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Nr. 47 Ministerrat, Wien, 19. Februar 1872

RS. und bA.; P. Artur; VS. Kaiser; BdE. und anw. (Auersperg 19. 2.); Lasser 21. 2., Banhans 24. 2., Stremayr, Glaser 25. 2., Unger 27. 2., Chlumecký 28. 2., Pretis 26. 2., Horst 27. 2.

KZ. 387 – MRZ. 32

|| || Protokoll des zu Wien am 19. Februar 1872 abgehaltenen Ministerrates unter dem Ah. Vorsitze Sr. Majestät des Kaisers.

I. Galizischer Ausgleich – Wünsche der galizischen Abgeordneten wegen Änderung einiger Punkte des Elaborates des Subkomitees

I. ℹ️ Se. k. u. k. apostol. Majestät geruhen als ersten und wichtigsten Gegenstand der heutigen Beratung die galizische Angelegenheit zu bezeichnen.1

|| || Se. Majestät haben aus dem von dem Ministerpräsidenten heute mündlich erstatteten Vortage und aus dem Ah. demselben kurz zuvor unterbreiteten Protokolle der gestrigen Ministerkonferenz zu entnehmen geruht, dass die Frage eine akute geworden sei und einer baldigen Entscheidung bedürfe. Se. Majestät haben aus dem Protokolle auch zu ersehen geruht, wofür sich der Ministerrat in Beziehung auf die von den Galizianern zuletzt angeregten Punkte entschieden habe.

Über Aufforderung verliest der Ministerpräsident die aus der Anlagea ersichtlichen, die Amendierung einzelner im Subkomitee des Verfassungsausschusses vereinbarten Konzessionen bezweckenden Punkte, indem er die diesbezüglich gestern gefassten, in dem Ministerratsprotokolle ausführlich || || [] Beschlüsse rekapituliert. Sonach wäre gegen Punkt 1) (Minister) kein Anstand. Die Einschaltung des Wortes „besonders“ bezwecke nur zu verhindern, dass es nicht etwa als genügend betrachtet werde, wenn einer der Ressortminister den Landesangehörigen Galiziens entnommen wird. Im Punkt 2) (Pauschale für Verwaltungsauslagen) wären nach der einstimmigen Ansicht der Minister in der 1. Alinea die Kosten des Straßenbaues auszuscheiden, weil die Ingerenz auf die Reichsstraßen nicht aus der Hand gegeben werden könne, wenn nicht wichtige Reichs-, namentlich die militärischen Interessen einer Gefährdung und Schädigung Preis gegeben werden wollten. In Konsequenz dessen hätten auch in der 1. Alinea (Ausmaß des Pau|| || schales nach den betreffenden Titeln des Finanzgesetzes für 1872) die Titel „Staatsbaudienst und Straßenbau“ zu entfallen. Die Annahme der 3. Alinea (Erhöhung des Pauschales im Verhältnis zu höheren Bewilligungen für andere Länder) wurde einstimmig als unannehmbar erkannt insoferne die proponierte Formulierung auch die Erhöhung der Bewilligung für andere Länder im Extraordinarium in sich begreift, weil sonst jede Bewilligung für spezielle außerordentliche Bedürfnisse einzelner Länder ohne weiters auch Galizien zu Gute kommen würde, auch wenn dort ein gleiches Bedürfnis nicht einträte. Es wurde sich daher für die aus der Anlageb ersichtliche Fassung dieser Alinea entschieden, wornach die Erhöhung nur nach Maßgabe der künftigen Erhöhung des einschlägigen ordentlichen Aufwandes der anderen Län|| || der [stattzu]finden hätte und [] [auch] zu bestimmen, [] dass die Bewilligung des erforderlichen außerordentlichen Aufwandes in den obigen Rubriken und für Neubauten der politischen Verwaltung jedes Mal im Wege der Reichsgesetzgebung in Anspruch zu nehmen wäre. Die 4. Alinea des 2) Punktes (unentgeltliche Besorgung der betreffenden Geldgebahrung durch die Steuerämter) würde, wie der Ministerpräsident meint, als selbstverständlich besser ganz wegbleiben können. Was den 3) Punkt betreffe (Vorbehalt für den Landtag, dieses Gesetz in die Landesordnung zu inartikulieren) halte das Ministerium die Ansicht fest, dass diese Ausgleichsbestimmungen reichslegislative seien und daher auch nur im Wege der Reichsgesetzgebung mit Zweidrittelmajorität abgeändert werden können, was im Ausgleichselaborate || || zum Ausdrucke zu bringen jedoch unnötig erscheine, weil es selbstverständlich sei. Von diesem Standpunkte aus wurde einhellig beschlossen, dass auf diesen Punkt nicht eingegangen werden könne und dass derselbe ganz wegzubleiben hätte. Se. Majestät geruhen zu konstatieren, dass diese Ansichten von allen Mitgliedern der Konferenz geteilt werden, worauf Se. Majestät zu bemerken geruhen, dass Ah. Dieselben Sich diesen Beschlüssen nur anschließen können. Die Ah. Ansichten Sr. Majestät über die von den Galizianern jetzt gewünschten Punkte gingen dahin, dass der erste Punkt sich von der früheren Formulierung wesentlich nicht unterscheide. Der 2) Punkt, insoweit derselbe auf die jährliche Bewilligung eines Pauschalbetrages abziele, könne vom || || [] Standpunkte we[] genehm sein, vom []schen Standpunkte würde derselbe aber vielleicht [doch] einen großen Fortschritt bilden. Denn dadurch, dass über die Quote alljährlich verhandelt werden müsste, würde der Zusammenhang mit dem Reiche ein engerer und lebendigerer bleiben als bei der fünfjährigen Revision.

In Beziehung auf den finanziellen Standpunkt erlaubt sich der Minister des Innern zu bemerken, dass die Galizianer bei einer jährlichen Vereinbarung minder gut daran sein dürften, als bei einer fünfjährigen Revision, da, was das Verhältnis zu den Bewilligungen der anderen Länder betreffe, nicht nur der Fall der Erhöhung sondern auch jener der Verminderung des für 1872 bewilligten Aufwandes in das Auge gefasst werden müssen.

|| || Der Minister für Kultus und Unterricht macht aufmerksam, dass durch die Bezeichnung des nach Maßgabe der Bewilligung für 1872 entfallenden Pauschales als Minimalbetrag, die Eventualität einer Verminderung des Pauschales wohl ausgeschlossen erscheine. Der Finanzminister bemerkt, dass die Ausscheidung des Extraordinariums für ihn die unerlässliche Bedingung des Zugeständnisses gebildet habe, dass der Bemessung des Pauschales statt des wirklichen Erfolges von 1871 das Präliminare für 1872 zugrunde gelegt werde. Se. Majestät geruhen weiter zu bemerken, dass was die Straßen betreffe, Se. Majestät entschieden den Standpunkt zu billigen geruhen, dass mit Rücksicht auf die Reichs- und militärischen Interessen von einem Nachgeben in dieser Beziehung nicht die Rede sein könne. Ebenso geruhen Se. || || || || [Majestät] anzuerkennen, dass [unter den] gegebenen Ver[hältnissen] praktisch das beste Auskunftsmittel sei, den 3) Punkt ganz wegzulassen. Allerdings sei zu bedauern, dass es nicht bei der früheren Fassung geblieben, die ganz korrekt gewesen sei, weil die Inartikulierung gewissermaßen den definitiven Abschluss der Angelegenheit gebildet hätte. Wenn aber darüber neue Schwierigkeiten entstehen würden, wäre es besser, die ganze Sache fallen zu lassen.

Minister Dr. Unger bemerkt, es werde sehr schwer halten, bei der Verfassungspartei durchzusetzten, dass von der Inartikulierung abgesehen werde, weil man sich innerhalb dieser Partei nach dem Abschlusse der Angelegenheit lebhaft sehne. Die Verfassungspartei stehe auf dem Standpunkte der Adresse, welche die Verbindung der galizischen Angelegenheit mit der Wahl|| || reform angestrebt habe. Wenn die Regierung dieser Tendenz gegenüber an ihrem Programme festgehalten habe, und nun noch den Galizianern weitere Konzessionen mache und selbst die Inartikulierung fallen lasse, so werde der Verfassungspartei in der Tat das äußerste zugemutet, weil die Partei auf den Mangel jeder Gegenleistung von Seite der Galizianer hinzuweisen vermöge. Was namentlich das Notwahlgesetz betreffe, so sei das Absentieren der Galizianer bei der Abstimmung, was ihrerseits als das höchste Maß ihrer Willfährigkeit zur Ermöglichung des Notwahlgesetzes hingestellt werde, ein Vorgang, welcher wegen seiner Würdelosigkeit in der Tat dem Gefühle widerstrebe. Se. Majestät geruhen anzudeuten, dass es sich empfehlen dürfte, auch die weiteren Konsequenzen zu besprechen, weil Se. Majestät nicht die Ansicht haben, dass wenn in der galizischen Angelegen|| || heit [] Resultate nicht ge[zeitigt] wird, dies ein Grund [für die] Kabinettsfrage wäre. Minister Dr. Unger erlaubt sich auf die Eventualität hinzuweisen, wenn das Notwahlgesetz in Folge der Haltung der Galizianer nicht zustande käme. Se. Majestät geruhen zu bemerken, dass dann das eine vorbei wäre und Sr. Majestät würde in der Tat nicht klar sein, wie dann mit den Galizianern noch weiter zu verhandeln wäre, nachdem man bereits an der Grenze des Möglichen angelangt sei, womit Se. Majestät nicht gesagt haben wollen, dass es nicht noch jetzt wünschenswert wäre, nichts unversucht zu lassen, damit der Ausgleich zustande komme. Wenn aber durch das Stimmen der Galizianer gegen das Notwahlgesetz dasselbe fallen würde, wäre es natürlich, dass mit ihnen nicht weiter verhandelt || || werden könnte. Der Ministerpräsident betont, dass die Minister keine Bemühung gescheut haben, um mit den Galizianern zum Ziele zu kommen, und er habe die Überzeugung, dass kein Ministerium mit mehr redlichem Willen und mit größerer Aufopferung die Verständigung mit ihnen angestrebt habe, welches Zeugnis ihm die Galizianer selbst haben geben müssen. Noch gestern sei von seiner Seite bis an die äußerste Grenze gegangen worden. Über einen gewissen Punkt hinaus könne man aber unmöglich gehen. Die Minister können daher die Ah. Äußerung Sr. Majestät nur mit dem tiefsten und innigsten ehrfurchtsvollen Danke begrüßen, dass unter solchen Verhältnissen an ein Vorgehen mit weiteren Verhandlungen nicht zu denken sei. Der Finanzminister meint || || [] weiters notwen[dige Even]tualität die Auflösung [des gali]zischen Landtages in [das] Auge zu fassen sein dürfte, da die Haltung der Galizianer wesentlich darin ihren Grund habe, dass sie sich mit Rücksicht auf die bisherigen Vorgänge von einer solche Maßregel sicher wähnen. Se. Majestät geruhen zu bemerken, dass dies eine jedenfalls noch zu überlegende Frage wäre, da die Opposition gegen das Notwahlgesetz endlich kein verfassungswidriger oder illoyaler Akt sein würde. Übrigens liege zu der Erörterung dieser Frage ein dringender Anlass jetzt nicht vor. Der Minister des Innern glaubt die Ah. Äußerung Sr. Majestät dahin auffassen zu dürfen, dass Se. Majestät Ag. anzuerkennen geruhen, dass das Ministerium innerhalb des Programmes geblieben || || sei. Er könne mit gutem Gewissen sagen, dass er, obwohl als ein Gegner der Polen verschrien, es an keiner Bemühung habe fehlen lassen, und es als seine oberste Pflicht betrachtet habe, das zu fördern, was mit dem Programme Aufgabe des Ministeriums geworden. Diese Pflicht habe er auch im vollsten Maße erfüllt. Er sei vorläufig glücklich darüber, dass Se. Majestät es Ag. anzuerkennen geruhen, das Ministerium habe seine Schuldigkeit getan, indem es sich von den Galizianern von dem Ah. gebilligten Programme nicht abdrängen ließ. Die nächste Konsequenz dürfte sein, dass wenn das Notwahlgesetz scheitert, das Ministerium sich dann an weiteren Ausschussverhandlungen über die galizische Angelegenheit nicht beteiligen würde.

Minister Dr. Unger meint, die Galizianer würden die Sache selbst nicht weiter gedeihen || || [lassen und] ihren Antrag [] zurückziehen. Se. Majestät geruhen anzudeuten, dass das sodann keine andere Bedeutung haben würde, als die, dass ein Punkt des Programmes eben nicht zur Ausführung gelangt sei.2

II. Frage der Opportunität der Erklärung wegen der direkten Wahlen

II. ℹ️Se. k. u. k. apostol. Majestät geruhen aufmerksam zu machen, dass mit dem eben besprochenen Gegenstande der Ah. Denselben vorliegende au. Vortrag zusammenhänge betreffend die Ah. Ermächtigung des Ministeriums zu der Erklärung wegen der direkten Wahlen.3

Da hiedurch einerseits die Verfassungspartei für die galizische Sache geneigter gemacht und andererseits durch die Nichteinbeziehung Galiziens in das System der direkten Wahlen auf die Galizianer gewirkt werden sollte, empfehle es sich, zu er|| || wägen, ob in der geänderten Situation, wenn das Notwahlgesetz nicht zustande kommen und der galizische Ausgleich entfallen sollte, eine solche Erklärung notwendig wäre und eventuell in welchem Zeitpunkte. Eine nochmalige Erwägung der Sache wäre daher jedenfalls notwendig. Der Ministerpräsident ist von der Notwendigkeit vollkommen überzeugt nochmals reiflichst zu erwägen, ob die beabsichtigte Erklärung der neuen Situation entsprechen würde. Der Minister des Innern und Minister Dr. Unger sprechen sich im gleichen Sinne aus.

Der Ministerpräsident wird daher Sorge tragen, dass diese Frage, welche in dem Augenblicke als eine offene betrachtet werden müsse, nochmals in der Ministerkonferenz beraten und das Resultat Sr. Majestät zur Ah. Kenntnis gebracht werde.4

III. Petite der dalmatinischen Abgeordneten

|| || [III.] ℹ️ Der Ministerpräsident er[laubt sich] auf die Verhandlungen [mit den] Dalmatiner Abgeordneten hinzuweisen, zunächst [wegen] der Vermutung, die sich ihm aufgedrängt habe, dass vielleicht auch diesen Abgeordneten gegenüber hetzende Einflüsse sich geltend machen.5

Die Dalmatiner hätten ein Promemoria überreicht, welches ihm zuerst von Ljubiša6 mit dem Bemerken angekündigt wurde, dass es sich darin gar nicht um Politik, sondern nur um einige die materiellen Interessen des Landes betreffende Punkte handle. Nun habe sich aber gezeigt, dass das, im Ministerrate gestern zur Sprache gekommene Promemoria von auf die materiellen Interessen bezüglichen Dingen sehr wenig enthalte. Dagegen werde eine Reihe von Personalverfügungen angestrebt, welche in Protektionstendenzen ihren Ausgangspunkt finden, die wieder mehr oder minder auf die politische Parteistellung zurückzuführen sind. Ferner || || werde die Erwirkung einiger vom dalmatinischen Landtage votierter Gesetzentwürfe verlangt, welche, wie speziell das über den Gebrauch der beiden Landessprachen,7 welches unter dem Titel der Gleichberechtigung eben nur dem exklusivsten Parteistandpunkte entspreche, was insbesondere aus dem Verlangen hervorgehe, dass die ämtlichen Siegel ausschließlich nur slawische Umschriften haben sollten. Die Dalmatiner haben heute bei dem Ministerpräsidenten vorgesprochen, um die Beschlussfassung des Ministerrates entgegenzunehmen, welche für alles, was materielle Interessen betreffe, wie die Narenta- und die Eisenbahnfrage im entgegenkommendsten Sinne gelautet und selbst in gewissen Personalfragen die tunlichste Berücksichtigung in Aussicht gestellt habe.8 Gleichwohl sei es ihm vorgekommen, als ob die Dalmatiner die Absicht hätten, zu erklären, dass sie mit der Regierung || || [] würden, was [] Symptom zu er[] sich erlaube, dass viel[leicht] mit den Dalmatinern [eine] Wandlung vor sich gegan[gen] sei.

Der Minister des Innern bestätigt, dass die dalmatinischen Abgeordneten, wenn auch, wie nicht zu verkennen, in benevolentester Form, sich in den Besprechungen doch so gehaben, als wenn sie von Macht zu Macht zu unterhandeln hätten. Dabei kommen absonderliche Dinge zu Tage, wie z. B. dass, während der Statthalter FML. Baron Rodich9 sich um die definitive Ernennung zum ersten Statthaltereirate seines gegenwärtigen Ziviladlatus Pozzi10 unter Anrühmung der aufopfernden und wirksamen Unterstützung, die er von Seite dieses in der Tat ihm unentbehrlichen, sein vollstes Vertrauen genießenden Beamten findet, sich eben jetzt angelegentlichst bemühe, die dalmatinischen Abgeordneten || || eine anderweitige Besetzung dieses Postens betreiben.

Da sie Pozzi, der jedenfalls zu den talentvollsten und verlässlichsten Beamten zählt durchaus keinerlei Vorwurf machen, so liege die Vermutung nahe, dass sich vielleicht in ihren Reihen ein Bewerber um diese Stelle befinden mag. Es werfe dies eben nur ein Streiflicht auf die ganze Sachlage. Was das Gesetz über die Amtssprache betreffe, so sei ihnen in den Besprechungen über die Frage der ausschließlich slawischen Amtssiegelumschriften selbst die Äußerung entschlüpft, es handle sich ihnen darum, dadurch zu konstatieren, dass Dalmatien ein slawisches Land sei, was charakteristisch sei, indem es eine bei ihnen vorhandene Stärke des österreichischen Gefühls keineswegs bekunde. Übrigens sei das und anderes in dem Gesetzentwurfe mit dem Prinzipe der Gleichberechtigung überhaupt und speziell mit dem Artikel 19 des Grundgesetzes über die || || [allgemeinen] Rechte der Staats[bürger]11 [] im Widerspruche, dass [] Ah. Sanktionierung [] erfolgen könnte. In dem Glauben, dass das Ministerium jetzt auf sie zu zählen angewiesen sei, versuchen aber die Dalmatiner dieses und zugleich andere Desiderien zu forcieren. Der Justizminister macht aufmerksam, dass der Landesgesetzentwurf auch Bestimmungen aus dem Bereiche der Justizgesetzgebung enthalte, welche – abgesehen von der Inkompetenz der Beschlussfassung – selbst die Gestaltung des Obersten Gerichtshofes berühren und in den weiteren Konsequenzen dahin führen würden, dass der Oberste Gerichtshof in eine polyglotte Versammlung aufgelöst werden müsste. Der Minister für Kultus und Unterricht erwähnt, FML. Baron Rodich sei eben heute bei ihm gewesen und habe ihm die definitive Stellung || || Pozzis dringendst ans Herz gelegt. Er habe dabei insbesondere auf die Unmöglichkeit hingewiesen, ihm einen Adlatus aus der slawischen Partei beizugeben, da ein solcher in der kürzesten Zeit mit der eigenen Partei, deren vielseitigen Wünschen nachzukommen er nicht in der Lage sein würde, in Konflikt geraten müsste.12

IV. Vorgang hinsichtlich des Gesetzentwurfes wegen Zivilversorgung der Unteroffiziere – Reservierung der Postexpedientenstellen

IV. ℹ️ Über die Ah. Frage Sr. k. u. k. apostol. Majestät, wie bezüglich des Gesetzentwurfes wegen der Zivilversorgung der Unteroffiziere nunmehr werde vorgegangen werden,

erlaubt sich der Leiter des Ministeriums für Landesverteidigung zur Ah. Kenntnis zu bringen, dass er den Beschluss des Abgeordnetenhauses, wornach die vom Ausschusse beantragte Fassung des wichtigen § 5 wegen der Kanzleidienstposten nach dem An|| || [trag] in zweckwidriger [] abgeändert wurde, [] im Ministerrate zur [Sprache] brachte und seine Absicht aussprach, dass es möglich und angezeigt wäre, im Herrenhause einzuwirken, dass die Fassung des Ausschusses des Abgeordnetenhauses dort wieder hergestellt werde, was dann auch im Abgeordnetenhause zu ermöglichen sein dürfte. Der Ministerrat habe beschlossen, dass in dieser Richtung im Herrenhause seitens des Ministeriums nachdrücklichst Einfluss genommen werde.13

Der Ministerpräsident bemerkt, dass im Herrenhause kein Anstand gegen das Zurückkommen auf den Antrag des Abgeordnetenhausausschusses obwalte. Er habe diesfalls schon Fühlung genommen und sei der vollsten Geneigtheit begegnet. Es sei nur der Übelstand, dass sich in der politischen Kommission augenblicklich keine Militärs befinden. Dem sollte aber heute durch die Wahl des Generals || || der Kavallerie Baron Gablenz und des Feldzeugmeisters Hartung remediert werden.14 Sollte die Wahl derselben nicht erfolgen, so würden sie als Experten den Kommissionsverhandlungen beigezogen werden. Auch im Abgeordnetenhause dürfte durchzudringen sein, dass das Rechbauersche Amendement überstürzt angenommen worden sei und Rechbauer selbst wohl nur einer Pression der Beamten nachgegeben habe.15

Der Minister des Innern wirft einen Rückblick auf die vorjährigen Verhandlungen, wo er dem betreffenden Ausschusse präsidiert habe.16 Es habe ein eigenes Schicksal vorgewaltet, da die Referenten mehrmals gewechselt wurden, bis zuletzt der jetzige Ackerbauminister das Referat übernahm, auf dessen Elaborat der jetzige Entwurf eigentlich zurückzuführen sei. Die Frage der Reservierung der Beamtenposten habe übrigens immer wesentliche Schwierigkeiten gemacht. || || Se. Majestät geruhen zu bemerken, dass das Gesetz [] so gut war, wie in [dem] von dem Referenten des Ausschusses des Abgeordnetenhauses jetzt beantragten Entwurfe, und insofern der Ackerbauminister durch seine Vorarbeiten daran Anteil habe, sei dies jedenfalls nur sehr anerkennenswert. Es wäre auch schade, wenn durch die unzweckmäßige Rechbauersche Amendierung der Bestimmung wegen der Manipulationsbeamtenposten der Zweck wieder nur unvollkommen erreicht würde. Die Reservierung von Kanzleiposten sei für die Armee von höchster Wichtigkeit, sie entspreche aber auch dem Interesse der Ämter. Jedenfalls sei die Anstellung tüchtiger Unteroffiziere, die ja die erforderlichen Kenntnisse haben müssen, für den Manipulationsdienst besser, als wenn solche Stellen, wie dies bisher sehr häufig geschehe, an Personen vergeben werden, die bezüglich ihrer Eig|| || nung wenig Garantien geben. Se. Majestät geruhen übrigens aufmerksam zu machen, dass es notwendig sein werde, die militärischen Mitglieder der Herrenhauskommission in entsprechender Weise zu instruieren, was zunächst Sache des Leiters des Ministeriums für Landesverteidigung sein werde. In Verbindung damit geruhen Se. Majestät den Ah. Wunsch auszudrücken, von dem Handelsminister aus Anlass des Ah. Denselben vorliegenden Antrages wegen Kreierung von Postamtsexpedientenstellen die Aufklärung zu erhalten, ob diese Posten zu den für vorgemerkte Unteroffiziere reservierte Stellen gehören sollen, da auch die Unterbringung verdienter Diurnisten auf solche Posten in Aussicht genommen werde. Der Handelsminister er|| || [laubt sich zu] bemerken, dass [] Kreierung dieser Posten [] die Rücksicht auf [die] Unterbringung von Unteroffizieren und Kondukteuren geleitet habe. Insoferne es sich um Diurnisten handle, erscheine es zweckmäßig und entspreche auch dem tatsächlichen Verhältnisse, dass Unteroffiziere für die in der Regel länger dauernde Zwischenzeit bis zur Erlangung einer definitiven Anstellung zuerst als Diurnisten in Verwendung genommen werden. Dadurch geht aber den betreffenden Unteroffizieren der Charakter als Vorgemerkte durchaus nicht verloren, und es handle sich nur darum, dass sie in dieser Weise früher als sonst überhaupt einen Bezug erlangen. Se. Majestät geruhen diese Aufklärung zur Ah. Kenntnis zu nehmen und zu bemerken, dass jedenfalls darauf zu sehen sein werde, dass solche als Diurnisten || || verwendete Unteroffiziere auch wirklich die gesetzlichen Erfordernisse zum Anspruche auf Zivilbedienstungen haben, weil nichts schädlicher für die Armee wirke, als wenn zwar gediente, aber nicht in diesem Sinne qualifizierte Unteroffiziere angestellt werden und Unteroffiziere mit der erforderlichen längeren Präsenzzeit unberücksichtigt bleiben.17

V. Predil- und Laakbahn

V. ℹ️ Se. k. u. k. apostol. Majestät geruhen hierauf, den Stand der Angelegenheit der Predil- und Laakeisenbahn zur Sprache zu bringen.18

Der Handelsminister bemerkt, dass ihm die Förderung der Beschlussfassung über diese Frage vom Momente seines Eintrittes in das Amt sehr am Herzen gelegen sei. Sein Amtsvorgänger habe veranlasst, dass mit anderen Bahnlinien nebst der Predilbahn auch die Laaklinie trassiert wer|| || de [] der Predilbahn [] gedachte, wodurch in [Kärnt]en, Krain und dem Küstenlande Hoffnungen erweckt wurden, welchen in verschiedenen Petitionen Ausdruck gegeben wurde.19 Der Handelsminister habe angeordnet, dass beide Linien vollständig ausgearbeitet werden, um für eine ganze objektive Entscheidung die nötigen Substrate zu gewinnen. Infolgedessen liegt das von dem Inspektor der Eisenbahninspektion Dostal ausgearbeitete technische Elaborat bereits vor und seien auch die Kostenüberschläge in der Vollendung begriffen.20 Er gedenke bei der Wichtigkeit der Sache die Elaborate noch von hervorragendsten Technikern des Handelsministeriums prüfen zu lassen, und dann über seine Anträge schlüssig zu werden. Der Finanzminister sei zwar in der gestrigen Ministerkonferenz für die Predilbahn mit einem so glänzenden || || Plädoyer eingetreten, dass es schwierig scheine, sich den Ausführungen desselben nicht von vorneherein anzuschließen, insoferne das Hauptgewicht auf die Wahrung des österreichischen Standpunktes gelegt wurde. Auch er lege den Eisenbahnverbindungen mit dem adriatischen Meere nicht mindere Bedeutung bei. Indes glaube er doch aufgrund ganz genauer Daten vorgehen zu sollen, und erbitte er sich daher die Ah. Ermächtigung etwa noch 14 Tage mit der definitiven Antragstellung zuwarten zu dürfen. Der Ministerpräsident bemerkt, die Sache sei in derselben Richtung im Ministerrate vorläufig besprochen und sei die Aussetzung der Entscheidung als begründet erkannt worden. Er für seine Person sei nach den lichtvollen Auseinandersetzungen des Finanzministers nicht im Zweifel, || || [] Predilbahn als öster[reichischen] Interessen fördernd [den] Vorzug verdiene vor wesentlich italienischen Interessen zugutekommenden Laaklinie.

Se. Majestät geruhen Ah. Sich damit einverstanden zu erklären, dass diese Angelegenheit noch einer sehr reiflichen Prüfung unterzogen werde. Es wäre jedoch sehr erwünscht, dass sich das Ministerium über eine Linie dann möglichst bald einige, für deren Durchbringung im Reichsrate dann mit aller Entschiedenheit einzutreten sein werde.21

VI. Galizische Bahnen

VI. Se. Majestät geruhen noch Auskunft abzuverlangen, ℹ️wie weit die Angelegenheit der EperiesTarnówer Bahn gediehen, worauf der Handelsminister || || sich zu bemerken erlaubt, dass sie im Abschlusse begriffen sei, und dass nur noch einer Rückäußerung des Reichskriegsministeriums entgegengesehen werde.22

ℹ️Über die Ah. Frage Sr. Majestät, ob bezüglich der ganz darnieder liegenden Linie MunkácsStryj etwa durch Bildung einer neuen Unternehmung nicht geschehen könnte, damit der höchst dringende Bau vorwärts komme, bemerkt der Handelsminister, die Gesellschaft habe sich gebildet, die Statuten lägen dem Ministerium des Innern vor, und habe sich der Finanzminister in Bezug auf die Garantie zu äußern.23 Der Finanzminister erörtert wie es ihm bei dem ganz ungewöhnlichen Petite der Zinsengarantie der Prioritäten vom Tage der Emission namentlich dieser Gesellschaft || || []che liegenden Ver[] dass es sich zunächst [um den] Gewinn bei der [Emiss]ion handle, um besondere [Bürg]schaften zu tun sein müsse, dass wirklich gebaut werde. Diese Bürgschaften wären allerdings derart, dass die Gesellschaft darauf kaum leicht eingehen dürfte. Se. Majestät geruhen darauf zurückzukommen, dass es sich im Interesse der Förderung des wichtigen Unternehmens vielleicht empfehlen würde, mit der jetzigen Gesellschaft, welche der Sache nicht gewachsen, bald ganz zu einem Ende zu kommen, da möglicherweise die Unternehmung in bessere Hände kommen könnte.

ℹ️In Beziehung auf die Erste Ungarisch-Galizische Bahn bemerkt der Handelsminister, dass die Übergabe nahezu vollständig erfolgt und zu || || hoffen sei, dass der konzessionsmäßige Vollendungstermin werde eingehalten werden.24

VII. Termin für die Einberufung der Delegationen

VII. ℹ️ Se. Majestät geruhen schließlich die Frage aufzuwerfen, ob bezüglich des Zusammentrittes der diesjährigen Delegationen schon ein Zeitpunkt in das Auge gefasst worden sei. Die Sache sei zwar nicht dringend, aber wegen Vornahme der Delegationswahlen seitens des Reichsrates wäre es im Hinblick auf die beabsichtigte Vertagung desselben bis zum Herbste d. J. doch gut, die Sache in Überlegung zu nehmen.

Der Minister des Innern bemerkt, er habe mit dem ungarischen Ministerpräsidenten die Frage gesprächsweise ventiliert. Graf Lónyay25 meinte, der ungarische Reichstag werde in der zweiten Hälfte August bloß zur Konstituierung || || [und zur Vor]nahme der Delegationes[wahlen] zusammentreten, die Delegationen im [Septem]ber zusammentreten könnten. Die Frage, ob im Reichsrate jetzt schon die Delegationswahlen stattzufinden hätten, sei hauptsächlich von Böhmen abhängig, und wäre die Vervollständigung der Zahl der böhmischen Reichsratsabgeordneten behufs der Ermöglichung entsprechenderer Wahlen in die Delegationen sehr wünschenswert. Übrigens lasse sich darüber jetzt Bestimmtes noch nicht sagen. Der Ministerpräsident meint, dass es nicht rätlich wäre, die Delegationen ohne Erneuerung der böhmischen Abgeordneten wählen zu lassen, da, wenn jetzt gewählt würde, minder erwünschte Elemente nicht zu umgehen wären, während Aussicht vorhanden sei, dass diese Elemente von einem neu gewählten böhmischen Landtage nicht wieder || || in den Reichsrat entsendet werden würden.26 Der Reichsrat würde dann im August oder September bloß behufs der Vornahme der Delegationswahlen zusammentreten. Se. Majestät geruhen zu bemerken, dass, wenn hienach der Reichsrat bloß zum Zwecke der Delegationswahlen wieder zusammentreten würde, was begründet erscheint, da er über den Staatsvoranschlag für 1873 vor Feststellung des gemeinsamen Budgets nicht beschließen könne, dadurch die Budgetfeststellung sehr hinausgeschoben werden würde, was nicht erwünscht wäre, zumal man bereits daran war, in die Regel zu kommen. Der Minister des Innern bemerkt, dass bei der diesmal in Ungarn tagenden Delegation auf eine beschleunigte Aktion gewirkt werden müsste. Wenn es übrigens zu ermöglichen wäre, dass der Reichsrat dann wieder anfangs November zusammentritt, || || [] rechtzeitige Budget[beschluss] pro 1873 vielleicht durchgeführt werden, [] freilich für die Land[tage] wenig Spielraum bliebe.

Nach einigen weiteren Bemerkungen über die Zeit [für] die Landtagssession ergibt sich, dass in diesem Augenblicke über die Einberufung der Landtage, der Delegationen, sowie über den Wiederzusammentritt des Reichsrates, sich eine bestimmte Äußerung nicht abgeben lasse, worauf Se. Majestät die Sitzung zu schließen geruhen.27

Ah. E. Ich habe den Inhalt dieses Protokolls zur Kenntnis genommen. Ofen, 3. März 1872. Franz Joseph.