Nr. 419 Ministerrat, Wien, 9. Oktober 1882
RS.Reinschrift; P. Jaeger; VS.Vorsitz Taaffe; BdE.Bestätigung der Einsicht und anw.anwesend (Taaffe 9. 10.), Ziemiałkowski, Pražák, Welsersheimb, Pino; außerdem anw.anwesend Kubin; BdE.Bestätigung der Einsicht und abw.abwesend Falkenhayn, Conrad, Dunajewski.
- I. Weiteres in Angelegenheit der von der tschechischen Partei im Prager Landtage beabsichtigten Interpellation wegen der Reform der Landtagswahlordnung für Böhmen.
- II. Beantwortung der im schlesischen Landtage eingebrachten Interpellationen wegen Erlassung einer Sprachenverordnung für Schlesien. Frage der Fassung einer bezüglichen Verordnung des Justizministeriums.
- III. Erwirkung des Ordens der Eisernen Krone III. Klasse für den Titular-Obertelegrafendirektor Anton Sponar v. Blinsdorf.
- I. Weiteres in Angelegenheit der von der tschechischen Partei im Prager Landtage beabsichtigten Interpellation wegen der Reform der Landtagswahlordnung für Böhmen
- II. Beantwortung der im schlesischen Landtage eingebrachten Interpellationen wegen Erlassung einer Sprachenverordnung für Schlesien. Frage der Fassung einer bezüglichen Verordnung des Justizministeriums
- III. Erwirkung des Ordens der Eisernen Krone III. Klasse für den Titular-Obertelegrafendirektor Anton Sponar v. Blinsdorf
KZ. 92 – MRZ. 75
Protokoll des zu Wien am 9. Oktober 1882 abgehaltenen Ministerrates unter dem Vorsitze Sr. Exzellenz des Herrn Ministerpräsidenten Grafen Taaffe.
I. Weiteres in Angelegenheit der von der tschechischen Partei im Prager Landtage beabsichtigten Interpellation wegen der Reform der Landtagswahlordnung für Böhmen
I. ℹ️Im Auftrage des Ministerpräsidenten referiert Sektionschef Freiherr v. Kubin über weitere Verhandlungen [in An]gelegenh[eit der] von der [tsch]echischen Partei im Prager Landtage beabsichtigten Interpella[t]ion wegen der Reform der Landtagswahlordnung für Böhmen, worüber dem Statthalter die im Ministerrate vom 2. d. M. genehmigten Informationen gegeben wurden1. Referent teilt den neuerlichen Bericht des Statthalters vom 7. d. M. mit (Beilage 1)a .
Der Ministerpräsident beabsichtige hierauf, die aus der Beilage 2 ersichtliche Antwort zu gebenb . Darnach bestehe eine Differenz zwischen der Proposition des Statthalters und der vom Ministerpräsidenten für notwendig erachteten Haltung in dem Punkte der unmittelbar nach der Interpellationseinbringung vom Statthalter abzugebenden Erklärung und weiters im Punkte der Akzentuierung [de]r mit der Interpellationsbean[t]wortung zu gebenden Zusicherung.
Der Ministerrat erklärt sich mit der Anschauung des Ministerpräsidenten und sonach mit dem Inhalte der neuerlichen Weisungen an den Statthalter einverstanden2.
II. Beantwortung der im schlesischen Landtage eingebrachten Interpellationen wegen Erlassung einer Sprachenverordnung für Schlesien. Frage der Fassung einer bezüglichen Verordnung des Justizministeriums
II. ℹ️Im Auftrage des Ministerpräsidenten referiert ferner Sektionschef Freiherr v. Kubin in Angelegenheit der Beantwortung der im schlesischen Landtage eingebrachten Interpellation wegen der Erlassung einer Sprachenverordnung für Schlesien3 und teilt die aus den Beilagen 3 und 4 ersichtlichen Interpellationen mitc . [] [d]eutschen [Nationali]tät konkret [d]er Besorgnis vor einer Verord[n]ung über die Abänderung der Gerichtssprache Ausdruck gebe, spreche die Interpellation der drei slawischen Abgeordneten die Erwartung aus, dass die sprachliche Gleichberechtigung überhaupt zur Durchführung komme4.
Der Ministerpräsident proponiere den aus der Beilage 5 ersichtlichen Entwurf einer Antwort auf diese Interpellationend . Diese Antwort setzte voraus, dass jetzt eine Verordnung des Justizministeriums und zwar des Inhaltes erlassen werde, wie er in der Ministerkonferenz vom 9. September l. J. am Schlusse der damaligen Beratung vom Leiter des Justizministeriums in Absicht genommen wurde, nämlich dahingehend, dass den Ge[ric]hten verordnet werde, Eingaben auch in den beiden anderen Sprachen Schlesiens anzunehmen. Der Ministerpräsident betont, dass es demnach vor allem notwendig sei, hinsichtlich der vom Justizministerium zu erlassenden Verordnung ins Reine zu kommen.
Der Leiter des Justizministeriums Minister Dr. Pražák präsentiert den Entwurf einer Verordnung, vom dem er bemerkt, dass er denselben selbst noch nicht als endgiltig redigiert betrachten könne. Aus der Diskussion, die über diesen vorläufigen Vorschlag gepflogen wird, und an welcher sich der Ministerpräsident, Minister Freiherr v. Ziemiałkowski, der Handelsminister und Sektionschef Freiherr v. Kubin be[teiligen] [] A[nschau]ung, der [auc]h schließlich sämtliche Konfe[re]nzmitglieder beistimmen, dahin, dass der vom Justizministerium hinauszugebende Erlass sich wesentlich auf die Anordnung der Annahme anderssprachiger Eingaben bei den Gerichten sprachlich gemischter Bezirke beschränken, keine Motivierung und keine Andeutung der Inaussichtnahme weiter gehender Verfügungen enthalten solle.
Der Ministerrat beschließt, dass der in diesem Sinne abzufassende Erlass vom Justizministerium im Einvernehmen mit dem Ministerium des Innern zu redigieren ist. Endlich erteilt der Ministerrat dem Entwurfe der Interpellationsbeantwortung seine Zustimmung5.
III. Erwirkung des Ordens der Eisernen Krone III. Klasse für den Titular-Obertelegrafendirektor Anton Sponar v. Blinsdorf
[III.] ℹ️Der Handelsminister erbittet sich die Zustimmung des Ministerrates zu dem Vorhaben, für den mit Titel und Charakter eines Obertelegrafendirektors bekleideten Telegrafendirektor Anton Sponar v. Blinsdorf in Graz anlässlich der Versetzung desselben in den bleibenden Ruhestand in Anerkennung seiner vieljährigen treuen und sehr eifrigen Dienstleistung den Orden der Eisernen Krone III. Klasse zu erwirken. Der Handelsminister teilt zur Begründung mit, dass Sponar ohne sein Verschulden wegen der in den leitenden Behörden des Telegrafenwesens eingetretenen Reduzierung genötigt sei, in den Ruhestand zu treten, dass derselbe einschließlich zweier Kriegsjahre eine 47-jährige Dienstestätigkeit hinter sich habe, dass er bis zum Jahre [] [zulet]zt als Maj[or] im Generalstabe gedient habe und vom Jahre 1856 an im Telegrafendienste zuerst als Telegrafeninspektor in Triest, dann als Telegrafendirektor in Graz verwendet worden sei und in diesen Stellungen stets anerkennungswerte und erfolgreiche Dienste geleistet habe. Der Ministerrat erklärt seine Zustimmung6.
Wien, am 9. Oktober 1882. Taaffe.
Ah. E.Allerhöchste Entschließung Ich habe den Inhalt dieses Protokolles zur Kenntnis genommen. Wien, am 4. November 1882. Franz Joseph.