Gemeinsamer Ministerrat, 22. 3. 1917
I. Die Getreidefrage
Siehe PDF-Daten https://hw.oeaw.ac.at/ministerrat/serie-2/oe_hu_mrp_VII/pdf/oe_hu_mrp_VII_z23.pdf.
23. Wien, 22. März 1917 Der katastrophale Getreidemangel der Monarchie. Steigerung der rumänischen Getreidelieferungen. Hilfe Deutschlands. Die Lebensmittelversorgung Österreich-Ungarns war schon vor der verheerenden Dürre im Sommer 1917 katastrophal, was auch aus der Debatte in der gemeinsamen Ministerkonferenz hervorgeht. Mit den Schwierigkeiten der Lebensmittelversorgung und der Getreidebeschaffung hatte sich der gemeinsame Ministerrat auch schon früher und dann auch später befaßt. (Siehe dazu den Kommentar zum Protokoll vom 9. September 1916.) Durch die rapide Verschlechterung der Lebensmittelversorgung wurde die Monarchie in steigendem Maße auf Deutschland angewiesen. (Über diese eigenartige Verbindung. zwischen Österreich-Ungarn und dem Deutschen Reich wurde in der Einleitung gesprochen.) Protokoll des zu Wien am 22. März 1917 abgehaltenen Ministerrates für gemein¬ same Angelegenheiten unter dem Vorsitze des Ministers des k.u.k. Hauses und des Äußern Grafen Czernin. K.Z. 24. - G.M.K.P.Z. 534. Gegenwärtige: Der kgl. ung. Ministerpräsident Graf T i s z a, der k.k. Minister¬ präsident Graf Claxn-Martinic, der k.u.k. gemeinsame Finanzminister Baron B u r i ä n, der k.u.k. Kriegsminister GO. Freiherr von K r o b a t i n, der kgl. ung. Ackerbauminister Baron Ghilläny, der Chef des kgl. ung. Landesernährungsamtes Baron K ü r t h y, der Chef des k.k. Volksernährungs¬ amtes, Minister GM. H ö f e r, der Vorsitzende des gemeinsamen Ernährungs¬ ausschusses GM. von Landwehr, der Vertreter des Armee-Oberkommandos, Oberst des Generalstabes von Z e y n e k. Schriftführer: Generalkonsul von Joannovics. Gegenstand: Die Geitreidefrage. Der Vorsitzende eröffnet die Sitzung um 1/2 11 Uhr vormittags und führt folgendes aus: Da das am 19. Jänner 1. J. mit Deutschland abgeschlossene Notabkommen mit Ende März ablaufe, sei es erforderlich, die näheren Umstände zu besprechen, unter welchen dieses Abkommen zu verlängern, beziehungsweise durch ein neues zu ersetzen sein werde. Leider haben die letzten Erhebungen über die Versorgungs¬ frage ein äusserst ungünstiges Bild gegeben, teils deshalb, weil die Eingänge der Erwartung nicht entsprochen haben, teils, weil neue Anforderungen gestellt wurden. Ausserdem habe Deutschland die im Notabkommen zugesagten 20.000 q Roggenmehl nicht vollständig abgeliefert. Die gegenwärtige Lage Österreich-Ungarns ergehe sich aus der beiliegenden Tabelle 1." Sie weise einschliesslich der vom Armee-Oberkommando, beziehungs¬ weise vom Kriegsministerium angesprochenen Mehrerfordernisse einen Abgang von 99.555 Waggons Brotgetreide und von 35.000 Waggons Futtergetreide, somit a) Tabelle 1 und die im Protokoll später erwähnten Tabellen 2 und 3 s. im Anschluß an das Protokoll. 471 <pb/>einen Gesamtabgang von 134.555 Waggons Getreide auf. Es wäre daher vor allem zu prüfen, welche Massregeln ergriffen werden sollen, um diesen Ausfall decken zu können. Schon jetzt müsse darauf aufmerksam gemacht werden, dass die Aus¬ hilfe für Montenegro und Albanien an allerletzte Stelle treten müsse. Vor allem sei für die Monarchie selbst zu sorgen. Von wirksameren Mitteln dürfte wohl nur eines in Betracht kommen, nämlich billigeres Fleisch für die Ernährung der Bevölkerung in höherem Masse heranzuziehen. Der k.u.k. Kriegsminister gibt eine Darstellung der Verpflegslage bei der Armee auf Grund der Zuschube der letzten 20 Tage. Innerhalb dieser Zeit haben die einzelnen Armeen folgende Zuschübe erhalten: Die I. Armee für 13 Tage Mehl, was nur mit deutscher Hilfe möglich war; jetzt seien auch die deutschen Mehlzuschübe eingestellt worden; dann für 19.4 Tage Hartfutter; die II. Armee für 28 Tage Mehl, so dass ein Reservevorrat für 8 Tage vor¬ handen sei, jedoch nur für 6 Tage Hartfutter; die III. Armee für 11 Tage Mehl und 13 Tage Hartfutter; die IV. Armee für 16 Tage Mehl und 1.2 Hartfutter; die VH. Armee für 16 Tage Mehl wieder mit Hilfe deutscher Zuschübe und für 14 Tage Hartfutter; das im Verbände der deutschen Armee stehende XII. Korps hat aus Österreich- Ungarn keine Nachschübe erhalten und wird an Ort und Stelle verpflegt; die IX. Quartierabteilung bei der deutschen Südarmee für 8 Tage Mehl und 7 Va Tage Hartfutter; die an die IV. Armee angegliederte XIV. Quartierabteilung für 0.3 Tage Mehl und 1.8 Tage Hartfutter; die XVI. Quartierabteilung in Rumänien nichts; die V. Armee für 10 Tage Mehl und 11 Tage Hartfutter; sie verfügt ausserdem noch über einen 9-tägigen Reservevorrat; die X. Armee für 15 Tage Mehl und 11 Tage Hartfutter; für die Heeresgruppe Tirol und die XI. Armee sind die Daten gegenwärtig nicht einzuholen; das XIX. Korps (Montenegro und Albanien) für 29 Tage Mehl und 2.7 Tage Hartfutter. Infolge der stockenden Zuschübe an Hartfutter gehen sehr viel Pferde bei der Armee ein. Die Pferde seien nicht mehr imstande, die Geschütze zu ziehen, wenn irgendwie eine rasche Konzentrierung der Artillerie erforderlich werde. Bei einem Durchbruche bestehe die Gefahr des Verlustes der ganzen Artillerie wegen des Schwächezustandes, in welchem sich die Pferde infolge Futtermangels befinden. Der k.k. Ministerpräsident führt aus, dass man Wege suchen müsse, um aus dieser kritischen Lage herauszukommen. Die heute festgestellte Ver¬ schlechterung ergebe sich hauptsächlich infolge des eingetretenen Mankos an Hartfutter. Es wären folgende Momente zu prüfen: a) die Möglichkeit eventueller Ersparnisse, b) die Möglichkeit der Heranziehung von Streckungsmitteln, 472 <pb/> c) die Erwägung der äussersten Massregel, um einer imminenten Ernährungs¬ katastrophe vorzubeugen. Was den ersten Punkt betreffe, so sei eine Ersparnis im Wege weiterer Herab¬ setzung der Kopfquote dermalen nicht möglich. Andererseits reichen alle bisher ergriffenen Ersparungsmassnahmen nicht hin, um den grossen Ausfall auch nur annähernd hereinzubringen. Ein wirksames Mittel auf dem Gebiete der Erspar¬ nisse Hesse sich allerdings darin finden, dass an Deutschland unter Berufung auf den deutscherseits immer betonten Grundsatz der Einheitlichkeit der Front herangetreten werde, da es mit diesem Grundsätze unvereinbar sei, wenn die Haferration im deutschen Heere 6 kg, im österreichisch-ungarischen aber nur 3 V2 kg betrage und selbst diese beschränkte Menge in Frage gestellt sei. In dieser Beziehung könne also berechtigterweise ein Ausgleich verlangt werden. Ob man in einem späteren Zeitpunkte, wenn einmal die bezüglich der Gemüse¬ versorgung im grossen Umfange ergriffenen Massnahmen zur Wirkung gelangt sein werden, eine bescheidene Kürzung der Kopfquote werde vornehmen können, werde vielleicht seinerzeit noch zu erwägen sein. Vielleicht könnte aber in dieser Hinsicht in Ungarn schon jetzt etwas geschehen, da die Kopfquote der Selbst¬ versorger noch immer eine höhere sei, als in Österreich. Ferner sei in Ungarn auch für den Industriebedarf eine Menge von 800.000 q Gerste reserviert worden, von welchem der grössere Teil für Malzzwecke vorgesehen sei. Dieser müsste jedenfalls zur Ernährung herangezogen werden. BezügHch der Heranziehung von Streckungsmitteln wäre zu prüfen, ob es nicht möglich sei, den heute vorhandenen Rohzucker, wie im Vorjahre, für Futter¬ zwecke zu verwenden; weiters ob es sich nicht empfehle, die Ausmahlung etwa auf 75% herabzusetzen, um dadurch eine bessere Verwertung der Kleie zu bewir¬ ken. Endlich sollte die Möglichkeit geprüft werden, das ausgelöste Stroh als Strohmehl eventuell auch Holzmehl als Beimischung zum Futter zu verwenden. Strohmehl habe einen ähnlichen Nährwert wie Luzerne-Heu; vielleicht Hesse sich auf diesem Wege Erleichterung schaffen, vorausgesetzt, dass die technischen Schwierigkeiten bei der Kürze der Zeit überwunden werden können. Sollte man wirklich vor der Gefahr einer Ernährungskatastrophe stehen, so werde man, so bedauerHch dies sei, wieder als Bittsteller vor Deutschland hin¬ treten müssen. Als weiteres äusserstes Mittel käme dann noch die vom Vor¬ sitzenden bereits erwähnte höhere Inanspruchnahme der Viehbestände in Betracht. Der Viehstand Österreichs habe sich als ausserordentlich elastisch erwiesen; sein Rückgang sei hauptsächlich durch die Verluste in GaHzien und in den von den Feinden heimgesuchten Gebieten verursacht worden. Sonst sei der Viehstand der Menge nach so ziemlich gleich gebHeben. Qualitativ habe sich aber allerdings ein sehr bedeutender Unterschied durch das Alter des vorhandenen Viehs ergeben. Unter Zugrundelegung einer Bevölkerung des Hinterlandes von 16,000.000, die mit der für die Versorgung der breiten Schichten in Aussicht genommenen monat¬ lichen Kopfquote von 3 kg für die Dauer von drei Monaten zu versehen wäre, seien hiefür 1.4 MilHonen q Fleisch erforderHch. Da zu diesem Zwecke das Jung¬ vieh herangezogen werden müsste, würde dies die Schlachtung von etwa 20% des gesamten Viehstandes bedeuten. Dies sei eine Katastrophe für die Land- 473 <pb/>Wirtschaft, die aber hingenommen werden müsste, um der allgemeinen Ernäh¬ rungskatastrophe vorzubeugen. Der kgl. ung. Ministerpräsident verweist zunächst auf einen Irrtum in der Aufstellung der beiliegenden Tabelle 1, welcher in der für Ungarn mit 55.900 Waggons angegebenen Deckung liege. Der wirklich vorhandene Vorrat betrage bloss 30.000 Waggons, woraus sich ein weiteres Defizit von etwa 20.000 Waggons ergebe. Die beiliegende Tabelle 2 weise den genau erhobenen Ausfall von 2.2 Millionen q für Ungarn auf. Bezüglich der ungarischen Kopfquote sei zu bemerken, dass dieselbe bei dem Selbstversorger in den einzelnen Komitaten dem besonderen Verhältnisse gemäss allerdings verschieden bemessen worden sei; eine allgemeine Herabsetzung sei jedoch durchwegs erfolgt. Sie habe jene 3 Millionen q hereingebracht, über welche Ungarn jetzt noch verfüge. Es sei dies eine der schwierigsten Aufgaben der Regierung gewesen und es könne der Bevölkerung nur zur Ehre angerechnet werden, dass sie sich dieser weitgehenden Einschränkung willig unterworfen habe. Die österreichischerseits behauptete höhere Kopfquote bestehe in Ungarn der¬ malen tatsächlich nirgends, sie bewege sich in den einzelnen Komitaten zwischen 240 und 160 gr Mehl und stelle die äusserste Grenze dar, bis zu welcher man gehen könne. Auch den Brauereien sei das Recht der Vermälzung des ihnen ursprünglich zugestanden gewesenen Gerstekontingentes seither entzogen und die Vermälzung verboten worden. Bei dieser trostlosen Lage der Bevölkerung sei es wirklich nicht denkbar, der Heeresverwaltung die neu beanspruchten Aufbesserungen zu gewähren. Wenn diese neuen Ansprüche in Abschlag gebracht werden, so sei schon eine Erleich¬ terung von etwa 1 V2 Millionen q erzielt. Ferner sei der Bedarf der Armee bis 1. September in Rechnung gestellt worden; bis dahin werde man aber wohl schon mit der neuen Ernte rechnen können, woraus sich eine weitere Erleichterung um etwa 1 Million q ergebe. Endlich sei noch darauf hinzuweisen, dass es rein undenkbar sei, dass aus den besetzten Gebieten nicht mehr beschafft werden könne. Trotz alledem führen diese Berechnungen doch immer zu dem Ergebnisse, dass man mit einem unbedingten Defizit von etwa 10 Millionen q rechnen müsse. Diesen Ausfall müsse man jedenfalls hereinbringen. Man werde doch an Deutsch¬ land herantreten müssen und ihm eine Kombination anbieten, wobei aus Rumä¬ nien das Möglichste herauszubringen und von Deutschland eine Vorleistung auf Rechnung der rumänischen Beute zu verlangen wäre. Es scheine die Bewirtschaf¬ tung Rumäniens doch in einer Weise zu erfolgen, welche die Leistungsfähigkeit dieses Landes nicht in vollem Masse ausnütze. Für Deutschland sei die Deckung aus Rumänien augenblicklich nicht unbedingt nötig; man scheine es vielmehr für zweckmässiger zu halten, von den rumänischen Vorräten so viel als möglich für das nächste Wirtschaftsjahr zurückzubehalten. Österreichisch-ungarischerseits wären daher unbedingt durchgreifende Massregeln ins Auge zu fassen, damit in Rumänien alles geschehe, um den Transport bis zur Höhe der Leistungsfähigkeit der Schiffahrt zu fördern. Uber die Verhältnisse in Rumänien bestehe eigentlich 474 <pb/>noch immer Unklarheit. Die von den Regierungen entsendeten Yertrauensperso- nen haben nicht die Möglichkeit, sich einen genauen Einblick in die Verhältnisse zu verschaffen. Die Besorgnis sei sehr berechtigt, dass für den Donautransport nicht in genügendem Masse gesorgt worden sei. Das allerdringendste wäre also, den Zuschub aus Rumänien in einer Weise sicherzustellen, dass man monatlich mindestens 2 --2 V2 Millionen q hereinbekommen könne. Der k.k. Ministerpräsident stimmt dem Vorredner zu, dass alle Vorsorgen getroffen werden müssen, um die Getreideaufbringung in Rumänien so energisch als möglich zu organisieren. Man habe im Durchschnitte mit 7.000 Tonnen täglich gerechnet. Diese Ziffer sei zwar in den letzten Tagen überschritten worden, doch sei dies nur eine Ausnahme. Die Leistungsfähigkeit der zu den grossen Donaustationen führenden rumänischen Bahnen betrage nicht mehr als etwa 450 Waggons täglich; in den kleinen Häfen sei nur so viel Getreide vorhan¬ den, dass es mit den vorhandenen Transportmitteln bis längstens Ende April erschöpft sein werde. Vor allem anderen sei die Tätigkeit dahin zu lenken, die Transporte zu den kleinen Häfen zu erhöhen, was durch Einrichtung von Feld¬ bahnen herbeigeführt werden könnte. Über die Höhe der vorhandenen Getreide¬ vorräte lasse sich dermalen noch immer nichts Bestimmtes sagen. Die Meinungen stimmen darin überein, dass jedenfalls mehr als die bisher gemeldeten 8 Millio¬ nen q vorhanden sein müssen. Vor allzu optimistischen Schätzungen müsse man sich aber hüten. Auf keinen Fall sei mit der deutscherseits ursprünglich angenommenen Menge von 20--25 Milhonen q zu rechnen. Zu erwägen wäre auch noch, ob es sich nicht empfehlen würde, die verfügbaren Pferde nach Rumänien zu stellen, um sie dort zur Arbeit zu verwenden und mit dem verdorbenen Mais zu füttern, sowie auch eine Schweinemastung einzurichten. Der Vorsitzende des gemeinsamen Ernährungsaus¬ schusses teilt die Auffassung, dass die hauptsächliche Hilfe in Rumänien liege. Um den Transport zu erleichtern, seien jetzt Verhandlungen mit dem Armee¬ oberkommando im Gange. Man beabsichtige, eine Anzahl von Pferdefuhrwerken aus den Armeebereichen herauszuziehen, ferner seien 100 km Feldbahnen vom Armee-Oberkommando sichergestellt. Jedenfalls werde aber auch an Deutschland wegen Beistellung von Feldbahnenmaterial und wegen Sicherstellung der Mit¬ wirkung der Deutschen herangetreten werden müssen, um das Möglichste aus Rumänien herauszubringen. Der Chef desk. k. Volksernährungsamtes weist darauf hin, dass die Lage in Österreich wegen des Mangels jeder Reserve geradezu unhaltbar geworden sei, da die rumänische Einfuhr zum grössten Teile an die Heeresver¬ waltung abgeliefert wurde. In Dalmatien herrsche Hungersnot; man könne dieses Land nicht ohne jede Vorratsreserve lassen, weil die kleinste Stockung im Trans¬ port sich empfindlich fühlbar mache. Österreich sbi jetzt in ein Stadium der Entblössung von allen Vorräten getreten, welches unbedingt einen reicheren Zuschub verlange, zumal immer mehr passive Gebiete hinzukommen. Die Lage werde noch erschwert durch die ungünstigen Aussichten der Kartoffelversorgung. Alle Streckungsmittel seien bereits versucht worden, geben aber in ihrer Gesamt¬ heit nicht viel aus, weil sich ihrer Durchführung auch technische Schwierigkeiten 475 <pb/>entgegenstellen. Die Lage sei weiterhin unhaltbar, wenn Österreich nicht einen reichlicheren Anteil an der rumänischen Einfuhr erhalte. Bezüglich der Haferlieferungen an die Armee sei allerdings zuzugeben, dass man im Rückstände geblieben sei: doch seien dank der ergriffenen Massregeln die täglichen Lieferungen nunmehr gestiegen, wenn sie auch immer noch hinter den übernommenen Verpflichtungen Zurückbleiben. Leider sei nicht zu hoffen, dass das ganze Kontingent beigestellt werden könne, weil die Selbstversorger den Hafer schon verfüttert haben dürften. Man habe sich daher zu der schwer einschneidenden Massnahme der Requisition von 10% des Saatgutes und der Herabsetzung der Selbstversorgerquote auf die Hälfte entschliessen müssen. Die als äusserste Aushilfe in Aussicht genommene Schlachtung des Jungviehs dürfte manchen praktischen Schwierigkeiten in der Durchführung begegnen. Es hätten sich jetzt schon die grössten Schwierigkeiten bei der Aufbringung des Mehrbedarfes an Fleisch für die in wesentlich engeren Grenzen gehaltenen Not¬ standsaktion gezeigt. Die Landwirte weigern sich, das Vieh jetzt herauszugeben, weil sie auf die Grünfütterung rechnen und ihr Bedarf an Zugvieh gefährdet werde. Die Heranziehung von Rohzucker als Futterersatz sei angesichts der überaus geringen Zuckervorräte nicht möglich. Uber Befragen des Vorsitzenden erklärt der Vertreter des Armee¬ oberkommandos, dass angesichts der bestehenden Verhältnisse die Ver¬ sorgung von Albanien und Montenegro jedenfalls in die letzte Linie treten müsse. Ebenso werden die beabsichtigten Erhöhungen der Brotration, sowie der beanspruchte Gemüseersatz zurückgestellt werden müssen; dagegen werde eine Erhöhung der Fleischration für die Truppen, welche in einer Höhe von mehr als 1000 m kämpfen, beansprucht werden. Der Vorsitzende stellt somit das Einvernehmen darüber fest, dass das Manko bei Brotgetreide 10 Millionen q betrage. Man müsse an die deutsche Regierung schon aus dem Grunde herantreten, weil das im Jänner abgeschlossene Notabkommen Ende März ablaufe. Selbstverständlich werde hiebei getrachtet werden müssen, von Deutschland je grössere Zugeständnisse zu erwirken. Unter allen Umständen sei Bedacht zu nehmen, dass mit der deutschen Regierung voll¬ kommen den Verhältnissen entsprechend verhandelt und nicht der Versuch gemacht werde, mehr zu verlangen, als unbedingt nötig. In dieser Beziehung seien in der Vergangenheit Fehler unterlaufen. So habe man im Jänner von Deutschland die dringende Lieferung von 1 1/2 Millionen q Roggenmehl mit dem Hinweise verlangt, dass sonst die Verpflegung der Armee in Frage gestellt und eine Ernäh¬ rungskatastrophe unvermeidlich sei. Obwohl Deutschland nicht einmal die zuge¬ sagte viel geringere Menge von 200.000 q geliefert habe und die Transporte aus Rumänien, auf welche damals gerechnet wurde, ganz geringfügige geblieben seien, seien die befürchteten katastrophalen Folgen nicht eingetreten. Es erscheine daher begreiflich, wenn deutscherseits neuen Ansprüchen ein gewisses Misstrauen entgegengebracht werde. Sollte es nicht gelingen, von Deutschland die Überlassung des gesamten rumä¬ nischen Getreideexportes zu erlangen, so werde doch auf die Heranziehung der Viehbestände zurückgekommen werden müssen. Was auch immer kommen möge. 476 <pb/>das Durchhalten für die nächsten Monate müsse unbedingt gesichert werden, wo die Anzeichen von Aussen dafür sprechen, dass sich eine Lösung der Lage vorbereite. Bezüglich der gegenwärtig feststehenden Transportverhältnisse aus Rumänien führt der Vertreter des Armee-Oberkommandos aus, dass an der Donau im Ganzen 9000 Waggons verladen seien, welche bei einer täglichen Leistung von 14 Schleppen binnen 12 Tagen hereingebracht werden können. An den Bahnen zur Donau liegen 33.000 Waggons Getreide, die bei einer täglichen Bahnleistung von 400 Waggons binnen 84 Tagen abtransportiert sein können, dies seien also 8 Schleppe tägüch. Im Lande abseits der Bahn liegen etwa 30.000 Waggons, die mit Staffelfuhren zur Bahn gebracht werden müssten. Dazu brauche man 300 Staffeln. Gegenwärtig befinden sich 25 Staffeln in Rumänien, 16 Staffeln seien in Aufstellung begriffen. Ausserdem solle die Armee alles entbehrliche Fuhr¬ werk beistellen. Ob dies für die 300 Staffeln genüge, könne heute nicht gesagt werden, auch sei nicht bekannt, was die Deutschen in Rumänien haben. Leider sei die Einflussnahme auf die deutsche Militärverwaltung eine sehr beschränkte. Da diese die Verantwortung trage, werde man österreichisch-ungarischerseits nicht bloss bittend, sondern auch fordernd auftreten können. Die als vorhanden festgestellten 8 Millionen q müssen unbedingt hereingebracht werden; was unter dieser Lieferung bleibe, sollte Deutschland aus seinen eigenen Vorräten ersetzen. Der kgl. ung. Ministerpräsident stellt sohin fest, dass die vorhan¬ denen Vorräte und die Leistungsfähigkeit der Bahnen die volle Ausnützung einer Tagesleistung von 15 Schleppen etwa bis Mitte April ermöglichen, wodurch rund 2 V2 Millionen q hereingebracht werden können. Diese Menge müsste vorerst unbedingt Österreich-Ungarn zufallen. Auf diese Weise wäre der laut der bei¬ liegenden Tabelle 3 für den ersten Monat mit 1.7 Millionen q berechnete Bedarf gedeckt. Es müsste daher getrachtet werden, für die nächste Zeit, was möglich sei, aus Rumänien hereinzubringen, um auch weiterhin den Fehlbedarf Österreichs mit rumänischem Getreide zu decken. Inzwischen könnte Ungarn seine Vorräte sammeln und später, wo nötig, abgeben. Im August werde bereits die neue Ernte zum Teile herangezogen werden können. Es sei daher folgendes zu beantragen: a) die Heeresverwaltung hätte auf die verlangten Aufbesserungen zu verzichten und sich im Rahmen des bisherigen Erfordernisses einzurichten. b) Deutschland gegenüber sei ein Teilungsschlüssel durchzusetzen, wonach deutscherseits wenn möglich einstweilen auf einen Anteil aus den rumänischen Zufuhren verzichtet oder der deutsche Anteil auf ein Minimum herabgesetzt werde. c) Eine zweckmässige Organisation der Erfassung und des Transportes des rumänischen Getreides sei einzurichten, damit alle Möglichkeiten vollständig und rasch ausgenützt werden. Sollten sich bei den Verhandlungen mit Deutschland Schwierigkeiten ergeben, so wäre jedenfalls zu vermeiden, ein ungünstigeres Abkommen, als das Notab¬ kommen vom Jänner abzuschliessen, vielmehr dieses letztere für die nächste Zeit vorläufig zu verlängern und eine neuerliche Aussprache der verantwortlichen Minister herbeizuführen. 477 <pb/> Der k.k. Ministerpräsident fügt hinzu, dass jedenfalls auch die Herabsetzung der Haferportion bei den deutschen Pferden gefordert werden müsse. Durch den Verzicht der Heeresverwaltung auf die Mehrforderungen werde eine Erleichterung um 1.4 Milhonen q eintreten. Wenn Deutschland Hafer abgebe, so werde sich die Bilanz weiter verbessern. Die Schwierigkeiten bei der Vieh¬ aufbringung und die dadurch bewirkte Schädigung der Landwirtschaft seien der k.k. Regierung in vollem Umfange bewusst. Wenn sie sich trotzdem auch für diese Massregel einsetze, so könne dies doch nur als ein äusserstes Mittel angesehen werden, um einer sonst unvermeidlichen Hungersnot vorzubeugen. Sollte diese Notwendigkeit eintreten, so müsste jedenfalls auch ungarischerseits zu diesem Mittel gegriffen werden. Der k.u.k. Kriegsminister stellt somit fest, dass für den Fall, als man sich wegen einer Aushilfe für Albanien und Montenegro an ihn wenden sollte, er berechtigt sei, diese Hilfe abzulehnen. Der Vertreter des Armee-Oberkommandos macht schliess¬ lich noch aufmerksam, dass bei der Armee auf keinen Fall eine Verschlechterung der Lage eintreten dürfe. Die Armee dürfe in dem, was ihr zugeschoben werde, in keiner Weise herabgesetzt werden. Der Vorsitzende stellt sohin fest, dass die Konferenz sich über folgendes geeinigt habe: 1. das von der Heeresverwaltung beanspruchte Mehrerfordernis für die Erhö¬ hung der Brotration, die Aushilfe an Albanien und Montenegro, für Gemüse¬ ersatz wird zurückgestellt, sodass die Armee mit dem bisher festgestellten Erfor¬ dernis von 270 Waggons Mehl täglich das Auslangen zu finden haben werde. 2. Um die Deckung dieses Bedarfes und des aus den eigenen Vorräten nicht zu deckenden österreichischen Bedarfes auf Grund der in der Tabelle 3 auf¬ gestellten Berechnung soweit tunlich aus Rumänien zu ermöglichen, wird der Vor¬ sitzende des gemeinsamen Ernährungsausschusses mit der sofortigen Einleitung der diesbezüglichen Verhandlungen in Berlin betraut. Hiebei wird zu trachten sein, das Notabkommen vom Januar so auszubauen, dass Österreich-Ungarn die ihm fehlenden 13 1/2 Millionen q Getreide erhalte. Zu diesem Zwecke wird von Deutschland zu erwirken sein: a) die grösstmöglichste Steigerung der Ausfuhr aus Rumänien durch eine entsprechende Organisation unter tatkräftiger Mitwirkung Österreich-Ungarns; b) ein zugunsten Österreich-Ungarns geänderter Teilungsschlüssel; c) die Heranziehung der in Braila und in der Dobrudscha befindlichen Vorräte für die Versorgung Österreich-Ungarns; d) die Herabsetzung der deutschen Haferportion und Abtretung der dadurch erzielten Ersparnisse an Österreich-Ungarn. 3. Sollten diese Forderungen, welche das Maximum des Anzustrebenden dar¬ stellen, nicht durchgesetzt werden können, so wird der Vorsitzende des gemein¬ samen Ernährungsausschusses ermächtigt, das geltende Notabkommen vorläufig zu verlängern. Die weiteren Verhandlungen würden dann in Wien durch die verantwortlichen Minister geführt werden. Der Vorsitzende schliesst die Sitzung um ^ 1 Uhr nachmittags. 47 8 <pb/> aj Tabelle 1. Tabelle des G e t r e i d e b e d a r f e s und seiner Deckung I. Brotgetreide aj Erfordernis Waggons Getreide 1. Österreich für Nichtselbstversorger für die Zeit vom 15. März-- 20. August. 79.500 2. Ungarn für Nichtselbstversorger einschliesslich Siebenbürgens und Bosniens für die Zeit vom 1. April--15. August . 28.300 3. Kroatien für Nichtselbstversorger für die Zeit vom 15. März-- 15. August. 3.748 4. Armee für die Zeit vom 15. März--1. September, d.i. 169 Tage zu je 270 Waggons Mehl = 324 Waggons Getreide . 54.750 5. Rückgabe der Armee und des österreichischen Ernährungsamtes an Deutschland. 1.616 zusammen 167.914 . Hiezu Mehransprüche des AOK.: aj für die Erhöhung der Brotration. 2.970 b) für Albanien und Montenegro..2.900 Gesamterfordernis 173.784 b) Deckung 1. Österreich . 19.000 2. Ungarn . 55.900 3. Kroatien . 4. Polen . . .. 3.489 4.840 zusammen 83.229 Waggons Getreide Somit sind aus Rumänien zu decken: 1. der allgemeine rechnungsmässige Abgang . 84.685 2. der vom AOK. beanspruchte Mehrbedarf . 5.870 3. der vom k. und k. Kriegsministerium beanspruchte Ersatz für das fehlende Gemüse . 9.000 insgesamt 99.555 c) Spezialberechnung 1. Österreich Bedarf der N i c h t s e 1 b s t v e r s o r g e r in Waggons Getreide Zeitraum Tages- Gesamt- Deckung aus bedarf bedarf österr. Getreide 16./III.--15./IV. 16./IV.--15./V. 450 13.950 7.000 16./V.-15./VI. 470 16./VI.-15./VII. 500 14.100 4.000 16./VII.--20./VIII. 540 550 15.500 4.000 16.200 2.000 19.800_2.000 16./III.--20./VIH. - 79.550 19.000 Es ergibt sich demnach ein Abgang von 60.550 Waggons oder auf 158 Tage berechnet von 383 Waggons pro Tag. 479 <pb/> 2. Ungarn Bedarf der Nichtselbstversorger, ab 1. April = 4>/2 Monate Budapest. 270.000 q Mehl Übrige Munizipien. 1.035.000 q ,, Industrie . Siebenbürgen . 333.000 q ,, Bosnien. 250.000 q ,, 470.000 q ,, zusammen 2.358.000 q Mehl = 2.829.600 q Getreide. Deckung a) Zivil 29.120 Waggons Getreide b) Heer 26.784 _ zusammen 55.904 Waggons Getreide II. Futtergetreide Waggons a) Erfordernis 67.600 Heeresbedarf: 1. Bisheriges Erfordernis auf Grund einer täglichen Haferportion 7.800 von 3V2 kg pro Pferd für 169 Tage zu 400 Waggons .... 1.500 2. Mehrerfordernis zur Wiederherstellung der täglichen Hafer¬ 76.900 portion von 4 kg . 3. Schweinefütterung der Heeresverwaltung für 25.000 Schweine . zusammen b) Deckung 1. Kleie, 13% von 110.000(!)Waggons Getreide (80.000 aus Rumänien, 10.000 14.000 aus Österreich, 25.000 aus Ungarn). 20.000 2. Österreichische Lieferung. 4.700 3. Ungarische Lieferung . 3.180 4. Polen . zusammen 41.880 = 246 Waggons pro Tag. Somit sind aus Rumänien zu beschaffen 35.020 Waggons. III. Beschaffung aus Rumänien Schlepp Waggons, einschliesslich 1. März 15 Tage zu 500 Waggons.10 2. April 30 ,, ,, Bahnware 3. Mai 31 ,, ,, 700 ,, 14 4. Juni 30 ,, ,, 7.500 5. Juli 31 ,, ,, 800 ,, 16 21.000 24.800 800 .16 24.000 21.700 700 ,, 14 99.000 15./IIL--31./VIL 137 Tage.. 18.000 6. August 20 Tage zu 900 Waggons.18 117.000 15./III.--20./VIH. 157 Tage 480 <pb/> Gesamtbedarf aus Rumänien 1. Brotfrucht . 84.685 bezw. 90.555 2. Gemüseersatz . 9.000 ,, 9.000 3. Futtergetreide . 35.000 ,, 35.000 insgesamt 128.685 bezw. 134.555 Waggons Getreide. Tabelle 2. Ausweisl Bei der Besprechung in Berlin am 6. Jänner 1. J. wurde der Ausfall Ungarns ausgewiesen mit. 4,7 Mill. 1. Seitdem wurde neuerdings erspart: beim Konsum .0,3 Mill q 2. Durch neuerliche Requirierung von Gerste und Mais von dem verordnungsgemäss für Viehfutter bei Landwirten zurückge¬ lassenen Vorräten .1,8 Mill q 3. Laut Ausweis IV war Abgang an Weizen und Roggen 0,65 Durch die nachträgliche Requirierung davon noch eingeliefert 0,4 Mill q 2,5 Mill. 2.2 Mill. Ausfall 2,2 Mill. q Ausweis II Bedarf auf 4 Monate für den Zivilkonsum: 1. In Mehl. 1.496.132 q 4.496.132 q 2. Heeresbedarf bis 1. August . .. 2.400.000 ,, 3. Für Bosnien . 2.623.000 q 4. Für Siebenbürgen. 300.000 ,, 1.873.132 q 300.000 ,, 2.193.132 q Am 15. März 1. J. war der Vorrat in Mühlen, Trocken¬ anlagen und bei Produzenten an Weizen, Roggen, Gerste und Mais in Mehl umgerechnet. Ausfall . in Getreide umgerechnet Tabelle 3. Verteilung der rumänischen G e t r e i de i m p o r t e Zeitperiode Täglicher Täglicher Gesamter Monatsbedarf in q Bedarf des Bedarf Tagesbedarf dn Waggons 16./IIL--15./IV. Heeres in in Waggons 1,70 16./IV.-15./V. Waggons Österreichs 1,98 16./V.--15./VI. an fremdem 549 17.019 2,15 16./VL --15./VII. 324 Getreide in 661 19.830 2,40 16./VII.--20./VIII. 324 695 21.545 2,95 324 Waggons 797 23.910 11,18 324 818 29.448 324 225 337 zusammen 371 473 494 31 Komjäthy: Protokolle 481 <pb/> Original-Reinschrift. -- Die Einsichtnahme wurde nicht auf dem Mantelbogen, sondern auf der Präsenzliste bestätigt. Das Protokoll wurde von sämtlichen Teilneh¬ mern des Ministerrates unterzeichnet. Auf dem unterschriebenen Präsenzbogen oben mit Bleistift geschrieben: »Gesehen K(arl)«. (Handschrift des Herrschers.) Darunter Anmerkung eines Kanzleibeamten mit Bleistift: »Laxenburg, 25. April 1917.« In der rechten oberen Ecke mit Bleistift geschrieben: »f(ertig)«. Darunter ebenfalls mit Bleistift geschrieben die Nummer des Protokolls: »Nr. 534«. -- Auf dem letzten Blatt die Kenntnisnahme durch den Herrscher: »Laxenburg, am 25. April 1917.« Unter dem Text rechts die Unterschrift von Czernin, links die von Joannovics. -- Ebd. das maschinengeschriebene Konzept des Protokolls. Am Rubrum die Unterschrift Czernins, am Ende die von Joannovics. 24. Wien, 22. März 1917 Die Friedensziele der Monarchie. Was betrachtet Tisza als siegreichen Frieden? Deutschland muß die territoriale Integrität der Monarchie garantieren. Wie sollen die österreichischen und die ungarischen Annexionsbestrebungen in Einklang gebracht werden ? Bereits im gemeinsamen Ministerrat vom 12. Januar hatten sich die Konturen jener Politik abgezeichnet, welche es der Monarchie ermöglichen sollte, ihre Friedens¬ ziele gegenüber den Expansionsansprüchen Deutschlands, das die Hoffnung auf jeglichen Gebietszuwachs im Westen aufgeben mußte und sich nun im Osten entschädi¬ gen wollte, zu sichern, oder wie sie sich -- die nackte Wirklichkeit umgehend -- aus¬ drückten, mit den Ansprüchen Deutschlands in ein rechtes und billiges Verhältnis zu bringen. Gerade in den Tagen vor dem Kronrat hatte die deutsche Heeresleitung ihre Truppen in die vorbereitete Hindenburg-Linie zurückgenommen (in die sog. »Siegfried¬ stellung«). Diese Konferenz, die in einem der kritischsten Augenblicke des seinem Ende zusteuernden Habsburger-Reiches zusammengetreten war (fast zu derselben Stunde verhandelte Karls Schwager, Prinz Sixtus, über die Möglichkeiten eines Separatfriedens der Monarchie!) kam daher notgedrungen zu der Schlußfolgerung, die Monarchie müsse dem sich nach Polen ausbreitenden Deutschland ausweichen und sein Gebiet auf Kosten Serbiens, Montenegros und Rumäniens vergrößern. In ihren Darlegungen war diese Konferenz schärfer, entschiedener als der gemeinsame Ministerrat vom 7. Januar 1916, der zum erstenmal versucht hatte, die Kriegsziele Österreich-Ungarns zu definieren. Aus dem Vergleich des zur Debatte stehenden Materials, besonders aber der Reden Tiszas, der seine Ansichten am detailliertesten zum Ausdruck brachte, geht klar hervor, daß man den Verlust der Großmachtstellüng der Monarchie sehr wohl erkannt hatte, aber bestrebt war, diese Erkenntnis zu verschleiern. Protokoll des zu Wien am 22. März 1917 abgehaltenen Ministerrates für gemein¬ same Angelegenheiten, unter dem Allerhöchsten Vorsitze Seiner Majestät des Kaisers und Königs. K.Z. 23. - G.M.K.P.Z. 535. Gegenwärtige: der k.u.k. Minister des kaiserl. und königl. Hauses und des Äussern Graf Czernin, der kgl. ung. Ministerpräsident Graf Tisza, 482 <pb/>