Gemeinsamer Ministerrat, 24. 8. 1918
I. Aufteilung der Heereslieferungen für die beiden Staaten der Monarchie im zweiten Halbjahr 1918
Siehe PDF-Daten https://hw.oeaw.ac.at/ministerrat/serie-2/oe_hu_mrp_VII/pdf/oe_hu_mrp_VII_z38.pdf.
II. Errichtung neuer Tonerde- und Aluminiumfabriken
Siehe PDF-Daten https://hw.oeaw.ac.at/ministerrat/serie-2/oe_hu_mrp_VII/pdf/oe_hu_mrp_VII_z38.pdf#page=7.
III. Frage der Rubelbeschaffung für die Kriegsgefangenen in Russland
Siehe PDF-Daten https://hw.oeaw.ac.at/ministerrat/serie-2/oe_hu_mrp_VII/pdf/oe_hu_mrp_VII_z38.pdf#page=9.
Unterschrift des Protokollführers Walterskirchen. Die Unterschrift des Ministers des Äußern fehlt. Ebd. das Konzept des letzten Blattes des Protokolls mit der Unter¬ schrift des Chefs des Generalstabs, Generaloberst Arz (unter folgendem Text: »Ich habe den Inhalt des vorstehenden Ministerratsprotokolles zur Kenntnis genommen. Hofzug, am 16. Juni 1918.«). -- Ebd. das handschriftliche Konzept des Protokolls mit mehreren, teils vom Protokollführer, teils von Buriän stammenden Verbesserungen, am Ende das Handzeichen Buriäns. 38. Wien, 24. August 1918 Debatte über die Aufteilung der für die zweite Hälfte des Jahres 1918 veranschlagten Kriegsmaterialbeschaffungen unter die beiden Staaten der Monarchie. Der Minister¬ rat hält die Errichtung von Aluminiumfabriken aus Privatinitiative mit staatlicher Subvention für notwendig und befaßt sich dann mit den Möglichkeiten der Beschaffung der für die russischen Kriegsgefangenen benötigten Rubel und anderen Fragen von geringerer Bedeutung. Der erste Punkt der Tagesordnung schließt sich eng an das Verhandlungsmaterial des gemeinsamen Ministerrates vom 24. Februar desselben Jahres an. Über die Alumi¬ niumfabrikation siehe den Kommentar zum Protokoll vom 15. Februar 1918. Die übrigen Punkte der Tagesordnung wurden nur in dieser Sitzung des gemeinsamen Ministerrates behandelt. Protokoll des zu Wien am 24. August 1918 abgehaltenen Ministerrates für gemein¬ same Angelegenheiten, unter dem Vorsitze des k.u.k. Ministers des Äußern Grafen Stephan Buriän. K.Z. - G.M.K.P.Z. 549. Gegenwärtige: der kgl. ung. Ministerpräsident Dr. Wekerle, der k.k. Ministerpräsident Dr. Freiherr von Hussarek, der k.u.k. Kriegsminister GO. Freiherr von Stöger-Steiner, der k.k. Handelsminister Dr. Freiherr von W i e s e r, der k.k. Finanzminister Dr. Freiherr von Wimmer, der k.k. Minister für Landesverteidigung FML. Freiherr von C z a p p, der kgl. ung. Handelsminister Baron Szterenyi, der kgl. ung. Finanzminister Dr. P o p o - vics, der kgl. ung. Honvedminister GO. Baron Szurmay, Oberst des Generalstabskorps Pflug in Vertretung des k.u.k. Armeeoberkommandos. Schriftführer: Hof- und Ministerialsekretär Dr. von Nicki. Gegenstände: I. Aufteilung der Heereslieferungen auf die beiden Staaten der Monarchie im zweiten Halbjahr 1918. II. Errichtung neuer Tonerde- und Alumi¬ niumfabriken. III. Frage der Rubelbeschaffung für die Kriegsgefangenen in Russ¬ land. Der Vorsitzende eröffnet die Beratung um 10 Uhr vormittags. Er be¬ zeichnet die zur Erörterung stehenden Fragen und ersucht den k.u.k. Kriegsmi¬ nister zum ersten Gegenstände der Tagesordnung, in dessen Hinsicht zwischen den beiden Regierungen namhafte Differenzen bestehen, das Wort zu ergreifen. 669 <pb/> I. Aufteilung der H e e r e s 1 i e f e r u n g e n auf die beiden Staaten der Monarchie im zweiten Halbjahre 1918 Der k.u.k. Kriegsminister führt aus, dass der am 24. Februar 1. J. abgehaltene gemeinsame Ministerrat bezüglich der Höhe des ihm vorgelegten Beschaffungsprogrammes für das II. Halbjahr 1918 Bedenken geäussert und den Wunsch ausgesprochen habe, dasselbe auf jenes Mass zu reduzieren, welches der realen Leistungsfähigkeit der in Betracht kommenden Unternehmungen sowie der Erlangbarkeit der Rohstoffe und der sonstigen Betriebserfordernisse angepasst sei. Diesem Wunsche sei nach Möglichkeit Rechnung getragen und das auf diesen Grundlagen neuverfasste Programm den beiden Handelsressorts mit dem Er¬ suchen übermittelt worden, nach gegenseitig gepflogenem Einvernehmen bevoll¬ mächtigte Vertreter ins Kriegsministerium zu einer Besprechung des Programmes zu entsenden. Diese Besprechung habe am 27. März 1. J. stattgefunden. Hiebei haben die Vertreter des k.k. und des kgl. ung. Handelsministeriums die Frage der Aufteilung der Lieferungen auf die beiden Staatgebiete, beziehungsweise der in diesem Belange zu gewährenden Kompensationen, eingehend erörtert, ohne jedoch zu einer Einigung zu gelangen. Den Vertretern der beiden Handelsministerien wurde hierauf Gelegenheit geboten, mit allen in Betracht kommenden Ressortabteilungen des Kriegsmini¬ steriums direkte Fühlung zu nehmen, um an der Hand des zur Verfügung stehenden Materiales bezüglich der Art der Bestellungen und der Aufteilung derselben rascher zum Ziele zu gelangen. Nach Abschluss dieser Detailverhandlungen sei am 23. Mai 1. J. eine resümie¬ rende Besprechung abgehalten worden, die jedoch in Anbetracht der verschieden¬ artigen Standpunkte der Vertreter der Handelsressorts das erwartete Resultat auch nicht zeitigte. Die darauf beim k.u.k. Kriegsministerium eingelangten, auf den Gegenstand bezughabenden Noten des k.k. sowie des kgl. ung. Handelsministeriums zeigen, dass die beiden Handelsressorts an ihren bisher eingenommenen entgegengesetz¬ ten Standpunkten festhalten. So führe das k.k. Handelsministerium in seiner Note aus, dass die Vertreter des kgl. ung. Handelsministeriums die Einbeziehung der bis zum 1. Juli 1918 nicht ausgelieferten Bestellungen aus früherer Zeit in die quotenmässige Aufteilung verlangt hätten. Das k.k. Handelsministerium vertrete demgegenüber den Stand¬ punkt, dass diese Forderung den »Vereinbarungen« vom Jahre 1906 zuwiderlaufe, wonach »Entschädigungen« nur im Rahmen eines und desselben Rechnungsjahres verlangt werden können. Die Vertreter des k.k. Handelsministeriums wieder hätten die Einrechnung der vom k.u.k. Kriegsministerium zentral durchgeführten Beschaffungen an Erzeug¬ nissen der Lebensmittelindustrie (Mehl, Konserven etc.) unter Berufung darauf gefordert, dass diese Forderung den vorerwähnten »Vereinbarungen« entspreche, 670 <pb/>wonach »der gesamte Bedarf an industriellen Erzeugnissen« quotenmässig aufzu¬ teilen sei. Demgegenüber hätten die Vertreter des kgl. ung. Handelsministeriums für den Fall der Geltendmachung dieser Forderung angekündigt, dass die kgl. ung. Regie¬ rung voraussichtlich die Frage der Gewährung von Entschädigungen an die ung. Industrie für den in den abgelaufenen Kriegsjahren gegenüber dem quotenmässi- gen Anteile sich ergebenden Ausfall an Lieferungen aufrollen werde, was das k.k. Handelsministerium unter Hinweis auf die »Vereinbarungen« zurückweise. Die Vertreter des k.k. Handelsministeriums hätten auch dem Standpunkte Aus¬ druck verliehen, dass der ungarischen Industrie nach Punkt 6 der »Vereinbarungen« für einen Entgang an Lieferungen der etwa durch die Nichtannahme der niedrige¬ ren österreichischen Preise entstehen sollte, ein unbedingter Anspruch auf Ent¬ schädigung nicht zustehe, welchem Standpunkte sich die Vertreter des kgl. ung. Handelsministeriums nicht angeschlossen hätten. Das k.k. Handelsministerium stelle schliesslich an das k.u.k. Kriegsministe¬ rium im Hinblicke auf die vorstehend angeführten offenen Fragen das Ersuchen, die Entscheidung des gemeinsamen Ministerrates herbeizuführen. Der Herr kgl. ung. Handelsminister teile in seiner auf den Gegenstand bezughabenden Note mit, dass die Vertreter seines Ministeriums die Detailverhandlungen mit den Ressort¬ abteilungen des Kriegsministeriums mit Ausnahme der Abteilungen 5/EB (ZTL) abgeschlossen hätten und dass die quotenmässige Aufteilung sowohl hinsichtlich des Industriebedarfes für das II. Halbjahr 1918 als auch hinsichtlich der aus frühe¬ ren Bestellungen zurückgebliebenen Rückstände, welche bis zum 1. Juli 1. J. nicht abgeliefert waren, bewirkt worden sei. Gleichzeitig sei eine Zusammenstellung des Geldwertes der nach dem einver¬ nehmlich festgesetzten Aufteilungsschlüssel auf die ungarische Industrie entfallen¬ den Lieferungen sowie der Ungarn zukommenden Kompensationen übermittelt worden. Der Herr kgl. ung. Handelsminister stelle das Ersuchen, die Frage der Kompen¬ sationen unbedingt noch vor Ausgabe der Bestellungen zu regeln, wobei er auf die Tatsache hinweise, dass die ungarische Industrie in den ersten drei Jahren des Krieges vom k.u.k. Kriegsministerium nicht im Ausmasse ihrer Leistungsfähig¬ keit mit Bestellungen bedacht worden sei, so dass sie durch diesen Umstand eine Schädigung von ungefähr 2 Milharden Kronen erlitten habe. Nach der übermittelten Zusammenstellung könne Ungarn um ca. 237 Milhonen Kronen mehr Lieferungen übernehmen, als ihm nach der Quote zukomme. Der Herr kgl. ung. Handelsminister bitte daher um Massnahmen, dass zur teilweisen Kompensation der in der ersten Zeit des Krieges erhttenen Schädigung, Lieferun¬ gen für einen Mehrbetrag von mindestens 237 Millionen Kronen nach Ungarn ausgegeben werden. Das kgl. ung. Handelsmuseum (!) sei angewiesen worden, dem Kriegsministerium über Befragen Aufklärungen über ungarische Unternehmungs¬ firmen zu geben. Der Herr kgl. ung. Handelsminister ersuche endhch um Verständigung bezüg¬ lich der getroffenen Entscheidung und Bekanntgabe der auszugebenden Bestel¬ lungen wegen Überwachung der mit den Lieferungen betrauten Firmen. 671 <pb/> Zu dem Vorangeführten bemerkt der k.u.k. Kriegsminister, dass die Heeres¬ verwaltung selbstverständlich die Aufteilung der Lieferungen und die eventuellen Kompensierungen, sofern sie Heereslieferungen betreffen und vorausgesetzt, dass beides möglich ist, nach den Beschlüssen der Regierungen bewirken werde, nur müsse er von seinem Standpunkte die Ritte stellen, die Entscheidung über die Aufteilung der Lieferungen und über die zwischen den beiden Staaten zu verein¬ barenden Kompensationen so zu treffen, dass die Kontinuität der Lieferungen gewährleistet werde, weil dies ein eminenter Faktor für die Erhaltung der Schlag¬ fertigkeit der Armee sei. Aus diesem Grunde sei er auch zu seinem Bedauern dermalen nicht in der Lage, der vom Herrn kgl. ung. Handelsminister gestellten Forderung, vor Erledigung der Frage der Kompensationen keine Lieferungen auszugeben, zu entsprechen. Um aber für die Zukunft die Frage der Aufteilungen rasch zum Abschluss bringen zu können, bittet der k.u.k. Kriegsminister, den Termin zu bestimmen, zu welchem das -- Mitte des nächsten Monates zusammenzustellende -- Beschaf¬ fungsprogramm für das I. Halbjahr 1919 den beiden Handelsministerien zukom¬ men soll. Der kgl. ung. Handelsminister möchte zunächst auf das eben vorge¬ tragene Resume des k.u.k. Kriegsministers erwidern. Österreichischerseits wird behauptet, dass die Einbeziehung der bis 1. Juli nicht ausgelieferten Bestellungen den Vereinbarungen von 1906 zuwiderlaufe. Er möchte ferner feststellen, dass der der ungarischen Industrie infolge nicht gehöriger Berücksichtigung ihrer Leistungs¬ fähigkeit bei Vergebung der Bestellungen, und zwar nur des k.u.k. Kriegsmini¬ steriums, in den ersten Kriegsjahren zugefügte Schaden sich auf 2 Milliarden belau¬ fe; die Bestellungen des Armeeoberkommandos seien hiebei gar nicht berücksich¬ tigt. Auch bei den Lieferungen landwirtschaftlicher Artikel ergebe sich ein Manko. Ungarn habe in den Jahren 1914--1916 die finanzielle Quote nicht erhalten. Den vom k.k. Handelsminister hinsichtlich der Einbeziehung der nicht ausgelieferten Bestellungen eingenommenen Standpunkt müsse er zuerst auf Grund der Verein¬ barungen von 1906 prinzipiell bekämpfen. Punkt 2) dieser Vereinbarungen besage, dass von jedem der beiden Staaten in jedem Rechnungs jahre der quoten- mässige Anteil zu beschaffen sei. Dies sei entscheidend. Werde nicht das Rech¬ nungsjahr genommen, so könnten auf Jahre Bestellungen hinausgegeben werden, ganz ohne Berücksichtigung der Leistungsfähigkeit der Industrie. Das dem Mini¬ sterrat vom 24. Februar vorgelegene Beschaffungsprogramm habe auch Be¬ stellungen im Werte von 5.5 Milliarden ohne Berücksichtigung der Leistungs¬ fähigkeit der Industrien enthalten. Die Bestellungen seien dann auf 3.4 Mil¬ liarden herabgesetzt worden. Auch dieser Fall zeige, dass bei den Bestellun¬ gen nicht immer die Leistungsfähigkeit der Industrien des betreffenden Rechnungs¬ jahres berücksichtigt werde. Rechnungsjahr heisse, dass jedes Jahr für sich ab- zuschliessen sei. Was an nicht ausgelieferten Bestellungen übrig bleibe, bilde für sich ein neues Ganze und sei frisch aufzustellen. Er möchte noch bemerken, dass die von den Vertretern der beiden Handelsministerien im Verein mit den Organen des Kriegsministeriums angefertigten Tabellen das Ergebnis gemein¬ schaftlicher Arbeit seien. 672 <pb/> Der k.k. Handelsminister bestreitet nicht, dass alle Tabellen das Ergebnis gemeinschaftlicher Arbeit seien. Doch sei der rechtliche Gesichtspunkt bei Anfertigung dieser Tabellen offen geblieben. Es seien eben Tabellen sowohl für die eine, als auch für die andere Auffassung gemacht worden. Was die Vergebungen in den ersten Kriegsjahren anlange, so stelle sich das Bild in Ziffern anders als nach der ungarischen Darstellung dar. Nach Berechnung des k.k. Handelsministeriums ergibt y2sich ein Betrag von 5/4 Milliarden, welcher Österreich über die Quote zugute ge¬ kommen sei, ein Betrag von 1 Milliarden, welcher aus Naturallieferungen Un¬ garn über die Quote zugekommen sei. Die Überbeschäftigung der österreichischen Industrie sei eine Folge ihrer höheren Leistungsfähigkeit in den ersten Kriegs¬ jahren gewesen. Die Vereinbarungen von 1906 wolle er nicht anfechten. Sie seien jedoch nicht für den Kriegsfall gedacht gewesen. Im Kriege habe Ungarn aus ihnen eine starke Förderung erhalten. Im Jahre 1906 sei der quotenmässigen Aufteilung der Heeresbeschaffungen eine ganz andere Bedeutung zugekommen als heute, wo infolge der durch den Krieg geschaffenen Verhältnisse der Quotenschlüssel der Massstab der Beschäftigung der Industrie überhaupt geworden sei. Das Verhältnis habe sich zugunsten Ungarns verschoben. Die Vereinbarungen seien eingehalten worden, haben aber Österreich einen Nachteil gebracht, während sie für Ungarn vorteilhafte Folgen hatten. Was seinerzeit von Österreich mehr an Industrieartikeln geliefert wurde, habe Ungarn an Naturallieferungen erhalten. Während die ungarische Industrie dies eingeholt habe, könne dies von der österreichischen Landwirtschaft nicht gesagt werden. Was die Vereinbarungen von 1906 anlange, so handle es sich im Punkte 2/ um das Beschaffung sjahr. Es gehe nicht an, beim Ausgleich auf ein abgelaufenes Jahr zurückzugreifen. Es könne nicht einmal Bestellungs- und das andere Mal Beschaf¬ fungsjahr heissen. In den über die Aufteilung der auszugebenden Bestellungen hergestellten Nachweisungen errechne sich Ungarn einen Fehlbetrag aufseinen ihm quotenmässig zustehenden Anteil von zirka 40 Millionen. Diesem Betrag stelle aber Österreich seine Rechnung entgegen, wonach sich ein Fehlbetrag von zirka 20 Millionen für Österreich ergebe. Der kgl. ung. Ministerpräsident ist der Ansicht, dass der Sinn des Punktes 2/ der Vereinbarungen von 1906 sich von selbst ergebe. Das Grundprinzip sei doch die quotenmässige Beteihgung der beiden Staaten der Monarchie an den Lieferungen. Ebenso wie bei der finanziellen Quote habe sich naturgemäss auch hier eine Verschiebung ergeben. Die Frage stelle sich wie folgt: Sind die frü¬ heren Bestellungen quotenmässig verteilt worden oder nicht ? Wenn ja, so sei eine Einrechnung jetzt nicht notwendig, wenn nein, so müssen die Unterschiede aus¬ geglichen werden. Die starke Beteiligung Ungarns an den Naturallieferungen sei von allem Anfang an in dem Wesen der wirtschaftlichen Struktur der beiden Staa¬ ten und in ihrem Verhältnisse zu einander begründet. Dies sei immer so gewesen, nur mit dem Unterschiede, dass während früher die Naturalien im Verkehr frei waren, sie jetzt gebunden seien. Der k.k. Handelsminister bemerkt, dass nicht nur von Naturalien im engeren Sinne, sondern von Produkten der Lebensmittelindustrie, von Konserven, die Rede sei. 43 Komjäthy: Protokolle 673 <pb/> Der kgl. ung. Handelsminister will nicht viel Worte über Prinzipien verlieren. Österreichischerseits seien die Vereinbarungen von 1906 als nur für Friedensverhältnisse gedachte Vereinbarungen dargestellt worden, welche auf Kriegsverhältnisse nicht anwendbar seien. Es liege nahe, demgegenüber darauf hinzuweisen, dass auch die Finanzquote nicht in Ansehung des Kriegsfalles erhöht worden sei. Die ziffermässige Bedeutung der 2 %igen Erhöhung sei damals von niemandem geahnt worden. Ungarn zahle das Plus an Millionen im Interesse der Erhaltung der Monarchie. Er müsse sich jedoch dagegen verwahren, dass demgegenüber die Vergebung des quotenmässigen Anteiles an den Beschaffungen als nur für den Friedensfall gedacht hingestellt werde. Was die Konserven anlange, so werde der Heeresbedarf in Ungarn nicht von privaten Konserven¬ fabriken, sondern durch militärische, an die Firmen Wetzler und Weiss in Pacht gegebene Fabriken gedeckt. Es geschehe dort die Fabrikation nach genauen Vor¬ schriften und es könnte deshalb hier nur von der Einrechnung des industriellen Nutzens die Rede sein. Der k.k. Handelsminister entgegnet hierauf, dass er nicht Rekrimi- nationen erheben wolle. Die Vereinbarungen von 1906 seien von österreichischer Seite getreulich eingehalten worden, er habe in seinen Darlegungen nur die Wir¬ kungen der geänderten Verhältnisse darstellen wollen. Es sei ihm ferne gelegen zu erkennen geben zu wollen, die Vereinbarungen nicht einzuhalten. Was die Kon¬ serven anbelange so könne man darüber nicht hinwegkommen, dass sie doch Industrieprodukte, nämlich Produkte der Lebensmittelindustrie seien. Der kgl. ung. Handelsminister kommt in seinen weiteren Ausführun¬ gen darauf zurück, dass österreichischerseits beanständet werde, dass Ungarn als Entschädigung für den Entgang infolge geringerer Beteilung mit Heeresliefe¬ rungen in den ersten Kriegsjahren eine Mehrbeteilung um 237 Millionen erhalte. Bei der Aufteilung der 3.4 Milliarden des Beschaffungsprogrammes für das 2. Semester 1918 seien alle Differenzen bis auf einen Betrag von zirka 40 Millionen gelöst worden. Die Bitte, welche Ungarn als Entschädigung für den Entgang an früheren Lieferungen stelle, gründe sich nicht auf den Rechtsstandpunkt sondern appelliere an die Billigkeit. In diesem Zusammenhänge müsse er auch eine Be¬ schwerde an den k.u.k. Kriegsminister richten und um Abhilfe bitten. Anlässlich der vor kurzem von der Armee an die Zivilbevölkerung Österreichs und Ungarns gewährten Bekleidungsaushilfe sei Ungarn gegenüber Österreich, wie sich aus den angeführten Ziffern ergebe, weit unter der Quote bedacht worden. Im Interesse der Popularität der Armee bitte er um Abstellung solcher Benachteiligungen. Der k.u.k. Kriegsminister erklärt, dass eine Benachteihgung Ungarns bei der in Rede stehenden Aktion die auf Grund von Hilferufen der Zivilverwal¬ tung insbesondere von österreichischer Seite eingeleitet worden sei, nicht beab¬ sichtigt war. Er werde sich über die Angelegenheit des Näheren erkundigen und glaube dadurch Abhilfe schaffen zu können, bei nächster Gelegenheit Ungarn durch erhöhte Beteilung schadlos zu halten. Was die vom kgl. ung. Handelsminister als zu kompensieren bezeichnete Differenz von 40 Millionen anbelange, so entstand sie dadurch, dass vielfach die quotenmässige Aufteilung nicht vorgenommen wer¬ den konnte. Die Kohlensituation sei in Ungarn im allgemeinen günstiger als in 674 <pb/>Österreich. Die Heeresverwaltung sei daher bemüssigt, Ungarn oft auch über die Quote in Anspruch zu nehmen. Der kgl. ung. Ministerpräsident gibt der Ansicht Ausdruck, dass hinsichtlich des ersten Punktes Ungarn Recht habe, da wohl Ungarn quotenmä- ssig zu beteilen sei. Bezüglich des zweiten Punktes wären die Referentenverein¬ barungen anzunehmen. Der k.k. Handelsminister will sich Billigkeitserwägungen nicht ver- schliessen. Der k.k. Ministerpräsident ist dafür, dass eine praktische Lösung der Frage gefunden werde, wobei allerdings das Prinzip der Vereinbarungen von 1906 nicht ausser Acht gelassen werden solle, welches besage, dass im Endeffekt die Aufteilung nach dem Quotenschlüssel zu erfolgen habe. Das Beschaffung s- jahr sei in den Vereinbarungen mit Wissen gewählt worden. Es sollte eine Verpflich¬ tung für die Organe geschaffen werden. Wann haben diese die quotenmässige Aufteilung wahrzunehmen ? Es stehe wohl ausser Zweifel, dass dies bei der Bestel¬ lung zu geschehen habe, das heisst die Vergebungen hätten nach dem quoten- mässigen Schlüssel zu erfolgen, gleichgültig ob und wann die Lieferung eingehe. Dies sei das Prinzip. In der Praxis wird dann nach Billigkeit entsprechender Aus¬ gleich zu schaffen sein. Die Bedeutung der mehrerwähnten Vereinbarungen sei, eine Richtlinie zu schaffen. Der Zeitpunkt, in welchem von dieser Richtlinie ausgegangen werden müsse, sei die Anschaffung, der Ausgleich erfolge dann nach Billigkeit. Hinsichtlich der Konserven könne auch er sich der Ansicht nicht verschhessen, dass die Konserven ein Industrieprodukt seien. Wollte man auf die Urquelle der Produkte zurückgehen, so würde sich ein unmöglicher Zustand ergeben. Die bestehende Differenz Hesse sich nach seiner Ansicht durch gütliche Vereinbarungen im konkreten Falle unschwer lösen. An den Richtlinien müsse aber festgehalten werden und diese gelten für die Beschaffung, das ist für die Bestellung. Öster- reischischerseits wolle man gerne auf Billigkeitsgründe Rücksicht nehmen. Der kgl. ung. Ministerpräsident steUt sich auch auf den Standpunkt, dass in den Vereinbarungen die Beschaffung gemeint sei, doch was sei darunter zu verstehen ? Offenbar, dass die Beschaffung, die auf das laufende Jahr entfäHt, auch auf das laufende Jahr angerechnet werden muss; bei frühzeitigen Beschaffungen aber der auf das laufende Jahr entfallende aliquote Teil. Die Heeresverwaltung könne nicht gebunden werden, sondern müsse, wie es ja auch die Industrie fordere, Bestellungen auf Jahre hinausgeben können. Bei solchen Beschaffungen müsse der aliquote Teil auf das laufende Jahr angerechnet werden. Der kgl. ung. Handelsminister anerkennt die Richtigkeit, dass die Beschaffung, das heisst die Bestellungen quotenmässig aufzuteilen seien. Der Schwerpunkt liege aber auf der Abheferung. Nach den Ausführungen des k.k. Ministerpräsidenten könne sich folgende Situation ergeben. Die österreichische Industrie könne zum Beispiel mit 19 bis 20 Millionen durch Bestellungen überbe¬ schäftigt sein. Im folgenden Jahre würden dann keine Bestellungen erfolgen, weil die Heeresverwaltung saturiert wäre. Es könne daher der richtige Standpunkt nur der sein, dass, wenn bei der Beschaffung die quotenmässige Aufteilung nicht 43* 675 <pb/>möglich sein sollte, im Rechnungsjahr, das heisst im Ablieferungsjahr der Aus¬ gleich zu schaffen sei. Was die Erzeugnisse der Lebensmittelindustrie anlange, so sei zu bemerken, dass sich die Technik den neuen Verhältnissen habe anpassen müssen. Neue Industrien seien entstanden. Dörrobst, Dörrgemüse, und Gefrier¬ fleisch seien doch keine Industrieprodukte. Der kgl. ung. Ministerpräsident schlägt nun vor, sich auf folgender Formel zu einigen: Bei vorzeitigen, das ist nicht im selben Jahr zu liefernden und sich auf mehrere Jahre erstreckenden Beschaffungen soll, wenn die quotenmässige Beteiligung nicht festgesetzt wurde, bei der Verteilung der jährlichen Beschaffun¬ gen der auf das betreffende Jahr entfallende Teil der vorzeitigen Beschaffungen in Rechnung gezogen werden. Nach längerer Aussprache wird beschlossen, die prinzipielle Austragung den beiden Handelsministerien im schriftlichen Wege zu überlassen. Die Forderung nach Gewährung von Entschädigungen an die ungarische Industrie für den in den abgelaufenen Kriegsjahren gegenüber dem quotenmässigen Anteil sich erge¬ benden Ausfall an Lieferungen wird ungarischerseits fallen gelassen. Die Frage der Kompensierung der vom ungarischen Handelsministerium mit 40 Millionen Kro¬ nen bezifferten Summe, mit welcher Ungarn nach seiner Auffassung an den Beschaffungen des 2. Halbjahres 1918 unter der Quote beteilt wäre und der das österreichische Handelsministerium einen Gegenanspruch von 20 Millionen gegen¬ überstellt, wird dahin entschieden, dass diezwischen den beiderseitigen Ansprüchen bestehende Spannung von 60 Millionen Kronen halbiert wird, so dass für Ungarn nicht 40 Millionen Kronen, sondern nur 10 Millionen Kronen auszugleichen sind. II. Errichtung neuer Tonerde- und Aluminiumfabriken Der k.u.k. Kriegsminister gibt eine Darstellung der Entwicklung der Angelegenheit und führt aus, dass das k.u.k. Kriegsministerium mit Note vom 7. April 1917 bei Übersendung einer nach langwierigen Verhandlungen erzielten Offerte eines von der Bodenkreditanstalt gebildeten Konsortiums unter Betonung der besonderen Wichtigkeit und Dringlichkeit der Angelegenheit an die beiden Regierungen herangetreten sei, um ihre Zustimmung zum Baue einer grossen Tonerde- und Aluminiumfabrik mit einer Jahreskapazität von 7000 Tonnen Roh¬ aluminium zu erlangen. In der Ministerkonferenz vom 2. Juli 1917 sei diese Offerte als unannehmbar erklärt und es dem k.u.k. Kriegsministerium überlassen worden, eine Verbesse¬ rung dieser Offerte zu erzielen. Diese Verbesserung sei jedoch nicht zu erreichen gewesen und die Offerenten haben ihre Offerte zurückgezogen. Nachdem die in der Zwischenzeit'eingeleiteten Versuche zur Erprobung der Verwendbarkeit des in Ungarn vorkommenden Alunits -- an Stelle des Bauxits -- für die Herstellung der Tonerde abgeschlossen waren, habe sich der Ministerrat vom 15. Februar 1918 dahin entschieden, dass sowohl in Österreich als in Ungarn je eine (aufBauxit basierte) Tonerdefabrik und Aluminiumfabrik gebaut werden soll. 676 <pb/> Über die Verhandlungen der k.k. österreichischen Regierung zum Zwecke der Herstellung dieser Fabriken sei das k.u.k. Kriegsministerium bisher nicht orientiert worden. Dagegen habe die kgl. ung. Regierung das k.u.k. Kriegsministerium von zwei Offerten in Kenntnis gesetzt, welche von ungarischen Konsortien überreicht worden seien. Das k.u.k. Kriegsministerium habe die gegen diese Offerten spre¬ chenden Bedenken geltend gemacht und zum Zwecke der Klärung der Angelegen¬ heit eine Referentenbesprechung für den 22. April d. J. einberufen, an welcher die Vertreter des k.u.k. Ministeriums des Äussern, die Vertreter der beteiligten öster¬ reichischen und ungarischen Ministerien und ein Vertreter des Armeeoberkomman¬ dos teilgenommen haben. Das Ergebnis dieser Referentenbesprechung könne da¬ hin zusammengefasst werden, dass sowohl das k.u.k. Kriegsministerium, als auch das Armeeoberkommando nach wie vor den Bau der Aluminium- und Tonerde¬ fabriken noch im Kriege für eine unbedingte Notwendigkeit erklären. Es müsse daher, wenn auch durch die eingetretene Verzögerung viel kostbare Zeit verloren wurde und namentlich der Bau dieser Fabriken ganz unverhältnismässig teuerer kommen werde, als er nach der seinerzeit vom k.u.k. Kriegsministerium zur Ver¬ fügung gestellten Offerte gewesen wäre, vom mihtärischen Standpunkte aus der Bau dieser Fabriken nach wie vor verlangt werden. Auf Grund der Ergebnisse dieser Referentenbesprechung wäre nun von der gemeinsamen Ministerkonferenz in folgenden Fragen Beschluss zu fassen: 1. Die kgl. ung. Regierung habe erklärt, dass der Bau einer solchen Fabrik in Ungarn im Kriege nur dann erfolgen könne, wenn hiezu eine Subvention aus gemeinsamen Mitteln erteilt werde. Es wäre daher zunächst die Frage zu lösen, ob diese Fabriken mit Unterstützung aus gemeinsamen Mitteln oder ohne eine solche Unterstützung gebaut werden sollen ? Das k.u.k. Kriegsministerium halte die rascheste Erbauung dieser Fabriken so¬ wohl aus militärischen wie auch aus volkswirtschaftlichen Gründen für unbedingt nötig. Da die separate Sicherstellung der Geldmittel für den vorstehenden Zweck in beiden Staatsgebieten, wenn sie überhaupt möglich sein sollte, jedenfalls mit nicht unbeträchtlicher Verzögerung verbunden wäre, so müsse seitens des k.u.k. Kriegsministeriums schon aus diesem Grunde die Beistellung der Subventionen aus gemeinsamen Mitteln empfohlen werden. 2. Falls die Entscheidung dahin ausfalle, dass die Fabriken mit Unterstützun¬ gen aus gemeinsamen Mitteln gebaut werden, wäre die Frage zu klären, ob die Subvention an die beiden Regierungen beziehungsweise die von denselben nam¬ haft gemachten Unternehmergruppen nach dem Quotenverhältnis oder nach einem für diesen Fall besonders festzusetzenden Schlüssel erfolgen soll? 3. Ebenso wäre über die Höhe der Subventionierung Beschluss zu fassen. 4. Desgleichen wäre über eventuelle Nachzahlung zur Subventionierung, falls solche infolge eintretender Erschwerungen und höherer Ausführungskosten not¬ wendig werden, Beschluss zu fassen. Diese Nachzahlungen müssten entweder von den beiden Staaten selbst getragen oder aus gemeinsamen Mitteln bestritten und im letzteren Falle nach demselben Schlüssel wie die ursprüngliche Subvention aufge¬ teilt werden. Nach dem Vorschlag der Referentenkonferenz wären im letzteren Falle die betreffenden Subventionen sowie die Nachzahlungen den beiden Staaten 677 <pb/>zur Verfügung zu stellen und es wäre dann deren Sache, wie sie die entfallenden Beträge zu verwenden wünschen. 5. Die Ministerkonferenz hätte auch über die Pflicht der Rückzahlung der Subventionen Beschluss zu fassen oder die Angelegenheit dahin zu entscheiden, dass es den beiden Staaten überlassen sei, ob und inwieweit sie die Rückzahlung gegenüber den Unternehmern des eigenen Staates verlangen oder sicherstellen wollen. In der an die Ausführungen des k.u.k. Kriegsministers sich anschliessenden Wechselrede wird der ungedeckte Jahresbedarf an Aluminium übereinstimmend mit 7 -- 8000 Tonnen beziffert. Über die Notwendigkeit der Errichtung neuer Fabriken -- und zwar mit einer vom Rentabilitätsgesichtspunkte gebotenen Mindestproduktion von jährlich 3000 Tonnen -- herrscht Einmütigkeit. Die Gefahr einer Überproduktion besteht nach Ansicht der Ministerkonferenz nicht, da angesichts der nahezu unbegrenzten Ver¬ wendungsmöglichkeit des Aluminiums, insbesondere als Ersatz für Kupfer, auch eine über 12.000 Tonnen steigende Aluminiumproduktion den Friedensbedarf der Industrie noch nicht voll decken dürfte. Da die Fabriken aus ausschliesslich priva¬ ten Mitteln nicht errichtet werden können, wird die Frage der Gewährung einer Subvention, und zwar angesichts des dringenden Aluminiumbedarfes der Heeres¬ verwaltung, zu Lasten des Mobilisierungskredites nach Analogie der im gleichen Interesse an andere private Industrien (Nobel, Skoda) gewährten Subventionen -- als entschieden betrachtet. Was die Höhe der Subvention anlangt, regt der kgl. ung. Ministerpräsi¬ dent an, dieselbe mit einem Einheitsbetrag pro Tonne und nach einer festzu¬ setzenden Kapazität der in beiden Staatsgebieten zu errichtenden Fabriken zu bemessen. Es wird hierauf folgender Beschluss gefasst: Die Regierungen übernehmen die Verpflichtung, Aluminiumfabriken zur Er¬ zeugung von 8000 Tonnen zu errichten, und zwar Österreich für 4500 Tonnen und Ungarn für 3500 Tonnen. Jede Regierung erhält eine Subvention von 7000 Kronen nach jeder Tonne zu Lasten des Mobilisierungskredites. Es bleibt den Regierungen überlassen, ob sie die Rückzahlung der gewährten Subventionen von den damit beteilten Unternehmungen verlangen wollen. Die Heeresverwaltung erklärt, ihren Aluminiumbedarf im quotenmässigen Ver¬ hältnis von beiden Staaten zu decken. Der k.k. Handelsminister behält sich vor, einen Nachtragskredit vom Ministerrat anzusprechen, falls sich ergeben sollte, dass mit der obbezifferten Subvention nicht das Auslangen gefunden werden könne. III. Frage der Rubelbeschaffung für die Kriegsgefan¬ genen in Russland Der Vorsitzende bemerkt, das laut Mitteilung des k.u.k. Kriegsministe¬ riums in einer kürzlich bei der Österreichisch-Ungarischen Bank abgehaltenen Sit- 678 <pb/>zung eine befriedigende Lösung der Frage angebahnt worden sein soll, indem seitens der Notenbank ein mit den russischen Verhältnissen vertrauter Funktionär, der durch Rubelbeschaffung in Russland die der Aufbringung der fremden Valuta im Inlande entgegenstehenden Schwierigkeiten beseitigen soll, der Kriegsgefange¬ nenmission in Moskau zugeteilt und ferner zugesagt wurde, zur Deckung des momentanen Bedarfes einen grösseren Betrag in Rubeln binnen kürzester Frist zur Verfügung zu stellen. Das k.u.k. Kriegsministerium bedürfe jedoch dringend noch weiterer Mittel. Der Angelegenheit komme eine ganz ausserordenthche Bedeutung zu. Angesichts der in Russland herrschenden Zustände sei die Unterstützung unserer noch in Russland befindlichen und dort einen weiteren Winter verbleibenden Kriegsge¬ fangenen für sie eine Existenzfrage. Die Schwierigkeiten, die der Rubelbeschaffung angesichts der Lage unserer Valuta entgegenstehen, sollen nicht verkannt werden, doch stelle sich im Hinblick auf die Lage unserer Kriegsgefangenen in Russland die Frage so, dass zu entscheiden sei, ob der Erhaltung des Menschenmateriales oder der Schonung unserer Valuta der Vorrang zu geben sei. Er könne seinerseits die dringenden Bitten des k.u.k. Kriegsministeriums nur auf das wärmste unterstützen. Der kgl. ung. Finanzminister bezeichnet die Beschaffung von Rubeln gegen Kronen als Ding der Unmöglichkeit. Der Bedarf an Rubeln für die Importe aus der Ukraine sei ein ungemein grosser, für welchen voll aufzukommen auch die Zentralstelle für Beschaffung russischer Zahlungsmittel nicht in der Lage gewesen sei. Er sehe angesichts der Unmöglichkeit der normalen Beschaffung keinen ande¬ ren Weg als den des Waren- und Effektenexportes. Namentlich letzterer dürfte sich angesichts der Vermögensflucht aus Russland als Folge der dortigen krisenhaften Zustände als gangbar erweisen und zu Erfolgen führen. Allenfalls Hessen sich auch Kreditoperationen in Erwägung ziehen. Die Förderung des Warenexportes müsse auch aus allgemeinen valutären Gründen mit allen Mitteln erfolgen. Die Ministerkonferenz schliesst sich dieser Anschauung an und ersucht die Finanzminister, im Einvernehmen mit den Handelsministern alles Tunhche für die Förderung der Ausfuhr vorzukehren, wobei auch das k.u.k. Kriegsministerium im weitestgehenden Masse mitwirken soll. Es gelangen noch folgende Angelegenheiten zur Sprache: Der kgl. ung. Handelsminister ersucht den Vertreter des k.u.k. Armeeoberkommandos, dahin zu wirken, dass der Holzbedarf der Truppen an der itahenischen Front nicht von weitgelegenen Orten im Hinterlande, wie z. B. aus Ungarn, wo für diesen Zweck 1000 Waggons gebunden worden seien, gedeckt werde, sondern aus den nahe gelegenen italienischen Wäldern, wo Material genü¬ gend vorhanden und nur abzutransportieren sei. Die Beschaffung des Holzes von so weitgelegenen Orten verbiete sich schon aus transporttechnischen Gründen. Der Vertreter des Armeeoberkommandos sagt zu, hier¬ über zuständigen Ortes zu berichten. Der kgl. ung. Handelsminister ersucht ferner den k.u.k. Kriegsmini¬ ster um Aufklärungen über das Nachrichten zufolge vom k.u.k. Kriegsministerium zu errichtende Beschaffungsamt und bittet mit Rücksicht darauf, dass doch der 679 <pb/>Abbau der militärischen kriegswirtschaftlichen Einrichtungen beabsichtigt und die Versorgung der Armee Aufgabe der zivilen Ressorts sei, von der Errichtung eines neuen militärischen Amtes Abstand zu nehmen. Der k.u.k. Kriegsminister erwidert hierauf, dass kein neues Amt geschaffen werden soll. Es handle sich vielmehr um die Konzentrierung aller auf die Beschaffung des Armeebedarfes bezüglichen Agenden der einzelnen Abteilun¬ gen des k.u.k. Kriegsministeriums. Es geschehe dies rein aus Gründen der Zweck¬ mässigkeit, weswegen die geplante Zusammenfassung der vorerwähnten Agenden auch im Frieden weiterbestehen soll. Mit dem Abbau der kriegswirtschaftlichen Einrichtungen beschäftige auch er sich und es stehe eine einschlägige Note an die beiden Regierungen in Vorbereitung. Der kgl. ung. Ministerpräsident stellt an den Vertreter des Armeeo¬ berkommandos das Ersuchen, Vorsorge zu treffen, damit den ungarischen Fabriken Seidencocons aus den besetzten italienischen Gebieten zur Verfügung gestellt werden. Der Vertreter des Armeeoberkommandos nimmt diesen Wunsch zu Bericht. Der Vorsitzende schliesst sonach die Sitzung um 2 Uhr nachmittags. Original-Reinschrift. -- Die Einsichtnahme wurde auf dem Mantelbogen des Protokolls mit Ausnahme des österreichischen Landwehrministers Czapp und des Obersten i. Gstb. Pflug, dem Vertreter des Armeeoberkommandos, von sämtlichen Teilnehmern des Ministerrates bestätigt. Einige machten in einigen Zeilen gewisse Vorbehalte. Der österreichische Ministerpräsident Hussarek machte folgende Bemer¬ kung: »Ges. unter Berufung auf die Bemerkung Sr. Exz. des H. Finanzministers Frh. v. Wieser!« -- Die Anmerkung Wiesers: »mit dem Bemerken (gegenüber der Äußerung des kgl. ung. Handelministers), daß die Kompensation für Ungarn mit 10 Mill. Kronen richtig berechnet ist, weil von den für Ungarn zugestandenen 30 Mill. Kronen die österreichische Gegenforderung von 20 Mill. Kronen abzuziehen ist.« Szterenyi hat den Bogen mit folgendem Vorbehalt unterschrieben: »mit der Bemerkung, daß im Be¬ schlüsse über die an Ungarn zu entfallende Kompensation irrtümlich 10 Millionen Kronen geschrieben ist, dies soll heißen 30 Millionen, was übrigens sich auch daraus ergibt, daß 60 Millionen halbiert nicht 10, sondern 30 Millionen ergeben.« -- Auf dem letzten Blatt die Kenntnisnahme durch den Herrscher: »Reichenau, am 14. Oktober 1918.« Unter dem Text rechts die Unterschrift Buriäns, links unten die des Protokollführers Nicki. -- Ebd. das maschinengeschriebene Konzept des Protokolls mit den Unter¬ schriften Buriäns und Nickis. 39. Wien, 27. September 1918 Der Ministerrat befaßt sich mit den durch den Zusammenbruch der bulgarischen Front entstandenen außen- und innenpolitischen Fragen. Den Ausweg aus der schwierigen Lage sieht der Ministerrat in der raschen Lösung der südslawischen und der polnischen Frage, in der Rekonstruktion der Staatsorganisation Österreichs, in der möglichst 68o <pb/>