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Nr. 391 Ministerrat, Wien, 23. Mai 1882

RS.; P. Jaeger; VS. Taaffe; BdE. und anw. (Taaffe 23. 5.), Ziemiałkowski, Falkenhayn, Pražák, Conrad, Welsersheimb, Dunajewski, Pino; außerdem anw. Ellinger.

KZ. 57 – MRZ. 47

[Protokoll des zu Wien am 23. Mai 1882 abgehaltenen] Ministerr[ates] unter dem Vorsitze Sr. Exzellenz des Herrn Ministerpr[äsidenten] Grafen Taaffe.

I. Erbringung eines Gesetzentwurfes betreffend die Bewilligung der Aufnahme eines Lotterieanlehens für die Gesellschaft vom Roten Kreuze

I. ℹ️Im Auftrage des Finanzministers referiert Sektionsrat Ellinger über [] vom []1. [Es handelt] sich um die Emit[tierung] eines Lotterieanle[hens] im Betrage von sechs Millionen Gulden durch Ausgabe von 600.000 Stück Lose à 10 fl. Bei der Begebung dieses Anlehens würde der Gesellschaft vom Roten Kreuze ein Gewinn von 1,800.000 fl. zufließen, während der Rest zur Amortisierung des Anlehens und beziehungsweise zur Auszahlung der Lotterieprämien reserviert bliebe. Um die Anlehenstilgung sicherzustellen soll ein Betrag von 4,150.000 fl. Neuwert in Notenrente als Tilgungsfonds unter Kontrolle eines Aufsichts[rates] [] soll, um Sicher[heit] für einen eventuellen Kursverlust des Tilgungsfondes zu haben, aus dem Gewinnstanteile der Gesellschaft vom Roten Kreuze ein Betrag von 192.776 fl. bis zur gänzlichen Tilgung des Losanlehens reserviert bleiben und der Gesellschaft hievon nur die Zinsen insolange verabfolgt werden, als nicht der Fonds selbst ganz oder teilweise nach Erschöpfung der Kursverlustreserve zur weiteren Sicherstellung des Tilgungsfondes herangezogen werden müsste. Nur unter solchen Garantien für die Sicherstellung glaubte die Finanzverwaltung die Emittierung zugeben zu können. []n Ge[] [gr]ößerer An[lehen] werden als in [] den Jahren. [Die] Zugestehung eines solchen Lotterieanlehens bilde eine Ausnahme von den allgemeinen Lottovorschriften und insbesondere auch eine Abweichung von der Ah. Entschließung vom 28. April 18532, weshalb für die Bewilligung an sich der Gesetzesweg erforderlich sei. Derselbe Weg sei erforderlich für die unter einem zu gewährende Befreiung der Teilschuldverschreibungen von der Stempelpflicht.

Referent teilt dem Ministerrate den Inhalt [] ursprüngliche Vorschlag der Gesellschaft vom Roten Kreuze sei viel weitgehender gewesen, sodass das Finanzministerium ungeachtet der vollen Würdigung des Zweckes nicht darauf hätte eingehen können. Die nunmehr nach längeren Verhandlungen angenommene Modalität, bei welcher die Gesellschaft sich den Gesichtspunkten des Finanzministeriums fügte, gestattete, die Sache zum Abschlusse zu bringen, sodass sie, wenn die Ah. Genehmigung erlangt werde, noch jetzt dürfte im Reichsrate eingebracht werden können. Für die Finanzverwaltung war zunächst die Frage zu beantworten, ob der Zweck [] die []g Sorge [] den Losbesitzern []lichste Garantie ge[währt] werde. Diese Garantie ist durch die vom Referenten dargelegte Modalität der Sicherstellung gegeben. Indessen habe der Finanzminister der Gesellschaft vom Roten Kreuze keine Zusicherung gegeben, dass die Kotierung der Lose, worüber die Börsenkammer zu entscheiden habe, auch wirklich bewilligt werde, nachdem er nicht in der Lage wäre, die Kotierung von Regierungswegen anzuordnen.

Der Landesverteidigungsminister kann vom Standpunkte [] des Finanzministers nur dankbarst begrüßen und betonen, dass es mit Rücksicht auf den in Mitte liegenden Zweck wünschenswert erschiene, wenn es ermöglicht würde, den Entwurf noch jetzt der verfassungsmäßigen Behandlung zu unterziehen. Zur Sache selbst wolle er darauf aufmerksam machen, dass die Gesellschaft vom Roten Kreuze Aufgaben besorge, welche sonst vom Staate geleistet werden müssten, daher ein wichtiges Staatsinteresse jenen Interessen gegenüber stehe, welche von Seite der Finanzverwaltung bei der infrage stehenden Operation zu wahren sind. [] dar[] dem öf[fentlichen] [I]nteresse dienst[bar] wichtigen Zweck [u]nterstützen. Sonach erklärt sich der Ministerrat mit der Einbringung des Gesetzentwurfes einhellig einverstanden3.

II. In Angelegenheit der Instruierung des Statthalters in Dalmatien bezüglich der Behandlung der Bewohner der Crivoscie

II. ℹ️Der Ministerpräsident bringt zur vorläufigen Mitteilung, dass in Angelegenheit der vom Statthalter in Dalmatien in Absicht auf das weitere Vorgehen mit den Bewohnern der Crivoscie4 und [] [mit Bezirks]hauptmann Baron Conrad in den letzten Tagen im Ministerium des Innern Besprechungen und Verhandlungen behufs detaillierter Instruierung des Statthalters über die diesfalls vom Ministerrate in Aussicht genommenen Momente gepflogen wurden5. Der Ministerpräsident sieht der Beendigung der bezüglichen Beratungen für die nächsten Tage entgegen, sodass er hofft, die Sache vor den nächsten Ministerrat bringen zu können.

Der Landesverteidigungsminister bemerkt, dass, wenn die vom Ministerpräsidenten erwähnte Angelegenheit []er Linie zur [Sprache zu] bringen beab[sichtige,] nachdem zu seiner [di]esfälligen Auffassung, awenn dieselbe vom Ministerrate geteilt werden solltea, die Zustimmung des Reichskriegsministeriums ausgesprochen wurde6.

III. Erwirkung des Ritterkreuzes des Franz-Joseph-Ordens für den Realschuldirektor Schulrat Johann Stástny in Prag

III. ℹ️Der Minister für Kultus und Unterricht erbittet sich die Zustimmung des Ministerrates zu dem Vorhaben für den Direktor der böhmischen Staatsrealschule in Prag, Schulrat Johann Stástny in Anerkennung seiner hervorragenden Berufstätigkeit das [Ritterkreuz des Franz-Joseph-Ordens zu erwirken und teilt aus dem Inhalte des diesfalls zu erstattenden] au. Vortrages die wesentlichsten Verdienstmomente mit. Der Ministerrat erklärt seine Zustimmung7.

IV. Erwirkung des Ritterkreuzes des Franz-Joseph-Ordens für den Advokaten und Professor an der Handelsakademie in Triest, Dr. Clemens Lunardelli

IV. ℹ️Der Minister für Kultus und Unterricht erbittet sich die Zustimmung des Ministerrates zu dem Vorhaben für den Advokaten und Professor an der Handels- und nautischen Akademie in Triest Dr. Clemens Lunardelli in Anerkennung seiner vieljährigen ersprießlichen Tätigkeit im Lehrfache das Ritterkreuz [des Franz-Joseph-Ordens zu erwirken und teilt aus dem Inhalte des diesfalls zu erstattenden au. Vortrages die we]sent[lichen] [Verdienst]momente mit. [Der] Ministerrat erklärt [sei]ne Zustimmung8.

V. Konzessionierung der Lokalbahn Bisenz–Gaya

V. ℹ️Der Handelsminister erbittet sich die Zustimmung des Ministerrates behufs der Erwirkung der Ah. Konzessionierung der Lokalbahn Bisenz–Gaya. Konzessionswerber sei Zivilingenieur Oscar Baron Lazarini in Wien. Die Länge der Lokalbahn betrage 17 Kilometer. Die []nowald na[ch] der Stadt Gaya (normalspurig). Der Zweck der Bahn sei Einbeziehung der industriereichen Stadt Gaya in das Schienennetz der Kaiser-Ferdinands-Nordbahn. Das Nominalanlagekapital wurde aufgrund der mit 648.000 fl. festgesetzten effektiven Anlagekosten, bei Annahme eines Minimalemissionskurses von 80% mit 810.000 fl. beziffert. Die Geldbeschaffung erfolge durch die Société générale des chemins de fer économiques in Brüssel und sei vorgesehen die Ausgabe von Prioritätsaktien im Betrage von ⅖ des gesamten Anlagekapitales. Die finanziellen Be[dingungen] [] die Kon[zession währt] 90 Jahre. Die [Einlösung] der Bahn kann [jeder]zeit nach deren Vollendung und Inbetriebsetzung erfolgen. Von kommissionellen Amtshandlungen wurden die Trassenrevision und Stationskommission durchgeführt.

Der Ministerrat erklärt seine Zustimmung9.

VI. Erwirkung des Ritterkreuzes des Franz-Joseph-Ordens für den Handelsgeschäftsinhaber Gottlieb Bondy in Prag

VI. ℹ️Der Handelsminister bringt einen Bericht des Statthalters für Böhmen zum Vortrage, [] Gottlieb Bondy in Prag auf dem Gebiete des Handels und der vaterländischen Industrie hingewiesen und die au. Erwirkung einer Ah. Auszeichnung für denselben in Anregung gebracht wird. Der Handelsminister betont die große Bedeutung, zu welcher Bondys mit Geist und Geschick geleiteten industriellen Unternehmungen gelangt sind, hebt sein vielseitiges humanitäres Wirken und seine patriotische Gesinnung hervor und beantragt für denselben in Übereinstimmung mit dem Statthalter in Prag die Erwirkung des Ritterkreuzes des Franz-Joseph-Ordens. []10.

VII. Erwirkung des Adels für den pensionierten Zentralinspektor der Carl-Ludwig-Bahn, Maximilian Luschka

[VII. ℹ️Der Handels]minister [erbittet sich die] Zustimmung des [Minister]rates zu dem von ihm [be]absichtigten au. Antrage auf Ag. Verleihung des Adels an den pensionierten Zentralinspektor der k. k. priv. galizischen Carl-Ludwig-Bahn, Maximilian Luschka. Der Handelsminister hebt hervor, dass Luschka vom Jahre 1844 bis zum Jahre 1879 im Eisenbahndienste tätig gewesen sei und dass sich derselbe schon in seiner Stellung als Werkstättenchef der Südbahn in Laibach bei Bewältigung der schwierigen Aufgabe die bedeutenden Militär- und [] durch aufopfernde [und] umsichtige Tätigkeit hervorgetan habe. In der zuletzt von ihm bekleideten Stellung eines Zentralinspektors der galizischen Carl-Ludwig-Bahn habe sich der Genannte das besonders berücksichtigungswerte Verdienst erworben, der inländischen Maschinenindustrie gegenüber der Konkurrenz des Auslandes bei den Eisenbahnlieferungen die Bahn gebrochen zu haben, wodurch der heimischen Industrie ein beachtenswerter Erwerb zugeführt und Gelegenheit zur weiteren Vervollkommnung in dem erwähnten Zweige geboten wurde. []11

VIII. Erwirkung des Ordens der Eisernen Krone III. Klasse für den Eisenbahndirektor Regierungsrat Max Pichler

[VIII. ℹ️Der Hand]elsminister [erbittet sich] die Zustimmung des [Minister]rates zu dem Vorha[b]en, für den Direktor der Ersten Ungarisch-Galizischen Eisenbahn Regierungsrat Max Pichler in Anerkennung seines verdienstlichen Wirkens in dieser Stellung und insbesondere auch in Anerkennung seiner Verdienste bei der Leitung des Betriebes der beiden Staatseisenbahnlinien der Dniester Bahn und der Tarnów-Leluchówer Bahn den Orden der Eisernen Krone III. Klasse zu erwirken. Der Ministerrat erklärt seine Zustimmung12.

IX. Bezüglich Sanktionserwirkung für die noch pendenten, das Ressort des Handelsministeriums betreffenden Gesetzentwürfe

[IX.] [] [Sessions]abschnittes zu erledigenden, sein Ressort betreffenden kleineren Gesetzentwürfe, wie über ℹ️Postsparkassen, über den ℹ️Staatsvorschuss für die Triester Ausstellung etc., falls diese Entwürfe in einer den betreffenden Regierungsvorlage konformen Gestalt beschlossen würden, die Ah. Sanktion zu erwirken.

Der Ministerrat erteilt die erbetene Ermächtigung13.

X. Vorgang bezüglich der Sanktionserwirkung für vom Reichsrate unverändert beschlossene Regierungsentwürfe

X. ℹ️Der Ministerpräsident glaubt, dass es überhaupt angemessen, weil im In[teresse] [] dass bei [Fällen von auf] Regierungs[sitzungen] beschlossenen Gesetzent[wür]fen, wenn dieselben nicht hochpolitischer Natur sind und wenn vom Reichsrate keine wesentliche Änderung der Regierungsproposition vorgenommen wurde, der Ressortminister ermächtigt sei, die Ah. Sanktion zu erwirken, ohne hiezu die besondere Zustimmung des Ministerrates einzuholen, nachdem der Ministerrat die Genehmhaltung solcher Entwürfe schon bei seiner Zustimmung zur Einbringung derselben ausgesprochen hat.

Der Ministerrat erklärt [seine Zustimmung]14.

XI. Frage der Erledigung der Vorlage betreffend die Herstellung der Abzweigungen der galizischen Transversalbahn

XI. ℹ️Der Landesverteidigungsminister sieht sich vom Standpunkte des militärischen Interesses aus veranlasst, zur Anregung zu bringen, ob nicht dahin gewirkt werden könneb, dass die Vorlage wegen der Herstellung von Abzweigungen der galizischen Transversalbahn noch in diesem Sessionsabschnitte zur Erledigung gebracht werde15.

Der Handelsminister bemerkt, dass die Erledigung jetzt schon aus dem Grunde nicht denkbar wäre, weil jedenfalls das Herrenhaus nicht mehr dazu käme, die []ch [] Sache, im [Abgeordnetenh]ause zu urgie[ren, wei]l es sich dabei, bei der [de]r Erledigung noch im jetzigen Sessionsabschnitte abgeneigten Stimmung des Liechtenstein’schen Klubs, leicht ereignen könnte16, dass unmittelbar vor der Vertagung des Hauses die Regierungsmajorität gesprengt würde. Es gehe daher aus allgemeinen politischen Gründen nicht an, die Vorlage jetzt noch vor das Plenum zu bringen. Der Handelsminister bemerkt, dass an und für sich an der Annahme der vom Ausschusse einstimmig akzeptierten Vorlage wohl nicht zu [] zu nehmen kommt, sollen jedoch die technischen Vorarbeiten für die fraglichen Linien keinerlei Verzögerung erleiden und werde der Handelsminister für die Fortsetzung der Vorbereitungsarbeiten Sorge tragen17.

Ah. E. Ich habe den Inhalt dieses Protokolles zur Kenntnis genommen. Wien, am 27. Juni 1882. Franz Joseph.