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Nr. 383 Ministerrat, Wien, 30. April 1882 – Protokoll II

RS.; P. Jaeger; VS. Taaffe; Bde. und anw. (Taaffe 30. 4.), Ziemiałkowski, Falkenhayn, Pražák, Conrad, Welsersheimb, Dunajewski, Pino.

KZ. 47 – MRZ. 39

[Protokoll des zu Wien am 30. April 1882 abgehaltenen] Ministerrates unter dem Vorsitze Sr. Exzellenz des Herrn Minister[präsidenten] Grafen Taaffe.

I. Wegen Besetzung beziehungsweise Versehung der Stelle eines Landespräsidenten in Schlesien

I. ℹ️Der Ministerpräsident bringt zur Sprache die Erledigung des Postens eines Landespräsidenten in Schlesien1. Der Ministerpräsident habe [] er [] dass man [] Kreisen sehr beun[ruhigt w]ar über das Gerücht, [dass] die Landesregierung in Troppau aufgelassen und Schlesien in administrativer Beziehung mit Mähren vereinigt werden sollte2 und habe er bei dieser Gelegenheit ersehen, dass die Leute ungemein vielen Wert auf ihre selbständige Landesverwaltung legen. Der Ministerpräsident habe in betreffenden Kreisen in dieser Richtung vollkommen beruhigt und erklärt, dass er [n]icht begreifen könne, wie ein [s]olches Gerücht habe auftauchen können. Man habe ihm [] [Der Ministerpräsident] bemerkt, dass er erstlich nicht wisse, ob die Ersparungskommission einen bezüglichen Beschluss gefasst habe, dass aber übrigens die Beschlüsse der Ersparungskommission immer nur Propositionen sein könnten, deren Annahme erst von der Regierung in Erwägung zu ziehen sein würde. Die Regierung würde aber in eine Beseitigung der selbständigen Landesadministration Schlesiens nur dann eingehen, wenn entweder die bisherige Verwaltungsmethode sich als mangelhaft darstellte oder wenn der Wunsch des Landes dahin gerichtet wäre. Nachdem aber Mängel nicht []rung [] liege für die [Regierung] kein Anlass vor, [eine Än]derung in dem beste[he]nden Verhältnisse eintreten zu lassen.

Sodann wurden dem Ministerpräsidenten auch Wünsche in Rücksicht auf die Wahl eines entsprechenden Nachfolgers des Landespräsidenten nahegelegt, namentlich dahin, dass nicht etwa ein Tscheche oder ein Pole gewählt würde3. Der Ministerpräsident glaubt, dass für Schlesien ein Landeschef notwendig sei, welcher nach keiner Richtung national pronunziert auftritt und von dem eine unparteiische und [] entsprechenden admi[nistra]tiven Schulung vor Augen haltend, habe er in dem Kreise der diesfalls in Betracht zu ziehenden Persönlichkeiten Umschau gehalten und demnach sein Augenmerk auf den Statthaltereirat in Linz, Olivier Marquis de Bacquehem, gerichtet, welcher sich als Bezirkshauptmann in Böhmen und in seiner Verwendung bei der Landesregierung in Sarajewo vorzüglich bewährt und auch in der slawischen Sprache ausgebildet habe.

Da Marquis de Bacquehem nur im Range eines Statthaltereirates stehe, so beabsichtigte der Ministerpräsident den Vorgang, dass [] dann [] der Zeit der [], die er (Minister[präside]nt) übrigens nicht be[zw]eifle, zum wirklichen Lan[d]espräsidenten vorrücke. Ein solcher Vorgang scheine dem Ministerpräsidenten, nachdem es sich um einen verhältnismäßig jungen Beamten handle, ebenso zulässig wie entsprechend. Der Ministerpräsident müsse aufrichtig gestehen, dass er unter den in der entsprechenden Rangsklasse stehenden Beamten keinen gefunden habe, von dem er erwarten könnte, dass er den Anforderungen entsprechen würde.

Minister Freiherr v. Ziemiałkowski [] Ritter v. Zaleski auf[merks]am machen. Derselbe habe allerdings einen polnischen Namen, doch habe er sich zu allen Zeiten nur als Beamter geriert und keine Parteihaltung eingenommen. Der Ministerpräsident erwidert, er sei überzeugt, dass Ritter v. Zaleski ganz objektiv sein würde, doch sei eines sicherlich, dass man Zaleski, weil derselbe ein Pole sei, bei allen seinen Handlungen alle möglichen Tendenzen imputieren würde. Auch würde Zaleski in Lemberg schwer zu ersetzen sein.

Minister Dr. Pražák erklärt, [][min]ister ist schon be[stür]zt, dass nicht jemand [au]s dem Kreise der schlesischen Beamten genommen wurde. Der Minister für Kultus und Unterricht betont die Tüchtigkeit Bacquehems, hebt jedoch auch dessen Jugend hervor.

Schließlich erklärt der Ministerrat zur Proposition des Ministerpräsidenten sowohl hinsichtlich der Wahl der Persönlichkeit als hinsichtlich des vorläufigen Ernennungsvorganges seine Zustimmung4.

II. Wegen Sanktionierung des vom niederösterreichischen Landtage beschlossenen Gesetzentwurfes betreffend die Einhebung einer Musik- und Verschönerungstaxe in Mödling

[II.] ℹ️[] Gesetzentwurf des [niederös]terreichischen Landtages wegen Bewilligung der Einhebung einer Musik- und Verschönerungstaxe für die Stadtgemeinde Mödling. Es wurde damals über seinen Antrag beschlossen, auf die Nichtsanktionierung des Gesetzentwurfes einzuraten5, wobei als Motiv die Besorgnis vor Exemplifikationen hinsichtlich der anderen Sommerfrischorte in der Umgebung Wiens geltend gemacht wurde. Dem Ministerpräsidenten wurden nun mittlerweile von verschiedenen Seiten Wünsche dahingehend vorgebracht, dass der Bewilligung der fraglichen Taxe []hmen [] sich, dass we[der ein] gesetzlicher noch ein gesetzestechnischer Grund sich gegen die Einhebung der Taxe anführen lasse. Was aber Exemplifikationen anbelange, so würden dieselben aus dem Grunde so einfach nicht stattfinden können, weil ja für jeden Fall ein Landesgesetz erforderlich wäre. Endlich wurde der vorliegende Gesetzentwurf vom Landtage einstimmig beschlossen. Mit Rücksicht auf diese Momente beabsichtige er nunmehr die Sanktionie[rung] []

Der Ministerrat nimmt [die] Absicht des Ministerpräsidenten genehmigend zur Kenntnis6.

III. Erwirkung des Ritterkreuzes des Leopoldordens für den Hofrat Dr. Ferdinand Zirkel

III. ℹ️Der Leiter des Justizministeriums Minister Dr. Pražák erbittet sich die Zustimmung des Ministerrates zu dem Vorhaben, für den Hofrat am Obersten Gerichtshof Dr. Ferdinand Zirkel anlässlich der Übernahme desselben in den bleibenden Ruhestand in Anerkennung seiner langjährigen vorzüglichen Dienstleistung das Ritterkreuz des Leopoldordens zu erwirken. [] derselbe [] aber drei [] [un]verheiratete [] und lebe in ganz [ge]ordneten Vermögensverhältnissen. Der Ministerrat erklärt seine Zustimmung7.

Ah. E. Ich habe den Inhalt dieses Protokolles zur Kenntnis genommen. Franz Joseph. Wien, am 25. Mai 1882.