MRP-3-0-04-1-18820926-P-0417.xml

|

Nr. 417 Ministerrat, Wien, 26. September 1882

RS.; P. Jaeger; VS. Taaffe; BdE. und anw. (Taaffe 26. 9.), Ziemiałkowski, Pražák, Welsersheimb, Dunajewski, Pino; außerdem anw. Kubin; BdE. und abw. Falkenhayn, Conrad (mit Randbemerkung zu Punkt VIII).

KZ. 89 – MRZ. 73

Protokoll des zu Wien am 26. September 1882 abgehaltenen Ministerrates unter dem Vorsitze Sr. Exzellenz des Herrn Ministerpräsidenten Grafen Taaffe.

I. Wegen Staatsunterstützung für Tirol und Kärnten anlässlich der Überschwemmungen

I. ℹ️Im Auftrage des Ministerpräsidenten referiert Sektionschef Freiherr v. Kubin [über die Gewähr]ung v[o]n Un[terstütz]ungen aus Staatsmit[te]ln für die durch Überschwemmungen heimgesuchten Gemeinden von Tirol und Kärnten. Für Tirol wurde vom Statthalter die Gewährung einer Staatshilfe von 500.000 fl. beantragt1 und wollte der Statt[ha]lt[er] [a]nf[än]glich diesen ganzen Betrag und später wenigstens davon den Betrag von 300.000 fl. als vollkommenes Geschenk gegeben wissen. Der Landespräsident von Kärnten beantrage einen Hilfsbetrag von 200.000 fl., von welchem 50.000 fl. als nicht zurückzuzahlende Unterstützungen zu gewähren wären2.

Der Ministerpräsident proponiere für Tirol eine Staatshilfe von 500.000 fl., darunter 200.000 fl. zur geschenksweisen [Verwen]dung, für Kärnten e[ine S]taatshilfe von 200.000 fl., darunter 50.000 fl. zur geschenksweisen Verwendung. Wegen der Notwendigkeit einer schnellen Hilfeleistung soll die Gewährung dieser Unterstützungen im Wege einer kaiserlichen Verordnung aufgrund § 14 des Staatsgrundgesetzes über die Reichsvertretung ausgesprochen werden und schlage der Ministerpräsident für diese Verordnung den aus der Anlage ersichtlichen Entwurf vora . Der Entwurf wird zur Verlesung gebracht.

Der Ministerpräsident bemerkt, dass, wenn er in seiner Proposition hinsichtlich der geschenksweisen Zuwendung nicht so weit gehe, als es der Statthalter3 und der Landeshaupt[mann] [] [, so weil] er [sich von] dem Gesichtspunkte leiten lasse, dass die Regierung bei einer Verfügung nach § 14 der Verfassung nicht mehr tun sollte, als unumgänglich notwendig sei. Wenn später die Reichsvertretung weiter gehen wollte, würde er von seinem Standpunkte aus nicht dagegen sein.

Der Ministerrat erklärt sich zum dem proponierten Vorgehen seine Zustimmung.

Auch spricht sich der Ministerrat dahin aus, dass nachdem wegen der im Falle der Ah. Genehmigung für morgen bereits beabsichtigten Publikation der Verordnung die ausdrückliche Zustimmung der beiden im heutigen Ministerrate [nich]t anwesenden Minister nich[t] mehr eingeholt werden könne, dieselben doch als Unterzeich[n]er der Verordnung in die Publikation aufzunehmen seien4.

II. Über die Agitationen böhmischer Bezirksvertretungen gegen die Staatsprüfungsverordnung für Prag

II. ℹ️Sektionschef Freiherr v. Kubin referiert ferner namens des Ministerpräsidenten über einen Bericht des Statthalters in Prag betreffend Agitationen seitens der Bezirksvertretungen in Böhmen gegen die Verordnung für die Staatsprüfungen in Prag5. Von der Bezirksvertretung Königliche Weinberge wurde der Beschluss gefasst, an den Klub der böhmischen Abgeordneten ein Memorandum um Behebung der fraglichen Verordnung zu überreichen6. [] [Beschlu]sses [wurde] von der Bezirkshauptma[n]nschaft sistiert und beabsichtige der Statthalter diese Sistierung zu bestätigen.

Anderseits wurde vom Raudnitzer Bezirksausschusse eine an das Ministerium gerichtete Eingabe überreicht, mit welcher von der Bezirksvertretung unter Berufung auf § 52 des Bezirksvertretungsgesetzes7 Anträge für eine von der gedachten Prüfungsverordnung abweichende Regelung des Prüfungswesens für die beiden Universitäten vorgebracht werden. Diesem Beschlusse der Bezirksvertretung glaubt der Statthalter in Handhabung des staatlichen Aufsichtsrechtes nicht entgegentreten zu sollen, nachdem sich die Be[zirksver]tretung dabei auf [§] 52 des Bezirksvertretungsgesetzes stützt und weil mit Rücksicht auf die Bestimmung des Artikels 11 des Staatsgrundgesetzes über die allgemeinen Rechte der Staatsbürger (Petitionsrecht) auch der Petition einer Bezirksvertretung an die Regierung nicht wohl entgegengetreten werden könnte. Auch besorge der Statthalter, dass die Sistierung eines Beschlusses solcher Art nur zur Steigerung der fraglichen Agitation beitragen dürfte. Referent weist darauf hin, dass § 52 des Bezirksvertretungsgesetzes für Böhmen in der betreffenden Stelle lautet: „Die Bezirksvertretung ist berechtigt, im Interesse des Bezirkes Anträge an die Regierung oder an die Landesvertretung bzu stellen.“b [] dass nach [§ 50 in] den Wirkungskreis [der Be]zirksvertretung ge[h]ören: „alle inneren die gemeinsamen Interessen des Bezirkes und seiner Angehörigen betreffenden Angelegenheiten.“ Mit Rücksicht hierauf beabsichtigt der Ministerpräsident, an den Statthalter die aus der Anlage ersichtliche Erledigung hinauszugebenc . Der Ministerpräsident bemerkt, dass er dieses sein Erledigungsvorhaben eben mit Rücksicht auf die im Hintergrunde der Sache stehenden Agitationen zur Kenntnis des Ministerrates bringe.

Der Ministerrat nimmt [die Mit]teilung zur Kenntnis8.

III. Bezüglich einer etwaigen Interpellation im schlesischen Landtage wegen einer Sprachenverordnung für Schlesien

III. ℹ️Sektionschef Freiherr v. Kubin bringt zur Mitteilung ein seitens des Landespräsidenten in Schlesien an den Ministerpräsidenten gerichtetes Ersuchen um entsprechende Weisungen für sein Benehmen in dem Falle, als im schlesischen Landtage eine dort vermutlich in Aussicht genommene Interpellation des Inhaltes, ob die in den Blättern auftauchende Nachricht, wornach die Regierung eine Sprachenverordnung für Schlesien zu erlassen beabsichtige, auf Wahrheit beruhe, an den Regierungsvertreter gerichtet werden sollte9. [] [Ministerpräsi]dent ha[be dem Landes]präsidenten [die W]eisung gegeben, dass er im Falle der Einbringung einer solchen Interpellation dieselbe dem Ministerium vorlegen und im Landtage erklären solle, dass er dies tun werde.

Der Ministerrat nimmt die Mitteilung zur Kenntnis10.

IV. Wegen Sanktionierung des Gesetzentwurfes betreffend Abänderung der Reichsratswahlordnung

IV. ℹ️Der Ministerpräsident erbittet sich die Zustimmung des Ministerrates zu dem Vorhaben, nunmehr die Ah. Sanktion für den vom Reichsrate beschlossenen Gesetzentwurf betreffend die Abänderung eini[ger] Bestimmungen der Reichsratswahlordnung zu erwirken11. Der Ministerrat habe sich bei einer früheren Erwägung der Sanktionierungsfrage für das Zuwarten mit der Sanktion und namentlich auch aus dem Grunde erklärt, damit nicht beim früheren Perfektwerden des Gesetzes wegen der damit dekretierten Wahlrechtserweiterung aufgrund der diesfalls herrschenden Theorien die Anforderung der Auflösung des Reichsrates geltend gemacht werden könne.

Jetzt sei nun die Zeit schon so weit vorgerückt, dass niemand mit Fug die Reichsratsauflösung noch vor der bevorstehenden Session verlangen könne. Auf diese Weise sei das frühere Hauptbedenken gegen das [] Sanktions[erwirkung] nunmehr hinweggefal[len, we]shalb er den Zeitpunkt zur Stellung des bezüglichen au. Antrages gekommen erachte. Außerdem scheine es auch aus dem Grund entsprechend, jetzt vorzugehen, um einer sonstigenfalls zu gewärtigen Relevierung der Angelegenheit in den Landtagen vorzubeugen.

Der Ministerrat erklärt seine Zustimmung12.

V. Erwirkung des Ritterkreuzes des Franz-Joseph-Ordens für den Staatsanwalt Fabbrović in Ragusa

V. ℹ️Minister Dr. Pražák als Leiter des Justizministeriums referiert über die sein Ressort betreffende Auszeichnungsanregung des Statthalters in Dalmatien wegen der anläss[lich] der Vorgänge in Dalmatien erworbenen Verdienste und erbitte sich der Minister die Zustimmung des Ministerrates zu dem Vorhaben, für den Staatsanwalt in Ragusa Richard Fabbrović in Anerkennung seines tüchtigen Wirkens bei der Unterdrückung der Unruhen und seiner sonstigen vorzüglichen Verwendung das Ritterkreuz des Franz-Joseph-Ordens zu erwirken. Der Ministerrat erklärt seine Zustimmung13.

VI. Über das Memorandum Pobedonoszews in Sachen des Hochverratsprozesses gegen Hrabar und Genossen

VI. ℹ️Minister Dr. Pražák als Leiter des Justizministeriums sieht sich veranlasst, bei dem Umstande, als die Angelegenheit der auf den in Lemberg abgeführten Hochverratsprozess [] [Hraba]r u[n]d Ge[nossen be]zugnehmenden Schrift[stück]14 des Oberprokurators der heiligen Synode in Petersburg, Pobedonoszew, soeben in den Blättern verhandelt und teilweise entstellt werde15, den wahren Sachverhalt darüber dem Ministerrat mitzuteilen.

Es sei richtig, dass der Botschafter Graf Wolkenstein den aus der Anlage in Abschrift ersichtlichen Brief von Pobedonoszew erhalten und förmlich zur Übersendung an seine Regierung in Empfang genommen habed . Dieser vom Botschafter an den Minister des Äußern übersendete Brief sei an ihn (Leiter des Justizministeriums) gelangt und wurde sodann im Justizministerium in Erwägung genommen, ob der Brief nicht dem Lemberger [Landes]gerichte, bei welchem eb[en d]amals die Prozessverhandlung stattfand, vorgelegt werden sollte. Bei Betrachtnahme des Schriftstückes sei der Minister zu der Anschauung gekommen, dass dasselbe in dieser Form zur Annahme und bzw. zur Verwendung vor Gericht nicht geeignet sei, weil es verletzende Anwürfe wider die Politik der Regierung und das Vorgehen ihrer Organe enthalte und die Regierung eines Staates solche Beleidigungen sich unter keinen Umständen gefallen zu lassen brauche. Hingegen erklärte sich der Leiter des Justizministeriums bereit, ein Schriftstück Pobedonoszews an das Gericht gelangen zu lassen, in welchem sich derselbe lediglich auf die Anführung der den Prozess []gen dar[] [be]schränkte.

[Nach]dem der Minister die[se]n Standpunkt annehmen zu müssen glaubte, wollte er es dahingestellt sein lassen, ob es überhaupt in Ordnung gewesen war, dass ein Botschafter ein Schriftstück wie das produzierte annahm. Infolge der erwähnten Stellungnahme seinerseits wurden nun im diplomatischen Wege Verhandlungen gepflogen, die das Resultat brachten, dass Pobedonoszew alle anschuldigenden Momente seiner ersten Schrift zurückzog und eine neue Darlegung produzierte16, welche sich lediglich über die tatsächlichen Prozessmomente erging. Diese Schrift erst wurde dann dem Gerichte übergeben und ging dort vorüber, ohne einen besonderen [Eind]ruck zu machen.

Dies sei der wirkliche Hergang, während die Zeitungen die Dinge so darstellen, als ob die Schrift, welche zuerst vom Botschafter angenommen wurde, dem Gerichte übergeben worden wäre. Der Minister glaubt, dass eine öffentliche Berichtigung am Platze sein dürfte.

Der Ministerrat nimmt die Mitteilung des Ministers zur Kenntnis. Eine Berichtigung von Regierungs wegen wird für den Fall in Aussicht genommen, als etwa der Wortlaut des ersten Schreibens Pobedonoszews in die Öffentlichkeit gelangte17.

VII. Resultat der Beratungen über den gemeinsamen Voranschlag pro 1883

[VII. ℹ️Der Finanzmi]nister [berichtet] über das Resultat der [in] Budapest stattgehabten gemeinsamen Beratungen über den Voranschlag des ge[m]einsamen Staatshaushaltes für das Jahr 188318 und gibt darüber nächststehendes Resümee: Die Anforderungen der ge[mein]sam[en Regier]ung wären [ne]tto gerechnet über Abzug der eigenen etatmäßigen Einnahmen folgende:

Äußeres 3,550.000 fl.
Heer, und zwar Ordinarium 92,707.621 fl.
Extraordinarium 8,273.657 fl.
Kriegsmarine 9,366.224 fl.
Okkupationsauslagen des Kriegsministeriums 9,050.000 fl.
Reichsfinanzministerium 171.201 fl.
Pensionsetat 1,788.541 fl.
Oberster Rechnungshof 125.500 fl.
Summa 125,042.744 fl.

Diese Anforderung war im Ganzen um 5,030.565 fl. [größer] als wie die Be[wi]lligung pro 1882.

Geringere Anforderungen hat das Ministerium des Äußern und das Reichsfinanzministerium mit 64.718 fl. gestellt. Das erstere Ministerium namentlich, weil der Bau des Palais vollendet ist, wogegen aber die Auslagen für die Errichtung des Konsulates in Bombay dann einiger Teuerungszulagen für die Subalternbeamten bei der Botschaft in Konstantinopel, dem dortigen Konsulate und den Konsulaten in Ägypten zugewachsen sind.

Diese Etats w[u]rden einstimmig genehmigt.

Bezüglich der Mehransprüche ist Nachstehendes zu bemerken: Die Kriegsverwaltung er[] Heeres [ei]nen Abstrich von 251.256 fl. vorzunehmen und glaubt, diese Summe bei der Montursbeschaffung hereinbringen zu können. Den Rest der Überschreitung von 40.081 fl. kann sie nicht hereinbringen, da diese Summe daher rührt, dass der Bau des Garnisonsspitals Nr. 1 in Wien vollendet ist und die Entnahme von Geldern aus dem Militärspitalfonds zu diesem Zwecke für die Folge entfällt und demnach sich ihre eigenen Einnahmen schmälere. Selbstverständlich erscheint unter den Militärbauten für den gedachten Spitalbau kein Erfordernis mehr eingestellt.

Das Extraordinarium des [Heer]es war um 1,586.587 fl. höher gehalten als die Bewilligung pro 1882.

Im Einvernehmen mit dem Kriegsministerium wurden folgende Reduktionen beschlossen.

Bei Titel 1 „Erfordernis für Sanitätsmateriale“ wurde die erste Dotierung der in Kriegsrüstung versetzten Plätze mit 20.000 fl. (erste Rate von 80.000 fl.) ausgeschieden,

bei Titel 2 „Waffenwesen“ wurde die fünfte Rate für die Beschaffung von verstärkten Gewehr- und Karabinerpatronen um 280.000 fl. ermäßigt, welcher Betrag in das Budget 1884 eingestellt werden wird; ferner wurde die erste Rate des Gesamterfordernisses von 450 fl. der Armierung der Sperrpunkte an der []5000 fl.

Bei Titel 5 „Bauten, Lit. c, Gebäude für Heeresanstalten“ wurde der Neubau eines Artilleriewohngebäudes in Felixdorf mit 68.000 fl., ferner der Neubau eines Pulvermagazines in Wiener Neustadt mit 22.500 fl. aus dem Voranschlage ausgeschieden.

Bei Titel 8 „Erste Bauraten“ war für die Rekonstruktion und den Neubau von Befestigungen in Tirol im Gesamterfordernisse von 1,000.000 fl. die erste Rate mit dem Betrage von 300.000 fl. veranschlagt. Diese Rate wurde um den Betrag von 200.000 fl. ermäßigt.

Ferner war für gleiche Zwecke in Cattaro mit ei[nem G]esamterfordernisse [v]on 500.000 fl. eine Rate mit 200.000 fl. veranschlagt. Diese Rate wurde um 100.000 fl. verringert.

Die Gesamtsumme der Abstriche am Extraordinarium beträgt somit 765.500 fl.

Von der eingangs erwähnten Überschreitung des Extraordinariums pro 1883 im Vergleiche mit dem Jahre 1882 erübrigen allerdings noch 821.087 fl., welche durch Reduktionen nicht hereinzubringen sind, insbesondere darum, weil zwei neue Titel zugewachsen sind, nämlich

Titel 14 „Einmaliges Erfordernis zur Durchführung der Heeresreform“ per 650.000 fl. und

Titel 15 „Mehrerfordernis für die in Süddalmatien zu Sicherung der Grenze auf die Dauer der außeregewöhnlichen Verhältnisse erforderlichene Trup[pen“] per 494.000 fl., gegen welche beiden Erfordernisse bei ihrer anerkannten Notwendigkeit sich nichts einwenden lässt.

Die Verwaltung der Kriegsmarine hat die Zusicherung gegeben, dass sie sich bemühen werde, den bei ihrem Etat sich ergebenden Mehraufwand von 308.395 fl., hauptsächlich bei den Schiffbauten, welche teils im Ordinarium, teils im Extraordinarium veranschlagt erscheinen, hereinzubringen. Bei den Okkupationsauslagen ließ sich nur die Krankenverpflegung um 62.000 fl. herabmindern.

Gegen die Mehransprüche des Pensionsetats per 36.000 fl. und des gemeinsamen Obersten [Rechn]ungshofes per 464 fl. wurde nichts erinnert, da diese Überschreitungen auf Gebührenvorschreibungen beruhen. Die Gesamtsumme der vorgenommenen Abstriche beträgt 1,387.151 fl., wovon auf die diesseitige Reichshälfte 68 6/10% mit 951.585 fl. entfallen. Die ursprünglich mit 5,030.565 fl. höhere Anforderung des gemeinsamen Staatshaushaltes reduziert sich sonach auf 3,643.414 fl. und wird sich das Erfordernis des gemeinsamen Staatshaushaltes auf 123,645.593 fl. belaufen. Die Mitteilungen des Finanzministers werden vom Ministerrate zur Kenntnis genommen19.

VIII. Über das Ansuchen des Vereines „Narodni dom“ in Laibach um Bewilligung einer Effektenlotterie

[VIII. ℹ️Der Finanzminister berichtet über d]as Ansuchen [d]es Vereines „Narodni dom“ in Laibach um die Bewilligung zur Veranstaltung einer Effektenlotterie mit 100.000 Losen à 1 fl. zum Besten des Baufonds für ein ständiges Vereinshaus aller nationalen Vereine in Laibach20. Der Minister bemerkt, dass damit wieder eines jener Lotterieunternehmen begehrt werde, deren Einschränkung geboten erscheine. Der Minister habe auch gerade mit einem Erlasse vom 5. August d. J. angeordnet, dass in Hinkunft in dieser Beziehung vorsichtiger und strenger vorzugehen sei21. Der Landespräsident stehe warm befürwortend für die Sache ein und führe diesfalls auch an, dass man im Jahre 1872 zu analogen Zwecken dem deutschen Vereine „Philharmonische Gesellschaft“ in Laibach eine noch weiter gehende Lotterie [bew]illigt habe, weshalb die Verweigerung der jetzt angesuchten Bewilligung auf nationaler Seite Missstimmung hervorrufen könnte22.

Ungeachtet dessen sei der Finanzminister nicht geneigt, in die Sache einzugehen, zumal es ihm untunlich erscheine, von den Direktiven, die er eben erst am 5. August l. J. gegeben habe, nach einigen Wochen selbst wieder abzugehen. Er bringe jedoch die Angelegenheit hier vor, indem er dem Ministerrate die Erwägung der etwaigen politischen Rücksichten anheimgebe.

Der Minister Dr. Pražák plädiert für die Bewilligung zumal auch in Mähren feinem slawischen Vereine, nämlich der Matice Besedního Domu in Brünn, dann früher schon dem deutschen Vereinshaus in Neutitscheinf eine ähnliche Begünstigung gewährt wurde. Auch der Ministerpräsident glaubt, dass das Präzedens der [] Laibach [wegen der] analogen Begünstigung die Abweisung des vorliegenden Begehrens kaum möglich erscheinen lassen dürfteg . Nach weiterer kurzer Diskussion erklärt der Finanzminister, dass er die Konzession möglichst beschränken und dann die Angelegenheit zur weiteren maßgebenden Beurteilung an das Ministerium des Innern leiten wolle23.

IX. Resultat der gemeinsamen Beratungen über die Durchführungsvorschrift zur Wehrgesetznovelle

IX. ℹ️Der Landesverteidigungsminister referiert über die in Budapest gepflogenen gemeinsamen Beratungen über die Durchführungsvorschrift zur von den beiderseitigen Reichsvertretungen beschlossenen Wehrgesetznovelle24. Der Minister betont, dass er, als er von Sr. Majestät berufen wurde, um in das Ministerium einzutreten, das erste Augenmerk auf die damals bereits eingebrachte Wehrgesetznovelle gerichtet habe25. Er hielt die Vorlage, die er vorfand, von Haus aus für sehr unvollkommen und vom allgemeinen wie vom speziell militärischen Standpunkte vieles zu wünschen lassend. Dieselbe wurde aber eben als das Summum des infolge langer und schwieriger Verhandlungen namentlich auch mit der kgl. ung. Regierung Erzielbaren dargestellt, für dessen Durchbringung nun auch die beiderseitigen Regierungen einstehen mussten26. Die hierseitigen Verhandlungen über die Vorlage und das Resultat derselben sowie die Schwierigkeiten, die sich für die Regierung behufs der Durchbrin[gung] []kte [ergeben,] seien dem Ministerrate bekannt.

Als die Frage der Sanktionierung hervortrat27, wurde vom Reichskriegsministerium gewünscht, dass die Sanktionierung der beiderseitigen Entwürfe gleichzeitig erfolge; zugleich wollte auch die ungarische Regierung, dass vor der Sanktionserwirkung die Durchführungsverordnung festgestellt werde. Bei den Verhandlungen über die Feststellung dieser Verordnung wurden nun von der ungarischen Regierung Postulate gestellt, welche dahin gingen, den Wirkungskreis des Reichskriegsministerium zugunsten des Landesverteidigungsministeriums zu beschränken, Letzterem die entscheidende Stimme in Fragen über den Stand des Heeres einzuräumen, und die Interessen der Landwehr gegen jene des stehen[den] Heeres in erste Linie zu ste[lle]n.

Es wären dies Postulate von einem Standpunkte, den er als mit den Bestimmungen und dem Geiste der staatsrechtlichen Grundlagen und des Wehrgesetzes insbesondere im Widerspruch stehend erachten und deshalb bekämpfen müsste. Nach vielfältigen Verhandlungen wurde nun endlich bei den zuletzt unter dem Ah. Vorsitze Sr. Majestät in Budapest gepflogenen gemeinsamen Beratungen hinsichtlich der die diesseitigen gesetzlichen Bestimmungen betreffenden Punkte eine Einigung in der Richtung erzielt, dass sich die Durchführung mit der vom Reichsrate beschlossenen Gesetzesfassung in Harmonie bringen lässt28.

Der Minister bemerkt, dass die Erzielung dieses Resultates bei der Nachgiebigkeit von Seite der gemeinsamen gegenüber [den ungarischen Minister]n h[öch]st []t gewesen sei. Die diesseitigen Minister haben insbesondere betont, dass die österreichische Regierung, nachdem sie him Einvernehmen mit dem Reichskriegsministeriumh ihre ganze Kraft und ihre ganze Autorität zur Durchbringung der Novelle eingesetzt hatte, sie das Errungene nicht wieder mit der Durchführungsvorschrift fallen lassen könne. Was einzelne Punkte der Verordnung anbelange, so sei die vom Reichskriegsminister zugestandene Erleichterung der Qualifikation für den Einjährig-Freiwilligendienst, wonach das Vorhandensein der erforderlichen Vorbildung nicht mehr absolut an den Nachweis der Absolvierung wenigstens der unteren Mittelschulklassen geknüpft sein, sondern auch schon durch das Zeugnis über die Aufnahmsprüfung für eine diesfalls begünstigte Schule solle nachgewie[sen] werden können, keine gleiche Maßregel, weil sie zur Verschlechterung des ohnehin schon jetzt nicht durchwegs vorzüglichen Materials für Einjährig-Freiwillige führen müsse. Es sei indessen beschlossen worden, die Aufnahme der bezüglichen Bestimmungen in der gemeinsamen Durchführungsverordnung fallen zu lassen und die definitive Regelung der Frage des Wehrgesetzes, dem speziellen Einvernehmen der beiderseitigen Regierungen mit dem Reichskriegsministerium vorzubehalten.

Ein weiterer Punkt, gegen den er von seinem Ressortpunkte – nachdem der Reichskriegsminister zugestimmt – nicht habe eintreten können, sei der, wornach in Ungarn die vierte Altersklasse eventuell auch für den ausschließlichen Bedarf der Landwehr allein heranzuziehen [sei, wenn nach den Vorschriften und den Be]stimmungen für die Reichsratsländer die Einberufung nur kumulativ für den Bedarf des Heeres in erster und der Landwehr in zweiter Linie geschehen könne. Es werde auf diese Weise, und zwar – wie dies auch bei der gemeinsamen Beratung hervorgehoben wurde – gegen den Geist und die Absicht des Gesetzes ein wichtiges Prinzip alteriert.

Der Minister müsse mit Rücksicht auf diese beiden Punkte erklären, dass er für die Folgen derselben keine moralische Verantwortung trage und auch nicht übernehme. Schließlich erbittet sich der Minister die Zustimmung des Ministerrates behufs der Erwirkung der Ah. Sanktion für die Wehrgesetznovelle.

Der Ministerrat erklärt seine Zustimmung.

Der Ministerpräsident [d]rückt für sich und in Namen der Ministerkollegen, welche sämtlich einstimmen, dem Landesverteidigungsminister den wärmsten Dank aus für dessen kräftiges und taktvolles Vorgehen in dieser Angelegenheit, indem bei der von anderer Richtung diesfalls eingenommenen Haltung das günstige Resultat in der Sache nur den Bemühungen und dem Vorgehen des Landesverteidigungsministers zu verdanke kommei . Der Landesverteidigungsminister dankt für die freundliche Anerkennung seitens der Ministerkollegen, indem er bemerkt, dass ihm diese zur Ermunterung für künftiges Streben gereichen solle29.

X. Wegen der Beratung über einen Gesetzentwurf betreffend die ausnahmsweise Heranziehung der Ersatzreserve zur Dienstleistung im Frieden

X. ℹ️Der Landesverteidigungs[minister] [] den Beratungen zur definitiven Feststellung eines Gesetzentwurfes über die ausnahmsweise Heranziehung der Ersatzreserve zur aktiven Dienstleistung im Frieden30 und teilt dem Ministerrate den diesfälligen vom Reichskriegsministerium als Grundlage für die Beratungen proponierten aus der Anlage ersichtlichen Entwurf mitj . Die Tendenz des Entwurfes in der vorliegenden Gestalt erscheine billig und dürfte hoffentlich auch die Zustimmung der gesetzgebenden Faktoren erlangen. Vorläufig handle es sich nur darum, dem Reichskriegsministerium gegenüber zu erklären, auf die weitere Beratung über den Entwurf eingehen zu wollen, und bringe er daher die Absicht, dies zu tun, zur [Kennt]nis des Ministerrates.

Der Ministerrat nimmt die Eröffnung zur Kenntnis31.

XI. Erwirkung des Ordens der Eisernen Krone III. Klasse für den Bürgermeister Lipovatz in Cattaro und des Ritterkreuzes des Franz-Joseph-Ordens für Landtagsabgeordneten Elias Račeta

XI. ℹ️Der Ministerpräsident als Leiter des Ministeriums des Innern erbittet sich im Nachhange zu den in der letzten Ministerkonferenz vorgebrachten Auszeichnungsanträgen wegen anlässlich der Vorgänge in Dalmatien erworbener Verdienste, unter Berufung auf die damals angeführten allgemeinen Motive, die Zustimmung des Ministerrates zu dem Vorhaben, für den Bürgermeister in Cattaro Thomas Lipovatz den Orden der Eisernen Krone III. Klasse und für den Landtagsabgeordneten Ilia Račeta das Ritterkreuz des Franz-Joseph-Ordens zu erwirken. [Der Ministerrat erteilt seine] Zustimmung32.

XII. Wegen zeitwilliger Außerkraftsetzung der Getreidezölle an der Grenze Tirols gegen Italien

XII. ℹ️Der Handelsminister bringt anschließend an die für Tirol gewährte Staatshilfe33 zur Anregung, nunmehr auch für die Tiroler Grenze gegen Italien von Artikel VII des Einführungsgesetzes zum Zolltarife Gebrauch zu machen, wornach die Regierung im Einverständnisse mit der ungarischen Regierung ermächtigt ist, in Fällen schlechten Ernteausfalles im Inlande die Getreidezölle zeitweilig außer Kraft zu setzen34. Die Ernte sei in Südtirol durch die Überschwemmung vernichtet und könne man dort, nachdem die Eisenbahnverbindung vom Norden her für lange Zeit unterbrochen sei35, nur aus Italien Getreide beziehen. [Da]s finanzielle Opfer würde nach dem Bedarfe eines Jahres gerechnet circa 1400 fl. betragen.

Zunächst wolle er das Einverständnis mit der ungarischen Regierung anstreben36.

Der Finanzminister erklärt sich dahin, dass er in die Sache nicht eingehen könnte, bevor nicht die Behörden des Landes sich darüber ausgesprochen hatten, indem sich von hier aus die Notwendigkeit der Maßregel nicht beurteilen lasse. Nach kurzer Diskussion wird für den Vorgang in der Sache ins Auge gefasst, den Statthalter telegrafisch zu befragen, den Akt an den Finanzminister zu leiten und im Falle der entsprechen Äußerung des Statt[halters] [] die [un]g[a]ri[s]che Regierung zu begrüßen37.

XIII. Erwirkung des Ritterkreuzes des Franz-Joseph-Ordens für Telegrafendirektionssekretär Eberle in Zara und für den Reiseinspektor des Lloyd Bertoli

XIII. ℹ️Der Handelsminister referiert über die sein Ressort betreffenden Auszeichnungsanregungen wegen anlässlich der Ereignisse in Dalmatien erworbener Verdienste und erbittet sich daher die Zustimmung des Ministerrates zu dem Vorhaben, für den Telegrafendirektionssekretär Joseph Eberle in Zara und für den Reiseinspektor des Lloyd Jacob Bertoli je das Ritterkreuz des Franz-Joseph-Ordens zu erwirken. Der Ministerrat erklärt seine Zustimmung38.

Ah. E. Ich habe den Inhalt dieses Protokolles zur Kenntnis genommen. Wien, am 4. November 1882. Franz Joseph.