Nr. 432 Ministerrat, Wien, 9. November 1882
RS.Reinschrift; P. Jaeger; VS.Vorsitz Taaffe; BdE.Bestätigung der Einsicht und anw.anwesend (Taaffe 9. 11.), Ziemiałkowski, Falkenhayn, Pražák, Conrad, Welsersheimb, Dunajewski, Pino.
- I. Die Ausschreitungen durch Zusammenrottungen am Neubau in Wien.
- II. Vereinbarungen mit der Staatseisenbahn-Gesellschaft.
- III. Erwirkung des Ritterkreuzes des Franz-Joseph-Ordens für den bayerischen Bahninspektor Johann Pleninger.
- IV. Erwirkung des Ritterkreuzes des Franz-Joseph-Ordens für den Baurat Franz Hrubesch.
- V. Erwirkung des Ritterkreuzes des Leopoldordens für den Ministerialrat Anton Ritter v. Niebauer.
- VI. Erwirkung des Ritterkreuzes des Leopoldordens für den Ministerialrat Anton Ritter v. Rinaldini.
- VII. Wegen Sanktionierung des galizischen Landesgesetzentwurfes betreffend die Hebung der Fischerei und des Istrianer Landesgesetzentwurfes betreffend die Wildschonung.
- VIII. Wegen Nichtsanktionierung des vom Istrianer Landtage beschlossenen Gesetzentwurfes betreffend die Errichtung eines Landeskulturrates.
- IX. Entscheidungen des Reichsgerichtes betreffend die Errichtung eines böhmischen Privatgymnasiums in Troppau durch den Verein „Matice Opavská“ und betreffend den Religionsunterricht in den slawischen Gemeinden Unterthemenau und Bischofswerth.
- X. Wegen Ersparungen im Unterrichtsetat.
- I. Die Ausschreitungen durch Zusammenrottungen am Neubau in Wien
- II. Vereinbarungen mit der Staatseisenbahn-Gesellschaft
- III. Erwirkung des Ritterkreuzes des Franz-Joseph-Ordens für den bayerischen Bahninspektor Johann Pleninger
- IV. Erwirkung des Ritterkreuzes des Franz-Joseph-Ordens für den Baurat Franz Hrubesch
- V. Erwirkung des Ritterkreuzes des Leopoldordens für den Ministerialrat Anton Ritter v. Niebauer
- VI. Erwirkung des Ritterkreuzes des Leopoldordens für den Ministerialrat Anton Ritter v. Rinaldini
- VII. Wegen Sanktionierung des galizischen Landesgesetzentwurfes betreffend die Hebung der Fischerei und des Istrianer Landesgesetzentwurfes betreffend die Wildschonung
- VIII. Wegen Nichtsanktionierung des vom Istrianer Landtage beschlossenen Gesetzentwurfes betreffend die Errichtung eines Landeskulturrates
- IX. Entscheidungen des Reichsgerichtes betreffend die Errichtung eines böhmischen Privatgymnasiums in Troppau durch den Verein „Matice Opavská“ und betreffend den Religionsunterricht in den slawischen Gemeinden Unterthemenau und Bischofswerth
- X. Wegen Ersparungen im Unterrichtsetat
KZ. 107 – MRZ. 88
Protokoll des zu Wien am 9. November 1882 abgehaltenen Ministerrates unter dem Vorsitze Sr. Exzellenz des Herrn Ministerpräsidenten Grafen Taaffe.
I. Die Ausschreitungen durch Zusammenrottungen am Neubau in Wien
I. ℹ️Der Ministerpräsident bringt zur Sprache die in den letzten Tagen hier am Neubau und in der Kaiserstraße stattgehabten Ausschreitungen1. Den äußern An[l]ass zu den Zusammenrottungen gab ab die wegen Haltens verbotener Bücher und Zeitschriften erfolgte Schließung der Schuhmachergewerkschaft am Neubau2. Doch schien die Sache organisiert zu sein, da sich mitten in den Haufen anständig gekleidete Persönlichkeiten befanden und von Damen, welche in Einspännern angefahren kamen, Zigarren verteilt worden sein sollen, auch bemerkte man eine solche Gruppierung der Ansammlung, dass sich am Rande der Haufen gegenüber den einschreitenden Wachen ganz junge Leute und Frauenzimmer befanden.
In den ersten drei Tagen der sich wiederholenden abendlichen Ansammlungen sei man möglichst vorsichtig und schonend behufs der Zerstreuung vorgegangen. Am ersten Tage []rte nur die Sicherheitswa[c]he, am zweiten Tage kam auch Militärassistenz dazu, am dritten Abende blieben Wachen und Militär möglichst lange im Hintergrund, wartend, ob die Leute sich nicht selbst zerstreuen werden, und schritten erst spät ein. Schon gestern wurden seitens der Polizei Warnungsplakate veröffentlicht. Heute sollen noch schärfere Proklamationen erlassen werden3 und wurden zugleich die Behörden der Vororte zu entsprechendem Eingreifen behufs Warnung und Abhaltung aufgefordert4. Denn es sei notwendig, endlich mit aller Energie Stellung zu nehmen. Basiert darauf, dass die Leute gewarnt und auf die Folgen aufmerksam gemacht wurden, soll unter einem für heute auch eine größere Militärmacht konsigniert werden.
Von dem Erfolge der so für heute getroffenen Vorkehrungen soll das weitere Vorgehen abhängen. Träte noch nicht Ordnung ein, dann würde von morgen an jede Zusammenrottung mit dem verboten werden, dass die Aufrechterhaltung des Verbotes dem Militärkommandanten anheimgegeben werde, was dann das Einschreiten mit scharfen Waffen zur Folge hätte. Damit wäre man beim letzten Mittel der Ordnungsgewalt der Verwaltung angelangt. Nach Erschöpfung desselben träte an die Regierung die Aufgabe der Anordnung von Ausnahmsverfügungen heran.
Der Ministerpräsident glaubt übrigens nicht, dass es bis zum Äußersten kommen werde, sondern die heutigen Maß[nah]men bei einem energischen Zusammenwirken aller Organe ausreichen dürften, um der Sache ein Ende zu machen. Offenbar beabsichtigen die agitatorischen Elemente mit den Zusammenrottungen Beunruhigung und Angst in der Bevölkerung zu erregen und dürfte die Sache wohl auch im Konnexe mit der Wahlagitation gegen Dr. Kronawetter, den man von Seite seiner Gegner als Sozialisten hinstellte, gewesen sein5. Der Ministerpräsident habe heute einer Beratung unter Beiziehung des Statthalters, des Bürgermeisters und einiger Polizeiorgane beigewohnt6, wo über die nächsten Maßnahmen beratschlagt wurde. Jetzt greife die Sache noch nicht über die Aktion der Verwaltung hinaus. Von den nächsten Vorgängen werde es aber abhängen, ob zu weiteren politischen Maßnahmen der Regierung geschritten werden müsse oder nicht. Der Ministerpräsident habe jedoch geglaubt, die Lage vorläufig schon dem Ministerrate zur Kenntnis bringen zu sollen.
In der kurzen Diskussion, welche sich an diese Mitteilung knüpft, erklären sich die Minister übereinstimmend für eine rasche und energische Unterdrückung der Ausschreitungen nach dem Grundsatze principiis obsta und betonen zugleich die Notwendigkeit auch eines scharfen Vorgehens gegen jene Journale (insbesondere Neue Freie Presse und Tagblatt), welche gegenüber der Sache eine teils unziemliche, teils provokatorische Haltung einnehme7 und erklärt der Leiter des Justizministeriums, [dem S]taatsanwalte entsprechende [W]eisungen geben zu wollen8.
Sonach wird die Mitteilung des Ministerpräsidenten zur Kenntnis genommen9.
II. Vereinbarungen mit der Staatseisenbahn-Gesellschaft
II. ℹ️Der Handelsminister macht Mitteilung über das Resultat der mit der Staatseisenbahn-Gesellschaft gepflogenen Verhandlungen bezüglich der von uns gestellten Bedingungen der Mitwirkung zur Perfektion des von der Gesellschaft mit der ungarischen Regierung über die künftigen gegenseitigen Beziehungen abgeschlossenen Präliminarvertrages10. Nach den in der Ministerkonferenz vom 1. Juni l. J. diesfalls beschlossenen Gesichtspunkten wurden an die Gesellschaft als Be[dingung] unseres E[inge]hens wesentlich vier Forderungen gestellt11:
1. Verzichtleistung auf die Staatsgarantie oder mindestens ein Zugeständnis hinsichtlich der Verminderung derselben;
2. die Zugestehung des Einlösungsrechtes hinsichtlich der diesseitigen Linien der Bahn schon vom Jahre 1895, also von jenem Zeitpunkte an, von welchem an es der ungarischen Regierung hinsichtlich der dortseitigen Linien zugestanden wurde;
3. Zugestehung von tarifarischen Begünstigungen im Interesse der diesseitigen Verkehrsverhältnisse;
4. eine Abänderung des Artikels 7 der Konzessionsurkunde dahin, dass in Zukunft nicht mehr sowohl Inländer als Ausländer, sondern nur Inländer (Staatsbürger der beiden Ländergebiete der Monarchie) im exekutiven [Eisenba]hndienste der Gesellschaft [sol]lten verwendet werden können.
Das Resultat der nunmehr mit der Staatseisenbahn-Gesellschaft hierüber gepflogenen Verhandlungen sei derart, dass allen Forderungspunkten mit Ausnahme eines einzigen in Wesenheit entsprochen wurde und außerdem noch anderweitige Vorteile erreicht wurden12. Hinsichtlich der Garantiefrage wurde ein Verrechnungsmodus erzielt, wornach sich die aktuelle Garantie um rund 30.000 fl. verringern dürfte. Das Einlösungsrecht wurde ganz nach dem Begehren zugestanden. Zugleich erklärte sich die Gesellschaft zur Intabulierung aller Anlehen auf sämtlichen Linien bereit. Den Anforderungen in tarifarischer Beziehung wurde von der Gesellschaft zugestimmt und werde [in der Sum]me solche [R]ege[lung] der Verhältnisse eintreten, dass ein Konkurrenzkampf mit den diesseitigen staatlichen Linien nicht stattfinde. Eine weitere Errungenschaft von besonderer Wichtigkeit sei, dass sich die Gesellschaft verpflichtete, die mährische Transversalbahn13 auf eigene Kosten, und ohne eine Beitragsleistung des Staates hiezu, auszubauen. Das von der Staatsbahn-Gesellschaft dagegen verlangte Zugeständnis der Konzessionierung einiger Sekundärbahnen14 könne umso leichter gewährt werden, als es nur vorteilhaft sei, wenn solche Konzessionen von größeren Bahnen erworben werden.
Was hingegen den Punkt der Abänderung des Artikels 7 der Konzessionsurkunde anbelange, so wollte die Gesellschaft unter keiner Bedingung darauf, und überhaupt nicht in eine Ände[rung de]r Bestimmung hinsichtlich [der] Staatsbürgerschaft der Beamten der Bahn, eingehen. Es wurde hervorgehoben, dass sich die Gesellschaft diesfalls auch der ungarischen Regierung gegenüber (welche, weiter gehend als wir, nur ungarische Staatsbürger angestellt wissen wollte) abwehrend verhalten habe, dass es unbillig wäre, einem französischen Konsortium, welches die Mehrzahl der Aktien besitze, zu verwehren, auch französische Beamte anzustellen, dass endlich tatsächlich die große Mehrzahl der Beamten Österreicher und nur eine geringe Anzahl Ausländer seien und es sich daher eigentlich nur darum handle, einige der leitenden Posten mit Ausländern besetzt zu behalten. Auch wurde von der Gesellschaft gegen die Forderung formell eingewendet, dass es sich bei den ganzen Ver[handlungen] nur [um] Statutenänderungen handle, während die Erfüllung der fraglichen Forderung eine Änderung der Konzessionsurkunde vom Jahre 1855 erheischte15.
Der Handelsminister betont, dass die Gesellschaft lieber vom ganzen Übereinkommen abstehen, als in die Änderung des Artikels 7 eingehen würde. Nun müsse er aber hervorheben, dass die sonstigen in materieller Beziehung gewährten Zugeständnisse der Bahn sehr wertvoll und wichtig seien und dass ferner auch die ungarische Regierung das Zustandekommen der diesseitigen Vereinbarung wünsche, um zur Perfektionierung des ungarischen Präliminarvertrages kommen zu können. Unter diesen Umständen und nachdem die Sache so stehe, dass es gelte, entweder auf die Forderung der Abänderung des Arti[kels 7] der Konzessionsurkunde [ode]r auf das ganze Übereinkommen mit der Bahngesellschaft zu verzichten, erbitte er sich die Entscheidung des Ministerrates. Der Handelsminister macht andererseits in Hinsicht auf die Bestimmung des Artikels 7 aufmerksam, dass im Reichsrate eine Interpellation eingebracht wurde, womit die Regierung aufgefordert wird, auf die Beseitigung der Anomalie, dass eine wichtige Bahn von Ausländern dirigiert werde, hinzuwirken16.
Der Ministerpräsident glaubt, dass man bei der allfälligen Beantwortung der fraglichen Interpellation wohl füglich darauf hinweisen könnte, dass es sich bei der Frage um ein bereits im Jahre 1855 gewährtes Zugeständnis handle17 und dass bei den jüngsten Verhandlungen []gesellschaft []fe nur die Statutenänderung betrafen, sich kein Anlass zu einer Abänderung der Konzessionsurkunde ergab.
Der Finanzminister betont den Wert der durch die übrigen Zugeständnisse erlangten Vorteile und bemerkt, dass die Forderung auf Abänderung des Artikels 7 der Konzessionsurkunde zwar prinzipiell gut sei, dass jedoch praktisch aus der Zulassung von Ausländern kein Schaden erwachse, zumal die Regierung in entscheidenden Momenten, wie im Falle eines Krieges, bedenkliche Bahnbedienstete entfernen könne.
Der Ministerrat beschließt, dass in Anbetracht der durch die materiellen Zugeständnisse der Bahngesellschaft gewährten Vorteile in das Übereinkommen [unt]er Verzicht auf die Forderung der Abänderung des Artikels 7 der Konzessionsurkunde einzugehen sei, jedoch mit dem, dass sich die Gesellschaft noch durch eine besondere Klausel verpflichtet, für den Fall der Gewährung eines die Abänderung des Artikels 7 betreffenden Zugeständnisses an Ungarn dasselbe Zugeständnis auch hierseits zu gewähren18.
Der Handelsminister bemerkt schließlich, dass weder zu dem Übereinkommen, indem der Staat dabei kein Opfer bringe, sondern nur Vorteile erreiche, noch auch zur Statutenänderung behufs der Herstellung der dualistischen Organisation der Gesellschaft die Ingerenz des Reichsrates erforderlich sei. Gegen die proponierte Reorganisation bestehe vom Standpunkte des Handelsministeriums kein Bedenken mehr19.
III. Erwirkung des Ritterkreuzes des Franz-Joseph-Ordens für den bayerischen Bahninspektor Johann Pleninger
[III.] ℹ️Der Handelsminister erbittet sich die Zustimmung des Ministerrates zu dem Vorhaben, im Wege des Ministeriums des Äußern für den kgl. bayerischen Bahninspektor in Kufstein, Johann Pleninger, in Rücksicht auf dessen entgegenkommendes, das Interesse des Grenzverkehres auf der Station Kufstein förderndes Benehmen das Ritterkreuz des Franz-Joseph-Ordens zu erwirken. Der Ministerrat erklärt seine Zustimmung20.
IV. Erwirkung des Ritterkreuzes des Franz-Joseph-Ordens für den Baurat Franz Hrubesch
IV. ℹ️Der Ministerpräsident als Leiter des Ministeriums des Innern erbittet sich die Zustimmung des Ministerrates zu dem Vorhaben, für den Baurat bei der niederösterreichischen Statthalterei, Franz Hrubesch, [anlä]sslich seiner Pensionierung in Anerkennung seiner mehr als 40-jährigen Dienstleistung das Ritterkreuz des Franz-Joseph-Ordens zu erwirken. Der Ministerrat erklärt seine Zustimmung21.
V. Erwirkung des Ritterkreuzes des Leopoldordens für den Ministerialrat Anton Ritter v. Niebauer
V. ℹ️Der Finanzminister erbittet sich die Zustimmung des Ministerrates zu dem Vorhaben, für den Ministerialrat im Finanzministerium, Anton Ritter v. Niebauer, das Ritterkreuz des Leopoldordens zu erwirken. Der Minister hebt hervor, dass Niebauer zugleich die wichtigen Funktionen eines Regierungskommissärs bei der Oesterreichisch-ungarischen Bank und eines lf. Kommissärs an der Wiener Börse ausübe, dass derselbe im Referate des Münz- und Kreditwesens eine sehr anerkennungswürdige Tätigkeit entwickle und sich als Vertreter Österreichs an der internationalen Münzkonferenz ausgezeichnet habe. Der Ministerpräsident befürwortet den Antrag des Finanzministers. Der Ministerrat erklärt seine Zustimmung22.
VI. Erwirkung des Ritterkreuzes des Leopoldordens für den Ministerialrat Anton Ritter v. Rinaldini
VI. ℹ️Der Ackerbauminister erbittet sich die Zustimmung des Ministerrates zu dem Vorhaben, für den Ministerialrat im Ackerbauministerium, Anton Ritter v. Rinaldini, in Anerkennung seiner ausgezeichneten Dienstleistung und insbesondere seines vorzüglichen [Wir]kens als Referent in Gesetz[ge]bungsangelegenheiten das Ritterkreuz des Leopoldordens zu erwirken. Der Ministerrat erklärt seine Zustimmung23.
VII. Wegen Sanktionierung des galizischen Landesgesetzentwurfes betreffend die Hebung der Fischerei und des Istrianer Landesgesetzentwurfes betreffend die Wildschonung
VII. ℹ️Der Ackerbauminister erbittet sich und erhält die Zustimmung des Ministerrates behufs der Erwirkung der Ah. Sanktion für den ℹ️vom galizischen Landtage in vollkommener Übereinstimmung mit der Regierungsvorlage beschlossenen Gesetzentwurf betreffend einige Maßregeln zur Hebung der Fischerei in den Binnengewässern24 und für den ℹ️vom Istrianer Landtage in wesentlicher Übereinstimmung mit der Regierungsvorlage beschlossenen Gesetzentwurf [bet]reffend die Schon[ung] des Wildes25.
VIII. Wegen Nichtsanktionierung des vom Istrianer Landtage beschlossenen Gesetzentwurfes betreffend die Errichtung eines Landeskulturrates
VIII. ℹ️Der Ackerbauminister beabsichtigt, in Übereinstimmung mit dem Antrage des Statthalters die Nichtsanktionierung des vom Istrianer Landtage in wesentlicher Abänderung der diesfälligen Regierungsvorlage beschlossenen Gesetzentwurfes betreffend die Errichtung von Bezirksgenossenschaften der Landwirte und eines Landeskulturrates au. zu beantragen, und zwar könne er in die Genehmigung deshalb nicht einraten, weil die Änderungen des Landtages die Tendenz verfolgen, den Einfluss der Staatsverwaltung auf die Zusammensetzung und die Gebarung der zu bildenden Organismen in [so w]eitgehender Weise einzu[sc]hränken. Der Ministerrat erklärt seine Zustimmung26.
IX. Entscheidungen des Reichsgerichtes betreffend die Errichtung eines böhmischen Privatgymnasiums in Troppau durch den Verein „Matice Opavská“ und betreffend den Religionsunterricht in den slawischen Gemeinden Unterthemenau und Bischofswerth
IX. ℹ️Der Minister für Kultus und Unterricht bringt zur Kenntnis des Ministerrates zwei Entscheidungen des Reichsgerichtes, welche das Ministerium für Kultus und Unterricht betreffen und bei welchem dieses sachfällig wurde. Die eine Entscheidung erfloss über eine Beschwerde des Vereines „Matice Opavská“ in Troppau gegen die Abweisung des Gesuches derselben um die Be[w]illigung zur Errichtung eines Privatuntergymnasiums mit böhmischer Unterrichtssprache in Troppau27. Gegen die Erteilung der Bewilligung haben sich der Landesschulrat, der Landesausschuss und die Stadtvertretung von Troppau erklärt28. Vom Ministerium wurde das Gesuch im Grunde der kaiserlichen Verordnung vom 27. Juni 1850, RGBl. Nr. 30929, abgewiesen, „weil Troppau nicht die geeignete Stadt zur Errichtung einer solchen Anstalt sei und weil die Barschaft des Vereines zur Errichtung einer solchen Anstalt nicht als ausreichend befunden wurde“30.
Das Reichsgericht erkannte aber, dass durch die Entscheidung des Ministeriums ein staatsgrundgesetzlich gewährleistetes Recht verletzt worden sei. In den Entscheidungsgründen werde gesagt, dass das Motiv des Ministeriums, dass Troppau nicht die geeignete Stadt zu einer solchen Errichtung sei, unstichhältig sei, da das [Gesetz] die Beobachtung einer [ör]tlichen Rücksicht nicht vorschreibe. Hinsichtlich der Mittel aber sage das Reichsgericht, dass es aus dem Präliminare des Vereines die Überzeugung gewonnen habe, dass dessen materielle Mittel zu diesem Zwecke auf mindestens vier Jahre aller Wahrscheinlichkeit nach ausreichen werden. Endlich sage das Reichsgericht, dass das Ministerium nach § 11 der kaiserlichen Verordnung vom 27. Juni 1850 für das Gedeihen von Privatlehranstalten keine Bürgschaft übernehme.
Der Minister wolle gelten lassen, dass das hinsichtlich der Örtlichkeit (Troppau) gebrauchte Motiv nicht haltbar sei. Hingegen müsse er betonen, dass die Beurteilung der Frage, ob die vorhandenen Mittel ausreichend seien, gewiss nicht einen Gegenstand der Rechtsentscheidung des Reichsgerichtes [bi]lden könne, sondern Sache der administrativen Erwägung der Behörden sei. Ferner sei es unrichtig, dass die Behörde für solche Schulen, wenn sie Mittelschulen sind, keine Bürgschaft übernehme, indem der zitierte § 11 sich eben nicht auf Mittelschulen beziehe31.
Die zweite Entscheidung erfloss über eine Beschwerde der Gemeinden Unterthemenau und Bischofswerth in Niederösterreich gegen einen Ministerialerlass wegen der Sprache der Erteilung des Religionsunterrichtes in den Volksschulen dieser Gemeinden32. Nachdem durch eine Entscheidung des Reichsgerichtes im Jahre 1877 entschieden worden war, dass in den Gemeinden Ober- und Unterthemenau und Bischofswerth die slawische Sprache als landesüblich zu gelten habe33, [wurde] gleichwohl mit den be[tr]effenden Gemeinden ein Lehrplan vereinbart, wornach neben der slawischen auch die deutsche Sprache als Unterrichtssprache angeordnet wird. Nachdem bezüglich des Religionsunterrichtes eine ausdrückliche diesfällige Vereinbarung nicht getroffen war, so ordnete später das Ministerium infolge erhobener Einwände hinsichtlich zweier der fraglichen Gemeinden an, dass der Religionsunterricht als ein integrierender Bestandteil des Volksunterrichtes wie dieser zu behandeln sei34.
Diese Entscheidung wurde vom Reichsgerichte verworfen. Nachdem die aus dem Erkenntnisse des Reichsgerichtes zu ziehende Konsequenz der Erteilung des Religionsunterrichtes in böhmischer Sprache mit dem bereits an den bezüglichen [Sch]ulen bestehenden Zustan[d]e übereinstimme, so liege an der Sache nicht viel daran.
Der Minister habe geglaubt, diese Mitteilungen machen zu sollen, weil die Erkenntnisse des Reichsgerichtes Staub aufwirbeln dürften35.
X. Wegen Ersparungen im Unterrichtsetat
X. ℹ️Der Ministerpräsident kommt auf die in den letzten Ministerkonferenzen wiederholt erörterten Ersparungen im Unterrichtsetat zurück36 und glaubt, dass es entsprechend wäre, wenn der Minister für Kultus und Unterricht sich schon jetzt mit der Frage der aufzulassenden Mittelschulen und vielleicht auch mit der Frage der Auflassung der Hochschule für Bodenkultur beschäftigte37.
Minister Freiherr v. Pražák be[mer]kt, dass man in Deutschland [ü]ber die Frage gestritten habe, ob der land- und forstwirtschaftliche Unterricht besser an Akademien oder an Hochschulen zu erteilen sei. Es scheine, dass man sich jetzt mehr dem Hochschulunterrichte zuneige. Nirgends sei man jedoch auf den Gedanken gekommen, eine besondere Hochschule für Bodenkultur zu errichten. An Hochschulen sei ohnehin für die meisten einschlägigen Fächer vorgesorgt und braucht man höchstens für noch fehlende Doktrinen Lehrkanzeln zu errichten.
Der Finanzminister bestätigt die Darlegung des Vorredners. Man habe sich für die Erlernung der theoretischen Fächer an der ordentlichen Hochschule und dahin erklärt, dass für allfällige Spezialkurse Akademien bestehen können. Eine besondere Hochschule für [Bod]enkultur sei jedenfalls [über]flüssig. Auch passe die Charakterisierung als Hochschule hier ebenso wenig als bei den technischen Lehranstalten, da nur der Universitas litterarum die Bezeichnung und Stellung als Hochschule gebühre. Der Finanzminister macht ferner aufmerksam auf den Überfluss an technischen Anstalten und auf die Überflüssigkeit der medizinischen Fakultäten in Innsbruck und Graz, für so lange, als man für die medizinische Fakultät in Wien nicht einen Numerus clausus einführta .
Minister Freiherr v. Ziemiałkowski macht aufmerksam auf das St.-Barbara-Konvikt in Wien, wo jeder Zögling auf 760 fl. zu stehen komme, während die Alumnen ebenso im Lemberger Alumnate Ausbildung erhalten können, wo ein Zögling nur 180 fl. koste.
Der Minister für Kultus [u]nd Unterricht bemerkt, dass er sich im Ganzen schon mit den Reduzierungen beschäftige, weist hinsichtlich der Hochschule für Bodenkultur auf den bereits wiederholt angedeuteten Weg der Einführung von Staatsprüfungen hin, bemerkt aber, dass an die Aufhebung von technischen Hochschulen man wohl nicht so leicht dürfte schreiten können38.
Wien, am 9. November 1882. Taaffe.
Ah. E.Allerhöchste Entschließung Ich habe den Inhalt dieses Protokolles zur Kenntnis genommen. Wien, am 11. Dezember 1882. Franz Joseph.