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Nr. 416 Ministerrat, Wien, 14. September 1882

RS.; P. Jaeger; VS. Taaffe (I–III), Ziemiałkowski (III); BdE. und anw. (Taaffe 14. 9.), Ziemiałkowski, Falkenhayn, Pražák, Dunajewski (bei III), Pino; außerdem anw. Fidler; BdE. und abw. Conrad, Welsersheimb (26. 9.).

KZ. 87 – MRZ. 72

Protoko[ll] des zu Wien am 14. September 1882 abgehaltenen Ministerrates unter dem Vorsitze Sr. Exzellenz des Herrn Ministerpräsidenten Grafen Taaffe.

I. Erwirkung Ah. Auszeichnungen für politische Beamte anlässlich der Ereignisse in Dalmatien

I.a ℹ️Der Ministerpräsident bringt zur Sprache die vom Statthalter in Dalmatien anlässlich [der Ereignisse in Dalmatien] [] ge[stellten] Anträge auf E[rwirk]ung Ah. Auszeichnungen. Es wurden verschiedene Ressorts betreffende Anträge gestellt, von welchen der den Bischof von Spalato betreffende Antrag mittlerweile schon erledigt wurde1, während andere noch der Schlussfassung der entsprechenden Ressortminister harren. Indem er heute die das Ressort des Ministeriums des Innern betreffenden Anträge für politische Beamte zur Verhandlung bringe, glaube er gleichwohl, dass es entsprechend sein werde, mit der Emanation aller mit den Vorgängen in Dalmatien im Zusammenhang stehenden Ah. Auszeichnungen und zwar für die verschiedenen Ressorts gleichzeitig vorzugehen. Des Zusammenhanges wegen bringe er sämtliche Anträge für Beamte hier vor, obwohl [es sich nur] zum Teile um Or[densan]träge handle.

Er habe an den bezüglichen Anträgen im Einvernehmen mit dem Statthalter Restringierungen vorgenommen und beabsichtigt er darnach hinsichtlich der nachstehenden, ursprünglichen Vorschlagsliste des Statthalters unter Beistimmung des Letzteren vorzugehen wie folgt:

1. Dr. Joseph Antonietti, k. k. Hofrat in Zara, dient 26 Jahre, vier Monate; beantragt für das Ritterkreuz des Leopoldordens. Die tüchtigen Leistungen Antoniettis seien nicht zu verkennen, doch stehe sein Wirken in keinem unmittelbaren Zusammenhange mit der Unterdrückung des dalmatinischen Aufstandes, daher für dessen Berücksichtigung jetzt der Zeitpunkt nicht vorhanden sei. Deshalb werde dieser Antrag fallengelassen.

2. Nicolaus v. Rendić, Statthaltereirat und Leiter der Bezirkshauptmannschaft Ragusa, Ritter des Ordens der Eisernen Kroneb III. Klasse dient 29 Jahre, fünf Monate; beantragt für das Komturkreuz des Franz-Joseph-Ordens. Rendić, der bei den fraglichen Anlässen eine sehr tüchtige Haltung und viel politischen Takt bewährt habe, verdiene eine besondere Berücksichtigung. Da aber das Komturkreuz des Franz-Joseph-Ordens für einen Statthaltereirat doch zu hoch gegriffen erscheint und Rendić den Orden der Eisernen Krone III. Klasse schon besitze, so solle für denselben der Titel und Charakter eines Hofrates erwirkt werden.

3. Emanuel v. Budisavljević, Bezirkshauptmann in Cattaro, Ritter des Franz-Joseph-Ordens, dient 26 Jahre, elf Monate; beantragt für den Orden der Eisernen Krone III. Klasse. In Anbetracht der ganz [außerordentl]ichen und hingebungsvoll[en Leis]tungen Budisavljevićs und der mutigen Haltung desselben gehe der Ministerpräsident auf diesen Antrag ein.

4. Peter Todorović, Bezirkshauptmann in Zara, dient zehn Jahre, elf Monate; beantragt für das Ritterkreuz des Franz-Joseph-Ordens. Da Todorović bei den Ereignissen nicht unmittelbar beteiligt gewesen sei, so erschiene es genügend, als ersten Grad einer Auszeichnung für denselben die Ah. Anerkennung zu erwirken.

5. Dr. Sigmund Freiherr v. Conrad, k. k. Bezirkshauptmann in Spalato, dient neun Jahre, zehn Monate; beantragt für den Orden der Eisernen Krone III. Klasse. Bei Freiherrn v. Conrad fallen allerdings besondere Leistungen ins Gewicht, doch könne für cdenselben das Ritterkreuz des Franz-Joseph-Ordens alsc genügend erachtet werden.

6. Dr. Ambros Freiherr v. Maroičić, Bezirkskommissär und Vorstand des Statthaltereipräsidialbüros in Zara, dient drei Jahre, sieben Monate; beantragt für das Ritterkreuz des Franz-Joseph-Ordens. Mit Rücksicht auf die Reduzierung des den Baron Conrad betreffenden Antrages und die Rangstellung des Freiherrn v. Maroičič erscheine für denselben das goldene Verdienstkreuz mit der Krone entsprechend.

7. Georg Rukavina v. Liebstadt, provisorischer Bezirkskommissär, dient zwei Jahre, sieben Monate; beantragt für das goldene Verdienstkreuz mit der Krone. Für diesen erst sehr kurze Zeit dienenden Beamten genüge die Zuwendung der Adh. Anerkennungd .

8. Oskar Jarabek, Bezirkskommissär in Cattaro, dient fünf Jahre, elf Monate; beantragt für das goldene Verdienstkreuz mit der Krone. Im Verhältnisse zu den vorausgegangenen Reduzierungen entspreche auch für Jarabek die Zuwendung der Ah. Anerkennung.

9. Dr. Bernhard Marcatti, Bezirkskommissär in Castelnuovo, dient 18 Jahre, elf Monate; beantragt für das goldene Verdienstkreuz mit der Krone. Nachdem Marcatti schon ein länger dienender Beamte sei, so gehe der Ministerpräsident auf den Antrag ein.

10. Narciß Blessić, Bezirkskommissär in Budua, dient acht Jahre, zwei Monate; beantragt für das goldene Verdienstkreuz mit der Krone. Der Ministerpräsident gehe ewegen des Mutes auf den Antrag ein, den der Genanntee bei der Unterdrückung des Aufstandes in Ober-Pobori erwiesen habe.

11. Peter Bonić; Bezirkssekretär; beantragt für das goldene Verdienstkreuz. Der Ministerpräsident akzeptiere diesen Antrag.

Sonach reduzieren sich die Ordensauszeichnungen auf einen Orden der Eisernen Krone III. Klasse und auf ein Ritterkreuz des Franz-Joseph-Ordens. Der Ministerrat erklärt seine Zustimmung2.

II. Frage der Sicherstellung der Bahnstrecke Stryj–Munkács

II. ℹ️Der Handelsminister referiert in Angelegenheit der Herstellung der im militärischen [Interesse] geforderten Bahn[strecke] Stryj–Munkács. Als schon im vorigen Jahre die Herstellung dieser durch Galizien und Ungarn ziehenden Bahnstrecke ventiliert wurde3, sei von ungarischer Seite im kurzen Wege ihm (Handelsminister) die Proposition gemacht worden, die Herstellung in der Weise zu bewerkstelligen, dass eine Gesellschaft diese Bahn im Vereine mit einigen entsprechenden Anschlusslinien als gemeinsame Bahn zur Herstellung und zum Betriebe gegen eine von beiden Staaten zu leistende Zinsengarantie übernehme. Er habe schon damals bemerkt, dass ein solches Projekt von der diesseitigen Regierung nicht angenommen werden könnte mit Rücksicht auf das nunmehr angenommene Prinzip des Staatsbaues4 und weil es auch nicht möglich wäre, die Bewilligung [] Seite würde [] repliziert, dass die ungarische Regierung nur ein solches Projekt einer gemeinsamen Bahn annehmen könnte, da eine Herstellung der ungarischen Strecke als Staatsbau nicht möglich wäre.

Bei den nunmehr eingeleiteten offiziellen Verhandlungen wurde von der ungarischen Regierung der gleiche Standpunkt eingenommen. Der Bau der Strecke Stryj–Munkács solle nach dem Projekte der ungarischen Regierung der diesfalls hiezu bereiten ungarischen Nordostbahn-Gesellschaft in der vorerwähnten Modalität und gegen dem konzessioniert werden, dass dieser Gesellschaft die Strecke Lemberg–Stryj der Albrechtsbahn und Zagósz–Legenymihályi der Ersten Ungarisch-Galizischen Eisen[bahn] an die kgl. ung. [Sta]atsbahnstrecke Szerencs–Nyíregyháza–Debreczin bzw. Püspök–Ladány abgetreten werden5.

Der Reichskriegsminister habe dieses Projekt als bei der Stellungnahme der ungarischen Regierung einzig zum Ziele führend der diesseitigen Regierung zur Annahme empfohlen und wurde er (Handelsminister) deshalb vom Ministerpräsidenten zur Abgabe seiner Äußerung hierüber aufgefordert. Andererseits wurden dem Handelsminister auch seitens des ungarischen Kommunikationsministers die auf dieses Projekt bezüglichen Propositionen gemacht6.

Der Handelsminister könne heute offiziell nur dieselbe Anschauung vertreten, die er einem solchen Projekte gegenüber schon bei der ersten Anregung derselben ausgesprochen7 [] ließe sich [nach den] in dieser Beziehung gemachten Erfahrungen keineswegs mehr empfehlen. Die Sicherstellung überhaupt im Wege der Garantiezusicherung an eine Privatunternehmung stünde im Widerspruche mit dem jetzt zur Geltung gekommenen Systeme und würde vom Parlament niemals genehmigt werden. Endlich aber würde selbst abgesehen von diesen Momenten die Abtretung der zu bauenden Strecke und der übrigen zur Abtretung begehrten diesseitigen Strecken an eine ungarische Bahngesellschaft deshalb ganz unmöglich sein, weil dadurch den diesseitigen Verkehrsinteressen die empfindlichste Schädigung erwüchse, indem auf diese Weise die ungarische Verkehrspolitik die Handhabe erhielte, [durch Lah]mlegung des Ve[rkehrs auf den] galizischen Bahnen und namentlich der Transversalbahn den Verkehr von Osten her über Ungarn und nach der Richtung zur See auf dem kürzesten Wege über Fiume abzulenken. In Anbetracht dieser Umstände könne die diesseitige Regierung nur in der Weise auf die Herstellung der Bahn Stryj–Munkács eingehen, dass sie die galizische Teilstrecke als Staatsbau unter der Voraussetzung herstelle, dass auch von ungarischer Seite die Anschlusslinie gesichert werde.

In diesem Sinne habe er seine Äußerung an den Ministerpräsidenten erstattet und habe in gleicher Weise mit Zustimmung des Finanzministers8 sich auch dem ungarischen Kommunikationsminister gegenüber ausgesprochen und Letzterem dabei zugleich erklärt, dass er [] des letzten Sessions[abschn]ittes eine Regierungsvorlage über die Herstellung der österreichischen Strecke als Staatsbau im Reichsrate einzubringen. Der Aufwand für die österreichische Strecke, hinsichtlich welcher au[ch bereits] die V[o]rarbe[iten] eingeleitet wurden, würde sich auf ca. sieben Millionen belaufen. Die ungarische Strecke dürfte auf sechs Millionen kommen. Nachdem das militärische Interesse die Herstellung der Bahn erheische und das ungarische Projekt nicht annehmbar erscheine, so gelte es eben, von unserer Seite in bestimmter Weise die Bereitwilligkeit der Herstellung unter obigen Voraussetzungen auszusprechen.

Der Ministerpräsident bemerkt, dass er den Standpunkt [des Handels]ministers teile [und] er daher beabsichtige, in diesem Sinne dem Reichskriegsminister zu antworten, erbitte er sich die Zustimmung des Ministerrates zu dem Behufe, um dem Reichskriegsminister zugleich zu erklären, dass die Regierung bereit sei, im Falle der Sicherung der ungarischen Teilstrecke noch im nächsten Sessionsabschnitte eine Vorlage über den Staatsbau der österreichischen Strecke im Reichsrate einzubringen. Die Zustimmung des Finanzministers hiezu müsse bei dem Einverständnisse desselben mit der Erklärung des Handelsministers präsumiert werden.

Minister Freiherr v. Ziemiałkowski hält auch die ungarische Proposition für ganz unannehmbar und wundert sich, dass Ungarn überhaupt nur eine derartige [] Stellungnahme []nden, indem er glaubt, dass unser bestimmtes Anerbieten der Bahnherstellung auf Staatskosten zugleich für Ungarn ein Kompelle bilden dürfte. Auch die übrigen Minister erklären ihre Zustimmung9.

III. In Angelegenheit des Fortbestandes deutscher Parallelklassen am Gymnasium in Wallachisch Meseritsch

III.f ℹ️Im Auftrag des Ministerpräsidenten referiert anstelle des abwesenden Ministers für Kultus und Unterricht Sektionschef Fidler über den mit dem Ah. Auftrage Sr. Majestät zur Beratung des Gegenstandes in der Ministerkonferenz herabgelangten au. Vortrag des Ministers für Kultus und Unter[richt] [] [deu]tscher Parallelklassen am [S]taatsgymnasium in Wallachisch Meseritsch10. Das Gymnasium in Wallachisch Meseritsch wurde im Jahre 1871 als Untergymnasium mit böhmischer Unterrichtssprache gegründet. Später wurden über das Andringen der anderen Partei deutsche Parallelklassen auf Staatskosten errichtet. Im weiteren Verlaufe wurden auch an die deutschen Parallelklassen Obergymnasialklassen mit deutscher Unterrichtssprache gegen Erhaltung seitens der Gemeinde angeschlossen. In Rücksicht auf die dabei zur Darstellung gekommenen Verhältnisse sowie im Interesse der Entwicklung des blühenden böhmischen Gymnasiums wurde jedoch mit Ah. Entschließung vom 18. Februar 1880 die Erweiterung des böhmischen An[] Auflassung [der] auf Staatskosten erhaltenen deutschen Parallelklassen des Untergymnasiums angeordnet11.

Die Bewegung, die infolge dieser Anordnung unter der deutschen Bevölkerung eintrat, veranlasste das Ministerium zu dem au. Antrage, die deutschen Parallelabteilungen des Untergymnasiums für das Schuljahr 1880/81, und zwar auf Kosten der Gemeinde, fortbestehen zu lassen, welcher au. Bitte auch willfahrt wurde12. Dieser Zustand wurde vom Ministerium in Anhoffung der nachträglichen Ah. Gutheißung auch für das Schuljahr 1881/82 belassen. Aufgrund der inzwischen [geführten] Verhandlung[en, nach]dem die Gemeinde die Bei[be]haltung der deutschen Parallelklassen des Untergymnasiums wünsche, jedoch nicht in der Lage sei, den ganzen Aufwand dafür zu bestreiten, wurde vom Statthalter im Einvernehmen mit dem Landesschulrate der Antrag gestellt, dass die deutschen Parallelklassen des Untergymnasiums gegen Bestreitung der sachlichen Bedürfnisse für dieselben seitens der Gemeinde definitiv belassen werden mögen, hingegen die bisher ausschließlich von der Stadtgemeinde erhaltenen deutschen Obergymnasialklassen definitiv aufzulassen wären. Im Sinne dieser Proposition habe nunmehr der Minister für Kultus und Unterricht einen au. Vortrag erstattet und um die Ah. Genehmigung gebeten, dass [] for[]te[]hen. Der Aufwand hiefür belaufe sich auf ca. 4.000 fl. jährlich.

Dieser au. Vortrag sei mit Ah. Anordnung vom 13. d. M. zur Beratung in der Ministerkonferenz herabgelangt. Die Sache sei dringend, da das Ministerium, nachdem der Beginn des neuen Schuljahres vor der Türe stehe, mit Anfragen bestürmt werdeg .

Beim Beginne der Diskussion wird von den Ministern übereinstimmend betont, dass es vor allem notwendig wäre, die Daten über die Frequenzverhältnisse zur Hand zu haben, um ein Urteil über die Belassung oder Nichtbelassung der deutschen Parallelklassen abge[ben zu kön]nen. Sektionschef Fidler bemerkt, dass er jetzt leider nicht in der Lage sei, diese Daten geben zu können, nachdem in dem Verhandlungsakte keine bezüglichen Erhebungen vorliegen.

Der Handelsminister, der Finanzminister, Minister Dr. Pražák und Minister Freiherr v. Ziemiałkowski sprechen übereinstimmend ihre Anschauung dahin aus, dass eine definitive Entscheidung ohne die Grundlage der Frequenzdaten nicht getroffen werden könne. Indessen würde es jetzt unmittelbar vor Beginn des Schuljahres und wo schon Eintrittsanmeldungen geschehen sein mögen, nicht möglich sein, mit der Auffassung der fraglichen Parallelabteilungen vorzugehen, weshalb nichts übrigbleibe, als die [] vorau[sgese]tzt, [dass üb]erhaupt Einschreibungen daselbst stattfinden. Hingegen müsste getrachtet werden, dass die Entscheidung für weiter entsprechend frühzeitig im Laufe dieses Schuljahres getroffen werde.

Ah. E. Ich habe den Inhalt dieses Protokolles zur Kenntnis genommen. Wien, am 4. November 1882. Franz Joseph.