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Vorwort - Retrodigitalisat (PDF)

1998 jährt sich die Revolution von 1848 zum 150. Mal. Damit feiert auch der österreichische Ministerrat seinen 150. Geburtstag. Er wurde bekanntlich noch zu Beginn der Revolution im März 1848 ins Leben gerufen, als eines der ersten Zugeständnisse an die Revolutionäre, die u. a. vehement eine Verfassung, eine Regierung, einen Ministerrat forderten, der vor einem unabhängigen Parlament für die Einhaltung der Gesetze verantwortlich zu sein hätte. Nichts lag also für die Herausgeber der „Ministerratsprotokolle Österreichs und der österreichisch-ungarischen Monarchie 1848-1918“ näher, als die Protokolle dieses Jahres zu veröffentlichen, die eine der hervorragendsten Quellen für die Geschichte dieses denkwürdigen Jahres darstellen, und zwar vor dem eigentlichen Geburtstag, um zu weiteren Arbeiten anzuregen und eine Basis dafür zur Verfügung zu stellen. Der Ministerrat sollte sich sehr rasch zu dem wichtigsten Zentralorgan entwickeln, der in dieser schwierigen Zeit, zwischen Krone und Revolution gestellt, die Aufgabe zu übernehmen hatte, einerseits einen neuen Staat mit tragfähigen Institutionen zu schaffen, andererseits die alte Ruhe und Ordnung in irgend einer Form aufrechtzuerhalten, ein gewiß nicht leicht zu lösendes Problem. Die Geschichte dieser Institution (vom 20. März bis zum 21. November 1848) ist an den Protokollen dieses ersten österreichischen Ministerrates im Detail nachzuvollziehen. Aber nicht nur diese! Die Ministerratsprotokolle des Jahres 1848 sind, wie sich der Leser überzeugen kann, eine erstklassige Quelle für den Verlauf der Revolution, für die Versuche des Ministerrates, der manchmal äußerst prekären Situation Herr zu werden, für das Bemühen, einerseits dem Herrscherhaus Loyalität zu erweisen und andererseits dem „Volkswillen“ in gewisser Weise Genüge zu tun, zwischen Herrscherhaus und den Wünschen der Aufständischen zu vermitteln. Die Ministerratsprotokolle bieten einen hervorragenden Einblick in die Grundprobleme des „neuen“ Verfassungsstaates, sie stellen somit wertvolle Dokumente der ersten Gehversuche Zisleithaniens im Umgang mit Verfassung, Parlament, Parteien, Freiheitsrechten dar und geben den Verlauf des sogenannten inneren Neubaus des Reiches wieder: viele Schwierigkeiten nationaler, finanzpolitischer und außenpolitischer Natur erschwerten die Situation des neuen verantwortlichen Ministerrates. Diese hier angeschnittenen Themen bilden nur einen Ausschnitt aller jener Fragen, die in den Debatten der Minister zur Sprache kommen.

Bekanntlich sind in solch politischen Übergangs- und Krisenzeiten die politischen Entscheidungen nicht so einfach nachzuvollziehen (die jüngst stattgefundenen Umbrüche östlich von Österreich bilden lebendige Beispiele dafür). Die Herausgabe der Ministerratsprotokolle des Jahres 1848 war nach den Regeln, die sich diese Edition zum Maßstab gesetzt hat, denn auch besonders schwierig. Die Auflösung von Behörden, die nicht sofort folgende Installierung von gleichwertigem Ersatz, der ungewohnte Umgang mit neuen Verwaltungstechniken, mit denen die Beamten offensichtlich Probleme hatten, sowie politisch bedingte Unterbrechungen von Sitzungsperioden, bewußte Verschleierungsversuche, Verlust von Dokumenten durch die Revolution etc. - dies alles gestaltete die Auffindung der für den Kommentar notwendigen Bezugsakten besonders langwierig. Als Ersatz für den beim Justizpalastbrand verlorengegangenen Aktenbestand des wichtigen Ministeriums des Inneren mußten zumindest zum Teil die Statthaltereibestände in anderen Archiven herangezogen werden. Außerdem: Im Jahr 1848 wurden fast täglich eine, oftmals auch zwei Sitzungen abgehalten, weshalb der vorliegende Band 127 Ministerratsprotokolle enthält, die zusammen 1080 Tagesordnungspunkte aufweisen.

Wie bei den anderen 15 vorliegenden Bänden der Serie „Die Protokolle des österreichischen Ministerrates 1848 -1867“ wurde auch dieser Band in enger Zusammenarbeit mit den ungarischen Herausgebern gestaltet. Herr Prof. György Spira erstellte ein sehr ausführliches kritisches Gutachten zum Manuskript, das in dem Resumee gipfelt: „Diese Protokolle sind nämlich historische Quellen höchster Bedeutung ... die Verfertigung der Publikation ist ein großer Gewinn auch für die ungarische Geschichtsschreibung“. Gebührend hervorzuheben ist auch die hervorragende Zusammenarbeit mit den ungarischen Mitgliedern des „Gemeinsamen wissenschaftlichen Beirates“, allen voran mit der Projektleiterin der ungarischen Serie Frau Dr. Eva Somogyi. Die Mitglieder des wissenschaftlichen Beirates haben in ihrer Sitzung vom 5. Februar 1996 mit wertvollen Ratschlägen die Herausgabe dieses Bandes unterstützt. Ihnen und den Mitarbeitern der Edition, vor allem dem Bandbearbeiter Dr. Thomas Kletecka, sei herzlichst gedankt.

Mein Dank gilt aber auch allen Institutionen und ihren Mitarbeitern, die wesentlich zum Gelingen der Edition beitragen. Finanziell unterstützen das Unternehmen: das Bundesministerium für Wissenschaft, Verkehr und Kunst, der Fonds zur Förderung der wissenschaftlichen Forschung in Österreich, die Hochschuljubiläumsstiftung der Stadt Wien, das Kulturamt der Stadt Wien, die Kulturabteilung des Landes Niederösterreich. Ausdrücklich genannt seien hier aber auch alle Mitarbeiter der wissenschaftlichen Institutionen des Ungarischen Staatsarchivs in Budapest, des Mährischen Landesarchivs in Brünn, des Staatsarchiv in Krakau, des Zentralen Ukrainischen Historischen Staatsarchivs in Lemberg, des Zentralen Staatsarchivs in Prag, des Allgemeinen Verwaltungsarchivs, des Finanzarchivs und des Kriegsarchivs in Wien, deren Einsatz gerade bei der Bearbeitung dieses Bandes von unschätzbarem Wert war. In besonderer Weise möchte ich die Mitarbeiter des Haus-, Hof- und Staatsarchivs hervorheben, die den Bestand Ministerratsprotokolle so vorzüglich betreuen. Vor allem sei hier Herrn Dr. Horst Brettner-Messlers (1939-1996) gedacht, der am 7. März 1996 Opfer einer schweren Krankheit wurde. Er war Mitarbeiter der Edition der Ministerratsprotokolle der ersten Stunde, publizierte drei Bände der Serie und betreute ab 1976 als Referent des Haus-, Hof- und Staatsarchivs die Edition in allen Belangen. Die Herausgeber der Edition und die Mitglieder des Gemeinsamen wissenschaftlichen Beirates haben allen Grund, des langjährigen, hilfreichen und liebenswürdigen Kollegen in Dankbarkeit zu gedenken.