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Nr. 400 Ministerrat, Wien, 26. Juni 1882

RS.; P. Jaeger; VS. Taaffe; BdE. und anw., Ziemiałkowski, Falkenhayn, Pražák, Conrad, Welsersheimb, Dunajewski, Pino; anw. (Taaffe); außerdem anw. Wittek.

KZ. 69 – MRZ. 56

Protokol[l] des zu Wien am 26. Juni [1882] abgehaltenen Ministerrate[s] unter dem Vorsitze Sr. Exzellenz des Herrn Ministerpräsidenten Grafen Taaffe.

I. Erwirkung des Titels und Charakters eines Sektionschefs für den Ministerialrat Ferdinand Ritter v. Erb

I. ℹ️Der Ministerpräsident als Leiter des Ministeriums des Innern beabsichtigt für den rangältesten Ministerialrat [Ferdinand Ritter v. Erb] den [Titel und Charakter] eines [Sektionschefs zu] erwirken. Ritter v. [Er]b sei bereits länger als 12 Jahre Ministerialrat. Nachdem derselbe in seiner jetzigen Verwendung im Ministerium des Innern seit drei Jahren sich in jeder Beziehung hervorgetan und als ein tüchtiger und unparteiischer Beamter bewährt und den Ministerpräsident wirklich unterstützt habe, so halte er sich für verpflichtet, für denselben von Sr. Majestät obige Berücksichtigung zu erbitten. Die Absicht des Ministerpräsidenten wird vom Ministerrate genehmigend zur Kenntnis genommen1.

II. Mitteilung über die Verhandlung des Handelsministers mit dem Bischofe von Linz bezüglich der Dotation des Linzer Bistums

[II.] ℹ️Der Handelsminister [refe]riert über die von ihm im Auftrage des Ministerrates mit dem Bischofe von Linz in Angelegenheit der Dotation des Linzer Bistumes gepflogene Verhandlung2. Als Grundlage der Verhandlung diente ein vom Ministerium für Kultus und Unterricht angefertigter Entwurf einer Erklärung, in welcher der Standpunkt zum Ausdruck gebracht worden war, der zuletzt von der Ministerkonferenz als Ausgleichsbasis angenommen wurde.

Der Bischof ging in Wesenheit auf den proponierten Ausgleichsstandpunkt ein, verlangte jedoch einige Modifikationen3. Zunächst wolle der Bischof bezüglich der Kapitalsdotation, []ssen [] pro her[] dass ihm an[statt der] gebotenen 500.000 fl. in [No]tenrente ein Betrag von 522.000 fl., und zwar in Silberrente, gegeben werde. Dies würde gegenüber dem Anbote der Regierung eine Erhöhung der Kapitalsdotation von 26.334 fl. bedeuten. Weiters wolle sich der Bischof in der Ausgleichserklärung die Zustimmung des Heiligen Stuhles vorbehalten. Endlich wolle derselbe eine Art Rechtsverwahrungsausdruck neben dem Verzichte in das Instrument aufgenommen wissen.

Der Ministerrat nimmt die Mitteilung des Handelsministers zur Kenntnis und gibt neuerdings dem Wunsche [Aus]druck, dass die Angelegenheit zur baldigen Finalisierung gebracht werde, weshalb der Minister für Kultus und Unterricht ersucht wird, in einer der nächsten Ministerkonferenzen über den Gegenstand zu referieren4.

III. In Angelegenheit der Wiener Stadtbahn

III. ℹ️Der Handelsminister referiert in Angelegenheit der Wiener Stadtbahnfrage5. Projekte für eine Wiener Stadtbahn wurden eingebracht von den englischen Ingenieuren James C. Bunton und Josef Fogerty und dann von der Wiener Baugesellschaft im Vereine mit dem Wiener Bankvereine6. Eigentlich greifbar, technisch und finanziell ernstlich zu [] [anf]angs [] vertre[tenen Weg des] Konsortiums. [Von den P]rojektanten wurde die Konzession zur Vornahme der technischen Vorarbeiten erworben. Diese Vorarbeiten wurden durchgeführt. Es wurde sodann die Trassenrevision angeordnet, bei welcher sich keine Anstände ergaben7. Auch wurden Auskünfte über die Persönlichkeiten der Projektanten eingeholt und lauteten diese Auskünfte günstig. Der Wiener Gemeinderat, um sein Gutachten über die Anlage einer Stadtbahn befragt, zögerte lange mit seiner Äußerung und gab diese endlich dahin ab8, dass der Gemeinderat zwar im Prinzipe für die Anlage einer Stadtbahn sei, [dass] er jedoch derzeit [keinem] der vorliegenden Projekte zustimme, da mit der Ausführung der Stadtbahn gleichzeitig auch die Regulierung der Wien und die Auflassung der Linienwälle zu verbinden wäre. Bei der vom Handelsminister über beide Projekte veranlassten kommissionellen Verhandlung erklärte man sich übereinstimmend erstlich dafür, dass die Anlage einer Stadtbahn höchst wünschenswert sei, zweitens sprach man sich für das Projekt Bunton-Fogerty und gegen das andere Projekt aus. In gleicher Weise sprach sich auch die Statthalterei aus9.

Nachdem inzwischen die Angelegenheit in der Öffentlichkeit viel Staub aufwirbelte und eine verschiedenartige Beurteilung erfuhr, sah sich []ch [] sonst her[] [W]iener Persön[lichkeiten ein]zuberufen10, um deren Gutachten darüber zu hören, ob die Stadtbahn überhaupt wünschenswert sei und ob deren Herstellung der Wienregulierung und der Regierung der Linienwälle präjudizieren würde. Die Enquête erklärte sich für die unverweilte Ausführung des Projekts Bunton-Fogerty, nachdem durch die Durchführung desselben weder der Regulierung der Wien noch der Regulierung der Linienwälle präjudiziert würde. Insbesondere erklärten sich Baron Felder und Baron Engerth dahin, dass man in der Sache unbedingt vorwärts gehen möge, da es gelte, für die Gegen[wart] zu arbeiten. Infolgedessen habe nun der Handelsminister mit den Konzessionswerbern Bunton und Fogerty Verhandlungen in der Richtung eingeleitet, ob sich dieselben hinsichtlich des projektierten Unternehmens allen von der Staatsregierung in technischer und sonstiger Beziehung zu stellenden Bedingungen unterwerfen wollen11. Nachdem die Unternehmer die Bereitwilligkeit der diesfälligen Unterwerfung erklärt hatten, wurde der Entwurf einer Konzessionsurkunde vereinbart, wornach alle im staatlichen und im öffentlichen Interesse überhaupt erforderlichen Garantien gegeben werden12.

Ministerialrat Ritter v. Wittek referiert über den wesentlichen Inhalt der Konzessionsurkunde [] Donau[] [A]spernbrücke, [] [be]ziehungsweise von der Radetzkybrücke längs des Wienflusses bis zum Gumpendorfer Schlachthause, dann zur Währinger Linie innerhalb der Gürtelstraße zurück zur Brigittabrücke (Ringbahn) mit Abzweigungen zur

1. Kaiser-Franz-Joseph-Bahn,

2. Nordwestbahn, Nordbahn und Donauuferbahn,

3. Wiener Verbindungsbahn,

4. Südbahn,

5. Kaiserin-Elisabeth-Bahn und nach Hietzing.

Die Länge der Ringbahn betrage zirka 13 Kilometer. Das Nominalanlagekapital werde auf 50 Millionen veranschlagt, wovon die Hälfte in Aktien und die Hälfte in [Pri]oritäten begeben w[erde] könne, jedoch darf die Ausgabe der Prioritätsobligationen erst nach Vollendung und Inbetriebnahme der Strecke Hauptzollamt–Elisabethbahn mit den Abzweigungen nach Meidling und Hietzing erfolgen. Die Gesellschaft ist verpflichtet, den Nachweis der gesicherten Geldbeschaffung bzw. Nachweis der erfolgten Zeichnung des gesamten Aktienkapitals binnen längstens neun Monaten nach der bedingungsweise zu erteilenden Ah. Konzession zu erbringen. Die finanziellen Begünstigungen sind die nach dem Lokalbahngesetze zulässigen Steuer- und Gebührenbefreiungen. Als Bautermin sind festgesetzt für die Strecke Hauptzollamt–Kaiserin-Elisabeth-Bahn []l vier Jahre. [Die Kaution] beträgt eine [Millio]n und zwar zur Sicherstellung sowohl der Bautermine als auch bezüglich des Geldbeschaffungswesens. Die Konzessionsdauer ist auf 90 Jahre festgestellt. Das Einlösungsrecht der Staatsverwaltung beginnt 25 Jahre nach Betriebseröffnung der ganzen Ringbahn.

Als spezielle Bestimmungen bzw. Bedingungen kommen weiters folgende hervorzuheben:

§ 5) Anwendung aller jetzt bekannten und etwa künftig zu entdeckenden technischen Vorkehrungen beim Bau und Betriebe behufs tunlichster Hintanhaltung einer Belästigung durch Geräusch, Rauch, Kohlen- [un]d Funkenflug.

§ 6) Die Staatsverwaltung besitzt das Recht der jederzeitigen Mitbenützung der konzessionierten Bahn für den Verkehr zwischen den an diesfalls anschließenden, jetzt oder künftig im Staatsbetriebe befindlichen Bahnen gegen entsprechende Vergütung.

§ 8) Das österreichische oder ungarische Staatsbürgerschaftsrecht bildet ein Erfordernis für Beamte des exekutiven Dienstes. Der Betriebsdirektor muss österreichischer Staatsbürger sein.

§ 11) Bei allfälliger Einstellung des Baues der Bahn oder Nichteinhaltung der Bautermine kann entweder die Konzession an einen anderen Unternehmer erteilt werden oder der Bau auf Staatskosten ausgeführt oder endlich auf Gefahr und Kosten der Konzessio[näre] []gen [] sich der [] [ge]samten Vermö[gens der Konzes]sionäre schadlos halten, außerdem verfällt die Kaution als Konventionalstrafe.

Sämtliche Materialien, Fahrbetriebsmittel etc. sind aus dem Inlande zu beschaffen. Die Tarife unterliegen der jeweiligen Genehmigung der Regierung und ist der Personenbeförderungsdienst an der Bahn so einzurichten, dass alle zehn beziehungsweise alle fünf Minuten ein Zug abzugehen hat, auch sind eventuell Arbeiterzüge mit ermäßigten Fahrpreisen einzuführen. Die Leistungen für die Postanstalten sind weitergehend als gewöhnlich. Referent betont, dass die [offi]ziellen Kautelen st[renger] seien, als sie in irgendeiner anderen Konzessionsurkunde bisher gesetzt wurden und dass sie überhaupt das Schärfste begreifen, was man diesfalls bedingen könne. Insbesondere wurde auch die vis major in Bezug auf politische Ereignisse strenge definiert und auf das Ereignis eines europäischen Krieges, in dem Österreich und England verwirklicht wären, eingeengt.

Der Handelsminister möchte demnach aufgrund des eben erörterten Instrumentes mit der Konzessionsprüfung unter der Bedingung des Nachweises der Geldbeschaffung vorgehen. Er müsse erwähnen, dass bei der bezüglichen Beratung in der Kommission des Wiener Ge[meinderates] []sich[]ung ei[] die Gemeinde [bei der Kon]zessionserteilung mitzusprechen hätte. Diesen Standpunkt, welcher dem Gesetze widerspricht, könne die Staatsverwaltung nicht annehmen. Die Regierung sei unzweifelhaft berechtigt, mit der Konzessionierung einer Eisenbahn selbständig vorzugehen. Die Gemeinde sei als Interessent gefragt worden und habe auch bei der kommissionellen Verhandlung Gelegenheit gehabt, ihren Standpunkt zu wahren. Wenn sie dies hiebei nicht getan habe, so habe die Regierung deshalb keinen Grund, sich in ihrem kompetenzmäßigen Vorgehen behindern zu lassen. Übrigens [we]rde die Gemeinde b[ei der] politischen Begehung noch Gelegenheit haben, ihre Wünsche, soweit es dann noch tunlich sei, geltend zu machen. Der Handelsminister verhehlt sich nicht, dass die Konzessionserteilung momentan einen Sturm in der Öffentlichkeit hervorrufen würde. Aber er sei auch überzeugt, dass, wenn die Regierung die jetzt gegebene Gelegenheit der Herstellung eines Stadtbahnnetzes nicht ergriffe, man ihr später sicherlich einen Vorwurf daraus machen würde. Gewiss werde, wenn die Konzessionierung erfolge und der erste Lärm verlaufen sein werde, alsbald eine Stimmung vollkommener Befriedigung über die Sache eintreten. Nachdem es sich um ein wichtiges für eine Großstadt []gt []ewisser [] [zurüc]khalten lassen.

Der Finanzminister gibt zu bedenken, dass das Bahnunternehmen, gegen welches sich die Gemeindevertretung ausgesprochen habe, doch nur ein lokales Interesse der Stadt Wien ausmache. Er sieht nicht ein, welches Interesse die Staatsregierung haben könne, in einer solchen lokalen Angelegenheit gegen den Willen der Stadtvertretung vorzugehen und möchte deshalb zu bedenken geben, ob es zweckmäßig sei, ob es sich politisch rentiere, einen solchen Schritt über den Gemeinderat hinaus zu tun. Weiters besorgt der Finanzminister, ob nicht durch die Aufbringung von 50 M[illionen] der hiesige Geldmarkt empfindlich berührt werden könnte.

Der Handelsminister erwidert, dass es sich erstlich bei der Sache nicht bloß um die Stadt Wien, sondern auch um ein wesentliches Interesse der Vororte handle, welche Vororte zusammen eine Bevölkerung von 300.000 Seelen haben und welche das Zustandekommen der Bahn wünschen. Die Großkommune Wien habe sich übrigens nicht prinzipiell gegen die Stadtbahn ausgesprochen, aber die Voraussetzungen, an welche dieselbe ein solches Werk geknüpft wissen wolle, bedeuten, wenn man die Kosten der Wienregulierung einerseits und die Frage der Vereinigung der Vororte mit der Gemeinde Wien anderseits ins Auge fasse, eine Hinaus[]denken, [werde es unbedin]gt in Wien mit [dem Gem]einderate zu tun haben, welcher keineswegs auf der Höhe seiner Aufgabe stehe. Aber auch abgesehen von allem diesem müsse er betonen, dass die Stadtbahn an sich kein bloß lokales Interesse sei, sondern insoferne auch ein Staatsinteresse begreife, als sie ein Mittel der Verkehrsentwicklung bilde und die Förderung des Verkehres den Staatsaufgaben zuzurechnen komme. Anbelangend die Geldbeschaffung, so bemerke der Handelsminister, dass das ganze Kapital in England aufgebracht werden solle und dass gar nicht die Kotierung der Papiere in Österreich begehrt werde.

Der Minister für Kultus und [Un]terricht hegt bei der vorh[an]denen Sachlage und angesichts des Votums des Gemeinderates gleichfalls Bedenken gegen das vom Handelsminister proponierte Vorgehen. Man wolle etwas nachahmen, was in anderen Städten bestehe. Es scheine ihm bei der Frage der Einführung einer solchen Einrichtung vor allem wichtig, sich darüber klar zu werden, ob die Voraussetzungen, welche anderwärts für das Unternehmen bestehen, auch hier gegeben seien. Zunächst falle die Bedürfnisfrage ins Gewicht. In der Vorsorge für zukünftige Bedürfnisse sei es geraten, vorsichtig zu sein. Wir haben ein trauriges Beispiel in dem Vorgange bei den Wohnungsbauten in Wien. Das Wohnungsbedürfnis, das man []zte[] [Wo]hnungen [] [dass ] sich da das Ka[pital dem] Unternehmen zugewendet, welches keinem Bedürfnisse entsprach. Dem Minister scheine es nun zunächst sehr fraglich, ob für eine Stadtbahn schon das Bedürfnis vorhanden sei. Ein weiteres sei die Frage, ob eine solche Bahn auch dem Typus der Stadt entspreche. In dieser Beziehung müsse wohl dem Votum der Stadtvertretung Gewicht beigemessen werden. Diese habe sich aber dagegen ausgesprochen. Endlich betont der Minister, dass nicht alle Gemeinderäte bloß aus Opposition sich gegen das Projekt ausgesprochen haben und dass von vielen Seiten aus sachlichen [Grün]den dagegen angekämpft wurde. Der Minister möchte deshalb glauben, dass der Ministerrat doch in Überlegung zu nehmen hätte, ob nicht die Gründe des Gemeinderates solche seien, deren Wichtigkeit auch die Regierung anerkennen müsse. Speziell möchte er nur hervorheben, dass die Regulierung des Wienflusses gewiss wichtiger sei als die Herstellung einer Stadtbahn.

Der Handelsminister bemerkt, dass die Bedürfnisfrage bei verschiedenen Unternehmungen nach verschiedenen Gesichtspunkten beurteilt werden müsse. Hinsichtlich der Wohnungsbauten könne die vorhandene Bevölkerung und deren mögliche Vermehrung in Rechnung gezogen [werden.] []ln [] einen Ver[] müsse man [] Straße bauen. Er [erinn]ere daran, wie man seinerzeit gegen das Bedürfnis des Tramwayverkehres gesprochen habe. Heute transportiere die Tramway 22 Millionen Individuen13. Die Stadtbahn solle dem Bedürfnisse des Zirkularverkehrs, des Verkehres der Vorstädte unter sich dienen, einem Verkehrsbedürfnisse, dem die gegenwärtigen Verkehrsmittel, welche wesentlich nur einen Radialverkehr vermitteln, nicht entsprechen. Übrigens sei die Erwägung der Bedürfnisfrage hinsichtlich des Kapitalaufwandes Sache der Unternehmung. Der Handelsminister ist überzeugt, dass die Errichtung der [Sta]dtbahn die Wienregu[lierung för]dern und die Lösung der Frage der Linienwälle beschleunigen werde. Wenn man die Sache jetzt hinausschiebe und damit die Unternehmer verliere, werde man weder eine Wienregulierung noch eine Auflassung der Linienwälle noch eine Stadtbahn haben.

Minister Dr. Pražák bemerkt, dass es ihm doch bedenklich scheine, gegen den Willen der Stadtvertretung vorzugehen, zumal auch in der vom Handelsminister veranstalteten Enquête viele Stimmen sich gegen das Projekt aussprachen. Es handle sich um ein Werk, das nach seiner Größe und Bedeutung fast über die Grenze eines Lokalbahnnetzes hinausgehe. Wenn man [] Sa[] [A]bgeordne[te] []ge, so hielte er [es für dement]sprechend, wenigstens die Zustimmung der Gemeinde Wien abzuwarten.

Der Ackerbauminister glaubt, dass es vom politischen Standpunkte gut wäre, mit der Sache wenigstens etwas zuzuwarten. Es herrsche jetzt in sehr weiten Kreisen eine unangenehme Stimmung in Bezug auf das Stadtbahnprojekt und möchte er deshalb nicht raten, jetzt eine Bewegung herauszuforden. Der Handelsminister bemerkt, dass ein bedeutender Faktor Wiens, der Gewerbeverein, welcher einen sehr weiten Kreis begreife, sich für die Stadtbahn aus[ge]sprochen habe.

Minister Freiherr v. Ziemiałkowski bemerkt, es handle sich doch um ein Unternehmen, welches zum Nutzen der Stadt Wien geschaffen werden solle. Wenn die Regierung die Hand biete, ein Werk ins Leben zu rufen, mit dem sie die Interessen der Stadt zu fördern beabsichtige, so werde sie nur einer Staatsaufgabe gerecht. Er möchte sich daher nicht gegen die Absicht des Handelsministers wenden. Der Finanzminister will zu erwägen geben, ob man nicht etwa so vorgehen könnte, dass man nochmals an den Gemeinderat herantreten, ihm die Konzessionierungsabsicht mitteile und ihn auffordere, binnen eines Präklu[sionstermines] []ung habe.

[Der Mini]sterpräsident hält die Durchführung des Stadtbahnprojektes für wichtig und wünschenswert, ist aber auch der Meinung, dass es nicht anginge, jetzt gegen den ausgesprochenen Willen der Gemeinde vorzugehen. Die politische Situation scheine ihm diesfalls schwer ins Gewicht zu fallen. Es wurden seit dem Bestande dieser Regierung fortwährend Versuche gemacht, die Gemeinde Wien gegen das Ministerium aufzuhetzen. Bisher hatten diese Anstrengungen keinen Erfolg. Jetzt stehe ein ausdrücklicher Beschluss der Gemeinde dem proponierten Regierungsvorgehen ent[ge]gen und man hätte im [Falle] des Vorgehens Anlass, zu sagen, dass die Regierung gegen den Wunsch der Gemeinde in einer Sache verfügt habe, die doch in erster Linie die Gemeinde Wien betreffe. Damit würden dem Gemeinderate die Waffen gegen das Ministerium in die Hand gegeben. Man müsse nur die gewöhnliche Stimmung der Wiener in Betracht ziehen. Wenn es sich auch um ein Werk handle, von dem man in Zukunft Erfolg erwarten könne, so lassen sich die Leute gegen eine Neuerung immer leicht aufbringen, namentlich wenn man dabei Gelegenheit habe, die Regierung in den Angriffskreis hineinzuziehen. Insbesondere das gegenwärtige Ministerium finde sich einer solchen Aktion gegenüber in einer doppelt schwierigen Lage. []en [] [gegen den] aus[drücklichen W]unsch der Ge[meinde a]ufzutreten. Deshalb hält der Ministerpräsident dafür, dass es jedenfalls notwendig sei, noch in irgendeiner Form an den Gemeinderat heranzutreten, um dessen Zustimmung zur Sache zu erlangen. Der Ministerpräsident ist überzeugt, dass, wenn sich auf diese Weise die Sache so darstellen werde, als bliebe die Durchführung von der Zustimmung der Gemeinde abhängig, sich alsbald eine Agitation für die Sache regen würde. Es wird eine kurze Diskussion über die mögliche Form des Herantretens an [die] Gemeinde Wien gepf[logen].

Der Handelsminister erklärt schließlich, dass er sich den Argumenten des Ministerpräsidenten unterwerfen wolle und stellt demnach für das weitere Vorgehen folgende Proposition: Wolle man mit Aussicht auf Erfolg nochmals an die Gemeinde herantreten, so werde man an dem vorliegenden Konzessionsinstrumente bzw. an dem Projekte jene Modifikationen bewirken müssen, welche, wie ihm bekannt sei, die hauptsächlichsten diesfälligen Desiderien der Gemeinde bilden. Man werde bewirken müssen, dass sich die Konzessionäre bei der Durchführung der Stadtbahn den Bedingungen []lt, sodass [diese ihr Sta]dtbahnprojekt [dem Regu]lierungsprojekte der Gemeinde anpasse. Weiters werde man eine Änderung des Bahnprojektes dahin bewirken müssen, dass die Bahn nicht, wie jetzt beabsichtigt, die Schwarzenbergbrücke und die Elisabethbrücke mittelst eines Viaduktes überfahre, sondern dass sie diese beiden Objekte unterfahrea . Deshalb werde man also zunächst mit den Konzessionären zu dem Behufe in Verhandlung treten müssen, damit sie sich diesen Bedingungen und bzw. Modifikationen unterwerfen. Gehen die Konzessionäre darauf nicht ein, so müsste [sei]tens der Regierung [das] Projekt überhaupt fallen gelassen werden. Unterwerfen sich die Konzessionäre, dann wäre mit dem geänderten Konzessionsprojekte an die Gemeinde heranzutreten. Man müsste in der bezüglichen Zuschrift an den Gemeinderat betonen, dass die Regierung zwar das unzweifelhafte Recht der Konzessionserteilung habe, dass sie aber mit Rücksicht auf das Interesse der Stadt bei dem fraglichen Unternehmen und nachdem sie nunmehr auch den Desiderien der Gemeinde hinsichtlich des Bahnprojektes Rechnung getragen habe, die Gemeinde auffordern, sich über das Konzessionsprojekt zu äußern. Es müsste beim Vorgehen der Tenor eingehalten werden, dass []ste [], dass die [Werber auf] das wie ge[wünscht modi]fizierte Konzessionsprojekt eingehen dürfte. Würde sie sich trotzdem ablehnend verhalten, so hätte die Regierung neuerlich in Erwägung zu nehmen, ob sie ungeachtet des ablehnenden Votums der Gemeinde die Konzession erteile oder nicht.

Der Ministerrat erklärt zu dieser Proposition für das weitere Vorgehen seine Zustimmung14.

Ah. E. Ich habe den Inhalt dieses Protokolls zur Kenntnis genommen. Wien, 21. Juli 1882. Franz Joseph.