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Nr. 112 Ministerrat, Wien, 19. und 23. August 1916

RS. fehlt; Abschrift in Fa., FM., Präs., Bd. a.Nr. 66 (Vorträge des Herrn Finanzministers im Ministerrat 1916); Wortlaut der Ah. Entschließung: Hhsta., Kabinettskanzlei, Protokoll 1916.

P. Ehrhart; VS. Stürgkh; anw. Hohenlohe-Schillingsfürst (am 19. 8.), Georgi, Hochenburger, Forster, Hussarek, Trnka, Zenker, Morawski, Leth, Spitzmüller.

KZ. 38 – MRZ. 31

I. Kriegszuschläge zu den direkten Steuern

I.a ℹ️ ℹ️ Der Finanzminister erörtert an der Hand des von ihm ausgearbeiteten Entwurfes einer kaiserlichen Verordnung das Projekt zur Einhebung von Kriegszuschlägen zu den direkten Steuern und die damit in Zusammenhang stehenden Maßnahmen1. Er habe bereits anlässlich der allgemeinen Darlegungen über seinen Finanzplan diesen Komplex in seinen wesentlichen Zügen gekennzeichnet. Innerhalb der zu regelnden Materie seien insbesonders drei große Blocks zu unterscheiden:

1.) System und Ansätze der Kriegszuschläge zu den direkten Steuern.

2.) Die Änderung des Vorganges für Grundsteuerbegünstigungen bei Elementarschäden und dergleichen.

3.) Die Maßnahmen zur Sicherung des Erträgnisses der Personalsteuern.

Was den Aufbau der Kriegszuschläge und ihre Höhe anbelangt, so möchte er, teilweise in Rekapitulation seiner früheren Darlegung, Folgendes hervorheben: Die Grundsteuer werde zunächst mit einem Kriegszuschlag von 90% belegt2. Dies sei als provisorische Maßnahme gedacht. Ein besonderer Beitrag solle auch noch zur Bildung eines Fonds für die Gewährung von Nachlässen aus Anlass von Elementarschäden3, und zwar in einer Höhe von 10% eingehoben werden. Dieser Spezialzuschlag sei als dauernd gemeint. Zusammen ergebe sich also ein Zuschlag von 100%. Bei der allgemeinen Erwerbssteuer4 sei ein Zuschlag von 100% in der ersten und zweiten Klasse, von 60% in der dritten und vierten Klasse in Aussicht genommen. Bei den der öffentlichen Rechnungslegung und somit der besonderen Erwerbssteuer unterliegenden Gesellschaften5 sei ein Zuschlag von 20% als Grundausmaß geplant. Dieser Grundzuschlag solle aber je nach der Rentabilität der betreffenden Unternehmung gesteigert werden, und zwar bei einer Rentabilität von 6–8% um weitere 20%, von 8–10% um 30%, von 10–12% um 40%, von 12–14% um 60% und von über 14% um 80%. Die Summe des Grundzuschlages und der höchsten Stufe des Rentabilitätszuschlages würde also die Höhe von 100% erreichen. Zur Rentensteuer6 sei ein Zuschlag von 100% in Aussicht genommen. Bei der Einkommensteuer7 sei ein progressiver Zuschlag projektiert, der bei den untersten Einkommensstufen außerordentlich nieder bemessen sei und erst in höheren Stufen ein beträchtlicheres Ausmaß erreiche. Bei einem Einkommen von 1.600 K – dem niedersten der Personaleinkommensteuer unterliegenden – bis zu einem solchen von 2.000 K solle der Zuschlag 10% betragen, dann allmählich steigen und erst bei einem Einkommen von 160.000 K das Maximum, das ist 100% erreichen.

Was zunächst die Grundsteuer anbelangt, so sei diese schon mit Rücksicht auf das ganze System ihrer Veranlagung verhältnismäßig nieder. Eine wesentliche Erhöhung erscheine aber umso gerechtfertigter, als die Landwirtschaft gerade in den Kriegsjahren im Allgemeinen eine äußerst günstige Rentabilität aufweise. Die Grundsteuer selbst sei bekanntlich nicht auf dem Ertrage des in einer Hand vereinigten Gutsbesitzes beziehungsweise eines bestimmten Gutes, sondern auf dem der einzelnen Grundparzelle aufgebaut und kenne als reine Ertragssteuer keine Abstufung zwischen den wirtschaftlich Schwächeren und Stärkeren. Infolgedessen fehlen die technischen Voraussetzungen zur Anwendung einer sozialpolitischen Progression auch für den geplanten Zuschlag und es bleibe nichts anderes übrig, als diesen ganz gleichmäßig mit einem einheitlichen Prozentsatz auszudrücken.

Bei der allgemeinen Erwerbsteuer, die selbst nach Klassen aufgebaut sei, könne eine Unterscheidung zwischen den größeren und den kleineren Steuerträgern gemacht werden. Der sprechende Minister gedenke an dieses Schema anzuknüpfen, je zwei Klassen in eine Gruppe zusammenzufassen und den Zuschlag für die sich sonach ergebenden beiden Gruppen mit 100 beziehungsweise 60% zu erstellen. Was die besondere Erwerbsteuer der der öffentlichen Rechnungslegung unterliegenden Erwerbsgesellschaften anbelangt, so sei allerdings nicht zu übersehen, dass sich in dieser Gruppe die Finanzinstitute und die allerleistungsfähigsten Industrien befinden. Immerhin erscheinen gerade die Aktiengesellschaften in Österreich schon heute gegenüber den Einzelunternehmungen ziemlich hoch besteuert und es wäre gewiss bedenklich, die Steuerschraube hier so anzuziehen, dass die Entstehung von Aktiengesellschaften, die ein sehr wichtiges Vehikel für die Kapitalsbildung und die Steigerung des Volksvermögens darstelle, geradezu unterbunden würde. Auch seien die Banken und großen Industrien die Trägerinnen der Kriegsanleihen und man müsse sich hüten, durch Überspannung der Fiskalpolitik die Grundpfeiler der staatlichen Kreditpolitik zu erschüttern. Unter diesen Gesichtspunkten glaube der sprechende Minister Gesellschaften, bei denen sich das Erträgnis nicht wesentlich über den landläufigen Zinsfuß erhebt, nur mäßig belasten zu sollen, während die Erhöhung der Steuerlast mit der Rentabilität Schritt zu halten und das Doppelte des Bisherigen erst bei solchen Unternehmungen zu erreichen hätte, die eine besonders hohe Verzinsung des Kapitals gewährleisten.

Bei der Rentensteuer komme eine Progression des Zuschlages naturgemäß nicht in Betracht. Wohl aber könne dieser Gedanke in ziemlich vollkommener Weise bei den Zuschlägen zur Einkommensteuer verwirklicht werden, da diese Steuer selbst den sozialpolitischen Gesichtspunkten Rechnung trage und in sehr fortgeschrittener Weise progressiv gestaltet sei. Die Heranziehung auch der kleinsten Steuerträger zu den Zuschlägen halte der sprechende Minister unter prinzipiellen Gesichtspunkten für angezeigt, insoferne jeder Steuerträger zu den Kriegslasten beitragen solle8. Die Ansätze in den unteren Kategorien seien jedoch so nieder, dass eben eigentlich nur diesem prinzipiellen Gesichtspunkte Genüge geschehe, eine praktisch ins Gewicht fallende Belastung aber dadurch für den Einzelnen nicht eintreten werde. Beispielsweise würde bei einem Einkommen von 1.600–1.700 K9, das bisher eine Personaleinkommensteuer von 13 K 60 h zu tragen habe, der Zuschlag nur 1 K 36 h ausmachen. Der Zuschlag werde jedoch außerordentlich scharf wirken bei den höheren Einkommen. Bei einem Einkommen von 32.000 bis 40.000 K werde der Zuschlag 50% der bisherigen Steuer, bei solchen über 160.000 K, wo, wie bereits gesagt, das Maximum erreicht wird, 100% ausmachen. Es werde somit ein Einkommen von 160–164.000 K, das bisher 9.129 K zahle, in Hinkunft das Doppelte, d.i. 18.258 K, das höchste veranlagte Einkommen in Österreich von über 27,970.000, wo die Steuer gegenwärtig 1,872.620 K beträgt, in Zukunft 3,745.214 K zahlen10. Die Grenzen, bis zu denen man in der Progression gehen könne, seien natürlich einigermaßen labil. Es sei aber hier in Betracht zu ziehen, dass die Personaleinkommensteuer eben schon selbst in hohem Maße progressiv ist. Es würde also bereits ein gleichmäßiger prozentualer Zuschlag diese Progression in den absoluten Ziffern entsprechend zur Geltung bringen. Nun sei aber der Zuschlag nicht nur auf eine an sich progressive Steuer appliziert, sondern selbst wieder im Sinne einer starken Progression abgestuft, wodurch dieses Moment im Gesamteffekte außerordentlich verschärft werde. Zusammenfassend möchte der sprechende Minister noch hervorheben, er glaube bei sämtlichen in Betracht kommenden direkten Steuern mit den Zuschlägen so tief einzugreifen, dass eine Wiederholung des Eingriffes auf diesem Gebiete kaum möglich wäre und dass für spätere Erfordernisse eben in anderer Weise vorgesorgt werden müsste. Er wolle nicht in Abrede stellen, dass bei einer künftigen Regulierung der Steuern vielleicht zwischen einzelnen Positionen kleine Verschiebungen eintreten könnten, im Großen und Ganzen müsse er aber die Inanspruchnahme dieser Steuerquellen aus dem Titel des Kriegserfordernisses als eine abschließende betrachten.

Was den zweiten Block anbetrifft, so sei bekanntlich das Ergebnis der Grundsteuer schon infolge ihrer ganzen Veranlagung wenig befriedigend. Es werde aber überdies schwer beeinträchtigt durch die Art und Weise, wie bei Steuerabschreibungen aufgrund von Elementarschäden vorgegangen wird. Die einschlägigen gesetzlichen Bestimmungen konstruieren nämlich unter bestimmten Voraussetzungen einen kategorischen Anspruch auf die Abschreibung und fassen diese Voraussetzungen selbst überaus weit. Die Praxis aber sei in dieser Richtung eine außerordentlich mechanische geworden und es trete daher in vielen Fällen die Abschreibung ein, wo sie nach der ganzen Sachlage nicht berechtigt sei. Wandel könne nur durch eine Änderung der gesetzlichen Bestimmungen geschaffen werden und zwar handle es sich in dieser Beziehung um zwei wesentliche Elemente: Einerseits müssen die Voraussetzungen präziser umschrieben werden, andererseits müsse anstelle des kategorischen Anspruches der Partei eine Fakultät der Administrative treten, die die Begünstigung der Lage des einzelnen Falles anzupassen gestattet.

Der dritte Block umfasse die Maßnahmen zu Sicherung des Ertrages der Personalsteuern. Dieser Ertrag hänge naturgemäß wesentlich von der Steuermoral ab, die bisher nur in einzelnen Teilen Österreichs auf eine befriedigende Stufe gelangt, in manchen Kronländern aber noch in bedenklicher Weise rückständig sei. Nun sei es eine oft bestätigte Erfahrung, dass Steuererhöhungen die Tendenz haben, die Steuermoral zu beeinträchtigen und einen neuen Anreiz zu Hinterziehungen auslösen. Es liege aber nicht nur im eminenten staatsfinanziellen Interesse, sondern es sei auch eine Forderung der Gerechtigkeit, nach allen Seiten hin eine gleichmäßige und restlose Erfassung der Steuerverpflichtungen durchzusetzen. Demgemäß erscheine es geboten, gleichzeitig mit der Aufstellung von Zuschlägen eine größere Sicherung des Veranlagungsverfahrens zu schaffen, weil sonst eine Begünstigung der unehrlichen Fatenten zum Schaden der ehrlichen eintreten und der Mehrertrag aus den Zuschlägen durch den Minderertrag infolge unzugänglicher Fatierung verringert oder paralysiert werden könnte. Ohne in die Details der geplanten Bestimmungen einzugehen, möchte der sprechende Minister auf die Hauptpunkte verweisen: Die Bucheinsicht, wie sie durch die Personalsteuernovelle vom 23. Jänner 1914, RGBl. Nr. 1311, geschaffen sei, stehe nur der zweiten Instanz zu. Infolge dieser Maßgabe habe sich das Institut als unzulänglich erwiesen und es müsse die Bucheinsicht auch schon der ersten Instanz eingeräumt werden. Ebenso seien die Strafbestimmungen ungenügend; es sei insbesondere notwendig, in gewissen überaus schweren Fällen auch eine Arreststrafe verhängen zu können. Bei einer solchen Verschärfung der Strafsanktion müsse aber auch das Verfahren geändert und auch für Steuerstrafsachen ein öffentliches gerichtliches Verfahren vorgesehen werden. Der sprechende Minister möchte noch hinzufügen, dass, während die Zuschläge, wie schon gesagt, den Charakter eines Provisoriums haben sollen, die Reformen hinsichtlich der Grundsteuerbegünstigungen sowie der Veranlagung und Strafbehandlung der Personalsteuern, als dauernde gedacht sind. An diese Darlegung des Finanzministers knüpft sich eine längere Erörterung, an der sämtliche Mitglieder des Kabinetts teilnehmen.

Was zunächst den Zuschlag zur Grundsteuer anbelangt, so betont der Ackerbauminister, dass der Grundbesitz schon durch die gegenwärtige Grundsteuer erheblicher belastet sei, als dies in der Öffentlichkeit vielfach angenommen werde. Das System des Aufbaues auf dem Parzellenertrag führe zu mannigfachen Ungerechtigkeiten und entbehre der Progression, die die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit und die individuellen Verhältnisse des einzelnen Steuerträgers zu berücksichtigen gestattet. In den Zuschlägen liege daher an sich eine wesentliche Verschärfung bereits bestehender Unzukömmlichkeiten. Besonders drückend sei aber die Kombination verschiedener für den Landwirt ungünstiger Neuerungen. Es solle ihm nämlich 1. ein 90%iger Zuschlag zur Grundsteuer auferlegt werden, 2. werde das Verfahren hinsichtlich der Elementarschäden in einem für ihn ungünstigen Sinn abgeändert und 3. soll aus Anlass dieses von seinem Standpunkte verschlechterten Verfahrens auch noch ein besonderer 10%iger Zuschlag eingehoben werden. Der sprechende Minister würde daher wünschen, dass der Zuschlag von 90% entsprechend herabgesetzt und von der Reform des Abschreibungsverfahrens, mindestens aber von der Einhebung eines besonderen Zuschlages hierfür Abstand genommen werde.

Der Eisenbahnminister, der Minister für öffentliche Arbeiten und der Handelsminister verweisen demgegenüber auf die notorisch geringe Belastung des landwirtschaftlichen Besitzes durch die Grundsteuer, die statt von dem um ein Vielfaches höheren effektiven Ertrage von der Fiktion des Katastralreinertrages ausgehe und weiters auf die sehr erheblichen von der Landwirtschaft in der Kriegszeit erzielten Gewinne.

Der Ministerpräsident macht auf ein Moment aufmerksam, das wohl auch meritorisch, jedenfalls aber optisch stark in Betracht komme. Bei den übrigen Steuerkategorien solle nämlich – wenn man von der wenig ins Gewicht fallenden Rentensteuer absieht – der Maximalsatz von 100% erst in der höchsten Stufe der Zuschläge erreicht werden. Bei der Grundsteuer sei aber der Zuschlag ein einheitlicher und würde bei Einrechnung des 10%igen Spezialaufschlages auch schon bei den kleinsten Steuerträgern 100% ausmachen. Das sei zweifellos ein bequemer Anknüpfungspunkt für abfällige Kritiken und es würde vielleicht naheliegen, auf diesem Gebiete, wo ja nach allgemeiner Ansicht eine Progression nicht eingeführt werden könne, wenigstens den einheitlichen Satz etwas niedriger zu gestalten. Das Gesamterträgnis der Zuschläge solle aber auf diese Weise womöglich keine Verringerung erfahren und man und man könnte vielleicht an eine Ausgleichung bei einer anderen Steuerkategorie denken. In Ansehung des Zuschlages zur allgemeinen Erwerbsteuer stellt der Eisenbahnminister zur Erwägung, ob nicht über die in Aussicht genommene Einteilung in zwei Gruppen, für die 60 und 100% geplant sind, hinaus eine weitere Unterscheidung zugunsten der kleinsten Steuerträger gemacht werden könnte. Der Finanzminister erwidert, dass eine solche Unterscheidung nach seiner Meinung sachlich nicht begründet und auch vom finanzpolitischen Standpunkte nicht unbedenklich wäre.

Hinsichtlich des Zuschlages zur besonderen Erwerbsteuer für Aktiengesellschaften und dergleichen machen der Ackerbauminister und der Minister für öffentliche Arbeiten geltend, dass nach ihrer Meinung die geplante Mehrbelastung hier eine verhältnismäßig niedrige sei. Ein Teil der in Betracht kommenden Erwerbsunternehmungen würde überhaupt nur einen 20%igen Zuschlag zahlen und das Maximum von 100% nur bei Gesellschaften mit wahren Riesengewinnen eintreten. Demgegenüber betont der Handelsminister, dass die zur öffentlichen Rechnungslegung verpflichteten Gesellschaften zweifellos sehr schwer belastet seien. Zur Erwerbsteuer kämen noch die vielfach außerordentlich hoch angesetzten autonomen Zuschläge, dazu ergeben sich, wenigstens vorübergehend, die gewaltigen Posten der Kriegsgewinnsteuer12. Gewiss solle man leistungsfähige Unternehmungen zu den Kriegslasten stark heranziehen, aber man dürfe doch nicht den Gewinn so sehr beschneiden, dass er auf das Maß des landesüblichen Zinsfußes oder sogar unter dasselbe herabgedrückt wird, weil dies eine absolute Unterbindung der Kapitalsbildung bedeuten würde. Über das Maximum von 100% zu gehen müsse er dringendst widerraten. Nicht unbedenklich, aber vielleicht möglich wäre es, in der Abstufung der Rentabilitätszuschläge die Progression schon etwas früher eintreten zu lassen, oder steuertechnisch gesprochen, die Kurve einigermaßen steiler zu gestalten. Der Finanzminister erklärt sich bereit, der Anregung einer stärkeren Heranziehung der zu öffentlicher Rechnungslegung verpflichteten Gesellschaften näherzutreten, jedoch nur im Rahmen der vom Handelsminister angedeuteten Einschränkungen. Darüber hinauszugehen würde er auch seinerseits nicht verantworten können.

Hinsichtlich der Zuschläge zur Personaleinkommensteuer führt der Minister des Innern aus, dass die untersten Kategorien der Steuerpflichtigen hier im Wesentlichen gerade mit jenen Schichten der Bevölkerung zusammenfallen, die durch den Krieg bisher materiell am meisten, ja man kann sagen, fast ausschließlich gelitten haben, nämlich den Fixbesoldeten, insbesondere Staatsangestellten, mit kleinem Einkommen13. Hier würde auch eine an sich minimale Mehrforderung auf die physische Leistungsunfähigkeit und auf einen ernsten Widerspruch des Gerechtigkeitsgefühls stoßen. Der sprechende Minister müsse daher nachdrücklich für die Zuschlagsfreiheit der untersten Einkommensstufen eintreten.

Auch der Eisenbahnminister befürwortet diese Anregung und meint, dass bei den höheren Einkommensstufen nicht nur der Entgang ausgeglichen, sondern sogar ein Plus hereingebracht werden könnte. Ebenso schwer zu verantworten, wie eine zu große Belastung, erschiene es ihm, wenn dieser Eingriff, den der Finanzminister selbst als einen abschließenden betrachte, zu schwächlich ausfallen würde. Er sehe nicht ein, warum man nicht die Progression auch über ein Einkommen von 160.000 K hinaus fortführen und den Zuschlag in den höchsten Stufen bis zu 150% steigern könnte. Der Minister für Kultus und Unterricht würde diesen Gedanken grundsätzlich billigen, jedoch nicht so weit gehen und mit einem Zuschlage von 120% abzuschließen wünschen. Der Handelsminister anerkennt das Prinzip, dass wirtschaftlich Leistungsfähigere nicht nur absolut, sondern auch relativ stärker zu den Lasten herangezogen werden sollen. Man dürfe jedoch dieses Prinzip nicht missverständlich in dem Sinne umdeuten, dass jeder Einzelne unbedingt bis zum Maximum dessen, was er theoretisch überhaupt hergeben kann, in Anspruch zu nehmen sei. Denn bei den Besitzern großer Einkommen, die natürlich auch mit einem kleinen Bruchteil derselben physisch weiter existieren könnten, ließe sich nach einer solchen Theorie die Konfiskation des ganzen Einkommens bis auf jenen kleinen Bruchteil rechtfertigen. Auch die Auffassung, dass der gegenwärtige Eingriff ein abschließender sei, habe nur bedingte Richtigkeit, insoferne ja der Finanzminister selbst für später an eine einmalige Vermögensabgabe denke und daher, wenn auch in anderer Form auf dieselben Steuerquellen nochmals die Hand zu legen beabsichtige. Der Zusammenhang der gegenwärtigen Einkommensteuerzuschläge mit der künftigen Vermögensabgabe dürfe nicht aus dem Auge verloren werden und der sprechende Minister würde daher nicht nur davor warnen, über die Vorschläge des Finanzministers hinauszugehen, sondern er würde auch dafür eintreten, dass, falls das Erträgnis der künftigen Vermögensabgabe eine Revision des gegenwärtig geplanten Zuschlagsregimes zugunsten der Steuerträger gestatten sollte, in erster Linie die Herabsetzung der Einkommensteuerzuschläge in Erwägung zu ziehen sei.

Der Ministerpräsident möchte zwei Gesichtspunkte auseinandergehalten wissen: Einerseits die Einkommensstufe, bis zu der die Progression fortgesetzt werden soll, und andererseits die Höhe der Progression selbst. In letzterer Hinsicht würde ihm ein Maximum von 150% sehr bedenklich, ein solches von 120% noch annehmbar erscheinen. Was aber die Höchststufe des Einkommens, bis zu der die Progression zu gehen hätte, anbelangt, so suche er nach einer systematischen Cynosur und würde sie darin finden, dass bei jener Einkommensstufe, bei der die Progression der Einkommensteuer selbst aufhört, auch die Progression des Zuschlages endigen solle. Was die Reform auf dem Gebiete der Grundsteuerabschreibung sowie der Veranlagung der Personalsteuern und der damit zusammenhängenden Strafbestimmungen anbelangt, so findet das Projekt des Finanzministers im Allgemeinen grundsätzlich Zustimmung.

Gegen die Erweiterung der Bucheinsicht spricht sich der Minister für öffentliche Arbeiten aus und wäre eher geneigt, eine noch weitergehende Verschärfung der Strafbestimmungen zuzugestehen. Demgegenüber macht der Justizminister aufmerksam, dass die Verschärfung der Strafbestimmungen allein keine nennenswerten praktischen Vorteile biete. Denn ein Strafverfahren könne ja in concreto nur dort eingeleitet werden, wo sich die Elemente eines strafbaren Tatbestandes ermitteln lassen. Gerade in letzterer Hinsicht seien aber die bestehenden Bestimmungen durchaus unzulänglich und nur die Erweiterung des Institutes der Bucheinsicht würde den Steuerbehörden halbwegs wirksame Mittel an die Hand geben, um einen Steuerdefraudanten auch wirklich vor dem Steuerstrafgerichte zur Verantwortung ziehen zu können. Der Handelsminister übersieht nicht, dass die Erweiterung der Bucheinsicht in der Öffentlichkeit einen sehr starken Eindruck machen werde. Nichtsdestoweniger halte er die Maßnahme wenigstens unter bestimmten Voraussetzungen für unerlässlich.

Auch der Eisenbahnminister spricht sich für diese Maßnahme aus und würde darin im Großen und Ganzen keine Schädigung des politischen Eindruckes des Gesamtprojektes erblicken. Es sei eine alte Klage jener Schichten, die ein leicht überblickbares Einkommen besitzen, dass sie zur Einkommensteuer voll herangezogen werden, während andere Steuerträger mit großen und schwer erfassbaren Geldquellen sich der einschlägigen Verpflichtung vielfach entziehen können. Der sprechende Minister glaube daher, dass gerade eine Kautel gegen solche Missbräuche in sehr breiten Kreisen die Aufnahme des Zuschlagsregimes erleichtern würde. Hinsichtlich der Reform des Strafverfahrens bei den Personalsteuern, die von keiner Seite grundsätzlich bemängelt wird, hebt der Handelsminister hervor, dass die Öffentlichkeit des Verfahrens jedesfalls auch auf das Gebiet der Gefällsstrafen auszudehnen wäre.

Was den Zeitpunkt der Durchführung anbelangt, so wird von verschiedenen Seiten darauf aufmerksam gemacht, dass, während die Kriegszuschläge unbedingt dringend seien und daher jedesfalls schon für das laufende Jahr eingehoben werden sollen, das Moment der unmittelbaren Dringlichkeit bei den als dauernd gedachten Reformen nicht im gleichen Maße vorwalte. Was die Grundsteuerabschreibungen anbelangt, so sei ein Teil der Fälle des laufenden Jahres jedenfalls schon abgewickelt, hinsichtlich der übrigen bestehe bereits sozusagen ein wohlerworbener Anspruch im Sinne der bisherigen Bestimmungen, dessen Realisierung für den Einzelnen eben nur infolge zufälliger Umstände einstweilen unterblieben sei. Eine disparitätische Behandlung dieser beiden Gruppen wäre aber gewiss nicht gerechtfertigt. Auf dem Gebiete der Personalsteuern könnten die neuen Maßnahmen die laufende Veranlagung kaum mehr tangieren und ihre wesentliche Wirkung würde sich erst im Jahre 1917 fühlbar machen.

Der Ministerrat fasst sohin folgende Beschlüsse: Das Regime der Zuschläge ist unverzüglich im Wege einer vom Finanzminister zu erwirkenden kaiserlichen Verordnung aufgrund des § 14 Staatsgrundgesetz zu verwirklichen. Die Einhebung hat bereits vom Jahre 1916 an zu erfolgen; eine Befristung im Sinne eines bestimmten Endtermines wird nicht in Aussicht genommen. Im Einzelnen hätte

1. der Zuschlag für die Grundsteuer 80% zu betragen, der Spezialzuschlag von 10% zu entfallen.

2. Bei der allgemeinen Erwerbsteuer wird der Zuschlag mit 100% in der 1. und 2. mit 60% in der 3. und 4. Klasse festgesetzt. Bei der besonderen Erwerbsteuer beträgt der Grundzuschlag 20%. Das Maximum des Rentabilitätszuschlages wird bei einer Rentabilität von über 14% erreicht und beträgt 80%. Die Abstufung des Rentabilitätszuschlages innerhalb der einzelnen Kategorien ist unter genauester Wahrnehmung der in Betracht kommenden wirtschaftlichen Interessen so zu gestalten, dass womöglich der Entgang, der sich bei dem Grundsteuerzuschlage gegenüber dem ursprünglichen Projekte des Finanzministers ergibt, hereingebracht wird.

3. Der Zuschlag zur Rentensteuer beträgt 100%.

4. Der Zuschlag zur Einkommensteuer lässt die untersten Einkommensstufen bis zu 3.000 K frei, setzt dann mit 15% ein und erreicht das Maximum von 120% bei einem Einkommen über 200.000 K.

Die Reform des Verfahrens bei Elementarschäden wird im Sinne der Anträge des Finanzministers prinzipiell beschlossen, und zwar soll die dem Steuerträger eingeräumte Begünstigung, wie bisher, auch gegenüber den autonomen Zuschlägen wirksam sein. Ebenso werden die Anträge des Finanzministers hinsichtlich der Sicherung des Veranlagungsverfahrens bei den Personalsteuern – unter Erweiterung des Institutes der Bucheinsicht – und die Reform des Steuerstrafverfahrens grundsätzlich gutgeheißen. Die Durchführung hinsichtlich aller dieser Punkte soll abgesondert noch im Laufe dieses Jahres erfolgen, wobei die Einzelheiten einstweilen vorbehalten bleiben14.

II. Zündmittelsteuer

II.b ℹ️ ℹ️ Der Finanzminister erbittet und erhält die Zustimmung des Ministerrates zur Erwirkung einer kaiserlichen Verordnung aufgrund des § 14 Staatsgrundgesetz betreffend die Zündmittelsteuer15. Die Zündmittelsteuer soll einerseits für Zündhölzchen, zu denen auch Zundspänchen, Zündstäbchen aus Strohhalmen, Pappe, Torf oder Gespinstfasern und dergleichen gehören, und für Zündkerzchen aus Stearin, Wachs oder ähnlichen Stoffen eingeführt werden. Um jedoch nicht einen Rückgang des Zündhölzchenkonsums zugunsten mechanischer Feuerzeuge, insbesondere Taschenfeuerzeuge oder Tisch- und Wandfeuerzeuge herbeizuführen, erscheint es notwendig, auch diese Zündmittel einer entsprechenden Besteuerung zu unterwerfen16.

Ah. E. Ich habe den Inhalt dieses Protokolles zur Kenntnis genommen. [Franz Joseph.] Wien, 11. November 1916.