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Nr. 431 Ministerrat, Wien, 4. November 1882

RS.; P. Jaeger; VS. Kaiser; BdE. und anw. Taaffe (4. 11.), Ziemiałkowski, Falkenhayn, Pražák, Conrad, Welsersheimb, Dunajewski, Pino.

KZ. 109 – MRZ. 87

Protokoll des zu Wien am 4. November 1882 abgehaltenen Ministerrates unter dem Ah. Vorsitze Sr. Majestät des Kaisers.

I. Frage der Hilfeleistung für Tirol

I. ℹ️Se. k. u. k. apost. Majestät geruhen, die Unglücksfälle in Tirol zur Sprache zu bringen1. Se. Majestät haben aus den Ministerratsprotokollen ersehen, dass außer den Vorkehrungen für jetzt noch weitere Hilfsmaßnahmen für die Zukunft im Vereine mit dem Lande in Aussicht genommen wurden. Se. Majestät erachten, dass jedenfalls eine größere Aktion notwendig sein werde, damit ähnlichen Kalamitäten für die Zukunft vorgebeugt werden könne. Se. Majestät geruhen zu fragen, ob wegen der Herstellungen bereits Studien eingeleitet wurden.

Der Ministerpräsident bemerkt, dass zwei höhere Baubeamte schon zur Vornahme von Studien abgeordnet wurden2. Einen umfassenden Plan für die erforderlichen Schutzbauten könne man jetzt noch nicht []ßen. Zunächst werde es gelten, auf das Allernotwendigste das Augenmerk zu richten und eine Überschau über jene zerstörten Objekte zu erhalten, für deren Herstellung ohne Rücksicht auf die Konkurrenzqualität durch die Mittel des Landes im Vereine mit Beiträgen und Vorschüssen des Reiches gesorgt werden soll.

Se. Majestät geruhen zu bemerken, dass das Dringendste die Herstellung der Kommunikationen sei, wofür man ohne Rücksicht auf die spezielle Konkurrenzpflicht aus den Gesamtmitteln werde aufkommen müssen.

Se. Majestät geruhen ferner die Frage der Unterstützung jener zu berühren, welche durch die Überschwemmung ihr Hab und Gut verlo[r]en haben, deren Grundstücke durch Gerölle völlig verschüttet wurden. Der Ministerpräsident glaubt, dass die bereits gewährten Hilfsgelder sowie die Eingänge aus den Sammlungen die für die Unterstützungen erforderlichen Mittel darbieten dürften. Der Ministerpräsident habe übrigens Einleitungen veranlasst, um die Sammlungen etwas mehr zu beleben3.

Se. Majestät geruhen zu bemerken, dass es notwendig sein werde, vorher schon ein möglichst bestimmtes Programm der Aktion, welche der Tiroler Landtag zustande bringen soll, festgestellt zu haben, weil sich sonst der Landtag leicht in allgemeine Ideen verlieren könnte. [Der] Ministerpräsident bemerkt, dass schon anlässlich der hinsichtlich der bezüglichen Aktion des Landtages im Ministerrate gepflogenen Beratung dem Statthalter bedeutet wurde, sich mit dem Landeshauptmanne wegen der Einhaltung des besprochenen Planes ins Einvernehmen zu setzen4.

Se. Majestät sehen also sonach voraus, dass der Landesausschuss schon die entsprechenden Vorlagen machen werde. Doch müssten sich die Verhandlungen des Landtages auf den Gegenstand der Katastrophe beschränken und auch darüber sich nicht allzu sehr ausdehnen. Der Ministerpräsident bemerkt, dass man nach der Verfassung nicht in der Lage sei, den Landtag nur für eine bestimmte Aufgabe unter ausdrücklicher Zweck[s]etzung einzuberufen. Indessen sei es in den bisherigen Fällen, wo die Einberufung tatsächlich nur wegen der Erledigung einer bestimmten Frage geschah, durch Vermittlung des Landeschefs stets gelungen, den außerordentlichen Landtag auf die betreffende Angelegenheit zu beschränken. Beim Tiroler Landtag dürfte dies sicherlich auch gelingen und glaube der Ministerpräsident, dass der Landtag in acht Tagen fertig werden könne. Die Einberufung hätte nach Schluss der Delegationen zu geschehen und könnte sodann die Angelegenheit gleich vor den Reichsrat gebracht werden5.

Se. Majestät geruhen zu bemerken, dass die größere Arbeit allerdings erst im [Früh]jahr kommen werde. Der Ackerbauminister bemerkt, dass im Frühjahr noch eine Reihe von Schäden als Folge der jetzigen Ereignisse nachkommen dürfte. Der Minister habe die Statthalterei beauftragt, die alten Projekte über Forstschutzbauten, welche wegen Mangel an Mitteln zur Ausführung zurückgelegt wurden, jetzt wieder hervorzuheben, und beabsichtige er im Frühjahr einen Forsttechniker behufs der bezüglichen Studien nach Tirol zu senden. Die Unglücksfälle weisen zugleich auf die Dringlichkeit einer Organisation der Forstschutzorgane hin, worüber er mit einer Vorlage an den Reichsrat zu kommen gedenke. Freilich gelte es dabei auch, die Finanzen in Anspruch zu nehmen6.

ℹ️Se. Majestät geruhen, die beabsichtigten Auswanderungen aus Südtirol nach Bosnien zu berühren und zu betonen, dass in diesem Falle das Einvernehmen mit dem Reichsfinanzministerium zu pflegen sein würde. Denn die Sache dürfte sich wegen der komplizierten Besitzverhältnisse schwierig gestalten. Gewiss erhielte aber Bosnien mit diesem Zufluss sehr schätzenswerte Elemente. Der Ministerpräsident glaubt, dass die Leute vielleicht vorläufig als Arbeiter nach Bosnien gehen könnten, bis sich entsprechende Niederlassungsgelegenheiten ergeben. Übrigens werde es jetzt auch in Tirol selbst bei den Herstellungsbauten für die Leute Arbeit geben7.

ℹ️Se. Majestät geruhen, die Grundsteuerfrage und die Agi[t]ation wegen einer vor der endlichen Feststellung des Grundsteueroperates für Tirol vorzunehmenden Grundsteuerrevision zu berühren. Der Finanzminister bemerkt, dass es unbegründet und zugleich wegen der Rückwirkungen auf andere Länder untunlich wäre, den Abschluss des Grundsteuerwerkes zu suspendieren. Hinsichtlich der vernichteten Grundstücke werde ohne[hin] die Steuer abgeschrieben und was die Bonitätsalterierungen anbelange, so werde man allenfalls nach gewonnener Übersicht im nächsten Jahre mittelst eines Spezialgesetzes über die Revision des Katasters in Tirol helfen können8.

ℹ️Se. Majestät geruhen, die Angelegenheit der zeitweisen Aufhebung des Getreidezolles für Südtirol zur Erwähnung zu bringen und zu fragen, womit von Seite Ungarns die bisherige ablehnende Haltung motiviert werde9. Der Handelsminister bemerkt, man weise darauf hin, dass die Kalamität in dieser Beziehung doch nicht so groß sein dürfte und dass wohl auch vom Norden herein, wenn auch nicht durchwegs per Bahn, Getreide zugeführt werden könnte. Der Handelsminister hoffe übrigens, dass nunmehr, nachdem er die beantragte Einfuhrmenge gegenüber früher auf die Hälfte reduziert habe, die ungarische Zustimmung doch erfolgen dürfte. [D]er Finanzminister bemerkt, dass die ablehnende Haltung in gewisser Beziehung wohl begründet sei, indem nämlich von derlei Begünstigungen häufig nur die Händler profitieren, während die Konsumenten nach wie vor die hohen Preise bezahlen. Der Handelsminister muss betonen, dass die Kalamität eine wirklich außerordentlich große sei und dass in einem solchen Momente schon der Kontrast gegenüber der bis unlängst bestandenen Zollfreiheit empfindlich berühre. Es erschiene also auch schon des Eindruckes wegen unter diesen Umständen die Maßregel höchst wünschenswert. Se. Majestät wollen trachten, den ungarischen Ministerpräsidenten zur Zustimmung zu veranlassen10.

II. Das Promemoria des Ackerbauministers über Dalmatien

[II.] ℹ️Se. Majestät geruhen, zur Sprache zu bringen das vom Ackerbauminister dem Ministerrate vorgelegte Promemoria über die vom Ackerbauminister während seiner Reise durch Dalmatien empfangenen Eindrücke und gemachten Wahrnehmungen11. Se. Majestät empfehlen das Schriftstück der Aufmerksamkeit der übrigen Minister, wünschend, dass den darin niedergelegten Desiderien nach Möglichkeit Rechnung getragen werden möge. ℹ️Es seien ungefähr dieselben Wahrnehmungen, welche schon von Sr. Majestät bei der Reise durch Dalmatien gemacht wurden12 und hinsichtlich welcher damals wenig behufs Abhilfe geschehen sei. Se. Majestät hoffen daher, dass jetzt mehr getan werde. Auch erwarten Se. Majestät, dass der jetzige Statthalter besser und energischer eingreifen werde. Se. Majestät geruhen zu bemerken, dass die Straßen in Dalmatien gut und in reichlicher Anzahl vorhanden seien. Der Ackerbauminister hebt hervor, dass bezüglich der Straßen noch auf den Inseln etwas geschehen müsste, damit die Leute ihre Produkte leichter bis an das Meeresufer transportieren können.

Auf die Ah. Bemerkung Sr. Majestät, dass hiefür wohl nicht der Staat sorgen könne, erwidert der Ackerbauminister, dass es erwünscht wäre, wenn wenigstens bei der Trassierung seitens des Staates geholfen würde.

Se. Majestät geruhen, als besonders wichtig zu betonen das auch im Promemoria des Ackerbauministers erwähnte Moment, dass Beamte aus anderen Kron[lä]n[dern] nach Dalmatien gesendet werden. Zugleich weisen Se. Majestät darauf hin, dass die Justizbranche keineswegs gut bestellt sei13. Der Leiter des Justizministeriums Minister Freiherr v. Pražák bemerkt, dass unter den jüngeren Leuten hoffnungsvolle Elemente heranwachsen. Se. Majestät finden jedoch diese Elemente wenig diszipliniert.

Se. Majestät geruhen die Wucherfrage in Dalmatien zu berühren. Der Leiter des Justizministeriums Minister Freiherr v. Pražák bemerkt, dass der Grund des beklagten Wuchers in den Besitzverhältnissen liege. Die Besitzer bewuchern die Kolonen. Gründlich werde man diesen Zuständen nur durch eine Lösung der agra[rische]n Frage beikommen können. Das Wuchergesetz14 könnte allerdings helfen. Aber bei den obwaltenden Umständen werden die Fälle nicht leicht zur Anzeige gebracht. Er wolle übrigens die Staatsanwaltschaften zu entsprechendem strengen Einschreiten anweisen15.

Se. Majestät geruhen, ferner das Desiderium wegen der Einführung des Tabakbaues in Dalmatien zur Erwähnung zu bringen und zu betonen, dass vom Standpunkte der Interessen des Landes ein diesfälliges Zugeständnis sehr bedeutsam wäre, zumal in den Nachbarländern auch der Tabakbau betrieben werde16. Der Finanzminister bemerkt, dass im verflossenen Jahre über die Frage des Tabakbaues eine Enquête abgehalten wurde, wobei man sich übereinstimmend ge[gen ei]ne Ausdehnung des Tabakbaues aussprach17. Darnach könne der Finanzminister nicht für ein neues Zugeständnis sein. Es werde beim Tabakbau viel defraudiert. Das Einkommen aus dem Tabak sei aber eine der einträglichsten Quellen des Staatseinkommens, an dem zu rütteln ihm bei der Lage der Finanzen ganz untunlich erscheine. Übrigens werde in Bosnien und in der Herzegowina sehr schlechter Tabak produziert18.

III. Die Verhältnisse in Istrien (Steuerrückstände). Die Klagen der Flitscher wegen der Hausierbeschränkungen

III. ℹ️Se. Majestät geruhen der sehr ärmlichen und außerdem noch durch Misswachs in den letzten Jahren heruntergekommenen Zustände in Istrien zu gedenken und den Ministern die wahrhaft traurige [Lage] in diesem Lande ans Herz [z]u legen19. Se. Majestät haben schon den Finanzminister wegen der enormen Steuerrückstände aufmerksam gemacht. Die Rückstände seien in vielen Gegenden so groß, dass an eine Abtragung derselben nicht zu denken sei, ohne dass die Leute zugrunde gehen. Der Finanzminister bemerkt, dass er schon das, was er für die einzelnen Fälle tun konnte, getan und eine sehr kulante Behandlung der Steuernachsichtgesuche angeordnet habe20.

Der Handelsminister kann nach seinen als Statthalter im Küstenlande gemachten Erfahrungen nicht zurückhalten, zu bemerken, dass die in den diesfalls in Betracht kommenden südlichen Gegenden Istriens wohnende kroatische [] sehr nachlässig, faul und indolent sei und niemals an die Zukunft denke. In der Eigenschaft der Bevölkerung liege der Hauptgrund des chronischen Elends. Die Leute wurden hinsichtlich der Steuern immer kulant behandelt. Vor etwa 20 Jahren wurde von Sr. Majestät eine allgemeine Nachsicht der Steuerrückstände gewährt. Dies scheinen die Leute jetzt wieder anzustreben. Der Handelsminister könnte aber mit Rücksicht auf den erwähnten Charakter der Bevölkerung auf eine allgemeine Steuerabschreibung nicht einraten, weil sich die Leute dann für die Zukunft nur wieder auf die Gnade verlassen würden. Die Leute leiden deshalb mehr als anderswo an den Folgen von Missernten, weil sie immer nur dieselben zwei [Fol]gen von Feldfrüchten anbauen und weder an Vorsichten denken noch Fortschritte anwenden.

Se. Majestät sehen Sich ferner veranlasst, die auf der letzten Reise durch das Görzer Gebiet in Flitsch und in den oberen Gegenden von Görz überhaupt Sr. Majestät vorgetragenen Klagen über die bezüglich des Hausierwesens verfügten Einschränkungen zur Sprache zu bringen21. Die Leute baten um Abhilfe, indem sie erklärten, dass sie auf den Hausiererwerb angewiesen seiena . Der Handelsminister bemerkt, dass, veranlasst durch viele Klagen der Kaufleute, eine nähere Regelung der Ausübung der Hausierbefugnisse notwendig [geworde]n [war]. Es [haben sich ge]wisse Übergriffe als Übung eingeschlichen. Namentlich wurde das Hausieren mit Fuhrwerken immer allgemeiner, sodass aus den Hausierern förmliche Marktfieranten wurden. Dieser Missbrauch wurde nun insbesondere eingeschränkt. Die Flitscher Hausierer sehen sich durch die Maßregel hart getroffen, weil dieselben sich durchwegs der Wagen bedienten. Es sei übrigens in dem Rahmen der bezüglichen Verordnung dafür vorgesorgt, dass dort, wo die Kraft des Hausierers nicht ausreicht, ein Wagen bewilligt werden könne. Man könnte allenfalls die Landeschefs anweisen, dass sie auch überhaupt in den Fällen, wo nachgewiesen die Hausierer nicht anders als mit Wagen hantieren können, ein Wagen bewilligt werde. Aber [ein] Privilegium für die Flitscher, dass dieselben mit Wagen hausieren können, wäre unmöglich, weil dann auch andere dasselbe fordern könnten. Der Ackerbauminister erklärt sich eher für eine möglichste Einschränkung des Hausierwesens, welches von schädlicher Wirkung für die materiellen Verhältnisse des Bauernstandes sei22.

IV. Frage der eventuellen Vollziehung des Todesurteiles an Oberdank

IV. ℹ️Se. Majestät geruhen, zur Sprache zu bringen die vom Statthalter in Triest vorgebrachten Bedenken gegen eine allfällige Justifizierung Oberdanks23. Nachdem es sich hier um ein militärgerichtliches Urteil handle, hänge die Entscheidung nicht von Sr. Majestät ab24. Wegen der Skrupel des Statthalters wünschen jedoch Se. Majestät die Anschauung des Ministerrates zu hören. Se. Majestät haben bereits den Minister des Äußern befragt, ob die eventuelle Vollstreckung des Todesurteiles an Oberdank einen Einfluss auf die Beziehungen zu Italien haben könnte und habe der Minister des Äußern erwidert, dass diesfalls nicht der geringste Einfluss zu besorgen sei25.

Der Ministerpräsident bemerkt, er hatte sich erlaubt, diese Angelegenheit schon im Ministerrate zur Sprache zu bringen, um auf diesem Wege das wiederholt vorgebrachte Bedenken des Statthalters zur Ah. Kennt[nis] Sr. Majestät zu bringen. Der Ministerpräsident sei vom ersten Momente an der Ansicht gewesen, dass der Justiz freier Lauf zu lassen und kein Grund vorhanden sei, Gnade zu üben. Wenn der Statthalter besorge, dass im Falle der Justifizierung ein politischer Märtyrer geschaffen werde, so gebe der Ministerpräsident zu bedenken, dass, wenn man es wolle, der Märtyrer immer gegenüber jedem Akte der Justiz gefunden werden könne, also auch dann, wenn eine Verurteilung zu zwanzigjährigem oder lebenslänglichem Kerker erfolge.

Der Ministerpräsident halte dafür, dass gerade der Standpunkt der Milde in derlei Fällen verführe. Weil die Leute hoffen, begnadigt zu werden, begehen sie derlei todeswürdige Verbrechen. Der Ministerpräsident halte vielmehr den Standpunkt der Abschreckung für wirksam, er sei deshalb froh darüber, dass es noch strenge Gesetze gebe, um das Leben des Kaisers zu schützen, und wünsche er auch, dass sie durchgeführt werden. Der Ministerpräsident sei daher vom politischen Standpunkte aus gegen jedwede Einflussnahme und gehe dies im vorliegenden Falle umso leichter, als das Urteil die Ah. Bestätigung Sr. Majestät nicht bedürfe.

Der Leiter des Justizministeriums Minister Freiherr v. Pražák bemerkt, dass es schwierig sei, ohne Kenntnis des Verhandlungsstandes sich auszusprechen, [da] man das Maß der Schuld nicht beurteilen könne. Er könne nur wie früher darauf hinweisen, dass im Falle der Hinrichtung sich die Verhältnisse bezüglich der Auslieferung der Verbrecher aus Italien noch viel schwieriger gestalten dürften, als es jetzt schon der Fall sei, indem man in Italien alle diesfälligen Verfolgungen vorwiegend vom politischen Standpunkte aus betrachte.

Der Handelsminister bemerkt, dass er sich schon bei der ersten Besprechung des Gegenstandes seinem Gefühle dahin Ausdruck zu geben erlaubt habe, dass er die Besorgnis äußerte, es könnte die Hinrichtung irgendeinen Racheakt veranlassen. Er schöpfe diese Besorgnis aus der Kenntnis jener Kategorie von Leuten, zu denen Oberdank gehöre. Wäre die Bombe wirklich geworfen worden, so sähe sich die Sache vielleicht anders an. Nachdem es aber nur beim Versuche geblieben ist und es auch nicht nachzuweisen sein wird, dass Oberdank die Bombe im gelegenen Falle auch geworfen hätte, so dürfte mit einer Verurteilung zu lebenslänglichem Kerker dem Gesetze genügt sein. Er betone, dass er nicht irgendeinen zu vermeidenden Eindruck auf die italienische Regierung oder auf den gutgesinnten Teil der Bevölkerung, endlich auch keinen Einfluss auf die Zustände in Triest besorge. Der Grund seines Bedenkens liege lediglich in der Besorgnis vor irgendeinem Racheakte.

[D]er Minister für Kultus und Unterricht schließt sich der Anschauung des Handelsministers doch mit der Reserve an, dass die Kenntnis der Verhandlung möglicherweise zu anderen Konklusionen führen könnte. Oberdank dürfte das Bestreben haben, sich zum politischen Märtyrer zu machen. Von unserer Seite sollte hingegen getrachtet werden, die Sache des politischen Charakters möglichst zu entkleiden. Auch bei den Auslieferungen ergeben sich deshalb Schwierigkeiten, weil man die Taten mit dem Nimbus politischer Verbrechen bekleide. Falle der politische Charakter von der Sache weg, betrachte man sie nicht als politisch, dann könne er sich es auch kaum denken, dass schon das Gericht in seinem Urteile so weit gehe.

Der Landesverteidigungsminister schließt sich vollkommen der Anschauung des Ministerpräsidenten an und kann nur wiederholen, dass keine Behandlungsweise dem italienischen Charakter mehr entspreche, als wenn man volle Strenge übe dort, wo sie verdient ist, und hingegen volles Wohlwollen walten lasse gegenüber den Anhängern der Regierung. Übrigens handle es sich hier dem Wesen der Sache nach nicht um einen inneren Feind, sondern um einen von außen hereingreifenden Ruhestörer.

Der Finanzminister bemerkt, es sei schwer sich auszusprechen, da man über das Maß des Verschuldens keine Klarheit habe. Wenn aber wirklich ein Verbrechen in der vor[aus]gesetzten Schwere vorliege, so möchte er zu bedenken geben, ob es gut sei, nachdem man den 500-jährigen Anschluss Triests an das Ah. Kaiserhaus mit einer solennen Feier beging, diese Feier mit einem so traurigen Nachakte schließen zu lassen. Der Ackerbauminister erklärt, dass es für ihn schwer sei, sich auszusprechen, da er weder den Umfang des Verbrechens noch die lokalen Verhältnisse kenne.

Der Ministerpräsident bemerkt, dass auch er bei dem von ihm geäußerten Standpunkte selbstverständlich von der konkreten ihm nicht bekannten Prozesslage absehe. Er plädiere nur überhaupt dafür, dass der Justiz freier Lauf gelassen werde26.

V. Staatsvoranschlag für das Jahr 1883

V. ℹ️Se. Majestät geruhen, den Staatsvoranschlag für das Jahr 1883 an der Hand des darüber vom Finanzminister erstatteten Vortrages zur Sprache zu bringen. Se. Majestät geruhen hervorzuheben, dass, abgesehen von den nicht zu vermeidenden Nachtragskrediten, das Erfordernis pro 1883 sich um 8,357.443 fl. höher stelle als das Erfordernis des Vorjahres, woraus ersichtlich sei, dass mit den Aufwänden der Ressorts noch fortlaufend in die Höhe gegangen werde.

ℹ️Der Finanzminister klärt auf, dass das fragliche Mehrerfordernis gegenüber dem Vorjahre zumeist von dem Mehraufwande für die Arlbergbahn und für Bahnbauten [übe]rhaupt herrühre27. Für die laufende Gebarung werde heuer nicht um vieles mehr begehrt. Doch sei es dringend geboten, endlich einmal dahin zu kommen, die laufende Gebarung aus den Einnahmen zu decken. Jetzt betrage das Defizit der laufenden Gebarung noch vier Millionen.

Se. Majestät geruhen, übergehend auf die Betrachtung der Erfordernisse der einzelnen Ressorts, im Allgemeinen zu bemerken, dass Ersparungen meist nur dort ersichtlich seien, wo dieselben zufällig z. B. durch Wegfall der Baupost für ein vollendetes Gebäude eintraten, nicht aber bei dauernden Aufwänden, wo Ersparungen ein Resultat wirklicher Einschränkung darstellen. Auch finden da und dort trotz des Wegfalles vorübergehender Aufwände noch Mehrerfordernisse statt.

Se. Majestät geruhen, hinsichtlich des Ministeriums des Innern den Mehraufwand für Straßen und Wasserbauten zu erwähnen. Der Ministerpräsident bemerkt, dass dieser Mehraufwand leider unvermeidlich sei.

ℹ️Se. Majestät geruhen, belangend das Ressort des Landesverteidigungsministeriums zu fragen, wie es sich hinsichtlich des Kredites für die Unterstützung der Familien der Mobilisierten verhalte28? Der Landesverteidigungsminister bemerkt, dass für das laufende Jahr sich eine beträchtliche []überschreitung ergeben [dü]rfte. Der Kredit für 1883 konnte noch nicht eingestellt werden, weil er die Berechnung des Aufwandes nicht früher vornehmen könne, bis er nicht vom Reichskriegsministerium die Mitteilung über die Anzahl der für das künftige Jahr verbleibenden Reservisten erhalten haben werde. Der Minister bemerkt, dass leider der Ertrag der Militärtaxe bei uns viel zu wünschen übrig lasse. Die Ungarn haben von derselben Abgabe einen beträchtlichen Überschuss, während wir im ersten Jahre ein Defizit von 600.000 fl. hatten, der hauptsächlichste Grund sei, dass unser Minimalsatz mit 1 fl. zu niedrig gegriffen scheine und dass auch die Taxeintreibung durch die politischen Behörden manches zu wünschen übrig lasse. In Ungarn betrage der Minimalsatz 3 fl. und die Eintreibung geschehe dort durch die Finanzbehörden29. Minister Freiherr v. Ziemiałkowski bemerkt, dass der Unterschied in der Eintreibung daher komme, dass die fragliche Gebühr in Ungarn eine Steuer, bei uns aber nur eine Taxe sei30.

ℹ️Se. Majestät geruhen, auf das Budget des Ministeriums für Kultus und Unterricht überzugehen. Dasselbe weise zwar ein Mindererfordernis auf, weil für den Bau der Wiener Universität gegenüber dem Vorjahre um 300.000 fl. weniger präliminiert werden. Hingegen werde für Mittelschulen ein Mehraufwand von 175.000 fl. beansprucht. Se. Majestät müssen erneut darauf dringen, dass hier endlich und zwar in der Weise gespart werde, dass die überflüssigen Anstalten aufgelassen werden. [Se. Ma]j[est]ät erinnern daran, dass der verstorbene Statthalter von Mährenb, Baron Korb31, eine Anzahl von Mittelschulen in Mähren als vollkommen überflüssig und daher reif zur Auflassung bezeichnet habe. Auch an Technischen Hochschulen bestehe ein Überfluss.

ℹ️Der Minister für Kultus und Unterricht bemerkt, dass nunmehr in Mähren die Auflassungen von Gymnasien in Strážnice und Wallachisch Meseritsch im Zuge seienc . Die Schwierigkeit bei den Mittelschulen sei die, dass diese Fragen leider immer mit politischen Fragen in Zusammenhang gebracht werden. So seien z. B. in Krain das slawische Gymnasium in Krainburg und das deutsche Gymnasium in Gottschee zwei sehr gering besuchte Gymnasien. Doch dürfte man aus politischen Gründen [a]n denselben kau[m r]ütt[el]n können. Was die Technische Hochschule in Brünn, auf welche reflektiert zu sein scheine, anbelangt, so bemerke er, dass dieselbe die immerhin beträchtliche Anzahl von 126 Schülern habe. Der Finanzminister bemerkt, dass diese Anstalt 86.000 fl. koste. Minister Freiherr v. Pražák glaubt, dass die Technische Hochschule in Brünn ganz gut aufgelassen werden könnte.

ℹ️Se. Majestät geruhen zu bemerken, dass bei Technischen Hochschulen politische Fragen wohl nicht hineinspielen können. Se. Majestät erinnern weiters an die Notwendigkeit der Reduktion der Lehrerbildungsanstalten, nachdem wir bereits an einer Überproduktion von Lehrern leiden. [Auc]h [w]eisen Se. Majestät diesfalls auch auf die Hochschule für Bodenkultur hin. Se. Majestät haben niemals die Notwendigkeit einer besonderen Hochschule für Bodenkultur begreifen können.

ℹ️Der Minister für Kultus und Unterricht erwartet sich von der Einführung von Staatsprüfungen an dieser Hochschule den Effekt einer solchen Abnahme der Hörerzahl, um dann an die Auflassung der Hochschule als solcher unter entsprechender Vorsorge für die Tradierung der Spezialdisziplinen an andere Anstalten schreiten zu können. Minister Freiherr v. Ziemiałkowski gibt zu, dass es schwierig sei, mit der Schließung der einen oder der anderen Anstalt sofort vorzugehen. Doch hält er dafür, dass die Regierung beschließe, welche Anstalten aufgelassen werden sol[le]n, d[a]mit die vorzunehmende Aktion einmal bestimmt sei. Der Finanzminister bemerkt, dass ein diesfälliger Beschluss sehr geheim gehalten werden müsste, weil sonst die Regierung durch eine Menge von Deputationen wegen angeblicher Gefährdung der Interessen behelligt werden würde. Se. Majestät geruhen auszusprechen, dass diese Frage zur Entscheidung gebracht werden solle.

Se. Majestät geruhen, auf das Budget des Finanzministeriums überzugehen und zunächst Akt davon zu nehmen, dass im Etat der Grundsteuerregulierung nunmehr um 1½ Millionen weniger eingestellt wurden. Der Finanzminister bemerkt, [dass] allerdings pro 1883 ein Nachtragskredit von ca. 600.000 fl. für die Evidenthaltung des Grundsteuerkatasters notwendig sein werde.

Se. Majestät geruhen, bezüglich der Erhöhung der Post der Exekutionskosten bei den direkten Steuern zu fragen, ob denn eine bedeutende Vermehrung der Exekutionen eingetreten sei. Der Finanzminister bemerkt, dass es sich hiebei nur um eine bessere Verrechnung der Exekutionskosten handle.

Hinsichtlich der von Sr. Majestät berührten Post des Ersatzes der Verzehrungssteuerrestitutionen an Ungarn klärt der Finanzminister auf, dass die Erhöhung lediglich das Ergebnis der Verrechnung [n]ach dem Produktionsschlüssel sei32. Desgleichen erläutert der Finanzminister den Mehraufwand bei der Tabakerzeugung dahin, dass die Anschaffung von Vorräten notwendig sei und dass strenge genommen eigentlich für diesen Zweck noch mehr zu verwenden wäre.

Se. Majestät geruhen, auf das Erfordernis des Handelsministeriums überzugehen. Der Handelsminister bemerkt, dass, abgesehen von den Eisenbahnbauten und den Ausgaben für die Narentaregulierung, alle sonstigen Mehrerfordernisse seines Ressorts als die bei der Post und beim Staatseisenbahnbetrieb eine produktive Bedeutung haben, indem sie mit der Hebung der betreffenden Einnahmsquellen korrespondieren. Wäre [das] Budget von den Investitionen entkleidet, so würde er in der Verwaltung ein Mindererfordernis haben. Auf die Frage Sr. Majestät über den Fortgang der Narentaregulierung erwidert der Handelsminister, dass die Sache gut vorwärts gehe.

Bei der Berührung des Etats des Ackerbauministeriums seitens Sr. Majestät bemerkt der Ackerbauminister, dass die Mehraufwände des Ressorts durch entsprechende höhere Einnahmen aufgewogen werden.

ℹ️Se. Majestät kommen nun zum Voranschlage des Justizministeriums und geruhen den Mehraufwand von 171.000 fl. hervorzuheben. Der Leiter des Justizministeriums Minister Freiherr v. Pražák bemerkt, dass die Steigerung des Justizetats naturnotwendig sei wegen der fortlaufend zunehmenden Geschäftsvermehrung. Eine teilweise Erleichterung dürfte durch die Ausscheidung der geringeren Viehseuchendelikte aus dem Wirkungskreise der Gerichte geschaffen sein. Zu helfen wäre allenfalls nur durch eine neue Organisierung mit geringeren Gehalten. Wenn er indessen die nachbarstaatlichen Verhältnisse ins Auge fasse, so sehe er, dass die Justiz in Preußen gerade noch einmal so viel koste als bei uns. Es sei daher auch eine politische Frage. Wenn die neue Zivilprozessordnung33 geschaffen wäre, so könnte man vielleicht bei Adjunkten und Räten etwas herabgehen. [] und ohne eine Änderung der Gerichtsverfassung würde eine Reduzierung als Gehässigkeit aufgefasst werden. Jetzt lasse sich nur allenfalls bei Bauten sparen. Der Finanzminister glaubt, dass im Justizetat ausgiebige Ersparungen herzustellen wären. Der große Apparat wäre nicht erforderlich, wenn die Aktion der Schwurgerichte nicht so ausgedehnt und wenn im Zivilprozesse das mündliche Verfahren eingeführt wäre. Auch mache er z. B. aufmerksam, dass man oft einen gewöhnlichen Ehrenbeleidigungsprozess durch acht Tage hindurch verhandle. Vereinfachung tue durchwegs not. Desgleichen nehme man für die Untersuchung zu viele Verhaftungen vor. Der Hinweis auf Preußen stehe [nicht]. Preußen sei ers[tlic]h größer als die diesseitige Reichshälfte und wenn man dort auch große Gehalte habe, so sei der Steuerdruck kein so großer als hier. Der Leiter des Justizministeriums Minister Freiherr v. Pražák bemerkt, er habe auf Preußen namentlich wegen der sonstigen Ähnlichkeit der Verhältnisse hingewiesen. Bezüglich der Vermeidung der Untersuchungshaft und der Abkürzung der Zeit zwischen Anzeige und Anklage habe er schon entsprechenden Einfluss genommen. Mit dem neuen Strafgesetze34 werden die Kosten des Strafverfahrens geringer werden. Jetzt sei die Strafe bei vielen Delikten noch zu hoch.

Se. Majestät geruhen, das Hinaufgehen des Pensionsetats [in] Er[wä]hnung zu bringen. Der Finanzminister bemerkt, es werde sich vielleicht helfen lassen durch eine andere Sorge für die Ruhegenüsse der Witwen. Im Finanzministerium werde an einem solchen Plane gearbeitet. Übrigens gehe man bei der Bestimmung der Witwenpensionen für höhere Staatsbeamte oft sehr hoch hinauf.

Se. Majestät geruhen, die Erhöhung im Etat der Staatsschuld zur Erwähnung zu bringen. Der Finanzminister bemerkt, das Steigen der Zinsen sei eben die traurige Folge der jährlichen Defizite.

Se. Majestät geruhen, bei der Bedeckung hinsichtlich der Mehreinnahme von 3,3 Millio[n]en aus dem Tabakgefä[lle] zu fragen, ob eine solche Vermehrung gesichert sei. Der Finanzminister bestätigt die fortlaufende Steigerung des Tabakkonsums, die ein solches Mehrerträgnis sicher erwarten lasse.

Se. Majestät geruhen, bezüglich der Grundsteuer zu fragen, ob bei derselben auch infolge des Reklamationsverfahrens eine Reduzierung eingetreten sei. Der Finanzminister bemerkt, dass die diesfällige Reduzierung nicht wesentlich sei.

Nach Berührung der Ansatzpost für Petroleumsteuer, welche Se. Majestät nicht hoch finden, geruhen Se. Majestät noch bei der Mindereinstellung [] Verdienstgeldern für Sträflingsarbeiten zu verweilen und zu bemerken, dass Allerhöchstdieselben vielmehr geglaubt hätten, dass diese Verdienstgelder in Steigerung begriffen seien. Minister Freiherr v. Pražák bemerkt, dass sich die Gewerbsleute immer über die Konkurrenz der Sträflingsarbeiten beklagen.

Se. Majestät geruhen zu fragen, ob für die Bedeckung des Defizits erst später gesorgt werden wolle. Der Finanzminister bejaht diese Frage.

Se. Majestät geruhen schließlich, mit Befriedigung Akt zu nehmen von der vom Finanzminister im Ministerrate vorgebrachten Darlegung, [wo]rnach die gemeins[a]men Auslagen nicht Schuld an der Vermehrung des Staatsaufwandes tragen. Nachdem sonach der innere Staatsaufwand das Gebiet sei, auf welches die Steigerungen fallen, so möge die Regierung bestrebt sein, hier das Möglichste zu tun und können daher Se. Majestät nur den dringenden Wunsch auf Vornahme von Ersparungen wiederholen35.

VI. Arbeitsprogramm für die nächste Reichsratssession

VI. Se. Majestät geruhen endlich, das Arbeitsprogramm für die nächste Reichsratssession zur Sprache zu bringen. ℹ️Der Ministerpräsident erwähnt zunächst die Bewilligung eines dreimonatlichen Finanzpro[viso]riums36, dann die Beratung der Gewerbegesetzvorlage und des Kommassationsgesetzes37.

ℹ️Der Finanzminister will einbringen erstlich einen Gesetzentwurf über den Staatsrechnungshof38. Nachdem von der jetzigen Regierung schon durch Chertek die Einbringung einer Regierungsvorlage zugesagt wurde, sei es nicht möglich, länger damit zurückzuhalten. Er habe jedoch keinen besonderen Wunsch, den Entwurf durchzubringen. Se. Majestät geruhen zu fragen, ob die Vorlage in Wirklichkeit eine Verbesserung beziele. Der Finanzminister bemerkt, ein wesentlicher Fortschritt läge darin, dass nach dem neuen [Ge]setze der Reichsrat schneller Kenntnis von den Kreditüberschreitungen erhielte. Ein weiterer Vorteil wäre der, dass bei der Neuorganisierung der Obersten Rechnungsbehörde die Regierung freie Hand bezüglich der Personalverhältnisse erhielte, welche jetzt viel zu wünschen übrig lassen39.

ℹ️Ferner beabsichtigt der Finanzminister, an die Durchführung der Reform der direkten Steuern zu schreiten und demgemäß Gesetzentwürfe über die Erwerbsteuer, Rentensteuer und Personaleinkommensteuer einzubringen. Se. Majestät geruhen zu fragen, ob man damit ausgiebige Mehreinnahmen zu erzielen hoffe. Der Finanzminister bemerkt, [dass] sehr bedeutende Einnahmen nicht mehr zu erreichen wären. Die Personaleinkommensteuer könnte indessen schon im ersten Jahre vier bis fünf Millionen einbringen. Damit wäre das Defizit für die laufende Gebarung gedeckt und bedürfte man des Kredites nur mehr für Investitionen40.

ℹ️Der Handelsminister beabsichtigt einen Gesetzentwurf wegen vorläufiger Verlängerung des Lokaleisenbahnengesetzes einzubringen, nachdem die Wirksamkeit dieses Gesetzes mit Ende 1882 aufhöre und es wegen des späten Zusammentrittes des Reichsrates nicht mehr möglich sei, die in Aussicht genommene Vorlage für ein neues verbessertes Gesetz noch in diesem Jahre durchzubringen41.

ℹ️Se. Majestät geruhen zu betonen, dass es notwendig sein werde, die bereits eingebrachten Eisenbahnvorlagen, insbesondere betreffend die Anschlussbahnen an die galizische Transversalbahn, dann die Bahnlinie Triest–Herpelje zur baldigen Erledigung zu bringen42. Desgleichen erinnern Se. Majestät an die Erledigung der eingebrachten volkswirtschaftlichen Vorlagen. Der Ministerpräsident bemerkt, dass man die Gewerbegesetzvorlage sogleich in Arbeit nehmen wolle43. Der Ackerbauminister bemerkt, dass man auch an ein Bruderladengesetz gehen wolle44.

ℹ️Minister Freiherr v. Pražák [erwä]hnt der Einbringung eines Unfallversicherungs-Gesetzentwurfes45 sowie einer Aktiengesetznovelle46, ferner habe er in Aussicht einen Gesetzentwurf betreffend die Schadloshaltung unschuldig Verurteilter47. Se. Majestät erachten, dass letzterwähnter Entwurf nicht sehr notwendig sein dürfte.

Der ℹ️Landesverteidigungsminister hat eine Reihe von Vorlagen im Werke, deren Zustandebringung wünschenswert wäre. Fünf Gesetzentwürfe als: über die Heranziehung der Ersatzreserve48, ℹ️über die Witwen- und Waisenversorgung der vor dem Feinde Gefallenen49, ℹ️über Kriegsleistungen50, ℹ️über Pferdestellung51, ℹ️endlich über Festungsrayons52 erheischen gemeinsame Behandlung. Dieselben seien sämtlich in Beratung begriffen und schweben jetzt teils in Ungarn, teils beim Reichskriegsministerium. Im eigenen Ressort des Landesverteidigungsministeriums seien seit langer Zeit fertig: ℹ️die Entwürfe über den Landsturm53 ℹ️und die Schießstände54 ℹ️und die Landwehrnovelle55. Besonders wichtig wäre, dass die Regelung des Landsturmes und des Schießwesens bald erfolgte, um rechtzeitig die Organisation einzuleiten, weil, wenn man auch im äußersten Falle etwa das Institut des Landsturms nach § 14 der Verfassung56 ins Leben rufen könnte, damit nicht viel geholfen wäre, wenn in der Sache nicht vorgearbeitet wurde. Ein [Lan]dsturmgesetz würde für [d]ie Provinzen in deren eigenem Interesse liegen, weil auch die Nachbarn solche Massenorganisationen haben, um das Land zu überschwemmen. Der Landesverteidigungsminister wisse nicht, inwieferne eine solche Gefahr nahe bevorstehe. Wäre die Gefahr bevorstehend, so müsste das Gesetz mit allen Mitteln durchgebracht werden und sei der Minister bereit, je eher dafür einzutreten. Im Übrigen sei die Einbringung dieser Gesetze eine auch von Faktoren außerhalb seines Ressorts abhängige Opportunitätsfraged .

ℹ️Was die Landwehrnovelle anbelange, so wäre es gut, dieselbe bald durchzubringen, weil damit im Ganzen innerhalb des Rahmens der allgemeinen gesetzlichen Bestimmungene und innerhalb des jetzigen Aufwandes nur eine Reihe von Reformen in dem Sinne angebahnt würde, um die [Kriegswi]chtigkeit der La[nd]wehr zu erhöhen.

Se. Majestät geruhen zu betonen, ℹ️dass das Pferdestellungsgesetz besonders wichtig sei. ℹ️Auch die Schaffung eines Kriegsleistungsgesetzes wäre gutf . Sonach geruhen Se. Majestät, die Konferenz zu schließen.

Ah. E. Ich habe den Inhalt dieses Protokolles zur Kenntnis genommen. Wien, am 11. Dezember 1882. Franz Joseph.