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Nr. 435 Ministerrat, Wien, 23. November 1882 – Protokoll I

RS.; P. Jaeger; VS. Taaffe; BdE. und anw. (Taaffe 23. 11.), Ziemiałkowski, Falkenhayn, Pražák, Conrad, Welsersheimb, Dunajewski, Pino; außerdem anw. Kubin.

KZ. 112 – MRZ. 91

Protokoll I des zu Wien am 23. November 1882 abgehaltenen Ministerrates unter dem Vorsitze Sr. Exzellenz des Herrn Ministerpräsidenten Grafen Taaffe.

I. Einbringung eines Gesetzentwurfes betreffend die Bewilligung eines Finanzprovisoriums für das erste Quartal 1883

I. ℹ️Der Finanzminister erbittet sich die Zustimmung des Ministerrates zu dem Vorhaben der Einbringung eines Gesetzentwurfes betreffend die [Fort]erhebung der Steuern und Abgaben und die Bestreitung des Staatsaufwandes in der Zeit vom 1. Jänner bis Ende März 1883.

Der Finanzminister wolle sich hiebei wie im Vorjahre lediglich auf das Finanzprovisorium beschränken und von der Erlangung der Ermächtigung zur Ausgabe von Tilgungsrente absehen, weil man in den ersten drei Monaten für die Zinsen auch aus der gewöhnlichen Gebarung aufkommen könne.

Der Ministerrat erklärt seine Zustimmung1.

II. Wegen Sanktionierung des vom mährischen Landtage beschlossenen Gesetzentwurfes betreffend Einquartierungserleichterungen

II. ℹ️Der Landesverteidigungsminister erbittet sich die Zustimmung des Ministerrates [zu d]er Erwirkung der Ah. Sanktion für den vom mährischen Landtage beschlossenen Gesetzentwurf, womit Bestimmungen zur Erleichterung der Militäreinquartierungslast in der Markgrafschaft Mähren getroffen werden2. Der Entwurf stehe zwar, indem derselbe die Einzelnbequartierung gegenüber der gemeinsamen Einquartierung begünstige, auf einem Standpunkte, welcher dem Geiste des Einquartierungsgesetzes nicht entspricht. Nichtsdestoweniger wolle er auf die Sanktionierung einraten, weil das Land anderseits durch Kasernenbau die gemeinsame Bequartierung zu fördern bestrebt sei.

Der Ministerrat erklärt seine Zustimmung3.

III. Bestreitung der wegen der Gendarmerievermehrung in Dalmatien erforderlichen Mehrauslagen für Gendarmeriebequartierung

III. ℹ️Der Landesverteidigungsminister bringt zur Sprache die Bestreitung der wegen der Gendarmerievermehrung in Dalmatien erforderlichen Mehrauslagen für die Gendarmeriebequartierung4. Vom Landesausschusse wird die geforderte Erhöhung des bezüglichen Bequartierungspauschales verweigert, wobei auch darauf hingewiesen wurde, dass die Gendarmierevermehrung nicht wegen der öffentlichen Sicherheit und Ordnung, sondern wegen der Durchführung des Wehrgesetzes erfolgt sei5. Infolgedessen beantrage der Statthalter, die fraglichen Kosten auf den Staat zu übernehmen. Der Minister könne auf diesen Antrag nicht eingehen, weil das Land verpflichtet sei, weil ein Abgehen Exemplifikationen veranlassen würde und weil [auc]h für Dalmatien sowohl be[zü]glich Gendarmeriekasernenbauten als auch in anderer Beziehung vom Reiche viel getan werde6. Deshalb beabsichtigt der Landesverteidigungsminister, an den Statthalter den aus der Anlage ersichtlichen Erlassa zu richten, bwelchen er zur Kenntnis des Ministerrates bringen zu sollen glaube, da er die Aufrechthaltung eines wichtigen Prinzipes betreffe, welche eventuell auch die Anwendung von Zwangsmitteln mit sich bringen könnteb .

Die Mitteilung des Landesverteidigungsministers wird zur Kenntnis genommen7.

IV. Frage der Einberufung der Landtage von Dalmatien und von Triest

IV. ℹ️Im Auftrage des Ministerpräsidenten referiert Sektionschef Freiherr v. Kubin über die Frage der Einberufung der Landtage von Dalmatien und von Triest8. Bezüglich Dalmatiens, wohin die Anfrage schon alternativ an [de]n Statthalter gestellt wurde, erklärte sich dieser dahin, dass die Einberufung heuer nicht notwendig sei. Demgemäß werde von der Einberufung des dalmatinischen Landtages für heuer abgesehen und seien mit Rücksicht hierauf die entsprechenden Verfügungen auch schon geschehen9.

Bezüglich Triests antwortete der Statthalter anfangs dahin, dass die Zeit während der Weihnachtsferien des Reichsrates entsprechend sei. Zu weiteren Erwägungen biete jedoch Anlass ein neuerlicher Bericht des Statthalters, in welchem derselbe mitteile, dass er die Landtagseinberufung nachträglich mit dem Podestà besprochen und dieser erklärt habe, dass keine Vorlagen vorhanden seien, dass jedoch, wenn der Landtag einberufen werden [sollte, die Zeit] während der Weih[nach]tsferien geeignet wäre. Darnach stelle sich die Sache so, dass auch für Triest heuer allenfalls von der Einberufung abgesehen werden könnte10.

Eine immerhin wichtige, wenngleich nicht absolut dringliche Vorlage würde sich ergeben können, wenn der in der letzten Session beratene, aber zur Ah. Sanktion nicht geeignete Entwurf einer Bauordnung für Triest wieder vorgelegt würde11. Die Sache sei allerdings vom Ministerium des Innern noch nicht erledigt, könnte jedoch bis zur fraglichen Zeit erledigt sein. Der Ministerpräsident beabsichtige daher, den Statthalter zu fragen, ob er glaube, dass wegen der Beratung dieser Vorlage der Landtag einzuberufen wäre. Widrigenfalls würde der Mini[sterpräsident vo]n der Einberufung für heuer absehen.

Der Handelsminister glaubt, dass, nachdem der Podestà selbst die Einberufung nicht wünsche wegen dieser Vorlage allein, die übrigens auch noch nicht parat sei und vielleicht bis zu den Weihnachtsferien noch nicht bereinigt sein könnte, die Einberufung nicht in Aussicht zu nehmen wäre.

Der Ministerrat erklärt sich mit der beabsichtigten Anfrage an den Statthalter einverstanden12.

V. Die Wünsche bezüglich der weiteren Hilfsaktion für Tirol

V. ℹ️Der Ministerpräsident bringt zur Sprache die Anträge und bzw. Desiderien des Tiroler Landesausschusses in Bezug auf die Hilfsaktion für Tirol13. Nachdem zur [] [Landes]ausschussvorlagen vom Landtage bereits ein Ausschuss eingesetzt wurde und der Statthalter um Weisungen für seine Haltung bitte14, so müsse jetzt die Regierung zu den Anträgen Stellung nehmen. Der Ministerpräsident proponiere zu diesem Behufe die Abhaltung einer Komiteeberatung und will heute dem Ministerrate nur in gedrängter Übersicht den Inhalt der Desiderien mitteilen.

Sektionschef Freiherr v. Kubin teilt mit, dass nach dem Berichte des Statthalters sowie nach der gedruckten Landesausschussvorlage die Intentionen folgende seien:

  • Der Landesausschuss erwartet, dass für Flussregulierungen und dringende Herstellungen Staatsbeiträge in der beiläufigen Summe von vier Millionen gewährt werden.
  • Zweitens werde die Gewährung von unverzinslichen Staatsvorschüssen an Gemeinden, Konkurrenzen und Private gegen Haftung des Landes in dem Betrage von drei Millionen gewünscht.
  • Endlich werde die Bitte auf Zuwendung einer weiteren sehr ausgiebigen, nicht zurückzuzahlenden Staatsaushilfe in Aussicht genommen. Nach dem Berichte des Statthalters gehe das diesfällige Desiderium dahin, ein weiteres Staatsgeschenk von fünf Millionen zu erbitten.
  • Sodann werde besonders für Forstbauten ein Staatsbeitrag von 100.000 fl. erwartet.
  • Es werden sonach Ansprüche auf eine weitere Leistung von zwölf Millionen seitens des Staates gemacht.
  • Außerdem wolle das Land selbst ein Landesanlehen im [Betrage v]on drei Millionen ma[che]n, welche beabsichtigte Akti[o]n in einem bereits vorliegenden Gesetzentwurfe des Landesausschusses präzisiert sei.

Über Antrag des Ministerpräsidenten wird beschlossen, dass die Angelegenheit in einem Ministerratskomitee bestehend aus dem Ministerpräsidenten, dem Ackerbauminister, dem Finanzminister und dem Handelsminister unter eventueller Beiziehung der betreffenden Referenten zu beraten und darüber dem Ministerrate Bericht zu erstatten sei15.

Ah. E. Ich habe den Inhalt dieses Protokolles zur Kenntnis genommen. Wien, am 11. Dezember 1882. Franz Joseph.