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Nr. 133 Ministerrat, Wien, 1. August 1849 - Retrodigitalisat (PDF)

  • RS.; P. Wacek; VS. Schwarzenberg; anw. Krauß, Bach, Gyulai, Schmerling, Thinnfeld, Kulmer; BdE. (Schwarzenberg 2. 8.), Krauß 2. 8., Bach 3. 8., Gyulai 2. 8., Schmerling, Thinnfeld 2. 8., Kulmer 2. 8.; abw. Stadion, Bruck, Thun.

MRZ. 2564 – KZ. 2288 –

Protokoll der am 1. August 1849 in Wien abgehaltenen Ministerratssitzung unter dem Vorsitze des Ministerpräsidenten, dann Ministers des Äußern und des Hauses Fürsten Felix v. Schwarzenberg.

I. Anerkennung der Verdienste Antun Mihanovich’

Der Ministerpräsident übergab eine Adresse mehrerer angesehener österreichischer Untertanen in Smyrna, den österreichischen Konsul v. Mihanovich und eine Anerkennung seiner Verdienste betreffend, dem Minister des Inneren zur weiteren Verfügung1.

II. Eventuelle Kündigung des Waffenstillstandes in Italien

Teilte er mit einen Bericht des Feldmarschalls Grafen Radetzky, worin derselbe bittet, daß für den Fall, als der Friede mit Piemont nicht zustande kommen sollte, die Kündigung des Waffenstillstandes erst am 10. d.M. einzutreten hätte, weil er erst am 24. mit den nötigen Dispositionen fertig sein könne2.

Gegen die Gewährung dieser Frist ergab sich keine Erinnerung. Der Ministerpräsident bemerkte hiebei, daß es zur Kündigung des Waffenstillstandes nicht kommen dürfte, nachdem man hinsichtlich der Amnestie einig sei und in den übrigen noch divergierenden Punkten ein Übereinkommen zu erzielen sein werde3.

III. Marsch der Garibaldischen Truppe

Eingelangten Nachrichten zufolge soll Garibaldi sich rechts geworfen haben und auf Rimini losgehen, um das Adriatische Meer zu erreichen4.

IV. Wiederherstellung der Ofner Festungswerke

Nach einem Berichte des FZM. Baron Haynau treiben sich in Pest viele unbeschäftigte Leute herum, welche, durch das ungarische Papiergeld demoralisiert, der öffentlichen|| S. 544 PDF || Ruhe und Sicherheit gefährlich sind. Baron Haynau deutet auf eine ihnen zu verschaffende Beschäftigung durch die Wiederherstellung der Ofner Festungswerke hin5.

Der Ministerrat gab seine Zustimmung dazu mit dem vom Ministerpräsidenten angetragenen Zusatze, daß auch die Höhen bei Ofen befestigt werden sollen6.

Bei diesem Anlasse bemerkte der Finanzminister , daß nach neuesten, aus verläßlicher Quelle geschöpften Mitteilungen die Polizeianstalten in Pest sehr vieles zu wünschen übrig lassen sollen.

V. Böhmische Freiwil­ligenbataillons

Ferner las der Ministerpräsident den an Se. Majestät zu erstattenden au. Vortrag des Ministerrates hinsichtlich der Errichtung der Freiwilligenbataillons in Böhmen vor, wogegen sich keine Erinnerung ergab7. Was die Uniformierung betrifft, so wird dieselbe dem Kriegsminister überlassen, wobei der Löwe am Tschako wegfallen und statt desselben, wie Graf v. Gyulai schon vorläufig bemerkte, ein Adler und darunter die Buchstaben F.C. (freie Corps) angebracht werden dürften. Der Finanzminister erinnerte hier nur, daß das steirische Freikorps auch viel Steyrisches an sich hatte und daß gegen den gewünschten Löwen im Tschako, da er nichts kostet und die Leute freut, eben nicht viel einzuwenden sein dürfte8.

VI. Dienstenthebungsgesuch des Brünner Nationalgardemajors Anton Justian

Dem vom Ministerpräsidenten mitgeteilten Gesuche des Nationalgardemajors in Brünn (k.k. Rittmeisters in der Pension) Justian, der um Enthebung von seinem Nationalgardeposten und zugleich um Belassung des Majorscharakters bittet, wird durch einen Sr. Majestät zu erstattenden au. Vortrag willfahrt werden, da mit der Gewährung des Gesuches keine Auslage für das Ärar verbunden ist9.

Der Kriegsminister Graf v. Gyulai hat folgende Gegenstände zur Sprache gebracht:

VII. Geldaufnahme für das siebenbürgische Armeekorps

Eine Darstellung des Generals Grafen Clam-Gallas in Siebenbürgen über die bereits öfter besprochene Aufnahme des Geldes10. Der Finanzminister bemerkte, daß diese Angelegenheit durch die bereits erfolgte Zahlung als abgetan zu betrachten sei11.

VIII. Nachrichten vom siebenbürgischen Kriegsschauplatz

Desselben Generals Meldung über seine Aufstellung bei Kronstadt, und daß der russische General Lüders am 20. Juli in Hermannstadt eingetroffen sein dürfte12.

IX. Nachrichten über das Vorrücken des FML. Laval Grafen Nugent

Einen Bericht des FML. Grafen Nugent13. Derselbe rückt vor, wird am 2. August in Fünfkirchen eintreffen, hat bis jetzt keinen Feind vor sich und alles ruhig gefunden.

X. Nachrichten über erfolgreiche Defensivgefechte des Banus

Einen Bericht des Banus, worin gemeldet wird, daß er am 23. und 24. Juli sehr heftig angegriffen wurde, aber so glücklich war, die Angriffe zurückzuweisen14.

XI. Erfindung neuer Transportwagen und Traglager für Verwundete

Eine Eingabe des Baron Hallberg aus Wiesbaden, Obersten in königlich spanischen Diensten. Er gibt an, eine Erfindung neuer Transportwagen und Traglager für Leichtverwundete gemacht zu haben, will sie der Regierung anbieten und zu diesem Ende selbst hierher kommen, hat aber von seiner Erfindung weder eine Zeichnung noch eine Beschreibung vorgelegt. Nach dem Antrage des Kriegsministers, dem der Ministerrat vollkommen beistimmte, wäre von diesem Anerbieten kein Gebrauch zu machen und dem Baron Hallberg dafür zu danken15.

XII. Zwangsabgaben der Pester Juden

Der Minister des Inneren Dr. Bach brachte zur Kenntnis des Ministerrates, daß die Juden in Pest es für unmöglich erklären, die ihnen auferlegten Prästationen zu leisten, und daß sie sich, wenn ihnen die auferlegte Last nicht abgenommen oder bedeutend erleichtert wird, gezwungen sehen würden, auszuwandern. Es sind der Juden nur 18.000 in Pest und darunter viele Arme. Der Minister erwähnte hierbei einer ihm gestern zugekommenen Notiz, nach welcher die Juden 100.000 f. daran setzen wollen, daß die ihnen auferlegten Leistungen zurückgenommen werden16.

XIII. Korrespondenz Wilhelm Freiherrn v. Hammerstein-Equord mit den russischen Armeekommandanten

Nach einer demselben Minister zugekommenen verläßlichen Anzeige soll der FZM. Baron Hammerstein dem russischen Kaiser direkt schreiben17. Dasselbe soll auch der General Legeditsch tun und unmittelbar nach Warschau und an Paskiewitsch berichten. Dr. Bach wird diese Angelegenheit dem Kriegsminister mitteilen, um den Baron Hammerstein darüber zu fragen18.

Ferner bemerkte der Minister Dr. Bach, aus verläßlicher Quelle erfahren zu haben, daß unsere Truppen in Galizien sich in einem schlechten Zustande befinden. Bei einer Parade haben sich die Soldaten in der Kirche niedergesetzt, sie exerzieren bloßfüssig,|| S. 546 PDF || Transporte von 200 Mann und darüber gehen ohne Begleitung eines Offiziers, wobei Exzesse aller Art vorfallen u. dgl. Hierdurch soll das Ansehen unserer Truppen gegenüber den Russen sehr geschmälert werden.

XIV. Bankgouverneursstellenverleihung an Joseph Pipitz

Der Finanzminister Freiherr v. Krauß trug schließlich dem Ministerrate vor, daß er mit dem Unterstaatssekretär im Ministerium des Inneren Dr. Pipitz wegen Annahme des nun erledigten Postens des Bankgouverneurs gesprochen und ihn geneigt gefunden habe, diese Stelle anzunehmen19. Baron Krauß würde nun, im Falle der Zustimmung des Ministerrates, einen au. Vortrag an Se. Majestät erstatten und den Dr. Pipitz für die erledigte Bankgouverneursstelle vorschlagen. Pipitz besitze alle erforderlichen Kenntnisse und persönlichen Eigenschaften für diesen Posten, er stehe im kräftigen Mannesalter, und von seiner Diensterfahrung und Energie wäre Ordnung in der Bankverwaltung zu erwarten. Er behielte seine Genüsse und träte hiedurch in eine seinem gegenwärtigen Posten angemessene Stellung. Der Finanz­minister würde sich jedoch vorbehalten, den Pipitz als Bankgouverneur zur Leitung von Kommissionen und Bearbeitung wichtigerer Geschäftsstücke in Finanzangelegenheiten zu verwenden.

Der Ministerrat erklärte sich mit diesem Antrage einverstanden20.

Ah. E. Ich habe den Inhalt dieses Protokolles zur Kenntnis genommen. Franz Joseph. Schönbrunn, den 6. August 1849.