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Nr. 70 Ministerrat, Wien, 2. Oktober 1915

RS. fehlt; Abschrift von Tagesordnungspunkten I und IV; Wortlaut der Ah. Entschließung: Hhsta., Kabinettskanzlei, Protokoll 1915.

P. Ehrhart; VS. Stürgkh; anw. Georgi, Hochenburger, Heinold, Forster, Hussarek, Trnka, Schuster, Zenker, Engel, Morawski.

KZ. 54 – MRZ. 39

I. Entwurf der Statuten des Kriegskreuzes für Zivilverdienste

I. ℹ️ Quellen: Abschrift in Ava., Ministerratsprotokolle, Karton 44 (Aus dem Nachlasse Alexy).

Der Ministerpräsident teilt anknüpfend an die Verhandlungen des Ministerrates vom 10. August l. J. mit1, dass das Ministerium des Äußern den Entwurf der Statuten des Kriegskreuzes für Zivilverdienste im Sinne des anverwahrten Textesa ausgearbeitet und um Bekanntgabe der Stellungnahme der Regierung zu diesem Entwurfe gebeten habe.

Der sprechende Minister glaube, dass im Allgemeinen dem Texte des Entwurfes beizupflichten sei. Im Einzelnen sei er der Ansicht, dass die Einleitung in Anlehnung an den Wortlaut des inzwischen an den Minister des Äußern erflossenen Ah. Handschreibens vom 16. August l. J.2 betreffend die Ag. Stiftung dieses Kriegskreuzes etwa folgendermaßen lauten sollte: „Seine k. u. k. apost. Majestät haben in huldvollster Würdigung der vielen während des gegenwärtigen Krieges auf zivilem Gebiete mit aufopfernder Hingebung geleisteten ausgezeichneten Dienste ein ‚Kriegskreuz für Zivilverdienste‘ Ag. zu stiften und hinsichtlich desselben folgende Bestimmungen zu genehmigen [geruht].“ Was ferner die Devise des Kriegskreuzes „Merito civili“ anbelangt, so erscheine dieselbe etwas banal und entspreche auch nicht den strengeren Anforderungen der Latinität. Es würde sich daher empfehlen, dem Minister des Äußern geeignete Vorschläge wegen einer anderen Textierung zu machen3. Ebenso sei die Zeitangabe 1914/15 mit Rücksicht auf die nicht vorher zu bestimmende Dauer des Krieges wenig am Platze und wäre entweder überhaupt wegzulassen oder durch die bloße Anführung der Jahreszahl 1915 als des Stiftungsjahres zu ersetzen4. Endlich würde es sich empfehlen, das Tragen des Kriegskreuzes in sogenannter Miniaturausfertigung zu gestatten, um den Wert desselben nicht gegenüber anderen Dekorationen herabzusetzen. Mit den vorerwähnten Vorbehalten beabsichtige der sprechende Minister dem Vorschlage des Ministers des Äußern beizupflichten5. Weiters möchte er bemerken, dass speziell von Seite des Ministers des Innern der Wunsch geäußert worden sei, durch genaue Umschreibung der Verdienste, welche durch das Kriegskreuz ihre Belohnung finden sollen, dafür vorzusorgen, dass nicht etwa eine Kumulierung verschiedener Dekorationen aufgrund identischer Verdienste Platz greife6. Diesem Gesichtspunkte würde nach Ansicht des sprechenden Ministers am besten Rechnung getragen, wenn der Ministerrat sich dahin aussprechen würde, dass die Kumulierung der Verleihung des Kriegskreuzes und einer anderen Dekoration, insbesondere auch einer solchen vom Roten Kreuze, aufgrund identischer Verdienste des zu Begnadenden grundsätzlich zu vermeiden sei, ein Gesichtspunkt, den sich dann die einzelnen Ressorts bei Erstattung einschlägiger au. Anträge gegenwärtig zu halten hätten. Was die Frage der Kosten anbelangt, so sollen letztere mit Rücksicht auf den besonderen und vorübergehenden Charakter der gestifteten Ordensauszeichnung ausnahmsweise nicht die Ordensdotation des Ah. Hofstaates belasten; die Auslagen wären daher auf den Etat der in Betracht kommenden Staatsverwaltungen zu übernehmen7; was die österreichische Staatsverwaltung betrifft, wäre es am zweckmäßigsten, dass gleich wie bei anderen alle Ressorts treffenden gleichartigen Auslagen die gesamten Kosten für das Kriegskreuz aus der allgemeinen Kassenverwaltung bestritten werden, in welcher Beziehung seitens des Ministerratspräsidiums das Erforderliche zu veranlassen wäre8. Die auflaufenden Kosten könnten übrigens verhältnismäßig niedrig gehalten werden, wenn die Herstellung der Dekorationen durch das Ministerium für öffentliche Arbeiten besorgt würde, in welcher Beziehung bereits Vorbereitungen eingeleitet sind und Anträge an das Ministerium des Äußern gelangen werden9.

Nach einer längeren Erörterung, an welcher sich sämtliche Minister des Kabinetts beteiligen, stimmt der Ministerrat den Vorschlägen des Ministerpräsidenten zu10.

II. Abänderung der Statuten des Kaiser-Jubiläumsfonds für Kinderschutz und Jugendfürsorge

[II.–III. fehlt.]

IV. Transaktionen zur Sicherstellung des finanziellen Bedarfes für die weitere Kriegführung (3. Kriegsanleihe)

IV. ℹ️ Quellen: Abschrift in Ava., Ministerratsprotokolle, Karton 44 (Aus dem Nachlasse Alexy).

Der Finanzminister teilt mit, dass sich für die österreichische Finanzverwaltung ebenso wie für die ungarische neuerlich die Notwendigkeit ergebe, ℹ️Transaktionen zur Sicherstellung des finanziellen Bedarfes für die weitere Kriegführung vorzunehmen.

Wie er bereits in der Sitzung des Ministerrates vom 14. Juli l. J. mitzuteilen Gelegenheit hatte11, sei im Einvernehmen zwischen den beiden Finanzverwaltungen und der Oesterreichisch-ungarischen Bank der Grundsatz aufgestellt worden, dass in Ansehung der weiteren Beschaffung von Geldmitteln für die Kriegführung die Oesterreichisch-ungarische Bank die Rückendeckung in dem Sinne bieten müsse, dass, wenn nicht durch Kreditoperationen wie Kriegsanleihe etc. oder transitorische Vorschussgeschäfte der Banken die Geldmittel beschafft werden können, an dieses Institut zu appellieren sei. Damals sei als erste Tranche dieser weiteren Inanspruchnahme der Oesterreichisch-ungarischen Bank von ihr ein Kredit von 1.500 Millionen Kronen für beide Staaten der Monarchie zur Verfügung gestellt worden. Der sprechende Minister sowie sein ungarischer Kollege beabsichtigen nun als zweite Tranche einen Betrag in der nämlichen Höhe von 1.500 Millionen Kronen in Anspruch zu nehmen und zwar im Wesentlichen zu denselben Bedingungen wie bei der früheren Transaktion, nur mit dem Unterschiede, dass der Zinsfuß von 1% auf½% herabgesetzt werden soll. Auf diese Weise würden jedoch nur die Mittel für eine verhältnismäßig kurze Periode sichergestellt und es sei daher notwendig, schon jetzt weitere Kreditoperationen ins Auge zu fassen. Glücklicherweise lägen gegenwärtig die Voraussetzungen für ein allgemeines Anlehen sehr günstig und es sei daher möglich mit einer dritten Kriegsanleihe hervorzutreten. Diese günstigen Voraussetzungen seien einerseits in der zuversichtlichen Auffassung gegeben, welche die Öffentlichkeit hinsichtlich des weiteren Verlaufes der kriegerischen Ereignisse hege, andererseits in der unverkennbaren Geldflüssigkeit. In der Tat verfügen nämlich die Finanzinstitute über große Barbestände, was übrigens nicht zu verwundern sei, da ja der Staat infolge der Kriegführung fortwährend große Bestellungen und Anschaffungen mache und die darauf erzielten Gewinne heute nicht leicht in irgendeiner Form nutzbringend angelegt werden können. Technisch wirke auch der gesteigerte Banknotenumlauf mit, zu welchem auch die vorerwähnte neue Transaktion mit der Bank beitragen werde. Auch die erste und zweite Kriegsanleihe, die allerdings vielfach die Wirkung hatten, das Bargeld aus der Volkswirtschaft herauszupumpen, hätten in einer anderen Richtung wieder zur Erhöhung des Banknotenumlaufes beigetragen, weil eine Reihe von Privaten und Unternehmungen ihre Zeichnungen auf die Kriegsanleihe nur durch finanzielle Operationen effektuieren konnten, die schließlich und letztlich wieder in einer Inanspruchnahme in der Oesterreichisch-ungarischen Bank ausmündeten12.

In Würdigung dieser Situation habe der sprechende Minister mit jenem Bankenkonsortium, das bei den beiden früheren Kriegsanleihen mitgewirkt hatte13, Verhandlungen eingeleitet und auch von dieser Seite die Bestätigung erhalten, dass der Zeitpunkt günstig gewählt sei. Das Konsortium habe ursprünglich den Vorschlag gemacht, die dritte Kriegsanleihe in Form zweier Eventualtypen aufzulegen, sodass das Publikum zwischen einer amortisablen Rente auf der einen und Schatzscheinen auf der anderen Seite die Auswahl gehabt hätte14. Als wesentliche Begründung für diesen Vorschlag sei angeführt worden, dass die wenigstens teilweise Aufbringung der Mittel durch eine amortisable Rente eine bessere Echelonierung der Rückzahlungstermine ermögliche. Der sprechende Minister habe aber Bedenken gehabt auf diesen Vorschlag einzugehen. Die Idee der amortisablen Rente hätte bei der Staatsschuldenkontrollkommission, wenngleich diese das Projekt vom volkswirtschaftlichen Standpunkte keineswegs missbillige, in juristischer Hinsicht, und zwar speziell mit Rücksicht auf den Wortlaut der geltenden gesetzlichen Bestimmungen über diese Kommission, wesentlichen Anstoß erregt und auf diese Weise die Möglichkeit eines Konfliktes eröffnet15. Weiters wäre von dem Bankkonsortium die Verzinsung der neuen Rente nicht nur nicht im Verhältnis zur gegenwärtigen Rentabilität der Rente erstellt worden, sondern es hätte eine viel günstigere Verzinsung zugestanden werden müssen, was zweifellos eine voraussichtlich lange dauernde Erhöhung des Zinsfußes und des Geldpreises auf dem Kreditmarkte nach sich gezogen hätte. Weiters würde die Ausgabe einer amortisablen Rente unter derartigen Bedingungen gewiss einen ungünstigen Rückschlag auf die Bewertung der bestehenden Rente ausüben und dadurch eine große Missstimmung unter den Besitzern der gegenwärtigen Rentenobligationen ausgelöst werden. Endlich sei nach den mit dem österreichischen Publikum gemachten Erfahrungen die Idee der Ausgabe von Eventualtypen überhaupt keine besonders glückliche. Dazu komme noch, dass selbst die Vertreter jenes Vorschlages einen Absatz der amortisablen Rente in einem sehr nennenswerten Umfange nicht in Aussicht stellen konnten, sodass man also alle vorerwähnten nachteiligen Wirkungen ohne das Äquivalent eines sehr großen finanziellen Erfolges hätte in Kauf nehmen müssen.

Aus diesen Erwägungen heraus habe sich der sprechende Minister dafür entschieden, auch bei der dritten Kriegsanleihe ausschließlich die Type des Schatzscheines zu wählen und zwar eines solchen mit einer 15-jährigen Fälligkeit. Durch diese letztere würden die Termine für die Rückzahlungen auf die zweite und dritte Kriegsanleihe entsprechend auseinandergehalten. Der nominelle Zinsfuß sei wieder mit 5,5% in Aussicht genommen, der Subskriptionskurs mit 93,6%. Dies entspreche mathematisch im Wesentlichen der nämlichen effektiven Rentabilität, wie sie für die zweite Kriegsanleihe gewährt worden sei, wenn man die längere Lauffrist der Schatzscheine in Betracht zieht. Dem Beispiele Deutschlands zu folgen, wo man die Bedingungen bei jeder späteren Kriegsanleihe vom staatlichen Standpunkte aus etwas günstiger, also vom Standpunkte des Publikums etwas weniger günstig erstellt hat als bei der vorhergehenden16, könne man in Österreich nicht folgen, weil hier der Kurs der Kriegsanleihe ohnedies nur schwer gehalten werde. Es dürfe daher schon als ein Erfolg bezeichnet werden, wenn die spätere Kriegsanleihe nicht unter drückenderen Bedingungen begeben werden müsse als die vorhergehende. Der sprechende Minister erhoffe unter der Voraussetzung, dass die bestehenden günstigen Dispositionen nicht durch irgendeinen unerhofften Rückschlag der militärischen, diplomatischen oder politischen Entwicklung nachteilig beeinflusst werden, ein schönes Ergebnis der Anleihe, das nicht nur vom engeren finanziellen Standpunkte aus, sondern auch von dem der allgemeinen Interessen und des Prestiges der Monarchie bei Feind und Freund überaus wichtig wäre. Insbesondere würde es der sprechende Minister begrüßen, wenn auch bei uns die dritte Kriegsanleihe, selbstverständlich nicht in den absoluten, aber doch in den relativen Ziffern einen ähnlichen Erfolg aufweisen könnte wie die eben zum Abschlusse gelangte Transaktion in Deutschland gegenüber ihren Vorgängerinnen.

Um dies zu ermöglichen, seien Verhandlungen eingeleitet worden, welche dem Einzelnen die Beschaffung der Mittel für die Übernahme der Kriegsanleihe im Wege des Hypothekar- und Lombardgeschäftes erleichtern sollten17. Was speziell die Beschaffung der Geldmittel im Lombardwege18 anbelangt, so hätte der sprechende Minister es gerne gesehen, wenn es möglich gewesen wäre, eine Fixierung eines begünstigten Lombardzinsfußes für solche Zwecke bei der Oesterreichisch-ungarischen Bank auf die Dauer von fünf Jahren zu erreichen. Man habe aber ungarischerseits eine Bindung über die Geltungsdauer des Bankprivilegiums hinaus perhorresziert und jene Begünstigung werde daher nur bis zum Ende des Jahres 1917 sichergestellt werden können19. Weiters plane der sprechende Minister die Erwirkung einer kaiserlichen Verordnung, durch welche die mit der kaiserlichen Verordnung vom 20. Mai 1915, RGBl. Nr. 129, eingeräumten gebührenrechtlichen Erleichterungen auch auf die dritte Kriegsanleihe eventuell unter gewissen Erweiterungen ausgedehnt und insbesondere neue Bestimmungen über die gebührenrechtliche Behandlung beim Lombard der Kriegsanleihe durch Kreditinstitute und Sparkassen geschaffen werden. Im Übrigen richte er an seine Kollegen die dringende Bitte, von ihrem Ressortstandpunkte aus die Begebung der Kriegsanleihe durch nachdrücklichste Beeinflussung der ihnen nahestehenden Kreise wirksam zu fördern. Was speziell die Heranziehung von Fonden und Zweckdotationen für die Zeichnung anbelangt, möchte er allerdings raten, die zur Verfügung stehenden Mittel nicht aufs Äußerste anzuspannen, da sich nicht nur bei einer längeren Kriegsdauer, sondern selbst bei einem verhältnismäßig raschen Abschluss der militärischen Operationen jedenfalls vor dem Friedensschlusse noch einmal die Notwendigkeit zu einer größeren Kreditoperation ergeben werde, für welche gewisse Reserven verfügbar bleiben müssen. Der Finanzminister erbittet sohin die Zustimmung des Ministerrates

1. zum Abschlusse der neuen Transaktion mit der Oesterreichisch-ungarischen Bank,

2. zur Auflage der dritten Kriegsanleihe,

3. zur Erwirkung einer kaiserlichen Verordnung aufgrund des § 14 Staatsgrundgesetz über die Gewährung gebührenrechtlicher Erleichterungen für diese Kriegsanleihe.

In einer längeren Debatte, an welcher sich sämtliche Mitglieder des Kabinetts beteiligen, wird das Projekt des Finanzministers einmütig gebilligt und dessen nachdrücklichste Förderung allseits zugesagt.

Der Ministerrat erteilt sohin dem Finanzminister die erbetene Zustimmung20.

V. Erwirkung des Großkreuzes des Franz-Joseph-Ordens für den Vizepräsidenten des Obersten Rechnungshofes Dr. Paul Schulz

[V.–VII. fehlt.]

Ah. E. Ich habe den Inhalt dieses Protokolles zur Kenntnis genommen. [Franz Joseph.] Wien, 12. Dezember 1915.