Gemeinsamer Ministerrat, 3. 12. 1917
I. Militärversorgungsgesetz, Ankauf eines Grundes in Vácz für Kasernen- und Depotbauten des aufzustellenden 2. Eisenbahnregimentes, Erhöhung der Militärtarife
Siehe PDF-Daten https://hw.oeaw.ac.at/ministerrat/serie-2/oe_hu_mrp_VII/pdf/oe_hu_mrp_VII_z33.pdf.
sei. Er verliest nun den von den Referenten ausgearbeiteten Entwurf einer Pro¬ visoriumsvorlage, in welcher die Ermächtigung zur Bestreitung der Kriegsausla¬ gen nach Massgabe des Bedarfes enthalten ist. In den Erläuterungen wird der einschlägige Aufwand mit rund 20 Milliarden bezeichnet. Als Einschränkung gilt, dass - falls der Krieg vor dem 30. Juni endet - weitere Auslagen, welche mit demselben nicht unmittelbar Zusammenhängen, wie für Retablierungen, orga¬ nisatorische Massnahmen und Schiffsneubauten, ohne besondere Bewilligung nicht gemacht werden dürfen. Die beiden Ministerpräsidenten nehmen den Entwurf im allgemei¬ nen an und behalten sich ihre definitive Zustimmung, welche sie in den nächsten Tagen zu erteilen beabsichtigen, vor. Über Vorschlag des Grafen C z e r n i n wird in Aussicht genommen, an der bisherigen Gepflogenheit, die drei Ausschüsse für Äusseres, Heer und Bosnien- Herzegowina wählen zu lassen, nichts zu ändern und diesen Ausschüssen Exposes der in Betracht kommenden Ressortchefs zur Beratung zuzuweisen. Ebenso soll eine Beantwortung der in der letzten Delegation gefassten Resolution nicht erfol¬ gen, da sie unter den jetzigen Verhältnissen keine Bedeutung haben und, soweit dies erforderlich ist, in den Exposes berührt werden können. Sohin schliesst der Vorsitzende die Sitzung um 6 Uhr 15 Minuten. Original-Reinschrift. -- Die Einsichtnahme wurde auf dem Mantelbogen des Protokolls von sämtlichen Teilnehmern des Ministerrates bestätigt. In der linken oberen Ecke dieses Blattes mit Bleistift geschrieben: »fertig«. Auf dem letzten Blatt die Kenntnisnahme durch den Herrscher: »Laxenburg, am 30. November 1917.« Unter dem Text rechts die Unterschrift Czernins, links unten die Günthers. -- Ebd. das maschinengeschriebene Konzept des Protokolls mit einigen, aus der Feder des Protokollführers stammenden Verbesserungen. Auf dem letzten Blatt das Handzeichen des Protokollführers. 33. Wien, 3. Dezember 1917 Finanzielle Hindernisse für die soziale Versorgung. Verschleierung der Schwierigkeiten durch »moralische« Erwägungen. Angelegenheit eines Grundankaufs für militärische Zwecke. Zu der Debatte über das auf der Tagesordnung des gemeinsamen Ministerrates stehende »MilitärVersorgungsgesetz« gab vor allem der Umstand Anlaß, daß die abweichende sozial-wirtschaftliche Struktur der beiden Staaten der Monarchie und die unterschiedlichen Auswirkungen des Krieges auf diese Strukturen das wünschens¬ werte einheitliche Verfahren unmöglich machten. Zu Ungarn siehe E. Ivänyi: a.a.O. S. 77--79, 117--118 und 275--276. Im allgemei¬ nen: J. Teleszky: A magyar ällam penzügyei a hdborü alatt (Die Finanzen des ungari¬ schen Staates im Kriege). Budapest 1927, S. 109 ff. 615 <pb/>Protokoll des zu Wien am 3. Dezember 1917 abgehaltenen Ministerratesfür gemein¬ same Angelegenheiten, unter dem Vorsitze des k.k. Ministerpräsidenten Ritter von Seidler. K.Z. 80. - G.M.K.P.Z. 544. Gegenwärtige: der kgl. ung. Ministerpräsident Dr. W e k e r 1 e, der k.u.k. gemeinsame Finanzminister Baron B u r i ä n, der k.u.k. Kriegsminister G.d.I. von Stöger-Steiner, der kgl. ung. Landesverteidigungsminister G.d.I. Baron S z u r m a y, der k.k. Minister für Landesverteidigung FML. von C z a p p, der k.k. Minister für soziale Fürsorge Dr. Mataja, der k.k. Finanzminister Freiherr von Wimmer, der k.k. Eisenbahnminister Freiherr von B a n h a n s, der kgl. ung. Minister für soziale Fürsorge Graf Batthyäny. Protokollführer: Legationssekretär Prinz Lobkowitz. Gegenstand: Militärversorgungsgesetz, Ankauf eines Grundes in Väcz für Kasernen- und Depotbauten des aufzustellenden 2. Eisenbahnregimentes, Erhöhung der Militärtarife. Nach Eröffnung der Sitzung durch den Vorsitzenden ergreift der k.u.k. Kriegsminister das Wort, um die einzelnen noch strittigen Punkte des neuen Mili¬ tärversorgungsgesetzes zu besprechen. Es werden zuerst die §§20 und 150 behandelt. Der Kriegsminister referiert hierüber folgendermassen: »Die militärischen Stellen sind bereit, Pensionsbeiträge in dem vorgesehenen Ausmasse (1 y2 %) neu einzuführen, wenn diese Beiträge -- ebenso wie die gleich hohen Beiträge der ungarischen Staatsbeamten -- zur Bildung von Wohlfahrtsfonds für die Gagisten und deren Angehörige verwendet werden. An diese Wohlfahrtsfonds sollen auch die Reste der Quartiergeldver¬ sicherungsfonds übergehen.« »Das ungarische. Finanzministerium stimmt zu unter der Voraussetzung, dass aus den mihtärischen Budgets solche Wohlfahrtsposten, die künftighin aus den Fonds zu bestreiten sein werden, ausgeschieden werden. Die militärischen Stellen haben gegen dieses Verlangen nichts einzuwenden. Die bezüglichen Posten wären einvernehmlich zu ermitteln.« »Das österreichische Finanzministerium wünscht, dass die Pensionsbeiträge sowie die Reste der Quartiergeldversicherungsfonds von den Staaten als Einnahmen behandelt werden, schliesst daher die Bildung von Wohlfahrtsfonds aus.« »Begründung des Standpunktes der militärischen Stellen:« »Durch die im ungarischen Zivilversorgungsgesetze vorgesehene Verwendung der Pensionsbeiträge wurde nur die logische Folge aus den nicht mehr neuen Erwägungen gezogen, dass die vom Staate gebotene sichere Versorgung seiner Angestellten bei der Festsetzung des Ausmasses der Entlohnung für deren Dienst¬ leistung schon ohnedies sehr hoch eingeschätzt erscheint (Vergleich mit dem Ein¬ kommen der Privatbeamten) und dass es daher ungerechtfertigt ist, wenn sich der Staat für Zwecke dieser Versorgung von den Angestellten auch noch Beiträge aus ihrem Arbeitslöhne leisten lässt. Es unterliegt kaum'einem Zweifel, dass die öster¬ reichische Regierung über kurz oder lang das von Ungarn gegebene Beispiel gleich¬ falls wird befolgen müssen; es ist sehr fraglich, ob die derzeit -- allerdings nur 6i6 <pb/>provisorisch - eingestellte Zahlung der Pensionsbeiträge seitens der k.k. Staats¬ bediensteten jemals wird wieder angeordnet werden können.« »Die militärischen Stellen könnten es nicht verantworten, die Militärgagisten diesbezüglich schlechter zu stellen, als die ungarischen und möglicherweise auch als die österreichischen Staatsbeamten.« Der k.k. Minister für Landesverteidigung schliesst sich diesem Standpunkte an. Der k.k. Finanzminister gibt zu, dass im ungarischen Yersorgungs- gesetze für Zivilstaatsbedienstete solche spezielle Wohlfahrtsfonds fixiert seien. Es bestehe aber diesfalls zwischen Österreich und Ungarn ein Unterschied. Wäh¬ rend es in Ungarn bereits solche Spezialfonds gebe, existierten solche in Österreich nicht. Er selbst stehe auf dem Standpunkte, dass bei Staatswirtschaften solche Spezialfonds nicht praktisch seien. Man denke ja schon jetzt daran, früher oder später die Pensionsabzüge abzuschaffen. Wenn man jetzt solche aus Abzügen geschaffene Fonds gründe, sei hiedurch ein Präjudiz geschaffen. Der k.u.k. Kriegsminister findet, dass überhaupt auch durch die Einführung der Pensionsabzüge schon präjudiziert wurde. Minister Freiherr von Wimmer erklärt nun seinerseits, dass nach seiner Ansicht durch Pensionsabzüge eine Mehrbelastung nicht stattfinde, da schon bisher Abzüge in gleicher Höhe für Quartiergeldversicherungszwecke gelei¬ stet werden, die nun entfallen würden. Überhaupt handle es sich ja im vor¬ liegenden Falle nur um den Unterschied in der Verrechnung, der könne aber den praktischen Wert von Spezialfonds nicht recht anerkennen. Der kgl. ung. Minister für soziale Fürsorge ergreift nun das Wort, um zu erklären, dass sich diese Spezialfortds bei den ungarischen Staatsbe¬ amten sehr bewährt haben. Diese perzentuellen Abgaben werden zu einem Drittel für die Gesundheitspflege verwendet, so zum Beispiel für die Tuberkulosen, dann zur Unterstützung von Beamten, die ihre Kinder in Internaten, getrennt von der Famihe, erziehen lassen müssen, endlich wird auch manchmal besonders bedürfti¬ gen Angehörigen von Staatsangestellten bares Geld verabreicht. Diese Abzüge ermöglichen einerseits eine bessere Fürsorge, andererseits dürfe auch das Moment nicht vergessen werden, dass nämlich Staatsangehörige, welche vom Staate ihre Bezüge erhalten, auf diese Art auch ihrerseits für das öffentliche Wohl etwas lei¬ sten müssen. Eine Besteuerung zu Gunsten des Staatsschatzes könne nie so wirken, ja es müsste als retrograd empfunden werden, wenn diese Abzüge wieder in den allgemeinen Staatsschatz zurückfliessen sollten. Auch Ministerpräsident Dr. Weker 1 e plaidiert für das ungari¬ sche System, welches viel besser den Tatsachen entspreche. Übrigens stehe er nicht starr auf seinem Standpunkte. Schliesslich erklärt sich der k.k. Finanzminister mit dem Standpunkte der militärischen Stellen einverstanden, jedoch nur unter der Bedingung, dass hie¬ durch die einzelnen Posten im Budget, welche für Wohlfahrtszwcke bestimmt sind, entsprechend reduziert werden. Nachdem sich der Kriegsminister mit dieser Bedingung einverstanden erklärt hat, wird der Paragraph angenommen. <pb/> Es folgt nun die Besprechung des § 99, wobei der k.u.k. Kriegsminister sich folgendermassen äussert: »Die militärischen Stellen wünschen eine Verbesserung des § 99, dahingehend, dass die Ausmasse der Erziehungsbeiträge für aussereheliche Kinder denen für eheliche Kinder ganz gleich seien, also für elternlose aussereheliche Kinder wie für elternlose eheliche, nicht wie für vaterlose eheliche Kinder bemessen werden sollten.« »Das österreichische Finanzministerium stimmt zu, das ungarische ist dagegen.« »Begründung des Standpunktes der militärischen Stellen:« »Ein elternloses aussereheliches Kind ist in der Regel noch viel schlechter daran, als ein elternloses eheliches, denn meistens wollen von einem solchen ausserehelichen Kinde weder die Familie der Mutter, noch die des ausserehelichen Vaters etwas wissen, während des elternlosen ehelichen Kindes beide Familien sich annehmen.« »In einer autoritativen Erklärung wurde der österreichischen Volksvertretung vor Jahren bereits die volle Gleichstellung der ausserehelichen Kinder mit den ehelichen zugesagt.« »Eine Vernachlässigung der elternlosen ausserehelichen Kinder würde voraus¬ sichtlich den heftigsten Angriffen in den Volksvertretungen ausgesetzt sein, da in den Unterhaltsgesetzen kein Unterschied zwischen ausserehelichen und ehelichen Kindern gemacht wurde und auch in den während des Krieges geschaffenen pro¬ visorischen Verbesserungsmassnahmen die elternlosen ausserehelichen Kinder mit höheren Ausmassen bedacht wurden, als die vaterlosen ausserehelichen Kinder.« Der kgl. ung. Ministerpräsident erklärt, dass es nur moralische Gesichtspunkte waren, welche ihn zu seiner Stellungnahme bewogen hätten, die ausserehelichen Kinder etwas schlechter stellen zu lassen als die ehelichen. Er macht jedoch weiter keine Einwendungen. Es gelangt nunmehr §113, Punkt 2, des Militärversorgungsgesetzes zur Be¬ sprechung und führt hiezu Kriegsminister von Stöger-Steiner folgendes aus: »Den Militärwaisen, die jetzt Kriegsdienste leisten und während dieser Zeit aus dem Bezüge der Erziehungsbeiträge treten, sollen die jetzt eingestellten Erzie¬ hungsbeiträge nach dem Kriege auch über das 24. Lebensjahr hinaus nachgezahlt werden, soweit dies zur Fortsetzung der etwa unterbrochenen Studien oder sonsti¬ gen Vorbereitung für einen Lebensberuf nötig erscheint.« »Das österreichische Finanzministerium stimmt zu, das ungarische Finanzmini¬ sterium lehnt ab.« »Begründung des Standpunktes der militärischen Stellen:« »Es geht nicht an, dass der Staat einen Gewinn daraus ziehe, wenn Militärwaisen mit Unterbrechung ihrer Studien Kriegsdienste leisten und dass diese Waisen des¬ halb geschädigt werden und ihnen die Fortsetzung der Studien etc. erschwert oder unmöglich gemacht werde, weil sie die Studien etc. nun nicht mehr vor der Vollendung ihres 24. Lebensjahres abschliessen können.« Ministerpräsident Wekerle erklärt, dass er seinen früheren Widerstand fallen gelassen habe, da unterdessen in einem ungarischen Gesetze eine ähnliche Bestimmung getroffen wurde. 618 <pb/> Hierauf wird zur Besprechung des § 146 geschritten, wobei der Kr i e gs mi¬ ni s t e r folgendes Referat erstattet: »In Hinkunft sollen nicht nur die Yersorgungsgebühren der Gagisten und Mann¬ schaft, sondern auch die der Hinterbliebenen die militärischen Pensionsetats bela¬ sten, während letztere bisher aus dem unter Verwaltung des k.k. und des kgl. ung. Finanzministeriums stehenden Taxfonds und dem unter Verwaltung des gemeinsa¬ men Finanzministeriums stehenden gemeinsamen Pensionsetat bestritten wurden. Demgemäss soll auch die Flüssigmachung aller Versorgungsgenüsse künftighin ausschliesslich durch die militärischen Stellen -- ohne weitere Ingerenz der Finanz¬ ministerien -- erfolgen.« »Das k.k. und das kgl. ung. Finanzministerium sind mit diesen Bestimmungen einverstanden: das gemeinsame Finanzministerium hat im Prinzipe ebenfalls keine Einwendungen erhoben, sich jedoch die endgiltige Stellungnahme für den gemein¬ samen Ministerrat Vorbehalten.« »Details: Nach den Bestimmungen über den Wirkungskreis der Ministerien vom Jahre 1852 ist bei Anweisung der gesetzlichen Versorgungsgenüsse eine Ingerenz der Finanzministerien nicht vorgesehen, sondern es obliegt diese Anweisung jedem Ministerium innerhalb seines Ressorts. Dies ist auch bisher beim Kriegsministerium hinsichthch der Gagisten- und Mannschaftsversorgung, bei den Landesverteidi¬ gungsministerien hinsichtlich aller Versorgungsgebühren (auch der der Hinterblie¬ benen) so gehandhabt worden. Nur bezüglich der Versorgung der Hinterbliebenen des gemeinsamen Heeres ergab sich bisher aus dem Umstande, dass diese Versor¬ gung den unter Verwaltung des gemeinsamen Finanzministeriums stehenden ge¬ meinsamen Pensionsetat belastete, eine Ingerenz des gemeinsamen Finanzministe¬ riums auf die betreffenden Anweisungsakte. Dadurch, dass in Hinkunft auch die Versorgungsgenüsse der Hinterbliebenen des gemeinsamen Heeres den unter Ver¬ waltung des Kriegsministeriums stehenden Heeresetat belasten sollen, entfällt jeder Anlass zu einer weiteren Ingerenz des gemeinsamen Finanzministeriums. Es ist auch nicht abzusehen, weshalb diesbezüglich noch eine Ingerenz für nötig erachtet werden sollte, während für die ungefähr dreimal soviel betragenden Ver¬ sorgungsgebühren der Gagisten und Mannschaft eine solche Ingerenz auch schon bisher nicht bestanden hat.« »Sobald die Anweisung der Hinterbliebenen dem Kriegsministerium allein obliegen wird, wird durch interne Massnahmen dafür gesorgt werden (Vorbe¬ reitung hiezu bereits im Zuge), dass der Wegfall der Überprüfung seitens des ge¬ meinsamen Finanzministeriums durch verschärfte Überprüfung im eigenen Hause ersetzt und dadurch die Richtigkeit der anzuweisenden Versorgungsgebühren im gleichen Masse verbürgt wird wie bisher. Gegebenenfalls könnte durch eine p.e. - Überprüfung seitens der Fachrechnungsabteilung noch erhöhte Sicherheit geschaffen werden, wenn die eigenen Massnahmen und die Kon¬ trolle seitens des gemeinsamen Obersten Rechnungshofes diesbezüglich unzu¬ reichend erscheinen sollten.« »Ingerenzen der Finanzministerien in den einzelnen Versorgungsfällen sind jedenfalls nicht geeignet, die so notwendige rasche Erledigung dieser Angelegen¬ heiten zu fördern.« 619 <pb/> »Das durch die geänderte Flüssigmachung beim gemeinsamen Finanzministe¬ rium entbehrlich werdende Rechnungspersonal wäre vom Fleer zu übernehmen und bei den ohnedies zu verstärkenden Pensionsliquidaturen zu verwenden.« Der k.u.k. gemeinsame Finanzminister erteilt nunmehr seine Zustimmung zu dem vorstehenden Paragraphen, und dies umsomehr, wie er sagt, weil sein einziges Bedenken dagegen durch die Fixierung einer verschärften Kon¬ trolle hinfällig geworden sei. Auch quittiert er mit Dank das Versprechen des Kriegsministeriums, dass das überzählige Personal des gemeinsamen Finanzmini¬ steriums nunmehr von der Heeresverwaltung übernommen werde. Hierauf wird zur Verhandlung des § 147 geschritten. Der Kriegsminister äussert sich hiezu folgendermassen: »In einer Reihe von Fällen ist die Entscheidung über die Zuerkennung von Ver¬ sorgungsgebühren innerhalb bestimmter Grenzen dem freien Ermessen der mili¬ tärischen Zentralstellen überlassen, der Zuerkennung soll jedoch in diesen Fällen eine kommissionelle Beratung der beteiligten Ministerien vorangehen, wobei die drei militärischen Zentralstellen und die drei Finanzministerien je eine Stimme haben sollen.« »Die militärischen Stellen wünschen, dass bei Stimmengleichheit -- ohne Rück¬ sicht auf die Art der Zusammensetzung der beiden Teile -- der Chef der betreffen¬ den zunächst beteiligten militärischen Zentralstelle die Endentscheidung haben solle; falls die eine Hälfte der Stimmen jedoch aus den drei Finanzministerien bestehen und die Entscheidung gegen sie ausfallen sollte, hätte der Chef der mihtärischen Zentralstelle seine Entscheidung unter Anführung der hier massgebend gewesenen Gründe den Finanzministerien schriftlich bekanntzu¬ geben.« »Die Finanzministerien wünschen, dass in jenen Fällen der Stimmengleichheit, wo die eine Hälfte der Stimmen durch die drei Finanzministerien gebildet wird, ein Einvernehmen im schriftlichen Wege zwischen den Zentralstellen angestrebt werden solle und wenn dieses nicht zu erzielen wäre, von der Zuerkennung einer Versorgung etc. abzusehen wäre.« »Nach dem Wortlaute des Gesetzentwurfes soll in den fraglichen Fällen die Ent¬ scheidung über die Zuerkennung von Versorgungsgebühren etc. dem Kriegsmini¬ sterium (den Landesverteidigungsministerien) zustehen. Nach dem Verlangen der Finanzministerien stünde jedoch diese Zuerkennung in letzter Linie ihnen zu, was den Bestimmungen des Gesetzes nicht Rechnung tragen würde.« »Bisher war beim gemeinsamen Heere die Erwirkung von Gnadenversorgungen für Militärgagisten und Mannschaft an die Zustimmung der Finanzministerien nicht gebunden. Für die Erwirkung von Gnadengaben für Hinterbliebene war zwar die Zustimmung des gemeinsamen Finanzministeriums in der Regel die Voraus¬ setzung, das Kriegsministerium konnte jedoch in Ausnahmefällen, wenn es mit einer Ablehnung seitens des gemeinsamen Finanzministeriums sich nicht zufrieden geben wollte, die Entscheidung Seiner Majestät anrufen. In allen diesen Belangen würde also durch die Annahme der Vorschläge der Finanzministerien eine bedeu¬ tende Veschlechterung zu Ungunsten des Kriegsministeriums sich ergeben und die¬ se ganz an die Willensmeinung der Finanzministerien gebunden sein, ohne weiter- 620 <pb/>hin die Möglichkeit zu haben, die Entscheidung einer höheren Instanz anrufen zu können.« »Der Vorschlag der militärischen Stellen trägt dagegen dem Wunsche nach Ein¬ flussnahme der Finanzministerien im weitesten Masse Rechnung. Die Fälle, in denen überhaupt entgegen dem einstimmigen Votum der drei Finanzministerien die militärischen Referenten auf ihrem Standpunkte beharren und die Entscheidung des zuständigen militärischen Ministers provozieren werden, können doch wohl nicht so zahlreich sein, weil es ja von vorneherein als ausgeschlossen erscheinen muss, dass die Chefs der militärischen Zentralstellen leichten Herzens wegen an und für sich geringfügigen Fragen das gute Einvernehmen mit den Finanzmini¬ sterien aufs Spiel setzen würden. Wenn daher die Vertreter der Finanzministerien in der Lage sind, bei der kommissioneilen Beratung ihre etwaigen Bedenken frei zu äussern und damit Einwendungen Vorbringen zu können, so ist damit im Zusam¬ menhänge mit dem Verantwortlichkeitsgefühl, das auch den militärischen Refe¬ renten zugetraut werden muss, eine volle Bürgschaft gegen ungerechtfertigte Begünstigungen geboten.« »Sollten jedoch die Finanzministerien -- mit Rücksicht auf die Bestimmungen über den Wirkungskreis der Ministerien, wonach bei gnadenweisen Versorgungen ein Einvernehmen mit den Finanzministerien vorausgesetzt wird -- an ihrer For¬ derung festhalten, dann müssten nach Ansicht der militärischen Stellen wenig¬ stens jene Fälle, bei denen die Voraussetzungen der erwähnten Bestimmungen eigentlich nicht zutreflbn und bei denen zumeist auch besondere militärische Ver¬ hältnisse zu berücksichtigen sind, aus der Liste der kommissioneil zu behandelnden Fälle ausgeschieden werden.« »Nach den Bestimmungen über den Wirkungskreis der Ministerien ist ein Ein¬ vernehmen mit den Finanzministerien erforderlich, wenn über die in den Normen festgesetzten Bezüge hinausgehende Versorgungsgenüsse oder solche zuerkannt werden sollen, deren Ausmass in den Vorschriften ziflernmässig nicht festgesetzt ist.« »Hienach können als solche Gnadenfälle nicht angesehen werden:« »1. § 12 (6. und 7. Absatz) und § 46 (2. und 3. Absatz). Die Erhöhung der Pen¬ sion ist hier im Gesetze vorgesehen, die Bedingungen hiefür sind möglichst scharf fixiert, an ein Gutachten der Superarbitrierungskommission gebunden, das Aus¬ mass ist mit 20% (16%) beziehungsweise durch die Summe der einrechenbaren Aktivitätsgebühren fixiert, also eigentlich keine Gnadenversorgung.« »2. § 67 (Punkt 4), § 78 (3. Absatz), § 88 (letzter Absatz) und § 93 (letzter Absatz). Die Erhöhung der Versorgung ist im Gesetze vorgesehen, also normalmässig, die Bedingungen hiefür sind möglichst scharf fixiert, das Ausmass durch 50 % bezie¬ hungsweise auch durch Maximalbeträge, also ziffernmässig begrenzt -- also ei¬ gentlich keine Gnadenversorgung etc. etc.« Nach eingehender Debatte einigt sich der Ministerrat schliesslich auf ein Kom¬ promiss, dahingehend dass die vom Kriegsministerium angeführten, den Charak- 621 <pb/>ter von Gnadenversorgungen eigentlich nicht tragenden Fälle zwar auch kommis- sionell zu behandeln wären, dass jedoch bei Stimmengleichheit in diesen Fällen der militärische Minister das Recht habe, die Entscheidung zu treffen und hievon unter Mitteilung der Gründe die Finanzverwaltung verständigen soll. Was nun die eigentlichen Gnadenversorgungen betrifft, wurde beschlossen, dass, wenn in der Kommission alle drei Finanzstellen auf einer Seite, also dagegen sind, das Einvernehmen im schriftlichen Wege gesucht werden solle; sollte jedoch dieses Einvernehmen nicht zustande kommen und sollten also alle drei Finanz¬ stellen bei der Ablehnung beharren, dann würde das betreffende Gnadengesuch abgewiesen werden. Nach dieser Beschlussfassung ergreift wieder der k.u.k. Kriegsminister das Wort, um über den gleichfalls noch strittigen § 149 zu referieren: »Das ungarische Finanzministerium«, erklärt der k.u.k. Kriegsminister, »wünscht in das Gesetz eine Bestimmung aufzunehmen, wonach die Versorgungsauslagen aus Anlass eines Krieges, also speziell aus Anlass des gegenwärtigen Krieges, wie nach dem bisherigen Gesetze vom Heeresetat, das heisst von den beiden Staaten nach den festgesetzten Quoten getragen werden sollen.« »Das österreichische Finanzministerium stimmt einer derartigen Regelung im gegenwärtigen Zeitpunkte nicht zu, sondern will diese Frage im Zusammenhänge mit anderen, aus diesem Kriege sich ergebenden Fragen (Tragung der Kosten für den Wiederaufbau der zerstörten Gebiete der Monarchie etc.) regeln.« »Die mihtärischen Stellen sind an der Austragung dieser Differenz direkt nicht beteiligt, müssen jedoch daran festhalten, dass hiedurch eine Verzögerung des Zu¬ standekommens des Versorgungsgesetzes nicht herbeigeführt werden darf und tre¬ ten demnach, da eine Einigung zwischen den Standpunkten der beiderseitigen Fi¬ nanzverwaltungen in absehbarer Zeit nicht zu erwarten ist, für die ausweichende Fassung des § 149 ein.« Nach einer kurzen Debatte erklären sich beide Finanzminister mit einer vorschussweisen Regelung der Kosten des Militärversorgungsgesetzes ein¬ verstanden und erklären, dass diese Angelegenheit zusammen mit anderen aus die¬ sem Kriege sich ergebenden Finanzfragen geregelt werden soll. Hierauf gelangt § 158 zur Durchberatung. Der k.u.k. Kriegsminister äussert sich hiezu folgendermassen: »Die militärischen Stellen wünschen eine Nachzahlung der neuen Verwun¬ dungszulagen für eine bestimmte Zeit (beiläufig ein Jahr). Das ungari¬ sche Finanzministerium stimmt zu, das österreichische Finanzministerium lehnt die Nachzahlung ab und will auch die Bestimmungen über die Verwundungszu¬ lagen erst von dem auf die Kundmachung des Gesetzes nächstfolgenden Monats¬ ersten an in Kraft treten lassen.« »Begründung des Standpunktes der militärischen Stellen.« »Die mihtärischen Stellen wünschten urpsrünglich eine tatsächliche Rückwirkung des ganzen Gesetzes vom Kriegsbeginn an. In Rücksichtnahme auf die Staats¬ finanzen wurde den bezüglichen Bedenken durch die Textierung des ersten Absat¬ zes des § 158 in weitem Masse Rechnung getragen (die hiedurch erzielte Ersparnis dürfte wohl ungefähr 200 Millionen Kronen betragen). Für eine besondere Berück- 622 <pb/>sichtigung der Verwundetenzulagen müssen aber die militärischen Stellen auch derzeit eintreten.« Minister Freiherr von Wimmer stellt sich prinzipiell gegen jede Rückwirkung. Auch würde durch die Rückwirkung des Gesetzes auf die Verwundetenzulagen das Staatsbudget um zirka 50 Millionen belastet werden, was in der jetzigen Zeit Anlass zu grossen Bedenken gäbe. Ministerpräsident Dr. W e k e r 1 e erklärt, er habe im ganzen gegen den Standpunkt des Kriegsministeriums nichts einzuwenden, falls nämlich auch der österreichische Finanzminister sich einverstanden erklären würde. Endlich wird auf Anregung des k.k. Ministerpräsidenten bestimmt, dass das neue Militärversorgungsgesetz, was nämlich die Verwundetenzulagen betreffe, vom 1. Juli 1917, also vom Anfang des Budgetjahres, rückwirkend gemacht werde. Hierauf ergreift wiederum der k.u.k. Kriegsminister das Wort, indem er folgendes Referat dem Ministerrate vorliest: »Eine Gebührenregulierung ist infolge der durch den Krieg hervorgerufenen bleibenden Änderung der Lebensverhältnisse gegenüber der Zeit vor dem Kriege unausweichlich.« »Ebenso unausweichlich ist es, dass die Kriegsinvaliden und Kriegshinterbliebe¬ nen von dieser (lediglich aus technischen Gründen nicht schon früher erfolgten) Aufbesserung der Lebensführung nicht ausgeschlossen bleiben dürfen.« »Diesbezüglich bedarf es aber einer Ergänzung des Entwurfes des neuen Militär¬ versorgungsgesetzes. Andere Auswege wären weniger zu empfehlen. (Zuerkennung entsprechender Ergänzungen zur gesetzlichen Pension auf Grund Allerhöchst genehmigter Delegationsbeschlüsse; Ergänzung des Gesetzes erst während der Ausschussberatungen in den Parlamenten; Ergänzung des Gesetzes nach seinem Inkrafttreten durch eine Novelle.)« »Für den beabsichtigten Zweck würde eine Ergänzung des § 159 (neu) des neuen Militärversorgungsgesetzes durch Einschaltung des folgenden Absatzes (als 5. Absatz) genügen:« »Die nach dem 1. und 4. Absatz dieses Paragraphen zuzuerkennenden Versor¬ gungsgebühren sind bei der nächsten Regelung der Aktivitätszulagen unter Zu¬ grundelegung der neuen Aktivitätsgebühren neu zu bemessen.« Ministerpräsident Dr. W e k e r 1 e würde gegen diese Idee keinen Einspruch erheben. Jedoch wäre, seiner Ansicht nach, die Angelegenheit einer späteren Überprüfung vorzubehalten. Die Erhöhung selbst müsste durch eine Novelle von den Parlamenten geregelt werden. Nunmehr ergreift der k.k. Minister für Landesverteidigung das Wort und legt in längerer Rede dar, dass das neue Militärversorgungsgesetz insbesondere für die Mannschaften so kleine Summen fixiere, dass wohl kaum anzunehmen ist, dass jemand damit auskommen könne. Es sei ja undenkbar, zum Beispiel mit 420 Kronen jährlich sein Leben zu fristen. Er ist nun der Ansicht, es würde notwendig sein, den durch den Krieg invalid gemachten Leuten einen mit ihrem bisherigen Arbeitseinkommen einigermassen in Einklang stehenden Ersatz zu schaffen. Andererseits sei es sicher, dass auch nach dem Kriege die allgemeine 623 <pb/>Teuerung nicht so bald aufhören würde. Es müsste also auch in dieser Beziehung für die Möglichkeit einer Erhöhung sub titulo Teuerungszulage schon jetzt gesorgt werden. Es sei die Gefahr vorhanden, dass das vorliegende Gesetz bei den Parlamenten, insbesondere bei dem österreichischen auf Schwierigkeiten stossen wird. Dieser Gefahr könne man nur so entgehen, dass man schon jetzt sich mit einer solchen Massnahme beschäftige. Man könnte ja ein derartiges Gesetz bei der Beratung durch die Parlamente in Aussicht stellen. Den Ersatz für den Arbeitsentgang infolge von Verkrüppelung stelle er sich nicht so vor, dass den Betreffenden für ein eventuell sehr hohes Arbeitseinkommen ein gänzlicher Ersatz geboten werde. Dies würde ja zum Beispiel bei Advokaturen, eine unmögliche Belastung des Staatsbudgets bedeuten. Mari könnte jedoch Maximal¬ summen bestimmen, welche den durch den Krieg Invaliden geboten würden. Die Sätze des neuen Militärversorgungsgesetzes seien 'zwar für Offiziere und Gagisten ziemlich günstig, für die Mannschaftenjedoch eher ungünstig. Man müsse also auf einen Widerstand bei der Beratung durch die Parlamente gefasst sein. Auch sei eventuell die Gefahr vorhanden, dass die Volksvertreter die Offiziersbezüge reduzieren würden. Alle diese Erwägungen hätten ihn dazu bewogen, beim heutigen Ministerrate die Schaffung eines oder eventuell zweier derartiger Gesetze in Anregung zu bringen, welche natürlich bei einer späteren Gelegenheit durchberaten werden könnten. Es handle sich also einerseits um eine eventuelle Erhöhung der Sätze auf Grund des früheren Arbeitseinkommens, andererseits um Teuerungszuschläge. Auch Deutschland habe die Schaffung ähnlicher Zuschläge bereits in Angriff genom¬ men ; die Monarchie dürfte kaum Zurückbleiben können. Ministerpräsident Dr. W e k e r 1 e erklärt, er sei prinzipiell gegen jede Erhöhung oder Ergänzung des Militärversorgungsgesetzes. Die Entwertung des Geldes, welche als Hauptursache der heutigen Teuerung aufzufassen sei, könnte nicht als ständiges Moment genommen werden. Im Gegenteilmüssten die Regierun¬ gen nach dem Kriege daran gehen, einen Abbau der hohen Preise zu bewerkstelligen. Die seitens des k.k. Ministers für Landesverteidigung angeregten Zuschläge wür¬ den diesem Beginnen nur entgegentreten. Auch sei es sicher, dass durch die jetzi¬ gen Versorgungsbeiträge und ähnliches die Leute zur Arbeitslosigkeit erzogen würden. Andererseits sei ein solches Gesetz momentan ein Ding der Unmöglichkeit, da es eine gar zu starke Überlastung des ohnehin schon schwer in Anspruch genomme¬ nen Staatsschatzes zur Folge haben müsste. Wisse man doch fast nicht, wie man für das vorliegende Militärversorgungsgesetz Geld auftreiben werde. Übrigens ständen ja jetzt die Volksvertretungen auf dem Standpunkte, jede Art von Versorgungsgebühren immer noch zu erhöhen. Man denke nur an das Gesetz über die Unterhaltsbeiträge. Und wenn eine solche Erhöhung im österreichischen Parlamente beschlossen würde, könne man sicher sein, dass binnen drei Wochen eine ähnliche Motion in Ungarn erscheinen werde. Während vor dem Kriege die Tendenz war, die Staatsausgaben für die mihtärischen Gebühren mög¬ lichst zu beschneiden, sei jetzt das Umgekehrte zu bemerken. 624 <pb/> Der k.k. Minister für soziale Fürsorge gibt seinerseits Feldmarschalleutnant von Czapp recht. Die bisherigen Mihtärgebührengesetze bilden eine Bevorzugung der aktiven Olfiziere und Mannschaften. Eine Mann¬ schaftsperson könne ja durch Verwundung und Verkrüppelung einen viel grösseren pekuniären Schaden erleiden als ein aktiver Offizier. Nach Durchberatung des Mihtärversorgungsgesetzes erklärt schliesslich der k.u.k. Kriegsminister, er hoffe dieses in zirka 14 Tagen den beiden Regierungen vorlegen zu können und bittet, dass die beiden Regierungen das Gesetz baldigst vor die Parlamente gelangen lassen. Es wird hierauf die Angelegenheit des Ankaufes eines Grundstückes in Väcz für Kasernen- und Depotbauten des aufzustellenden zweiten Eisenbahnregimentes besprochen. In einer längeren Rede führt Ministerpräsident Dr. Weker 1 e aus, die Militärverwaltung verlange schon seit längerer Zeit ein Grundstück, welches sich in der Nähe einer Bahn befinde, an einem grossen Flusse, wenn mög¬ lich an der Donau liege und ein Hügelland sei. Das Eisenbahnregiment habe seine Mannschaft nämlich im Laufe des Krieges so vermehren müssen, dass es jetzt zirka 80.000 Mann zähle. Man denke also daran, ein zweites Eisenbahnregiment zu schaffen. Hiefür brauche man diesen Grund. Nun befinde sich bei Väcz ein solches Stück Land, welches für solche Zwecke sehr geeignet sei. Der Preis hätte sich vor dem Kriege auf 700.000 Kronen belau¬ fen, jetzt betrage die Kaufsumme zirka eine Million. Es dürfte schwer fallen, einen geeigneteren Grund zu finden. Der k.k. Finanzminister meint, er habe geglaubt, es handle sieh nur um ein Depot für das nach dem Kriege zurückflutende Eisenbahnmaterial. Er habe von der Errichtung eines zweiten Eisenbahnregimentes bis jetzt noch nichts gehört. Demgegenüber erklärt der k.u.k. Kriegsminister, man denke wirklich an die Errichtung eines zweiten Eisenbahnregimentes. Übrigens könne man mo¬ mentan an den Bau von Depots nicht denken, es sei aber notwendig, das Grund¬ stück schon jetzt zu erwerben. Der Platz sei ideal. Übrigens seien ja schon im Jahre 1913 4 Millionen für diesen Zweck bewilligt worden. Man brauche das Grund¬ stück notwendig. Auch Ministerpräsident Dr. W e k e r 1 e meint, Korneuburg könne nicht mehr lange als einziges Eisenbahnmaterialdepot dienen, da durch den Krieg dieses Material sich enorm vermehrt habe. Der Maximalbetrag könnte mit 1,200.000 bestimmt werden, welche Summe auch für die notwendige Reguhe- rung des Grundes dienen würde. Es sei nicht möglich, dem Eigentümer eine klei¬ nere Kaufsumme zu bieten, da er mittlerweile auch schon andere Anerbieten erhal¬ ten habe. Freiherr von Wimmer hat zwar noch einige Bedenken, da er ja prinzipiell gegen jede neue Ausgabe sein müsse. Falls aber ein neues Eisenbahn¬ regiment geschaffen werde, willige er ein. Kriegsminister von Stöger-Steiner meint hierauf, es könne sich auch in diesem Falle nur um ein Provisorium handeln. Die Materiahen der 40 Komjäthy: Protokolle 625 <pb/>Militär-Eisenbahnverwaltung seien im Kriege so stark angewachsen, dass man auch schon an den Ankauf eines Grundes in Strebersdorf bei Wien denke. Der k.k. Finanzminister gibt zu bedenken, dass der Grund bei Stre¬ bersdorf, der sich gewissermassen im Bau-Rayon der Stadt Wien befinde, wohl sehr teuer zu kosten kommen würde, macht aber gegen den Ankauf des Väczer Grundes, falls damit kein Präjudiz geschaffen werde, keine weiteren Einwände. Auf eine Bemerkung, dass hiedurch auch das Quotenverhältnis zwischen den beiden Reichshälften richtiggestellt werden wird, wendet der kgl. ung. Ministerprä¬ sident ein, dass ja schon die Bewilligung der oben besprochenen 4 Millionen zur Richtigstellung der ungarischen Quote dienen sollte. Nun ergreift der k.k. Eisenbahnminister das Wort und gibt seiner Meinung Ausdruck, dass auch Väcz für die Deponierung des Eisenbahnmaterials der Kriegsverwaltung nicht genügen dürfte. Er regt deshalb schon jetzt beim Kriegs¬ minister an, dass die Heeresverwaltung nach dem Kriege das ihr seitens des k.k. Eisenbahnministeriums und des kgl. ung. Handelsministeriums zur Verfügung gestellte Kriegseisenbahnmaterial den bezüglichen Verwaltungen zurückstelle. Es handle sich ihm hauptsächlich um das Schienenmaterial, welches teilweise noch sehr gut erhalten sei und so den Eisenbahnverwaltungen sehr nützlich sein könn¬ te. Denn der Schienenpreis habe sich bekanntlich während des Krieges verdop¬ pelt und die Eisenbahnverwaltungen könnten auf dieses ihnen so notwendige Ma¬ terial nicht verzichten. Auch Ministerpräsident Dr. Wekerle stimmt dieser Anregung zu, da auch das ungarischerseits der Heeresverwaltung zur Verfügung gestellte Material sehr gross sei und nach dem Kriege sehr gut verwendet werden könne. Der Kriegsminister ist mit diesen Wünschen einverstanden. Zum Schlüsse ergreift nochmals der k.k. Eisenbahnminister das Wort. Er müsse bereits jetzt darauf aufmerksam machen, dass die Auslagen der Eisenbahnverwaltung im Kriege enorm gewachsen seien. Für das nächste Jahr wäre ein Zuschuss von 500 Millionen seitens des Staatsschatzes notwendig. Durch die Erhöhung der Eisenbahntarife, deren Durchführung dank dem freundlichen Einvernehmen mit der kgl. ung. Regierung so rasch zustande gekommen sei, habe sich dieser Zuschuss auf 200 Millionen vermindert. Dennoch aber müsse das Eisenbahnministerium daran denken, seine Einnahmen durch Erhöhung der Mili¬ tärtarife zu vermehren. Minister Freiherr von Banhans stellt demnach dem Kriegs¬ minister in Aussicht, dass man in nächster Zeit diese Erhöhung mit den militäri¬ schen Stellen besprechen müssen wird. Augenblicklich würden durch die Mili¬ tärtarife oft nicht einmal die Selbstkosten gedeckt. Auch Ministerpräsident Dr. Wekerle steht auf demselben Standpunkt, da auch die ungarischen Eisenbahnen ein Defizit von einigen Hun¬ derten Millionen aufweisen. Die Erhöhung der Tarife habe zwar einen gewissen Erfolg gezeitigt, aber er erfahre, dass durch diese sehr grosse Erhöhung die Zahl der Reisenden sich vermindere. Auch seien die Militärtarife so niedrig, dass viel¬ fach nur 45 % der Selbstkosten gedeckt erscheinen. Es sei dies keine gleichmässige Belastung im Staatshaushalte. Auch sei zu bedenken, dass durch die Erhöhung der Einnahmen der Eisenbahnverwaltungen der Kredit dieser letzteren gefestigt würde. 626 <pb/>Der k.u.k. Kriegsminister erklärt sich mit einer seinerzeitigen Bespre¬ chung dieser Angelegenheit einverstanden. Hierauf schliesst der Vorsitzende, Ministerpräsident Ritter von S e i d 1 e r, den Ministerrat. · Original-Reinschrift. -- Die Einsichtnahme wurde auf dem Mantelbogen des Protokolls von sämtlichen Teilnehmern des Ministerrates bestätigt. In der linken oberen Ecke des Blattes mit Bleistift geschrieben die Signatur des Herrschers: »gelesen. Karl«. In der rechten Ecke mit Bleistift geschrieben: »fertig«. -- Auf dem letzten Blatt die Kenntnisnahme durch den Herrscher: »Baden, am 20. Februar 1918.« Unter dem Text rechts die Unterschrift des österreichischen Ministerpräsidenten Seidler, als Vorsitzendem des Ministerrates. Links unten die Unterschrift des Protokollführers Lobkowitz. -- Ebd. das maschinengeschriebene Konzept des Protokolls, mit den aus der Feder des Protokollführers stammenden Korrekturen. Auf dem ersten Blatt unten außer den Signaturen der Abschrift und der Kollation das Handzeichen des österreichischen Ministerpräsidenten Seidler als Vorsitzender des Ministerrates. 34. Wien, 22. Januar 1918 Debatte über den Bericht des Ministers des Äußern über die Friedensverhandlungen in Brest-Litowsk. Einhellige Stellungnahme gegen die deutschen Annexionsbestrebun¬ gen, die den Abschluß des Friedensvertrages verhindern. Militärische tmd Versorgungs¬ gesichtspunkte für den Friedensschluß mit den Bolschewiki und den Ukrainern. Die Monarchie verzichtet auf Polen, nimmt aber als Entschädigung für die Annexion Rumäniens Stellung. Am 7. November 1917 siegte die Revolution der Bolschewiki in Petersburg. Tags darauf, am 8. November erschien das von Lenin unterfertigte Friedensdekret, in welchem sämtliche kriegführenden Parteien zum Friedensschluß aufgefordert wurden. Am 28. November schlug der Volkskommissar für Äußeres, Trotzki, allen kriegführen¬ den Parteien den Abschluß eines Waffenstillstandes vor. Die Ententemächte wiesen den Vorschlag Trotzkis zurück, die Mittelmächte nahmen ihn an. Auf Grund des am 15. Dezember abgeschlossenen Waffenstillstandes begannen am 22. Dezember in Brest- Litowsk die Friedensverhandlungen. In einer Verhandlungspause, am 22. Januar 1918 trat der gemeinsame Kronrat zusammeh und befaßte sich mit den Friedensverhand¬ lungen und dem Bericht des Führers der österreichisch-ungarischen Friedensdelegation, des Ministers des Äußern Czernin, und erteilte ihm weitere Instruktionen. Über die zur Debatte stehenden Fragen siehe die Kommentare zu den Protokollen vom 7. Januar, 9. September 1916, 12. und 22. Januar, 6. Mai 1917. Protokoll eines am 22. Jänner 1918 unter Vorsitz Seiner k.u.k. Apostolischen Maje¬ stät abgehaltenen Kronrates. Gegenstand: Richtlinien für die bei den Friedensverhandlungen mit den russi¬ schen Maximalisten und den Vertretern der Ukrainischen Republik zu befolgenden Poütik. G.M.K.P.Z. 545. 40* 627 <pb/>