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Nr. 445 Ministerrat, Wien, 28. Dezember 1882

RS.; P. Jaeger; VS. Taaffe; BdE. und anw. (Taaffe 28. 12.), Ziemiałkowski, Falkenhayn, Pražák, Conrad (7. 1. 1883), Welsersheimb, Dunajewski, Pino; außerdem anw. Kubin, Gniewosz.

KZ. 123 – MRZ. 101

Protokoll des zu Wien am 28. Dezember 1882 abgehaltenen Ministerrates unter dem Vorsitze Sr. Exzellenz des Herrn Ministerpräsidenten Grafen Taaffe.

I. Frage der Einberufung des kärntnerischen Landtages aus Anlass der Hilfsaktion wegen der Überschwemmungskalamität

I. ℹ️Der Ministerpräsident bringt zur Verhandlung die Frage der über Anregung der kärntnerischen Landwirtschaftsgesellschaft und infolge des Ansuchens des kärntnerischen Landesausschusses vom Landespräsidenten beantragten Einberufung des kärntnerischen Landtages zu einer außerordentlichen Session während der Dauer der jetzigen Reichsratsferien1 behufs der Verhandlung über die durch die neuerliche Überschwemmung im Oktober l. J. eingetretenen Kalamitäten2. Der Ministerpräsident sei der Ansicht, dass auf diesen Antrag nicht einzugehen wäre, und will den diesfälligen Standpunkt des Ministeriums des Innern zur Darlegung bringen.

Sektionschef Freiherr v. Kubin referiert: Hinsichtlich der Hilfsaktion für Kärnten bilde der jetzt vorliegende Antrag auf die Einberufung des Landtages bereits das zweite Verhandlungsstadium seit der [ursprün]glichen Hilfsvorlage3. Gleich [n]ach der Einbringung des Entwurfes wurde vom kärntnerischen Landesausschusse vorgebracht und vom Landespräsidenten unterstützt die Bitte, dass erstlich dem Lande für die Herstellung von Landesobjekten anstatt des mit der Vorlage in Aussicht genommen Darlehens von 50.000 fl. ein solches von 100.000 fl. gewährt werden möge, da das diesfällige ursprüngliche Darlehensbegehren des Landtages auf 50.000 fl. vor dem Eintritte der weit verheerenderen Oktoberüberschwemmung gestellt gewesen sei, zweitens dass wegen der äußerst beschränkten Mittel des Landes für die Gailregulierung derselbe Maßstab der Staatsbeitragsleistung wie für die Etschregulierung, nämlich mit der Übernahme von ⅗ der Kosten eintrete, anstatt wie es die Vorlage proponiere, mit der Hälfte der Kosten. Die Erfüllung des letzteren Desideriums würde eine Vermehrung des Staatsvorschusses um ca. 28.000 fl. erheischen. Über diese beiden Desiderien wurde vom Ministerium des Innern die Verhandlung mit dem Finanzministerium eingeleitet. Mittlerweile langte nun das vorliegende Ansuchen wegen Einberufung des Landtages ein.

Dasselbe scheine veranlasst durch den Eindruck, welchen die mit der bezüglichen Vorlage für Tirol proponierte Hilfeleistung machte, indem man sich in Kärnten gleichsam stiefmütterlich behandelt sehe. Insbesondere scheine in Kärnten der Umstand zu berühren, dass für dort nicht auch so wie für Tirol eine Hilfe für Vorsichts- und Abwehrbauten in Aussicht genommen wurde. Als Programm für die gewünschte Landtagsaktion werde unter [Ein]beziehung der vorerwähnten Desiderien aufgestellt:

1. Übernahme der Haftung für die nach der Regierungsvorlage zu gewährenden Vorschüsse an Gemeinden und Einzelne.

Referent bemerkt hiezu, dass übrigens der Landesausschuss bereits sub spe rati die Haftung übernommen habe.

2. Ansuchen um Erhöhung des Darlehens für Herstellung der Landesobjekte von 50.000 fl. auf 100.000 fl.

3. Ansuchen um Beteiligung des Staates mit ⅗ an der Gailregulierung.

4. Hilfsaktion bezüglich der auf zwei Millionen veranschlagten Drauregulierung in Kärnten unter Anteilnahme des Landes und der Adjazenten.

5. Hilfsaktion hinsichtlich der Einbeziehung der auf 1,800.000 fl. veranschlagten Wildbachverbauungen in die Drau- und Gailregulierung.

6. Forestale Maßnahmen.

Referent bemerkt, dass den mit den Punkten 4, 5 und 6 angeregten weiteren mit der Vorlage für Kärnten noch nicht vorgesehenen, auf rund vier Millionen zu veranschlagenden Hilfsaktionen die Begründung an sich nicht abgesprochen werden könne und dass es insbesondere einleuchte, dass die förmliche Regulierung der Drau in Tirol ohne gleichzeitige Regulierung derselben in Kärnten die Gefahren für Kärnten nur erhöhen würde. Indessen sei es klar, dass es sich hiebei um Aktionen handle, welche nicht unmittelbar ins Werk gesetzt zu werden brauchen, weil sie auch nicht sogleich verwirklicht werden können und dass daher wegen dieser Aktionen, welche zeitig genug auch vom nächsten ordentlichen Landtage [beh]andelt werden können, die jetzige Einberufung eines außerordentlichen Landtages nicht notwendig erscheine. Hinsichtlich der Desiderien sub 2 und 3, welche, wie früher erwähnt, auch den Gegenstand einer aparten Anregung bilden, könnte aber, falls das Finanzministerium einer diesfälligen weitergehenden Berücksichtigung zustimmte, auch ohne Landtag geholfen werden, durch eine unter Zustimmung der Regierung im Ausschusse vorzunehmende Modifikation der Regierungsvorlage. In Anbetracht dieser Erwägungen und nachdem sich die Regierung mit der Haftungserklärung des Landesausschusses hinsichtlich der Vorschüsse begnügen könne, entfalle, vom Standpunkte des Ministeriums des Innern aus, jeder dringende Anlass zur Einberufung des Landtages.

Der Ministerpräsident bemerkt, dass er neben diesen Erwägungen auch noch die Besorgnis, dass vom Landtage jetzt ungemessene Forderungen gestellt werden könnten und endlich den Umstand in Betracht ziehe, dass die Einberufung des Landtages zu dem gewünschten Termine vom 8. Jänner 1883 an möglicherweise nötigen dürfte, den Wiederzusammentritt des Reichsrates in unerwünschter Weise hinauszuschieben. Andererseits müsse er aber doch wieder zu bedenken geben, dass es schwer wäre, das Einberufungsansinnen abzuschlagen, ohne zugleich hinsichtlich der gegenüber der Regierungsvorlage vorgebrachten Desiderien irgendein Zugeständnis zu machen. Deshalb müsse der Ministerpräsident den Finanzminister ersuchen, sich [jet]zt schon wenigstens im Allgemeinen darüber auszusprechen, ob von seiner Seite ein Entgegenkommen gegenüber den neuerlichen Desiderien Kärntens zu erwarten sei, damit das erforderliche Substrat gegeben werde, um sich klar zu machen, ob zur Einberufung zu schreiten sei oder nicht.

Der Finanzminister erklärt, dass er vorbehaltlich der Prüfung und Bestimmung hinsichtlich der Details nicht abgeneigt sei, für Kärnten noch ein mäßiges Plus zuzugestehen. Selbstverständlich denke er dabei nur an eine Erhöhung der bereits mit der Regierungsvorlage in Aussicht genommenen Hilfsposten, indem es ihm jetzt absolut unmöglich wäre, hinsichtlich der neuangeregten weitgehenden Hilfsaktionen irgendein Zugeständnis zu machen. Aber auch wenn er in eine mäßige Erhöhung der schon proponierten Posten eingehe, so könne er dies nur unter der Voraussetzung tun, dass von den Ministerien keine anderen Nachtragskredite mehr begehrt werden. Denn sonst sähe er sich in der ganzen Aktion für 1883 gestört, da er bei den gegenwärtigen schlechten Geldverhältnissen und wegen der reservierten, weil offenbar durch die andauernden Defizite eingeschüchterten Haltung des Geldmarktes die zur Abgangsbedeckung aufzunehmende Anlehenssumme auf ein möglichst geringes Maß beschränken und trachten wolle, so weit als es nur immer gehe, durch die Verwendung der Kassabestände aufzukommen4.

Mit Rücksicht auf diese Erklärung des Finanzministers sprechen sich sämtliche Minister [daf]ür aus, dass von der jetzigen [E]inberufung des Landtages abgesehen werde. Weiters wird infolge der Anregung des Ministers für Kultus und Unterricht, welcher der Ministerpräsident beitritt, in Aussicht genommen, nach der erfolgten Einigung über die jetzt noch zu machenden weiteren Zugeständnisse die Ablehnung der Einberufung in der Weise zu motivieren, dass erstlich auf diese Zugeständnisse, dann auf den ungünstigen Zeitpunkt für die begehrte Tagung und endlich darauf hingewiesen werde, dass die nach nunmehr geschehener Erfüllung der dringenden Desiderien noch bestehenden Hilfsabsichten auch der späteren ordentlichen Landtagssession vorbehalten bleiben können5.

II. Wegen Nichtsanktionierung des Gesetzentwurfes betreffend eine Bauordnung für Triest

II. ℹ️Sektionschef Freiherr v. Kubin referiert ferner über die Absicht des Ministerpräsidenten, die Nichtsanktionierung zu beantragen für den vom Triester Landtage beschlossenen Gesetzentwurf betreffend eine Bauordnung für Triest, nachdem der Entwurf in einer Reihe von Bestimmungen teils nicht sachgemäße, teils so unklare Anordnungen enthalte, dass es nach der übereinstimmenden Anschauung der Ministerien des Innern und der Justiz ganz untunlich wäre, denselben in dieser Gestalt zu genehmigen. Die Minister verzichten auf eine detaillierte Darlegung der Mängel des von den beiden Fachministerien geprüften Entwurfes und erklären zu dem Vorhaben des Ministerpräsidenten ihre Zustimmung6.

III. Frage der Ernennung von Herrenhausmitgliedern

[III.] ℹ️Der Ministerpräsident bringt zur Sprache die Frage der Ernennung von Herrenhausmitgliedern behufs der Ausfüllung der seit dem vorigen Jahre entstandenen Lücken7. Durch Ableben seien vier Mitglieder, darunter zwei Galizianer (Graf Krasicki und Baron Romaszkan8), in Abfall gekommen. Weiters sei auf ein Erscheinen des schwererkrankten Baron Hein nicht mehr zu rechnen9. Der Ministerpräsident glaubt, dass bei der geänderten Situation im Herrenhause für die jetzt vorzunehmenden Ernennungen als Gesichtspunkte anzunehmen wären: erstens, dass mit der Anzahl der Ernennungen nicht um vieles weiter gegangen werde, als die Zahl der entstandenen Lücken betrage, da es bei dem jetzigen Zustande einer gesicherten Regierungsmajorität nicht entsprechend wäre, die Opposition ohne Not zu reizen; zweitens, dass nicht gerade Männer gewählt werden, welche prononciert zur Parteirichtung der Rechten gehören, sondern, dass es genüge, solche zu ernennen, von denen man eben nur versichert sei, dass sie mit der Regierung gehen werden. Von diesen Gesichtspunkten ausgehend, glaube der Ministerpräsident, dass etwa sechs Persönlichkeiten zu ernennen sein dürften, wobei jedoch aus Galizien, obgleich zwei Galizianer in Abfall gekommen seien, nur eine Persönlichkeit zu nehmen wäre, weil sonst bei einer so geringen Anzahl von Ernennungen eine überwiegende Berücksichtigung Galiziens leicht Anstoß erregen könnte. Für die aus Galizien zu wählende Persönlichkeit wolle er sich insbesondere den Rat [der] beiden Minister aus Galizien erbitten, da er selbst keinen diesfälligen Kandidaten im Auge habe.

Von anderen Persönlichkeiten schlage er vor:

1. Sektionschef v. Czedik. Für denselben sei vor allem seine Fachqualität als Eisenbahnfachmann entscheidend. Czedik habe dem Ministerpräsidenten schriftlich die Versicherung gegeben, dass er nicht gegen die Regierung vorgehen werde10.

2. Präsident der Triester Handelskammer Reinelt. Derselbe würde ein Repräsentant des unbedingt loyalen Elementes von Triest und der Regierung vollkommen ergeben sein11.

3. Theodor Maria Freiherr v. Risenfels, Großkomtur des Deutschen Ordens, Gutsbesitzer. Der Ministerpräsident proponiere diese Persönlichkeit, welche für wirtschaftliche Fragen eine gute Akquisition wäre, insbesondere auch aus dem Grunde, um damit dem von Seite Sr. kaiserlichen Hoheit dem Herrn Erzherzog Wilhelm ihm (Ministerpräsidenten) schon seit längerer Zeit und wiederholt nahegelegten Wunsche zu entsprechen, ein Mitglied des Deutschen Ordens in das Herrenhaus zu berufen, woselbst dieser Orden jetzt gar nicht vertreten sei, während der Malteserorden zwei Mitglieder im Herrenhause habe12.

4. General der Kavallerie Graf Grünne13.

Es werden zunächst diese vier Vorschläge in spezielle Beratung gezogen. Bezüglich Czedik ergreift der Handelsminister das Wort, um die Nominierung dieser Persönlichkeit zu unterstützen. Der Handelsminister [bem]erkt, dass Czedik auch ihm [sc]hriftlich und mündlich die Zusicherung gemacht habe, in allen wichtigen Fragen mit der Regierung zu gehen und dass derselbe weiters erklärt habe, sich im Herrenhause keiner Partei anzuschließen und überhaupt jene Haltung beobachten zu wollen, welche der Handelsminister von ihm fordern werde. Nach alledem und insbesondere bei der in Händen der Regierung befindlichen schriftlichen Haltungserklärung könne der Minister nicht zweifeln, dass Czedik das versprochene Benehmen einhalten würde. In Rücksicht hierauf sowie in Anbetracht der fachmännischen Qualitäten Czediks, endlich, weil die Regierung Czedik in mancher Beziehung zum Danke verpflichtet sei, müsse er dessen Berufung wärmstens befürworten. Nachdem Czedik im Abgeordnetenhause füglich nicht mehr bleiben könne und auch nicht bleiben wolle, würde die Ernennung zum Herrenhausmitgliede seine Wünsche befriedigen und die Regierung gewänne eine Persönlichkeit, welche ihr im Herrenhause gute Dienste leisten könne14.

Minister Freiherr v. Pražák will nicht entgegentreten, muss aber bemerken, dass mit Czedik keineswegs eine verlässliche Persönlichkeit für das Herrenhaus gewonnen würde.

Minister Freiherr v. Ziemiałkowski erklärt sich für die Berufung Czediks wegen der fachmännischen Qualitäten desselben, nachdem es im Herrenhause an Eisenbahnfachmännern mangle.

Der Minister für Kultus und Unterricht glaubt auch, dass die Regierung mit Czedik keinen verlässlichen Partisan gewinnen würde, nachdem, wie aus [der] ganzen Laufbahn Czediks [h]ervorgehe, dessen Haupttriebfeder die Befriedigung des Ehrgeizes sei. Nichtsdestoweniger ist der Minister für den Vorschlag, weil Czedik ein Mann von vielen Kenntnissen sei und speziell in Eisenbahnfragen sowie auch in Schulfragen eine tüchtige Arbeitskraft abgeben könne.

Sonach erklärt sich der Ministerrat mit der Nominierung Czediks einverstanden.

Über Reinelt bemerkt der Handelsminister, dass derselbe zu jenen Persönlichkeiten zähle, welche vermöge ihrer eminent dynastischen Gesinnung immer mit der Regierung gehen, daher allerdings mit jeder Regierung. Das Ministerium würde also immer auf Reinelts Stimme rechnen können. Reinelt sei ein Kaufherr, welcher in Triest eine hervorragende Position einnehme, er sei ein echter kaufmännischer Aristokrat und ein vollkommen integrer Charakter. Jedenfalls würde Reinelt die Stelle im Herrenhause ebenso entsprechend ausfüllen, als dies seinerzeit durch Reyer15 aus Triest geschah.

Der Minister für Kultus und Unterricht kann nur mit aller Wärme diesen Vorschlag befürworten. Es gebe in Triest keine Persönlichkeit, welche so ungeteilte Achtung genieße wie Reinelt.

Der Ministerrat erklärt sich mit der Nominierung Reinelts einverstanden.

Bezüglich des Freiherrn v. Risenfels bemerkt der Handelsminister, dass derselbe ein sehr ehrenwerter und in landwirtschaftlichen [Frag]en bewanderter Mann sei. Der Gesinnung nach sei derselbe ultrakonservativ. Der Handelsminister hielte dessen Berufung für entsprechend.

Der Ministerpräsident möchte bezüglich des Freiherrn v. Risenfels vor dessen definitiver Beantragung sich noch vorbehalten, bei Sr. kaiserlichen Hoheit dem Herrn Erzherzoge Wilhelm anzufragen, ob Höchstderselbe mit der Berufung eben dieses Mitgliedes des Deutschen Ordens einverstanden sei.

Der Ministerrat erklärt sich unter dem Vorbehalte des bezüglichen Einverständnisses Sr. kaiserlichen Hoheit mit der Nominierung des Freiherrn v. Risenfels einverstanden.

Desgleichen erklärt sich der Ministerrat mit der Nominierung des Generals der Kavallerie Grafen Grünne einverstanden.

Somit erscheinen die Vorschläge des Ministerpräsidenten erschöpft.

Hinsichtlich einer weiteren Berufung an fünfter Stelle wird von den Ministern übereinstimmend die Notwendigkeit betont, einen geeigneten Juristen zu nominieren. Es werden in der bezüglichen Diskussion einige Namen genannt. Doch einigt man sich schließlich dahin, die Auswahl einer in diese Kategorie fallenden Persönlichkeit einer späteren Erwägung vorzubehalten.

Endlich gibt der Ministerpräsident zu erwägen, welche Persönlichkeit aus Galizien zu wählen wäre. Minister Freiherr v. Ziemiałkowski schlägt, ausgehend von [dem] Gesichtspunkte, dass es entsprechend wäre, einen auch für die Kommissionarbeiten verwendbaren Mann zu wählen, vor, aus Galizien den Gutsbesitzer Ritter v. Polanowski16 zu nehmen. Der Minister bemerkt, dass Polanowski aus einer seit 400 Jahren reich begüterten Familie stamme, sehr vermögend, Besitzer einer Musterwirtschaft auf seinem Familiengute sei, die allgemeine Achtung im Lande genieße und sich auch durch seine Wirksamkeit im Landtage, dann als Bezirksvertretungsobmann und durch Gründung von Schulen besondere Verdienste um das Land erworben habe. Polanowski würde insbesondere in landwirtschaftlichen Angelegenheiten, aber auch wegen seiner sonstigen Bildung und vermöge seiner Erfahrungen in anderen Fragen nützlich wirken können.

Der Ministerpräsident bemerkt, dass ihm auch der Gutsbesitzer Geheimrat Popiel17 bezeichnet worden sei. Minister Freiherr v. Ziemiałkowski bemerkt, dass Popiel eine sehr prononcierte Persönlichkeit sei.

Der Finanzminister bemerkt, dass er weder gegen die Wahl Polanowskis noch gegen die Popiels etwas einzuwenden hätte, da beide in ihrer Art ausgezeichnete Leute seien. Der Finanzminister wisse nur aus Äußerungen Popiels, dass es demselben damals, als er mit der Geheimratswürde ausgezeichnet wurde, lieber gewesen wäre, wenn er anstatt dessen in das Herrenhaus berufen worden wäre.

Der Ministerpräsident bemerkt ferner, dass er vom Reichsratspräsidenten Smolka dies[f]alls auch auf den Dr. Ritter v. Czajkowski18 mit dem Bedeuten aufmerksam gemacht worden sei, dass sich Czajkowski im Falle seiner Ernennung auch ganz in Wien niederlassen würde.

Minister Freiherr v. Ziemiałkowski und der Finanzminister bemerken übereinstimmend, dass Czajkowski jedenfalls viel unbedeutender als die beiden vorerwähnten Persönlichkeiten sei.

Nach weiterer kurzer Diskussion wird beschlossen, den Statthalter um seine Äußerung über Polanowski und Popiel hinsichtlich der eventuellen Berufung des einen oder des andern in das Herrenhaus mit dem ausdrücklichen Bedeuten zu befragen, dass jedenfalls nur eine dieser beiden Persönlichkeiten berufen werden könnte19.

IV. Erwirkung des Ritterkreuzes des Leopoldordens für den Titularhofrat Hermann Loebl

IV. ℹ️Der Ministerpräsident als Leiter des Ministeriums des Innern erbittet sich die Zustimmung des Ministerrates zu dem Vorhaben, für den Titularhofrat und Vorstand des Präsidialbüros bei der Statthalterei in Lemberg Hermann Loebl in Anerkennung seiner ausgezeichneten Dienstleistung das Ritterkreuz des Leopoldordens zu erwirken. Der Ministerpräsident bemerkt, dass die Angelegenheit schon im Februar l. J. angeregt wurde, dass er sie aber habe ruhen lassen, weil damals kurz vorher zwei andere Beamte der Statthalterei, Zaleski20 und Badeni21, ausgezeichnet wurden. Nun scheine der Zeitpunkt angemessen, um diesen verdienten Beamten, dessen Beförderung zum wirklichen Hofrate systemmäßig nicht möglich sei, [ein]e neuerliche Anerkennung zuzuwenden. Der Ministerrat erklärt seine Zustimmung22.

V. Erwirkung des Ritterkreuzes des Franz-Joseph-Ordens für den Staatsanwaltsubstituten Dr. Anton Schneider-Swoboda

V. ℹ️Der Leiter des Justizministeriums Minister Freiherr v. Pražák erbittet sich die Zustimmung des Ministerrates zu dem Vorhaben, für den Staatsanwaltsubstituten in Prag Dr. Anton Schneider-Swoboda in Anerkennung seiner vorzüglichen Verwendung und insbesondere seiner hervorragenden Tätigkeit bei den Sozialistenprozessen in Prag das Ritterkreuz des Franz-Joseph-Ordens zu erwirken. Der Ministerrat erklärt seine Zustimmung23.

VI. Wegen Ernennung des Fürsten Adolf Schwarzenberg zum Präsidenten des Beirates des Postsparkassenamtes

VI. ℹ️Der Handelsminister eröffnet seine Absicht, anlässlich des jetzt zu bestellenden Beirates des Postsparkassenamtes für die Ernennung zum Präsidenten dieses Beirates den Fürsten Adolph Schwarzenberg Sr. Majestät vorzuschlagen, nachdem sich Fürst Schwarzenberg ihm gegenüber zur Übernahme dieser Stelle bereiterklärt habe. Der Ministerrat erklärt sich mit dem Vorhaben des Handelsministeriums einverstanden24.

VII. Erwirkung des Ritterkreuzes des Leopoldordens für den Ministerialrat Karl Peyrer

VII. ℹ️Der Ackerbauminister erbittet sich die Zustimmung des Ministerrates zu dem Vorhaben für den eben jetzt sehr schwer krank darniederliegenden Ministerialrat im Ackerbaumi[nis]terium Carl Peyrer in Anerkennung seiner bereits 40-jährigen vorzüglichen Dienstleistung das Ritterkreuz des Leopoldordens zu erwirken und teilt aus dem Inhalte des diesfalls zu erstattenden au. Vortrages die wesentlichsten Verdienstmomente mit. Der Ministerrat erklärt seine Zustimmung25.

VIII. Au. Huldigung der Hochschule für Bodenkultur anlässlich des Jubiläums des Ah. Kaiserhauses

VIII. ℹ️Der Minister für Kultus und Unterricht erlaubt sich auf diesem Wege, zur Ah. Kenntnis Sr. k. u. k. apost. Majestät zu bringen den Ausdruck der au. Huldigung der Vertretung der Hochschule für Bodenkultur anlässlich des 600-jährigen Jubiläums des Ah. Kaiserhauses26.

IX. Erwirkung der Geheimen Ratswürde für den Fürsterzbischof Eder

IX. ℹ️Der Minister für Kultus und Unterricht erbittet sich die Zustimmung des Ministerrates zu dem Vorhaben, für den Fürsterzbischof von Salzburg Franz Albert Eder die Würde eines Geheimen Rates zu erwirken, eine Berücksichtigung, welche wegen der hohen kirchlichen Stellung sowie wegen des verdienstlichen Wirkens des Fürsterzbischofs gerechtfertigt erscheine. Der Ministerpräsident befürwortet das Antragsvorhaben, indem er überzeugt sei, dass eine solche Auszeichnung des Fürsterzbischofs in der ganzen Diözese freudigst begrüßt werden würde. Der Ministerrat erklärt seine Zustimmung27.

X. Erwirkung des Ritterkreuzes des Franz-Joseph-Ordens für den Advokaten Dr. Heinrich v. Billing

[X.] ℹ️Der Minister für Kultus und Unterricht erbittet sich die Zustimmung des Ministerrates zu dem Vorhaben, für den Advokaten Dr. Heinrich v. Billing in Wien in Anerkennung seiner durch Kunstförderung sowie durch Wirken auf dem Gebiete des Schulwesens erworbenen Verdienste das Ritterkreuz des Franz-Joseph-Ordens zu erwirken. Der Ministerrat erklärt seine Zustimmung28.

XI. Wegen Unterstellung der griechisch-orientalischen Kirchengemeinden in Wien unter die Metropolie Czernowitz

XI. ℹ️Der Minister für Kultus und Unterricht bringt zur Sprache die von ihm beabsichtigte Verfügung wegen Unterstellung der griechisch-orientalischen Kirchengemeinden in Wien unter den Metropoliten in Czernowitz. Der Minister erinnert, dass infolge des Ausgleiches die früher unter den Metropoliten in Karlowitz vereinigt gewesene griechisch-orientalische Kirche in Österreich insoferne getrennt wurde, als für die diesseitige Reichshälfte eine besondere Metropolie mit dem Sitze des Metropoliten in Czernowitz errichtet wurde29. Da bei dieser Gelegenheit der Unterstellung der eine besonders autonome Stellung genießenden griechisch-orientalischen Kirchengemeinden in Wien und Triest (je zwei Gemeinden in jeder dieser Städte) unter die neue Metropolie nicht ausdrücklich gedacht wurde, so sollen jetzt die diesbezüglichen Verfügungen und zwar zunächst für die beiden Wiener Gemeinden getroffen werden, weil für Triest noch weitere Erhebungen im Zuge seien.

[Minist]erialrat Ritter v. Gniewosz referiert und gibt zunächst eine kurze Darlegung der Privilegien der beiden griechisch-orientalischen Kirchengemeinden zur Heiligen Dreifaltigkeit und zum Heiligen Georg in Wien, woraus hervorgeht, dass den Gemeinden gestattet wurde, ihre Priester zu wählen und selbstständig die Verwaltung zu führen und dass sie nur gehalten wurden, dem Patriarchen (in Karlowitz) Gelegenheit zu bieten, die geistliche Jurisdiktion des Pfarrers anzuerkennen. Referent teilt mit, dass vom Metropoliten von Czernowitz die förmliche Unterstellung der Gemeinden unter die Metropolie aus kanonischen und kirchlich-hierarchischen Gründen beansprucht wurde. Infolgedessen wurden die Gemeinden einvernommen und erklärte sich die Gemeinde zur Heiligen Dreifaltigkeit für die Unterstellung gegen Wahrung ihrer sonstigen Autonomie, während die Gemeinde zum Heiligen Georg sich aufgrund ihrer Privilegien gegen jede Unterstellung verwahrte und auch geltend machte, dass sie vermöge derselben Rechtsbasis nicht verpflichtet werden könne, zu ihren Seelsorgern nur österreichische Staatsbürger zu bestellen.

Es sei jedoch klar, dass heutzutage nicht mehr jene Privilegien, sondern die Staatsgrundgesetze die Grundlage des rechtlichen Bestandes der fraglichen Kirchengemeinden bilden, woraus folgt, dass sich dieselben denjenigen Verfügungen fügen müssen, welche nach den bestehenden Gesetzen und Anordnungen für alle Bekenner der griechisch-orientalischen Kirche gelten. Darnach könne erstens die [Unt]erstellung unter die Metropolie Czernowitz in gleicher Weise, wie dieselbe gegenüber der früheren Metropolie in Karlowitz bestand, in einfacher Konsequenz der territorialen Ausscheidung angeordnet werden, weiters können aber auch die jetzigen Satzungen der fraglichen Kirchengemeinden hinsichtlich der Bestellung der Seelsorger und der Verwaltung der kirchlichen Angelegenheiten in Hinkunft nur insoweit aufrecht bleiben, als ihnen die allgemeinen geltenden Gesetze nicht entgegenstehen. Zu den nach diesen Grundsätzen zu treffenden Verfügungen beabsichtige der Minister für Kultus und Unterricht die Ah. Ermächtigung Sr. Majestät einzuholen.

Referent bemerkt schließlich, dass ein Einvernehmen mit Ungarn über diese Frage aus dem Grunde nicht mehr notwendig erscheint, weil bereits bei der Ausscheidung der griechisch-orientalischen Kirche der diesseitigen Länder aus der früheren gemeinsamen Metropolie in Übereinstimmung der beiderseitigen Regierungen das Territorialprinzip anerkannt wurde und in diesem Falle nur eine Konsequenz aus der bestehenden Vereinbarung gezogen werde.

Der Ministerrat erklärt sich mit dem vom Minister für Kultus und Unterricht beabsichtigten Vorgehen einverstanden30.

Ah. E. Ich habe den Inhalt dieses Protokolles zur Kenntnis genommen. Wien, am 20. Jänner 1883. Franz Joseph.