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Nr. 97 Ministerrat, Wien, 18. Juli 1848 - Retrodigitalisat (PDF)

  • RS.; P. Wacek; VS. Doblhoff; anw. Sommaruga, Krauß, Latour, Baumgartner; BdE. Doblhoff (19. 7.).

MRZ. 1503 et 1504 – KZ. –

Protokoll der Ministerratssitzung vom 18. Juli 1848 unter dem Vorsitze des provisorischen Ministerpräsidenten, Ministers des Inneren Freiherrn v. Doblhoff.

I. Einnahme Ferraras

Der Minister des Kriegswesens Graf Latour teilte dem Ministerrate mit eine vom FML. Freiherrn v. Weiden von Padua erhaltene Depesche1, welche die Einnahme von Ferrara durch unsere Truppen meldet und worüber auch Sr. Majestät in Innsbruck bereits die nötige Anzeige erstattet worden ist2. Der Feldmarschall Graf Radetzky hat ein Korps von 6000 Mann beauftragt, über den Po zu gehen, was geschehen ist. Am 14. d. M. um 9 Uhr früh wurden die päpstlichen Truppen angegriffen und nach Ferrara getrieben. Die Stadt sollte nun bombardiert werden, bevor es aber dazu kam, kamen Abgeordnete mit weißer Fahne, und die Stadt ergab sich auf Gnade und Ungnade3.

II. Ansuchen Erzherzog Albrechts um Übertragung eines Kommandos in Italien

Se. kaiserliche Hoheit der Herr Erzherzog Albrecht Feldmarschalleutnant haben dem Feldmarschall Grafen Radetzky die Bitte überreicht, ihm das Kommando einer Armeedivision anzuvertrauen4.

Graf Radetzky erwiderte, daß es nicht in seiner Befugnis liege, dieser Bitte zu willfahren und daß diese Bitte des Herrn Erzherzoges, nachdem er bereits Kommandierender in Österreich war5, mit seinem früheren Dienstverhältnisse in keinem Einklange stehe. Da der Erzherzog entgegnete, daß er Sr. Majestät dienen und sich Erfahrungen sammeln wolle und daß ihm demnach jedes Kommando recht sei, so erbittet sich der Feldmarschall Graf Radetzky die höhere Weisung hierüber, bemerkt aber, daß die Gewährung dieser Bitte keinen guten Eindruck machen würde und daß, um dem Herrn Erzherzoge das Kommando einer Armeedivision zu übertragen, dieses einem älteren und erfahreneren Generalen abgenommen werden müßte.

|| S. 541 PDF || Der Ministerrat teilte dieselbe Ansicht, hält das Kommando eines älteren und kriegserfahreneren Mannes für zweckmäßiger, was auch die Erfahrung der neuesten Zeit bestätige, und meint, daß auch der Umstand zu berücksichtigen sei, daß der Krieg einem Prinzen gegen die eigenen Untertanen des Staates (wenn auch hier sich schon andere Fürsten darein mengten) nicht wohl anstehe.

Der Ministerrat glaubt daher, daß dem Feldmarschall Grafen Radetzky aufzutragen wäre, das obige Gesuch auf die schonendste Weise, auch unter Anführung, daß der Krieg immerhin auch gegen die eigenen Untertanen geführt werde, abzulehnen6.

III. Versuch Karl Alberts von Sardinien, Mantua zu kaufen

Der Kriegsminister Graf Latour bringt zur Kenntnis des Ministerrates einen Bericht des Feldmarschalls Grafen Radetzky und die mit demselben vorgelegte merkwürdige Anzeige des Generalen der Kavallerie und Kommandierenden zu Mantua Grafen Gorczkowski, nach welcher der Sardenkönig Karl Albert ihm eine halbe Million Gulden (gleich im baren Golde oder in Wechseln auf Mailand oder Turin) angeboten hat, um Mantua oder ein Fort desselben zu verkaufen. In der Anzeige des Generalen Gorczkowski sind die Umstände genau angegeben, unter welchen ihm dieser ehrlose Antrag gemacht worden ist. Nach dem Wunsche dieses Generalen soll diese Angelegenheit der Öffentlichkeit übergeben werden7.

Da dieser Antrag des sardinischen Königes nicht bloß den moralischen Charakter des Antragstellers näher beleuchtet, sondern auch den Beweis liefert, daß das Vertrauen des Antragstellers in seine Kraft nicht genug stark sei, so hat der Ministerrat beschlossen, daß ein Auszug aus der oberwähnten Anzeige mit einer angemessenen Einkleidung zur öffentlichen Kenntnis gebracht werde8.

IV. Ansuchen der Angestellten des litographischen Instituts um Erhebung zu Staatsbeamten

Derselbe Minister brachte ein Gesuch der Zeichner, Lithographen und Kupferstecher des lithographischen Institutes um Erhebung zu Staatsbeamten mit ihren dermaligen Gehalten zur Sprache9. Es sind bei dem besagten Institute 6 Zeichner, 7 Lithographen und 7 Kupferstecher, zusammen 20 Individuen.

Da es sich hiernach um die förmliche Systemisierung dieses Institutes handeln würde, welche mit bleibenden Auslagen des Ärars auf Pensionen der Beamten, ihrer Witwen und Kinder verbunden wäre, so hat der Ministerrat beschlossen, daß hierüber noch vorläufig Rücksprache mit dem Finanzministerium zu pflegen sei10.

V. Pensionierung Karl Graf Civalarts v. Happancourt

In dem vorliegenden au. Vortrage vom 16. Juli d. J., Z. 208311, bespricht der Kriegsminister das Gesuch des Generalen der Kavallerie und Kapitäns der Trabantenleibgarde Grafen Civalart, worin derselbe um Versetzung in den Ruhestand und um den Feldmarschallscharakter, dann um die Gebühren seiner Charge als Pension bittet12. Zu dieser Bitte ist Graf Civalart vorzüglich dadurch bestimmt worden, daß dem ihm im Range nachstehenden Generalen der Kavallerie, Freiherrn v. Lederer, bei seinem Übertritte in den Ruhestand nebst seinem ganzen Gehalte gleichfalls die Feldmarschallswürde verliehen worden ist13, und er (Civalart) gleichfalls lange, nämlich 65 Jahre, dient.

Der Ministerrat glaubt auf die Ah. Gewährung dieser Bitte nicht antragen zu sollen, weil zur Verleihung der Feldmarschallswürde, der höchsten militärischen Auszeichnung, sehr lange Dienste allein nicht genügen, die Dienstleistung des Baron Lederer eine andere war als des Grafen Civalart und weil auch der finanzielle Grund berücksichtiget zu werden verdiene, daß, wenn der Bittsteller, welcher den Kapitänsposten bei der Trabantenleibgarde immerhin noch versehen könne, in den Ruhestand versetzt würde, sein Dienstposten wieder besetzt werden müßte, daher das Ärar neben der Pension auch einen Aktivgehalt zu bezahlen hätte.

Der Vortrag des Kriegsministers dürfte demnach die Ah. Erledigung dahin erhalten, daß der General der Kavallerie Graf Civalart seine Dienste als Kapitän der Trabantenleibgarde weiter fortzusetzen habe14.

VI. Belobigung des Militärs für sein Verhalten beim Prager Pfingstaufstand

Der Kriegsminister Graf Latour brachte weiter einen Bericht des FML. Fürsten Windischgrätz15, Kommandierenden in Böhmen, zum Vortrage, worin derselbe aus Anlaß der letzten Prager Ereignisse16 Belohnungen (Medaille für einen Gemeinen) und anerkennende Nennung jener Individuen in Antrag bringt, welche sich bei diesen Ereignissen besondere Verdienste erworben haben.

Der Kriegsminister glaubt, daß den gesamten Truppen die Ah. Zufriedenheit zu erkennen zu geben und dem Johann Schwarzig, Gemeinen vom Fuhrwesenskorps, die silberne Tapferkeitsmedaille – sonst aber keine Auszeichnung – zu verleihen wäre.

Über die Bemerkung der übrigen Stimmführer, daß es zweckmäßiger zu sein scheine, die Erledigung dieses Gegenstandes einstweilen zu ajournieren, bis die Aufregung der Gemüter sich ganz gelegt habe und die Ruhe vollkommen wiederhergestellt sein werde, wurde auch mit Zustimmung des Kriegsministers beschlossen, seinen diesfälligen Vortrag bis zum Eintritte jenes Zeitpunktes zu asservieren17.

VII. Ordensverleihungen an Militärs in Italien

In dem hier gleichfalls vorliegenden au. Vortrage vom 12. d. M., Z. 252418, unterstützt der Kriegsminister die Anträge des Feldmarschalls Grafen Radetzky auf die Ag. Verleihung von Orden an einige Stabs- und Oberoffiziere, welche sich durch ihr tapferes Benehmen vor dem Feinde besonders ausgezeichnet haben19.

Es werden in Antrag gebracht: für das Ritterkreuz des kaiserlich österreichischen Leopoldordens: der Oberst v. Hahne, Kommandant des Regiments Graf Latour-Infanterie, und Major Basil Knezevich vom Oguliner 1. Grenzbataillon; für das Ritterkreuz des österreichischen Ordens der eisernen Krone: der Hauptmann v. Beckh vom 10. Jägerbataillon, der Premier-Rittmeister Ahsbahs von Kaiser-Ulanen, Kapitänleutnant v. Savageri von Baron Paumgartten-Infanterie, Oberleutnant Schneider des 4. Artillerieregimentes, Oberleutnant Lammer vom 10. Jägerbataillon und Oberleutnant v. Schwarzer von Graf Latour-Infanterie.

Der Ministerrat erklärte sich mit diesen Anträgen einverstanden20.

VIII. Rüge des ungarischen Ministeriums wegen der österreichischen Unterstützung der k. k. Truppen in Kroatien

Schließlich lasen der Kriegsminister Graf Latour und der Minister des Inneren Freiherr v. Doblhoff dem Ministerrate ihre Entwürfe der Antworten vor, welche der erstere an den ungarischen Minister des Äußern Fürsten Esterházy wegen der gerügten Anweisung von 100.000f. aus der österreichischen an die Agramer Kriegskasse zur Beseitigung der Geldverlegenheit und Not, in welche sich die k. k. Truppen in Kroatien aus Mangel der Dotationsanweisung von Seite des ungarischen Ministeriums versetzt sahen21; und der letztere an denselben Minister und in derselben Form, in welcher die Zuschrift des ungarischen Ministeriums hierher gelangten, nämlich mittelst Protokollsauszuges, hinsichtlich des bedenklichen, einen Bürgerkrieg in Aussicht stellenden Zustandes zwischen Kroatien und Ungarn zu erlassen gedenket.

Mit der Textierung dieser Antworten erklärte sich der Ministerrat einverstanden22.

Erzherzog Johann. Wien, den 20. Juli 1848.