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Nr. 408 Ministerrat, Wien, 31. Juli 1882

RS.; P. Jaeger; VS. Taaffe; BdE. und anw. (Taaffe 31. 7.), Falkenhayn, Welsersheimb; BdE. und abw. Ziemiałkowski, Pražák, Conrad, Dunajewski, Pino.

KZ. 77 – MRZ. 64

Protokoll des zu Wien am 31. Juli 1882 abgehaltenen Ministerrates unter dem Vorsitze Sr. Exzellenz des Herrn Ministerpräsidenten Grafen Taaffe.

I. Einberufung der Landtage von Istrien, Galizien und Krain

I. ℹ️Der Ministerpräsident als Leiter des Ministeriums des Innern referiert über die weitere Einberufung einiger Landtage1. [] An[] Grundsatz [] hinsichtlich des Zeit[punk]tes der Einberufung der Landtage nach Tunlichkeit auf die diesfalls geäußerten Wünsche Rücksicht zu nehmen. Im Verfolge dieses Gesichtspunktes wären demnach zunächst die Landtage von Istrien, Galizien und Krain einzuberufen und zwar wären annähernd an die ausgesprochenen Wünsche als Einberufungstermine anzuordnen für den Landtag von Istrien der 20. August und für die Landtage von Galizien und Krain der 4. September. Jedoch möchte der Ministerpräsident proponieren, dass die Einberufung dieser drei Landtage durch ein Ah. Patent verfügt werde. Die Einberufung der noch [üb]rig bleibenden Serie der [La]ndtage für die zweite Hälfte September wäre einer späteren Verfügung vorzubehalten. Der Ministerpräsident erbittet sich die Zustimmung des Ministerrates zur au. Beantragung der Einberufung der Landtage von Istrien, Galizien und Krain zu den vorerwähnten Terminen.

Der Ministerrat erklärt seine Zustimmung2.

II. Erwirkung des Ritterkreuzes des Franz-Joseph-Ordens für den Dr. Josef Wurzel in Jungbunzlau und für den Landesrechnungsdirektor Carl Bachmann in Prag

II. ℹ️Der Ministerpräsident als Leiter des Ministeriums des Innern beabsichtigt infolge des Antrages des Statthalters für einige Persön[lichkeiten Zeichen A]h. [Gnade] zu er[wirken] und zwar handle es sich hiebei um keinerlei Berücksichtigung von politischem Beigeschmacke, sondern lediglich um die Würdigung von Verdiensten für gemeinnütziges Wirken. Darunter wolle er Ordensauszeichnungen und zwar je das Ritterkreuz des Franz-Joseph-Ordens beantragen für den Großgrundbesitzer und Advokaten Dr. Josef Wurzel in Jungbunzlau und für den Landesrechnungsdirektor Carl Bachmann in Prag. Ersterer habe sich namentlich durch hingebendes und opferwilliges Wirken im Schulwesen hervorgetan. Letzterer zeichne sich durch eine langjährige, unermüdl[ich]e Betätigung auf dem Ge[bie]te des Armenwesens aus.

Der Ministerrat erklärt sich mit den Antragsabsichten des Ministerpräsidenten einverstanden3.

III. Erwirkung des Ritterkreuzes des Franz-Joseph-Ordens für den Dr. Franz Ladinser in Linz

III. ℹ️Der Ministerpräsident als Leiter des Ministeriums des Innern erbittet sich die Zustimmung des Ministerrates zu dem Vorhaben, für den Präsidenten der allgemeinen Sparkassa und Leihanstalt in Linz, Dr. Franz Ladinser, in Anerkennung seiner vieljährigen ersprießlichen gemeinnützigen Tätigkeit das Ritterkreuz des Franz-Joseph-Ordens zu erwirken und teilt aus [dem Inhalte des diesfalls] zu [erstattenden a]u. Vortrages die wesentlichsten Verdienstmomente mit. Der Ministerrat erklärt seine Zustimmung4.

IV. Erwirkung des Ritterkreuzes des Franz-Joseph-Ordens für die Gemeinderäte Matzenauer, Boschan und Streit, für den Magistratsrat Peyfuss und für den Polizeioberkommissär Mitteis in Wien

IV. ℹ️Der Ministerpräsident als Leiter des Ministeriums des Innern beabsichtigt für einige Persönlichkeiten in Wien, einerseits wegen Verdiensten auf kommunalem und humanitärem Gebiete und anderseits wegen verdienstlicher Betätigung im Hilfskomitee für die beim Brande des Ringtheaters5 Verunglückten und in der Theater[sic]herheitskommission Ah. Auszeichnungen zu erwirken, und zwar habe er vor, je die Verleihung des Ritterkreuzes des Franz-Joseph-Ordens zu beantragen für die Gemeinderäte Josef Matzenauer, Georg Eduard Boschan, Architekt Andreas Streit, dann für den Magistratsrat Carl Peyfuss, endlich für den Polizeioberkommissär Robert Mitteis. Der Ministerpräsident hebt aus dem Inhalte des diesfalls zu erstattenden au. Vortrages die für die Berücksichtigung dieser Persönlichkeiten sprechenden näheren Verdienstmomente mit. Der Ministerrat erklärt seine Zustimmung6.

V. Erwirkung des Freiherrnstandes für den Großgrundbesitzer Adolf Ritter v. Seidler

[V. ℹ️Der Ministerpräsiden]t re[feriert ferner über] die vom [Reichs]finanzminister vorgebrachte Anregung der Erwirkung einer Ah. Auszeichnung für den Großgrundbesitzer in Niederösterreich Adolf Ritter v. Seidler. ℹ️Derselbe wurde vor zwölf Jahren als Mitglied des Gemeinderates und Direktor der Anglo-österreichischen Bank mit dem Orden der Eisernen Krone III. Klasse ausgezeichnet7 und lebe seit zehn Jahren von allen Geschäften zurückgezogen, sich nur auf humanitärem Gebiete betätigend. Auch sei Seidler in der Krachperiode nicht engagiert gewesen8. Neuestens habe Seidler einen namhaften Betrag, wenn der Ministerpräsident nicht irre, die Summe von 120.000 fl. für Zwecke der bos[ni]schen Verwaltung dem Reichsfinanzminister zur Verfügung gestellt. Unter diesen Umständen und nachdem der Reichsfinanzminister auf eine neuerliche Auszeichnungsberücksichtigung Seidlers besonderen Wert lege, wolle der Ministerpräsident auf die Anregung eingehen. Der Reichsfinanzminister bezeichne als den erwünschten Auszeichnungsgrad eine solche Ah. Auszeichnung, mit welcher die Verleihung des Freiherrnstandes verbunden ist. Nachdem sonach die Freiherrnstandsverleihung als die von Seidler erstrebte Berücksichtigung gelten könne, so gedenke der Ministerpräsident, lediglich die Ag. Verleihung des [Freiherrnstandes dessel]ben [au.] zu bean[tragen.] Er erbitte sich da[her die] Zustimmung des Ministerrates zu dem diesfälligen Antragsvorgehen für den Fall, als die von ihm requirierten und bisher noch nicht eingelangten behördlichen Äußerungen über Seidler entsprechend lauten.

Der Ministerrat erklärt unter dieser Voraussetzung seine Zustimmung9.

VI. Einbringung eines Gesetzentwurfes im niederösterreichischen Landtage betreffend Vertilgung von Unkräutern und Pilzträgern

VI. ℹ️Der Ackerbauminister erbittet sich die Zustimmung des Ministerrates zur Einbringung eines Gesetzentwurfes im niederösterreichischen [Land]tage betreffend [die Vertilg]ung von Unkräutern und Pilzträgern. Der Entwurf wurde vom niederösterreichischen Landesausschusse gewünscht und basiere auf dem diesfalls von fachmännischer Seite und von den berufenen Körperschaften abgegebenen Gutachten10. Hinsichtlich der Anzahl der zu vertilgenden Unkräuter, über die analogen Gesetze für Böhmen und Steiermark11 hinausgehend, stimme der Entwurf in der sonstigen Fassung mit den Anordnungen dieser Gesetze überein. Das Einverständnis mit dem Ministerium des Innern sei erzielt.

Der Ministerrat erklärt seine Zustimmung12.

VII. Einbringung eines Gesetzentwurfes im galizischen Landtage betreffend Einquartierungserleichterungen

[VII. ℹ️Der Minister für Landesverteidigung erbittet die] Zu[stimmung des Minist]errates [zu dem Vo]rhaben der Ein[brin]gung eines Gesetzentwurfes im galizischen Landtage, womit in Ausführung des § 23 des Einquartierungsgesetzes13 Bestimmungen zur möglichst gleichmäßigen Verteilung und Erleichterung der bleibenden Einquartierung getroffen werden14. Der Entwurf gipfle darin, dass den Beistellern von Notkasernen gewisse Aufzahlungen aus dem Landesfonds zur normierten Gebühr gewährt werden, und dass weiters an Kasernbauunternehmer in den nächsten zehn Jahren Vorschüsse bis zur Höhe von 30.000 fl. aus dem Landes[fonds] erteilt werden. Der Gegenstand der Einquartierungserleichterungen wurde schon im vorigen Jahre im galizischen Landtage besprochen. Dabei wurde zwar der Standpunkt der Gebühraufzahlung nicht akzeptiert, jedoch bestimmt, dass der Landtag durch drei Jahre alljährlich 60.000 fl. für Darlehen an Kasernbauunternehmer verwenden könne, und ferner beschlossen, die Regierung aufzufordern, einen Gesetzentwurf über die gleichmäßige Verteilung der Einquartierungslast vorzulegen15. Der Darlehensbeschluss des Landtages begreife eine nur dürftige Unterstützung. Nachdem aber gegen die von der Regierung ins Auge gefassten Aufzahlungen []viel[] Vorge[hen aufge]fordert wurde, [so] dürfte es trotzdem immerhin möglich sein, den Regierungsstandpunkt durchzubringen, dessen Tendenz mit dem übereinstimme, was diesfalls bereits in andern Ländern beschlossen wurde16.

Der Ministerrat erklärt sich mit der Einbringung des Gesetzentwurfes unter der Voraussetzung einverstanden, dass von Seite des Ministers Freiherrn v. Ziemiałkowski gegen das Einbringungsvorhaben keine Einwendung erhoben werde17.

VIII. Urlaubsabwesenheit und Vertretung des Landesverteidigungsministers

VIII. ℹ️Der Landesverteidigung[sminister] bringt zur Anz[eige], [da]ss er von jetzt ab 14 Tage sich von Wien entfernen wolle und deshalb ersuche, dass die allenfalls für die laufende Geschäftsführung erforderliche Vertretung von einem der in Wien anwesenden Minister übernommen werden möge. Die Anzeige wird zur Kenntnis genommen und erklärt sich der Ackerbauminister zur vorläufigen Vertretung des Landesverteidigungsministers bereit18.

Ah. E. Ich habe den Inhalt dieses Protokolls zur Kenntnis genommen. Wien, 3. September 1882. Franz Joseph.