Nr. 116 Ministerrat, Wien, 2. September 1848 - Retrodigitalisat (PDF)
- ℹ️ anwesend:
- RS.Reinschrift; P.Protokoll Ransonnet; VS.Vorsitz Wessenberg; BdE.Bestätigung der Einsicht und anw.anwesend Doblhoff, Latour, Krauß, Bach, Hornbostel, Schwarzer, Wessenberg; BdE.Bestätigung der Einsicht Franz Karl (20. 9.).
MRZ. 2127 – KZ. –
- I. Maßnahmen gegen die angekündigte Leichenfeier für gefallene Arbeiter
- II. Verhinderung der Reise des Demokratischen Vereins von Breslau nach Wien
- III. Finanzielle Aushilfe für arbeitslos gewordene Polizeiagenten
- IV. Errichtung eines Exekutivkörpers zur Organisierung öffentlicher Arbeiten
- V. Pensionierungen von Militärs
- VI. Eigene Tapferkeitsmedaille für das ungarische Militär
Protokoll der Ministerratssitzung am 2. September 1848 unter dem Vorsitze des Ministerpräsidenten, zugleich Ministers des Äußern Freiherrn v. Wessenberg.
I. Maßnahmen gegen die angekündigte Leichenfeier für gefallene Arbeiter
Der Minister des Inneren brachte die von dem Wiener Demokratischen Klub1 für den 3. d. angekündigte Leichenfeier für die in der verflossenen Woche gefallenen Arbeiter2 zur Sprache. Die ganze, auf Anarchie und Aufreizung der Arbeiter gegen die Nationalgarde gerichtete Tendenz dieser Feier, wobei die Gefallenen als Märtyrer gepriesen werden sollen, ist von der Art, daß man diese Demonstration durchaus nicht dulden kann. Baron Doblhoff verlas den Entwurf einer Kundmachung, wodurch die Abhaltung der Feier förmlich untersagt wird. Diese Kundmachung erscheint noch heute im Drucke3. Andererseits hat der Minister des Inneren bereits den Major Streffleur beauftragt, sofort alle Bezirkschefs der Nationalgarde bei sich zu versammeln, um sich der Mitwirkung der Garde bei Unterdrückung der fraglichen, zunächst gegen sie selbst gerichteten Manifestation zu versichern. Die ganze Garde wird während des 3. Septembers konsigniert bleiben und alle zur Handhabung der Sicherheit berufenen Organe werden in Tätigkeit sein.
Sämtliche Minister erklärten sich mit den getroffenen Einleitungen völlig einverstanden, und der Kriegsminister sicherte zu, daß der größte Teil der Wiener Garnison zur allfälligen Unterstützung der Nationalgarde konsigniert bleiben werde4.
II. Verhinderung der Reise des Demokratischen Vereins von Breslau nach Wien
Minister Baron Doblhoff unterrichtete hierauf den Ministerrat von den Vorkehrungen, die er im Einvernehmen mit dem Polizeidirektor zu Breslau und mit der Direktion der Kaiser-Ferdinand-Nordbahn getroffen hat, um die von dem Demokratischen Verein zu Breslau5 für den 9. September beabsichtigte Eisenbahnreise nach Wien zu hintertreiben, da das Erscheinen der sehr fanatischen Breslauer Klubisten hier sehr unangenehme Folgen haben könnte, und man daher mit Energie dem Übel vorbeugen müsse6.
III. Finanzielle Aushilfe für arbeitslos gewordene Polizeiagenten
Der Minister Baron Doblhoff erinnerte an die äußerst traurige pekuniäre Lage der geheimen Agenten der bestandenen Polizeihofstelle und Polizeioberdirektion7. Infolge der politischen Veränderungen ihres Dienstes verlustig geworden, befinden sie sich samt ihren Familien in einem Zustande völliger Erwerbslosigkeit. Es dürften daher diesen Individuen – 27 an der Zahl – aus der Dotation der Polizeiverwaltung momentane Aushilfen gewährt werden. Der Ministerrat erklärte sich mit diesem Antrage einverstanden8.
IV. Errichtung eines Exekutivkörpers zur Organisierung öffentlicher Arbeiten
Der Minister der öffentlichen Arbeiten eröffnete, daß zur völligen Organisierung des Dienstes bei den öffentlichen Arbeiten zur Beschäftigung der Erwerbslosen nichts mehr erübrige, als die Bestellung eines Exekutivkörpers statt des Arbeiterkomitees des bestandenen Sicherheitsausschusses9. Die brauchbarsten Mitglieder dieses Komitees wären daher in jenen Körper aufzunehmen und ihnen, für ihre angestrengte Dienstleistung Diäten anzuweisen. Durch konsequente Durchführung der beschlossenen Maßregeln werde es gelingen, die Zahl der Arbeiter nach und nach unter 10.000 herabzusetzen. Diesen Anträgen wurde einstimmig beigepflichtet10.
V. Pensionierungen von Militärs
Der Kriegsminister überreicht seinen Vortrag vom 31. August 1848 11 wegen Pensionierung der Artillerieoberstleutnants Möller und Weinhuber, dann des || S. 615 PDF || Majors Hobelsberger, nebst dem Vorschlage zur Besetzung der hiermit erledigten Stellen12.
VI. Eigene Tapferkeitsmedaille für das ungarische Militär
Graf Latour überreicht ferner seinen au. Vortrag vom 1. l. M. 13 über den ihm mit Ah. Handschreiben zur Äußerung mitgeteilten Vortrag des Ministers Fürsten Esterházy wegen Prägung eigener, für das ungarische Militär bestimmten Tapferkeitsmedaillen mit ungarischer Umschrift14. In diesem Vortrage wird sich gegen die Genehmigung des in Rede stehenden Antrages ausgesprochen15.
Sämtliche Minister erklärten sich mit den Anträgen des Grafen Latour zu V. und VI. einverstanden.
Wien, den 3. September 1848.
Anhergelangt den 19. September 1848. Ges. 20. September. Franz Karl. Vidi.