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[Tagesordnungspunkte]

Gemeinsamer Ministerrat, 30. 5. 1918

Seidler als Vorsitzender des gemeinsamen Ministerrates, links die Unterschrift dek

Protokollführers Nicki mit Datum (11. XII. 1918). Die Kenntnisnahme durch den

Herrscher fehlt. -- Ebd. das Konzept des Protokolls, die eine Hälfte mit der Hand, die

andere mit Maschinegeschrieben, mit unzähligen, aus der Feder des Protokollführers

stammenden Korrekturen. Am Ende die Unterschrift von Nicki (5. .111. 1918) und von
Seidler.                                             .

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                                        Baden, 30. Mai 1918

Der Ministerrat will die südslawische Frage in einer vielseitigen und gründlichen
Debatte innerhalb des Rahmens der Monarchie lösen.

Die südslawische Frage hat in der Form, wie sie im gemeinsamen Ministerrat

beraten wurde, nicht viel von den tatsächlichen Elementen des Problems enthalten.

(Über den eigenartigen Hintergrund war in der Einleitung die Rede.) Darüber, in

welchen Ministerratssitzungen diese Frage noch behandelt wurde, siehe den Kommen¬

tar zum Protokoll vorn ?. Januar 1916:                  '

Protokoll des zu Baden am 30. Mai 1918 abgehaltenen Ministerratesfür gemeinsame

Angelegenheiten, unter dem Allerhöchsten Vorsitze Seiner Majestät des Kaisers
und Königs.

KZ. 59. - G.M.K.P.Z.:547,

Gegenwärtige: der k.u.k. Minister des k.u.k. Hauses und des Äußern, betraut

mit der Leitung des gemeinsamen Finanzministeriums Graf B u r i ä n, der k:k'.

Ministerpräsident Dr. Ritter von Seidler, der kgl. urig. Ministerpräsident

Dr. Alexander W e k e r l e, der k.u.k. Kriegsminister GO. Freiherr von Stögen-

Steiner, der Landeschef von Bosnien und der Herzegowina, Kommandieren

der General in Bosnien, Herzegowina und Dalmatien, GO. Freiherr von S a r k o'-

t i c, der Banus von Kroatien, Slawonien und Dalmatien; Anton von M i h a-

1 o v i c h.                                               ./

Schriftführer: Legationsrat Graf Walterskir-dhen. .        .

Gegenstand: Südslawische Frage.

   Seine k.u.k. Apostolische M a j e s t ä t geruhen die Besprechung um
5 Uhr zu eröffnen und darauf hinzuweisen, dass Er die Herfen zu sich gebeten
habe, um zu versuchen, die südslawische Frage, die für die Monarchie von aller¬
grösster Wichtigkeit sei, einer Lösung zuzuführen. Es wurde vielfach der Gedanke
ventiliert, Dalmatien mit Kroatien zu vereinigen und Bosnien und die Herzego¬
wina zu Ungarn zu schlagen. Durch Seine Stellung als Kaiser von Österreich und
<pb/>König von Ungarn befinde Er Sich gerade in dieser Frage in einer sehr schwie¬
rigen Stellung. Er hoffe aber bestimmt, dass die heutige Besprechung eine Klärung
herbeiführen würde, denn darüber seien sich wohl alle Beteiligten einig, dass
irgend etwas in dieser Frage geschehen müsste, und zwar bald.

   Seine k.u.k. Apostolische Majestät geruhten hierauf dem k.u.k. Minister des
Äussern das Wort zu erteilen.

   Graf B u r i ä n bemerkt zunächst, da die Vertreter aller jener Verwaltungs¬
körper anwesend seien, in deren Gebiet sich die südslawische Frage bemerkbar
mache, könne er daher davon absehen, in Einzelheiten einzugehen. Allgemein
habe man die Wahrnehmung gemacht, dass die südslawische Agitation einen sol¬
chen Umfang angenommen habe, dass etwas dagegen gemacht werden müsse,
wolle man nicht die Monarchie den ärgsten Gefahren von dieser Seite aussetzen.
Das Schlimmste an dieser Agitation sei, dass sie sich überall rasch ausbreite nach
einem genau ausgearbeiteten und systematisch gefolgten Plan, ohne auf eine wirk¬
liche Gegenwirkung zu stossen. Es mache sich eine vollkommene Programmlosig-
keit bei der Abwehr dieser Bewegung bemerkbar. Er wolle keinerlei Rekrimina-
tionen erheben, sondern wolle die Verhältnisse nur so darstellen, wie sie wirklich
seien. Ohne einem Hindernisse zu begegnen, mit allen Mitteln Anhang werbend
und die Gesetze verletzend oder umgehend wachse die Agitation überall an. Eine
gewisse Ausnahme möchte er hier nur bezüglich Bosniens und der Herzegowina
machen. Der Tätigkeit des derzeitigen Landeschefs sei es gelungen, apostolisch
zu administrieren und das politische Leben auf dem Ruhepunkt zu lassen. Dies
sei notwendig gewesen, denn es hätte sich zunächst darum gehandelt, das Land
der Unterwühlung zu entreissen. Die eingetretene Beruhigung dürfe aber nicht
täuschen. Sobald die früheren verfassungsmässigen Zustände wieder hergestellt
würden1 werde auch dort die Agitation wieder an Ausdehnung gewinnen. Bosnien
und die Herzegowina stünden im Mittelpunkte des ganzen Problems, wie ja auch
der Weltkrieg von diesen zwei Provinzen seinen Ausgang genommen hätte.
Es sei hoch an der Zeit, die Quellen zu verstopfen, aus welchen diese Bewegung
gespeist werde, sonst würde man später nur mehr mit Gewalt Vorgehen können.
Die südslawische Agitation, soweit sie die Vereinigung aller südslawischen Stämme
bezwecke, sei künstlich aufgebauscht, die Idee der Vereinigung von auswärts
hereingebracht worden, möge nun damit die Vereinigung der Südslawen innerhalb
oder ausserhalb der Monarchie angestrebt sein. Die Politiker, welche diese Idee
vertreten, würden durch verschiedene Motive hiezu veranlasst, auf welche er hier
nicht näher eingehen wolle. Die Idee des südslawischen Staates sei nicht vereinbar
mit der Geschichte der Monarchie und könne keinen Platz in deren Rahmen
finden. Der südslawische Staat mache den Dualismus unmöglich und könne in
seinen Folgen die Monarchie sprengen. Jedenfalls verfolge er Zwecke, welche die
Struktur der Monarchie zu erschüttern geeignet sind. Dies könne nicht länger
geduldet werden. Mit Repressivmassregeln allein sei nichts oder jedenfalls nicht

    1 Die früheren, verfassungsmäßigen Zustände basierten auf der von Franz Joseph am
 17. Februar 1910 promulgierten Bosnischen Verfassung. Nach Buriäns Ansicht würde
 deren Wiederherstellung die bisher ruhige politische Lage bedrohen.

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<pb/>genug getan. Man könne mit solchen nur die Symptome des Übels, nicht aber
das Übel selbst bekämpfen. Mit der Duldung müsse es aufhören. Nirgends ginge
es so weiter. Die Agitation mache rapide Fortschritte, überall in unseren süd¬
slawischen Ländern Hessen sich die Spuren derselben konstatieren. Die Leiter
suchen durch Sammeln von Unterschriften unter allerart Vorspiegelungen ein
Plebiscit vorzubereiten. Wo gegen das Gesetz gehandelt werde, müsse die Ver¬
waltung energisch eingreifen. Damit sei aber nicht genug getan. Man müsse nicht
nur negativ, sondern auch positiv Vorgehen, indem man ein eigenes Programm
schalfe und dasselbe dem südslawischen entgegenstelle. Er glaube, dass dadurch
ein grosser Teil der Bevölkerung von uferlosen Plänen ferne gehalten werden
könnte. Gewiss seien gerechtfertigte Wünsche der südslawischen Bevölkerung
heute unerfüllt. Wenn man in der Bevölkerung den Eindruck gewänne, dass
gewisse, stark in ihr wurzelnde Bestrebungen, die frei sind von jeder Staatsfeind¬
lichkeit, Aussicht hätten, erfüllt zu werden, so würde dadurch der Agitation der
Nährboden entzogen. Man müsse sich auch darüber klar werden, auf welchem
Wege eine Lösung des Problems unserer südslawischen Gebiete anzustreben sei.
Und da könne er nur seiner Überzeugung Ausdruck geben, dass dies nicht auf
dem Wege des Umsturzes geschehen dürfe, sondern im Rahmen der heute beste¬
henden gesetzlichen Grundlagen. Die erforderlichen verfassungsmässigen Mittel
stünden auch zur Verfügung. Er wolle hier zunächst auf Bosnien und die Elerze-
gowina hinweisen, welche im Jahre 1910 ein Autonomiestatut erhalten hatten:
Dieses Statut verweigere aber den Landesangehörigen noch gewisse staatsbürger¬
liche Rechte und hätte daher schon längst eine Ergänzung und einen Ausbau er¬
heischt, was aber durch die kriegerischen Ereignisse vereitelt worden sei. Die
Massen haben während des Krieges hingebende Treue erwiesen und seien her¬
vorragende Leistungen durch die Truppen und im Hinterlande vollbracht worden.
Es ginge nicht an, die Bevölkerung länger als Bürger zweiter Klasse zu behandeln.
Sie müssten endlich zu vollberechtigten Staatsbürgern gemacht werden. Da die
bestehenden Gesetze aber nur eine österreichische und eine ungarische Staats¬
bürgerschaft kennen, müssten die beiden Länder an einen der beiden Staaten
angeschlossen werden. Der Weg, der hiebei betreten werden müsste, sei durch
die Gesetze vom Jahre 1880 vorgezeichnet (österreichisches Gesetz vom 20. Februar
1880, ungarischer Gesetzartikel VI. vom Jahre 1880V Nach diesen Gesetzen könne
keine Änderung in der staatsrechtlichen Stellung der beiden Provinzen eintreten
ohne Einverständnis der beiden Parlamente. Die beiden Regierungen hätten sich
zunächst über diese Frage zu einigen. Führe dieser Weg nicht zum gewünschten
Ziele, dann könne man sich noch immer über den weiteren Vorgang schlüssig
werden. Hier wolle er auch das regnum tripartitum erwähnen. Die Verdienste,
welche sich die Kroaten in diesem Kriege erworben hätten, seien zu bekannt,
als dass er sie besonders hervorheben müsste. Es sei nur natürlich, dass die Kroaten
für diese ihre Haltung eine Belohnung anstreben, nicht in des Wortes materieller
Bedeutung, sondern als Zeichen des Vertrauens. Hiezu käme noch ein anderes
Moment. Die Kroaten hätten sich als ein so wertvolles Element erwiesen, dass es
nützlich wäre, ihnen eine möglichst günstige Situation in der Monarchie zu schaf¬
fen. Die südslawische Agitation sei für die Kroaten sehr gefährlich, da deren Erfolg

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<pb/>die Kroaten und die Serben in enge Verbindung bringen würde und die Kroaten
hiebei unterliegen würden. Man müsse daher die Kroaten in ihrem eigenen Inter¬
esse und im Interesse der Monarchie vor diesem Zusammensein mit den Serben
retten. Er glaube, dass es auch im Interesse von Ungarn gelegen wäre, zu einem
möglichst brüderlichen und vertrauensvollen Verhältnisse zu Kroatien zu kom¬
men, wie dies früher der Fall gewesen sei. Man müsse auch hiezu einen Weg
finden, der auch hier auf gesetzlicher Basis durch den Ausgleich von 1868 gewiesen
sei. Die Kritik, die gegen diesen Ausgleich geltend gemacht werde, richte sich
weniger gegen dessen Inhalt als vielmehr gegen dessen Auslegung und Hand¬
habung. Berechtigte Beschwerden sollten abgestellt werden. Die Mittel hiezu seien
die Revision des Ausgleiches und die Regnicolardeputationen. Am meisten liege
den Kroaten allerdings die Vereinigung mit Dalmatien am Herzen. Vom Gesamt¬
standpunkte der Monarchie aus müsse er darauf hinweisen, dass es notwendig
sei, dass jeder Teil der Monarchie eine effektive Kraftquelle bilde. Hiezu sei aber
Beruhigung und Zufriedenheit nötig. Er wolle hier auch die rein österreichische
Frage der Slowenen streifen, die in einen kaum verständlichen Konnex mit der
südslawischen Bewegung gebracht werde. Er könne sich das nur so erklären, dass
die Slowenen die Serben nicht kennen. Die ganze slowenische Bewegung sei eine
masslos übertriebene, es werde mit den naivsten Schlagworten gehetzt und merk¬
würdigerweise betätige sich der katholische Klerus trotz der konfessionellen
Unterschiede mit den Serben lebhaft an dieser Hetze. Es müsste dieser Frage
die grösste Aufmerksamkeit gewidmet werden und habe er den Eindruck, dass
dies bisher nicht genügend der Fall gewesen sei. Was hier versäumt worden sei,
müsse nachgeholt werden. Aber auch hier genüge es nicht, Repressivmassregeln
zu ergreifen. Auch hier müsse ein Programm aufgestellt werden. Es sei die zwin¬
gende Notwendigkeit, die südslawische Frage im Rahmen der Monarchie zu lösen.
Dies könne aber nur in zwei Teilen geschehen. Ein grosses südslawisches Reich
sei nicht einfügbar in die Struktur der dualistischen Monarchie und müsse ver¬
hindert werden. Er möchte unterscheiden zwischen dem österreichischen Teile
und dem Teile, der die St. Stephans-Krone anginge. Österreich habe die Frage
der Slowenen allein zu lösen und da sei es vor allem nötig, dieselben von ihrem
jetzigen Weg abzubringen. Bezüglich des anderen Teiles müsse zwischen beiden
Regierungen das Einvernehmen erzielt werden und hege er die feste Zuversicht,
dass bei richtiger Behandlung der Frage die heute so drohende südslawische Gefahr
sich nur als vorübergehende Wolke darstellen würde. Die Agitation sei gekünstelt
und von aussen hereingetragen. Der Südslawismus an sich sei eine Lüge und nur
ein Schlagwort. Man dürfe nie vergessen, dass die Südslawen ein starkes Bewusst¬
sein ihrer verschiedenen Stammeszugehörigkeiten hätten; so seien auch die Serben
und Kroaten grundverschieden.

   Hierauf ergreift mit Allerhöchster Genehmigung der kgl. ung. Minister¬
präsident das Wort und führt aus, dass er sich ganz der Ansicht seines Vor¬
redners anschliesse, dass die Zügellosigkeit der Agitation nicht weiter geduldet
werden könne und dass etwas geschehen müsse. Man müsse diesbezügliche Prin¬
zipien aufstellen, an welchen alle beteiligten Stellen festzuhalten hätten. Er möchte
hier aber bemerken, dass ihm von einer südslawischen Agitation in Ungarn nichts

66a
<pb/>bekannt sei. Auch er sei der Ansicht, dass eine Vereinigung aller südslawischen
Stämme nicht möglich sei. Dazu seien sie nach Geschichte, Religion und Kultur
zu verschieden. Was die eventuelle Angliederung von Bosnien und der Herzego¬
wina an Kroatien betreffe, so würde dadurch das kroatische Element zu sehr
gefährdet. Obwohl in der Mehrheit (1,650.000), litten die Kroaten in Kroatien
sehr unter der Minderheit der Serben (680.000). Die Serben spielten die führende
Rolle, selbst in der Regierungspartei sässen 23 Serben gegen 19 Kroaten. Wie
könnte das Land unter solchen Umständen den starken Zuwachs von bosnischen
Serben vertragen (825.000 Serben gegen 385.000 Kroaten). Bei Dalmatien stünde
die Sache anders, da in seiner Bevölkerung gegen circa 101.000 Serben sich über
500.000 Kroaten befänden. Ob aber eine Vereinigung Dalmatiens mit Kroatien
seitens des österreichischen Parlamentes zugegeben werden würde, sei eine andere
Frage. Vielleicht würde dies möglich sein, wenn für Österreich in Polen Kompen¬
sationen geschaffen würden. Von seinem Standpunkte könne er einer Veränderung
in dem jetzigen Zustande Bosniens und der Herzegowina nur zustimmen, wenn
die zwei Provinzen als corpus separatum direkt an Ungarn angeschlossen würden.
Unmöglich sei aber ihr Anschluss an Kroatien, einerseits wegen der Gefährdung
des kroatischen Elementes, dann aber auch wegen staatsrechtlicher Schwierigkei¬
ten. Auch er halte aber eine Lösung für äusserst dringend schon wegen der not¬
wendigen Gleichstellung der Bewohner mit den Österreichern und Ungarn. Im
Falle des Anschlusses Bosniens und der Herzegowina an Ungarn müsste eine
Kompensation für Österreich gefunden werden.

   Hierauf geruhten Seine k.u.k. Apostolische Majestät dem Herrn k.k. Mini¬
sterpräsidenten das Wort zu erteilen. Derselbe führt aus, dass er die
Ansicht seiner Vorredner bezüglich der Eindämmung der bestehenden Agitation
vollkommen teile. Bis jetzt seien ihm bis zu einem gewissen Grade durch die parla¬
mentarischen Verhältnisse die Hände gebunden gewesen. Jetzt habe er aber mehr
Bewegungsfreiheit und seien die entsprechenden Massnahmen bereits im Zuge.
Damit sei aber das Problem nicht gelöst. Die Südslawen strebten ihre Vereinigung
und ein grösseres Mass von Selbstständigkeit an. Die Mehrheit wolle dies im
Rahmen der Monarchie erreichen, sie wollten aber weder unter Österreich noch
unter Ungarn kommen. Es sei da der Gedanke aufgetaucht, Bosnien und die
Herzegowina in dasselbe Verhältnis zu Ungarn zu bringen, wie es jetzt zwischen
Kroatien und Ungarn bestünde, Kroatien aber in seiner jetzigen Stellung zu
belassen und es mit Dalmatien zu vereinigen. Er halte diesen Gedanken nicht für
aussichtsreich, schon die parlamentarische Erledigung würde auf Schwierigkeiten
stossen. Vielleicht dass eine Angliederung Bosniens und der Herzegowina durch¬
zubringen wäre, falls Österreich in Polen Kompensationen fände, schwieriger
aber stünde die Sache mit Dalmatien. Die staatsrechtliche Stellung Dalmatiens
sei sehr verwickelt. Es gehöre rechtlich zu Österreich aber auch zu Ungarn,
faktisch sei es ein Teil von Österreich. Im ungarisch-kroatischen Ausgleich sei
die Bestimmung enthalten, dass Dalmatien einkorporiert werde, dass aber darüber
der Landtag gehört werden müsse. Nun sei es aber zweifellos, dass sich der ganze
dalmatinische Landtag einstimmig gegen die Angliederung aussprechen würde.
Die ^-Majorität jm österr. Parlamente zu finden, die für die Abtretung Dalma-

                                                                                                              665
<pb/>tiens nötig wäre, dürfte kaum möglich sein. Er verstehe alle Bedenken gegen die
togenannte trialistische Lösung und die Vereinigung von Bosnien, Herzegowina,
Kroatien und Dalmatien, möchte aber doch der Ansicht Ausdruck geben, dass
es einmal zu dieser Lösung werde kommen müssen. Er allerdings teile ganz die
Ansicht, dass eine Vereinigung mit den Slowenen ausgeschlossen sei. Bei den
Slowenen sei die Agitation hineingetragen und sitze nicht tief. Er würde es für
opportun halten, wenn man zur Berühigung der Südslawen einige Andeutugen
über die Zukunft machen würde. Dieser Anregung widerspricht Dr. W e k e r 1 e
auf das Nachdrücklichste mit dem Hinweis, dass durch Andeutungen und Ver¬
sprechungen, die dann vielleicht nicht eingehalten werden könnten, nur der Keim
zu neuen Unruhen gelegt würde. Mit Allerhöchster Genehmigung Seiner k.u.k.
Apostolischen Majestät ergreift nunmehr der Banus von Kroatien das
Wort und dankt zunächst Seiner k.u.k. Apostolischen Majestät für die an ihn er¬
gangene Einladung. Seine Stellung sei eine sehr schwierige, da er ja keinen Staat
für sich repräsentiere. Er glaubt, dass das südslawische Problem ein viel weitaus¬
greifenderes sei, als dies bis jetzt hier ausgeführt worden sei. Es stünde im engen
Zusammenhänge mit Serbien und müsste auch in diesem Zusammenhänge seine
natürliche Lösung finden. Ob dies möglich sei, wisse er nicht, da dies ja eine Frage
aussenpolitischer Natur sei. Über die Lösung der südslawischen Bewegung in der
Monarchie könne man verschiedener Meinung sein, doch gibt er seiner Überzeu¬
gung Ausdruck, dass keine Regierung, weder die jetzige, noch eine künftige, die
Frage ohne Befragung der Völker, respective ihrer legislativen Vertretungen werden
lösen können.&quot; Die natürliche Lösung schiene ihm die Form der Trias. Man
brauche ja keinen gleichberechtigten souveränen Staat zu errichten. Auch die in
Österreich und in Ungarn wiederholt geäusserte Befürchtung, dadurch vom Meere
abgeschnitten zu werden, halte er nicht für stichhältig und glaubt, dass sich hier
ganz gut eine Lösung werde finden lassen, gegen welche die slawischen Völker
nichts einzuwenden hätten. Sie seien es ja, die etwas anstrebten, wüssten daher,
dass sie dafür auch einen Preis bezahlen müssten. Auch werde eine Lösung schon
durch die wirtschaftliche Lage gegeben. Er begreife auch die Schwierigkeit, die
darin bestünde, dass die Trias unter die Stephanskrone käme, da Österreich diese
Stärkung Ungarns nicht werde zugeben wollen. Wenn aber niemand etwas her-
geben wolle, so gebe es keine Lösung und doch müsste eine solche gefunden
werden. Wenn von mehreren Seiten die Verschiedenheit der südslawischen Stämme
hervorgehoben worden sei, so sei dies, wie ein genaues Studium ihrer Psyche
ergebe, nicht ganz richtig. Die Lösung, die der kgl. ung. Ministerpräsident vor¬
geschlagen habe, halte er nicht für glücklich, auch nicht betreffs der Kroaten.
 Er verstehe das Bestreben, die Kroaten zu retten, möchte aber darauf hinweisen,
 dass die heutige Überlegenheit der Serben über die Kroaten auf frühere Sünden
 zurückzuführen sei. Das kroatische Element sei immer gedrückt worden selbst
 zugunsten der Italiener und da sei es nur natürlich, dass sie sich schliesslich an
 die Serben angeschlossen hätten. Die Kroaten seien zwar das politisch schwächere,
 dabei aber das bedeutend radikalere Element. Die unionistische Politik auf Basis

    a) Der mit »doch gibt es« beginnende und mit »lösen können« endende Teil wurde vom
 Banus von Kroatien-Slawonien nachträglich eingeschoben.

 666
<pb/>des Ausgleiches vom Jahre 1868 sei in Kroatien nur mit Hilfe der Serben möglich,
jede Regierung müsse sich auf sie stützen. Der Serbe sei Opportunist, der Kroate
radikal. Er könne in der Angliederung Bosniens und der Herzegowina an Kroa¬
tien unter gewissen Voraussetzungen keine Gefahr für die Kroaten erblicken.
Wenn eine Revision des Ausgleiches stattfindet, würde die Spaltung unter den
kroatischen Politikern wegfallen und sie wären stark genug, um sich gegen die Ser¬
ben zu behaupten und dies umsomehr, wenn auch Dalmatien angeschlossen würde
mit seinem starken kroatischen Elemente und den vielen politischen Köpfen, die
dieses Land beherberge. Bei den Muselmanen in Bosnien bestünde der Wunsch nach
Anschluss nach Ungarn, doch sei dies hauptsächlich auf Agrarfragen zurückfcu-
führen. Der Muselman, der Grossgrundbesitzer sei, hoffe in Ungarn mehr
Verständnis für seine Lage zu finden, als in Kroatien. Was die Bekämpfung der
Agitation betreffe, so tue er, was in seinen Kräften stehe, doch werde ihm seine
Haltung durch die um sich greifende Agitation in Österreich sehr erschwert.
Deshalb habe er es mit Freuden begrüsst zu hören, dass der Herr k.k. Minister¬
präsident die Absicht habe, schärfere Massnahmen zu ergreifen.

   Seine k.u.k. Apostolische Majestät geruhen nunmehr dem Generalobersten
Freiherrn von S a r k o t i c das Wort zu erteilen. Derselbe beruft sich zunächst
auf seine Seiner k.u.k. Apostolischen Majestät unterbreitete Aufzeichnung und
führt bezüglich Dalmatiens aus, dass dessen Stellung eine sehr komplizierte sei,
da es sowohl von Österreich, als auch von Ungarn für sich beansprucht werde
und zwei Monarchen dessen Incorporation zugesagt hätten. Durch Verhandlungen
könne dieses Problem nicht gelöst werden, hier könne nur die Krone entscheiden.
Was Bosnien und die Herzegowina betreffe, so könne man zwei Standpunkte
einnehmen. Wolle man Kroatien entgegenkommen, so könne man ihm Bosnien
und die Herzegowina zusprechen, aber nicht sofort angliedern, da hiedurch das
serbische Element für das kroatische zu gefährlich würde. Man müsste erst admi¬
nistrative Vorsorge treffen, auch einen genügenden Beamtenkörper schaffen,
über den Kroatien derzeit nicht verfüge. Was speziell die Wünsche Bosniens und
der Herzegowina betreffe, so könne man hier drei Reichtungen feststellen. Die
Muselmanen seien für den Anschluss an Ungarn nicht nur wegen der Agrarfrage,
sondern auch aus wirklicher Sympathie für Ungarn. Die Serben seien sehr geschickt.
Ihr Ziel sei das Reich Dusan des Grossen, sie fördern die südslawische Bewegung,
sie schweigen und heucheln Sympathie für Ungarn. Was sie anstreben, ist ein
südslawischer Staat, in welchem sie binnen kurzem die anderen Elemente auf¬
saugen würden. Offen können sie mit diesen Bestrebungen nicht auftreten und
wollen es sich auch nicht mit Ungarn verderben; daher wären heute zirka 90%
der Serben für den Anschluss an Ungarn. Die Kroaten seien restlos für den
Anschluss an Kroatien. Wenn er das Facit ziehe, so könne er feststellen, dass
heute bei einem Plebiszit in Bosnien und der Hergezowina sich 75 % der Bevölke¬
rung der beiden Provinzen für den Anschluss an Ungarn aussprechen würden.
Die Entscheidung, welche Lösung die bessere sei, stehe bei Seiner Majestät und
den Regierungen. Er persönlich plaidiere für die erstere. Sei dieselbe nicht möglich,
dann bleibe nichts anderes übrig, als Bosnien und die Herzegowina als corpus
separatum an Ungarn anzughedern. Mit alledem sei aber die südslawische Frage

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<pb/>nicht gelöst. Gelöst sei sie erst wenn auch über das Schicksal von Serbien und
Montenegro entschieden sei. Er wolle sich in seinen Ausführungen nicht vom
Gefühle, sondern nur vom Verstände, ökonomischen Daten leiten lassen und von
diesem Standpunkte aus müsse er sich für die Annexion von Montenegro und
des verbleibenden Teiles von Serbien aussprechen. Geschähe das nicht, so werde
die Entente weiter ihre schützende Hand über diese zwei Kleinstaaten halten,
sie würden weiter schüren und intrigieren, bis endlich ein neuer Krieg entstünde.
Und wie dann die Haltung unserer Slawen sein würde, sei mehr als fraglich.
Wir würden zu einer entscheidenden Lösung förmlich gedrängt. Italien, das uns
stets feindlich gesinnt bleiben werde, stehe in unserer einen Flanke und in der ande¬
ren Flanke würden wir falls wir nicht annektieren, ein von der Entente geschütztes
Serbien und Montenegro mit eigener Hand wieder errichten. Auch möchte er
auf die Gefahr hinweisen, die in diesem Falle von den Bulgaren drohen würde,
deren Appetit sie gewiss auch über die Morawa treiben würde. Am Balkan habe
immer eine Grossmacht geherrscht; wenn wir nun nicht die den türkischen Händen
entglittene Herrschaft übernehmen, würden es die Bulgaren tun. Die Frage,
ob wir Serbien verdauen können, glaube er bejahen zu dürfen und würde die
Lösung darin sehen, dass alle Südslawen zwischen Österreich und Ungarn auf¬
geteilt würden. Die Kroaten sollten zu Österreich, die Serben zu Ungarn geschla¬
gen werden und die Grenzlinie dort gehen, wo sie zwischen den alten Siedlungs¬
gebieten gegangen sei. Allerdings spreche manches gegen diese Lösung, aber eine
Lösung müsse gefunden und getrachtet werden, alle Serben in die eigene Hand
zu bringen, wo sie weniger gefährlich wären als wenn ausserhalb der Grenzen
der Monarchie ein selbständiges Serbien, ein Herd fortwährender Intrigen, weiter
bestünde. Zum Schluss erwähnt er noch den schlechten Einfluss, den die Schulen
in Dalmatien, Kroatien und Slawonien auf die heranwachsende Jugend hätten
und die Unsicherheit in den dalmatinischen Küstenstädten.

   Resümierend stellt Seine k.u.k. Apostolische Majestät fest,
dass man übereingekommen sei, gegen die südslawische Agitation vorzugehen,
dass in der südslawischen Frage etwas geschehen müsse und dass die beiden Regie¬
rungen über die Möglichkeiten einer Lösung in eine Aussprache eintreten würden.

   Der k.u.k. Minister des Äussern erbittet sich nochmals das Wort
und bemerkt zu den Ausführungen des Generalobersten Freiherrn von Sarkotic,
dass Serbien und Montenegro kein Friedenshindernis bilden dürften und dass
weder den Völkern der Monarchie, noch den Verbündeten zugemutet werden
könne, wegen der Annexion von Serbien und Montenegro auch nur einen Tag
länger Krieg zu führen. Auch sei zu erwarten, dass eine richtige Lösung der süd¬
slawischen Frage in der Monarchie zu einem Magnet werden würde.

    Seine k.u.k. Apostolische Majestät stimmten diesen Worten des
 Grafen Buriän zu und bemerkten noch, dass eine richtige Lösung der südslawi¬
schen Frage sogar den Friedensschluss erleichtern könnte.

             Original-Reinschrift. -- Die Einsichtnahme wurde auf dem Mantelbogen des Pro¬
         tokolls von sämtlichen Teilnehmern des Ministerrates bestätigt. In der rechten oberen
         Ecke des Blattes mit Bleistift geschrieben: »f(ertig)&lt;i. -- Auf dem letzten Blatt die Kennt¬
         nisnahme durch den Herrscher: »Reichenau, am 14. Oktober 1918.« Links unten die

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<pb/>         Unterschrift des Protokollführers Walterskirchen. Die Unterschrift des Ministers des
         Äußern fehlt. -- Ebd. das Konzept des letzten Blattes des Protokolls mit der Unter¬
         schrift des Chefs des Generalstabs, Generaloberst Arz (unter folgendem Text: »Ich
         habe den Inhalt des vorstehenden Ministerratsprotokolles zur Kenntnis genommen.
         Hofzug, am 16. Juni 1918.«). -- Ebd. das handschriftliche Konzept des Protokolls mit
         mehreren, teils vom Protokollführer, teils von Buriän stammenden Verbesserungen, am
         Ende das Handzeichen Buriäns.

                                                                                                               38,

                                                                                  Wien, 24. August 1918

         Debatte über die Aufteilung der für die zweite Hälfte des Jahres 1918 veranschlagten
         Kriegsmaterialbeschaffungen unter die beiden Staaten der Monarchie. Der Minister¬
         rat hält die Errichtung von Aluminiumfabriken aus Privatinitiative mit staatlicher
         Subvention für notwendig und befaßt sich dann mit den Möglichkeiten der Beschaffung
         der für die russischen Kriegsgefangenen benötigten Rubel und anderen Fragen von
         geringerer Bedeutung.

            Der erste Punkt der Tagesordnung schließt sich eng an das Verhandlungsmaterial des
         gemeinsamen Ministerrates vom 24. Februar desselben Jahres an. Über die Alumi¬
         niumfabrikation siehe den Kommentar zum Protokoll vom 15. Februar 1918. Die
         übrigen Punkte der Tagesordnung wurden nur in dieser Sitzung des gemeinsamen
         Ministerrates behandelt.

Protokoll des zu Wien am 24. August 1918 abgehaltenen Ministerrates für gemein¬
same Angelegenheiten, unter dem Vorsitze des k.u.k. Ministers des Äußern Grafen
Stephan Buriän.

   K.Z. - G.M.K.P.Z. 549.

   Gegenwärtige: der kgl. ung. Ministerpräsident Dr. Wekerle, der k.k.
Ministerpräsident Dr. Freiherr von Hussarek, der k.u.k. Kriegsminister GO.
Freiherr von Stöger - Steiner, der k.k. Flandelsminister Dr. Freiherr von
Wies er, der k.k. Finanzminister Dr. Freiherr von Wimmer, der k.k.
Minister für Landesverteidigung FML. Freiherr von Czapp, der kgl. ung.
Handelsminister Baron Szterenyi, der kgl. ung. Finanzminister Dr. P o p o -
vics, der kgl. ung. Honvedminister GO. Baron Szurmay, Oberst des
Generalstabskorps Pflug in Vertretung des k.u.k. Armeeoberkommandos.

   Schriftführer: Hof- und Ministerialsekretär Dr. von Nicki.

   Gegenstände: I. Aufteilung der Heereslieferungen auf die beiden Staaten der
Monarchie im zweiten Halbjahr 1918. II. Errichtung neuer Tonerde- und Alumi¬
niumfabriken. III. Frage der Rubelbeschaffung für die Kriegsgefangenen in Russ¬
land.

   Der Vorsitzende eröffnet die Beratung um 10 Uhr vormittags. Er be¬
zeichnet die zur Erörterung stehenden Fragen und ersucht den k.u.k. Kriegsmi¬
nister zum ersten Gegenstände der Tagesordnung, in dessen Hinsicht zwischen den
beiden Regierungen namhafte Differenzen bestehen, das Wort zu ergreifen.

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