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Nr. 301 Ministerrat, Wien, 10. Dezember 1869 - (PDF)

RS. fehlt; Abschrift der Tagesordnungspunkte I., II. und IV. Ava., Ministerratsprotokolle .

P. Artus; VS. Kaiser; anw. Taaffe, Plener, Hasner, Potocki, Giskra, Herbst, Brestel, Berger.

KZ. 4393 – MRZ. 141

Unter dem Ah. Vorsitze Sr. Majestät des Kaisers.

I. Eröffnung der Ah. Absichten in Bezug auf die Behandlung der Fragen der Wahlreform und der Verfassungsrevision - (PDF)

[I.] ℹ️ Se. Majestät geruhen die Sitzung mit der Bemerkung zu eröffnen, dass Se. Majestät aus dem Allerhöchstdenselben im Laufe der Ah. Reise unterbreiteten Ministerratsprotokollen zu entnehmen geruht haben, dass sich die Minister mit der Frage der Wahlreform sehr eifrig beschäftigt haben, ohne dass eine Einigung oder definitive Schlussfassung hierüber zustande gekommen wäre1. Nachdem es sich bei dieser Angelegenheit um Fragen von weit gehender Wichtigkeit handle, wollen Se. Majestät von Allerhöchstihrer Seite nur den Ministern jene Gesichtspunkte bekannt geben, an welchen als für die weitern Verhandlungen und die endgiltigen Ah. Beschlüsse maßgebend Se. Majestät festzuhalten entschlossen sind. Se. Majestät wollen, dass sich auf Seite der Minister gegenwärtig gehalten werde, dass Se. Majestät vollkommen auf dem Boden der Verfassung stehen und entschieden gewillt sind, dass auch in Bezug auf diese Frage von dem Boden der Verfassung ausgegangen werde. Die in das Aug gefasste Wahlreform ist jedenfalls eine Änderung der Verfassung, daher Se. Majestät wünschen müssen, dass, insoferne auf eine Verfassungsänderung in dieser Beziehung eingegangen werden soll, dadurch die Kluft zwischen den Parteien und den Ländern eher vermindert als erweitert werde. Se. Majestät wünschen ferner, dass, wenn mit der Wahlreform vorgegangen werden wollte, gleichzeitig mit derselben solche Schritte geschehen, welche es ermöglichen würden, dass eine Verständigung mit den bisher außerhalb der Verfassung stehenden Parteien dahin erfolge, dass, was Sr. Majestät vor allem am Herzen liege, die Verfassung durch die allseitige Akzeptierung und Beteiligung an der Durchführung derselben eine Wahrheit werde2.

Nachdem Se. Majestät von dieser Ansicht ausgehen und pflichtmäßig nur von dieser Ansicht ausgehen können, scheine Sr. Majestät von den diesfälligen Allerhöchstdenselben mit den Ministerratsprotokollen unterbreiteten Vorschlägen jener des Justizministers sich zur Grundlage für weitere Verhandlungen am besten geeignet, weil dieses Projekt, über welches Se. Majestät sich übrigens heute näher auszusprechen Allerhöchstsich nicht veranlasst finden, da Se. Majestät Allerhöchstsich diesfalls in keiner Weise im vorhinein binden wollen, wenigstens das für sich hat, dass es den Rechten und Ansprüchen der Landtage verhältnismäßig am wenigsten zu nahe tritt3. Se. Majestät geruhen sonach die Minister aufzufordern, sich mit diesen Fragen alsbald und eingehendst zu beschäftigen, da Se. Majestät darauf dringen müssen, dass die Sache noch vor den Weihnachtsferien des Reichsrates zur Ah. Schlussfassung in der Weise vorbereitet werde, dass ein detailliertes Programm über das Vorgehen in dieser Angelegenheit in allen eventuellen Stadien und Konsequenzen derselben in Vorlage komme. Denn Se. Majestät wünschen Ah. Kenntnis darüber zu erlangen, was auf Seite der Minister beabsichtigt werde, wie es Se. Majestät auch für notwendig halten, dass Allerhöchstdenselben der Weg klar dargelegt werde, welchen die Minister als den zur Durchführung ihrer Intentionen geeigneten einzuschlagen gedächten. Se. Majestät wünschen, dass die Minister dem Reichsrate gegenüber in der Frage der Wahlreform überhaupt erst dann in irgendeiner Art auftreten, bis in der Sache eine Einigung erzielt worden sein wird, bis zu welchem Zeitpunkte sich eine streng reservierte Haltung empfehlen wird4.

II. Feststellung des Textes der Ah. Thronrede - (PDF)

[II.] ℹ️ Beratung der Thronrede5. Im Laufe der Debatte bemerkte Giskra, er hält im Hinblick auf die Ah. Ansichten, welche Se. Majestät in Bezug auf die Gleichzeitigkeit der Wahlreform und einer Verfassungsrevision auszusprechen geruht haben, eine Vermittlung zwischen diesem und dem Gedanken, dass die Wahlreform die Voraussetzung weiterer Verfassungsänderungen zu bilden hätte, für nicht möglich6. Er glaube sich daher auf die Bemerkung beschränken zu dürfen, dass er es für unmöglich halte, die Wahlreform mit einer Verfassungsänderung unter einem durchzuführen; der gegenwärtige Vertretungskörper wäre nicht dazu in der Lage, nachdem ihm die ihm für eine solche Aktion erforderliche Bedeutung nicht innewohne.

Brestel wäre dafür, die Sätze so zu bilden, dass nach keiner Seite hin präjudiziert werde.

Herbst glaubt hervorheben zu sollen, dass seines Erachtens zwischen Abänderungen der Verfassung und einer Verfassungsrevision ein Unterschied bestehe. Erstere könne vollständig auf dem Boden der Verfassung vor sich gehen, letztere hebe die Verfassung provisorisch auf und mache die Verhandlungen darüber innerhalb gewisser Grenzen zu Verhandlungen einer Konstituante.

Se. Majestät geruhen zu bemerken, dass die Wahlreform auch eine Änderung der wichtigsten Grundprinzipien der Verfassung involviere, was umso mehr an Bedeutung gewinne, wenn auf die Gefühle der Länder Bedacht genommen werde. Nach der in allen Phasen der Entwicklung der verfassungsmäßigen Instruktionen im Oktoberdiplome, im Februarpatente sowie in dem gegenwärtigen Staatsgrundgesetze unverrückt festgehaltenen Idee soll der Reichsrat in den Landtagen wurzeln7. Durch eine Änderung des Wahlsystems würde sonach die wesentliche Idee der Verfassung verlassen, der Boden der Verfassung aufgegeben und dem Vagen entgegengegangen werden. Zu Alinea VII werden in der Stelle, in welcher von dem Vertrauen die Rede ist, welches Se. Majestät wie Allerhöchstihre Vorfahren in die patriotischen Gesinnungen gesetzt haben, über den Wunsch Sr. Majestät zur Beseitigung jedes Zweifels über die sprachliche Korrektheit die Worte „auf welche Ich wie Meine Vorfahren noch niemals vergebens vertraut habe“ die Worte „auf welche ich gleich Meinen Vorfahren niemals vergebens vertraut habe“, und im letzten Satze dieses Alinea zur Vermeidung der Sr. Majestät aufgefallenen öfteren Wiederholung des Wortes „Reich“ den Worten „die von aufrichtigster Liebe für alle Völker dieses Reiches“ die Worte „die von aufrichtigster Liebe für alle Meine Völker“ substituiert8.

[III. fehlt]

IV. Gesetz über die Erhöhung der Professorengehalte - (PDF)

[IV.] ℹ️ Hasners Referat über die Gehaltserhöhung der Professoren9.

In der Sache geruhen Se. Majestät sich dahin auszusprechen, dass Resolutionen des Reichsrates für sich allein für die Regierung keineswegs maßgebend und bindend sein können10. Der Reichsrat könne allerdings viel für sich in Anspruch nehmen, eine andere Sache aber sei, ob er sich hiebei immer auch innerhalb der Grenzen seiner Befugnisse bewege. Se. Majestät können Allerhöchstsich der Besorgnis nicht verschließen, dass man auf dem eingeschlagenen Wege immer weiter kommen, bis die nötige freie Bewegung der Administration in sehr abträglicher und bedenklicher Weise eingeengt sein werde. Die Regelung der Gehalte sei eine reine Budgetsache und gehöre nur in diesem Sinne vor die Vertretungskörper, welche auf diesem Wege auch in die Lage kommen, ihren Einfluss auf derartige Administrations- und Organisationsfragen geltend zu machen. Es mag seine Vorteile und Bequemlichkeiten für die Regierung haben, wenn sie sich gewisse Organisationen vom Reichsrate bestätigen lässt, weil sie sich hiedurch weiterer Schwierigkeiten in Absicht auf die Kostenbedeckung enthoben sieht. Allein, nach allen verfassungsmäßigen Grundsätzen gehören solche Organisationen in den Wirkungskreis der Exekutive11.

[V. fehlt]

Ah. E. Ich habe den Inhalt dieses Protokolls zur Kenntnis genommen. Wien, 8. Jänner 1870. [Franz Joseph].