Kulmer 14.11.; abw. Stadion.

MRZ. 4119 – KZ. 3766 –

Protokoll der am 9. November 1849 zu Schönbrunn in Ah. Anwesenheit Sr. Majestät des Kaisers abgehaltenen Ministerratssitzung.

I. Organisierung des Banates und der serbischen Woiwodschaft

Den Hauptgegenstand der heutigen Beratung bildeten die Anträge des Ministerrats bezüglich der Organisierung des Banats und der serbischen Woiwodschaft.

Der Minister des Inneren las den bereits in der Sitzung vom 8. l.M. beratenen Entwurf eines a.u. Vortrages über diese Gegenstände, und es wurden dabei sowohl die Anträge selbst, als die Textierung des zu veröffentlichenden Vortrags einer neuerlichen reifen Erwägung unterzogen1.

Zum Absatz 41 geruhten Se. Majestät zu bemerken, daß derselbe eine Wahrheit enthalte, die es sehr angemessen sei eben jetzt mit Entschiedenheit auszusprechen, wo Wünsche und Vorschläge auftauchen, die kroatisch-slawonischen Militärgrenzbezirke mit dem Provinziale durch gemeinsame Landesver­tretung in eine innigere Verbindung zu bringen.

Der Absatz lautet: „Die Einverleibung eines Teiles derselben (der Militärgrenze) in die Woiwodschaft Serbien wäre gleichbedeutend mit der Provinzialisierung und mit der Aufhebung der eigentlichen Einrichtungen derselben.“ Der im Absatze 41 enthaltene Ausspruch: „Es werde nichts im Wege stehen, die vorzüglich von Serben bewohnten Militärgrenzdistrikte mit der Benennung ,serbische Grenze’ zu bezeichnen“, veranlaßte Se. Majestät zur Erörterung, welche Grenztruppen hiernach in das serbische Generalat einzubeziehen wären, zumal das Peterwardeiner Regiment aus der slawonischen Militär­grenze nicht ausgeschieden werden kann. Da sich nun hiebei zeigte, daß es nicht wohl zu vermeiden sein würde, auch Romänen und Deutsche in diese „serbische Grenze“ einzuteilen, was wieder die Empfindlichkeit dieser Nationen verletzen würde, so vereinigte man sich schließlich dahin, den ganzen Absatz 41 aus dem Vortrage wegzulassen. Minister Baron Kulmer äußerte jedoch, er besorge, daß der Patriarch die Bildung einer „serbischen Grenze“ schwer vermissen werde, sowie überhaupt vorauszusehen ist, daß die Beschlüsse der Regierung in dieser ganzen Angelegenheit keine Partei zufriedenstellen werde.

Es wurde hierauf beschlossen, auch den Absatz 55 ganz wegzulassen.

Der Absatz 62 wurde infolge einer Ah. Andeutung Sr. Majestät einer stilistischen Modifikation in Beziehung auf die Art unterzogen, wie darin der Magyaren Erwähnung geschieht.

|| S. 818 PDF || Zum Absatz 64 wurde in Erwägung gezogen, ob ein einziges Militärkommando für ein so großes Verwaltungsgebiet auch genug sei, und man erkannte schließlich, daß eine Zentralmilitärbehörde hier umso mehr genügen könne, als das noch ausgedehntere und stärker bevölkerte Siebenbürgen auch unter ein Generalkommando gestellt ist.

Bezüglich der aufgeworfenen Frage, welche Stellung dem Generalmajor v. Mayerhofer in Temesvár zu geben sei, damit er bei der ihm zu übertragenden Leitung der Zivil- und Militärverwaltung die nötige Unabhängigkeit bewahre und ob er nicht zum Zivil- und Militärgouverneur des ganzen Distrikts zu ernennen wäre, äußerte Baron Kulmer , daß Mayerhofer auch als Distriktlommandant die hinlängliche Selbständigkeit besitzen werde und es ja in seiner Macht stehe, alles in seinem Bezirke stehende Militär zu requirieren.

Der im Absatze 67 gestellte Antrag, daß Se. Majestät der Kaiser geruhen, den Titel eines Großherzogs der österreichischen Serben und Romanen anzunehmen, gab zu einer längeren Erörterung Anlaß, wobei auf das erhobene Bedenken, daß dieser Titel sich auf kein vorhandenes abgegrenztes Land bezieht, entgegnet wurde, daß Se. Majestät, als Großfürst von Siebenbürgen, auch den Titel „Comes Siculorum“, der König von Schweden jenen eines „Königs der Schweden und Goten“ führen.

Schließlich wurde einstimmig erkannt, daß es kaum zu vermeiden sei, dem ausgesprochenen Wunsche der Serben und Romanen wegen ausdrücklicher Erwähnung dieser Nationen im kaiserlichen Titel nachzugeben, da man dies in jenen Landsteilen zu einer Ehrensachen gemacht hat und die neue Titulatur an sich keine neuen politischen Rechte auf Vereinigung aller Serben oder Romanen zu einem Kronlande begründet.

Es wurde ferner anerkannt, daß die Annahme des Titels „Großherzog der ö[sterreichischen] Serben und Romanen“ die Serben, jener „Großwojwode der ö[sterreichischen] Serben und Romanen“ die Romanen verletzen würde, und es daher, um die nationalen Empfindlichkeiten zu schonen, am angemessensten schiene, wenn Se. Majestät den Titel eines Großwojwoden der österreichischen Serben und Großherzogs der österreichischen Romanen annehmen würde.

Die Annahme des Titels „Großherzog der österreichischen Romanen“ dürfte übrigens, eben wegen der Wichtigkeit, welche dieser Volksstamm darauf legt, den Gegenstand eines eigenen Ah. Patentes bilden, und sollten daher die darauf bezüglichen Punkte aus den vorliegenden Entwürfen des a.u. Vortrages und Ah. Patents weggelassen werden.

Nachdem Se. Majestät die Anträge des Ministerrats vorläufig a.g. zu genehmigen geruhten, wird der diesfällige a.u. Vortrag sofort erstattet werden.

Minister Graf Thun , mit dem sich die Minister des Inneren und des Handels vereinigten, äußerte schließlich, daß es wünschenswert wäre, dem ganzen neugebildeten Distrikte eine Benennung zu geben, welche kein nationales Gepräge an sich trage, damit daraus keine Suprematie eines einzelnen der darin wohnenden Volksstämme gefolgert und zu Übergriffen oder Agitationen der Vorwand gegeben werde. Die Benennung „Banater Distrikt“ würde sich hiezu am besten eignen, zumal dabei nur der altherkömmliche Name des Landes beibehalten würde2.

II. Wirkungskreis des Ludwig Freiherrn v. Wohlgemuth

Der Kriegsminister referierte, daß der Zivil- und Militärgouverneur FZM. Baron Wohlgemuth sich durch die Forderung des FZM. Baron Haynau, daß alle kriegsgerichtlichen Urteile, welche in Siebenbürgen gefällt werden, seiner (Haynaus) Genehmigung zu unterziehen seien, in seinem (Wohlgemuths) Wirkungskreise beeinträchtigt halte, daß Baron Wohlgemuth sich durch seine Übergehung im Ah. Armeebefehle gekränkt finde und um förmliche Unterstellung der dortigen Truppen unter seinen Befehl bittet3.

Der Ministerrat erkannte mit dem Kriegsminister, daß es für den Dienst nachteilig sein würde, dem FZM. Baron Wohlgemuth bei der Ausübung seiner Funktionen als Generalgouverneur, die oft ein entschiedenes, rasches Handeln erfordern, in eine gewisse Abhängigkeit von den Beschlüssen des durch weite Entfernung von ihm getrennten Armeeoberkommandanten in Ungarn zu bringen. Was insbesondre die Disposition über die in Siebenbürgen befindlichen k.k. Truppen betrifft, so sei Baron Wohlgemuth allerdings schon als Zivil- und Militärgouverneur gleich jedem politischen Landeschef berechtigt, die Assistenz der Truppenkörper nach seinem Ermessen in Anspruch zu nehmen. Indessen dürfte doch Se. Majestät der Kaiser Ah. sich bewogen finden, die in Siebenbürgen liegenden Truppen ausdrücklich zur Verfügung des FZM. Baron Wohlgemuth zu stellen4.

Bei diesem Anlasse bemerkte der Kultusminister , es schiene ihm angezeigt, die bestehenden, sehr bestimmten Vorschriften über die vom Militär der Zivilbehörde zu leistende Assistenz zu republizieren, um das schnelle und kräftige Zusammenwirken der Zivil- und Militärautoritäten in entscheidenden Augenblicken sicherzustellen5.

Ah. E. Ich habe den Inhalt dieses Protokolles zur Wissenschaft genommen. Franz Joseph. Wien, den 5. Dezember 1849.