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Gemeinsamer Ministerrat, 16. 10. 1916

    Durch Beistellung von 100 Waggons Kupfer zur Erzeugung von 300 Waggons
Kupfervitriol in den ungarischen Fabriken; durch Lieferung von 300 Waggons
Kupfervitriol aus Deutschland und durch den Bezug von 200 Waggons Kupfer¬
vitriol von den Aussiger Werken.

   Der k.u.k. Kriegsminister sagt eine den ungarischen Wünschen
entsprechende Regelung zu.

   Der Vorsitzende schliesst sohin die Sitzung um 1/2 9 Uhr abends.

            Original-Reinschrift. -- Der »zur Einsicht«-Mantelbogen des Protokolls fehlt.
         Auf dem letzten Blatt die Kenntnisnahme durch den Herrscher: »Wien, am 11. Novem¬
         ber 1916.« Unter dem Text rechts die Unterschrift Buriäns, links unten die von Joanno-
         vics. -- Ebd. das maschinengeschriebene Konzept des Protokolls mit mehreren, vom
         Protokollführer stammenden Korrekturen; das sichtlich vom Protokoll unabhängig
         angefertigte maschinengeschriebene Konzept der langen Ausführungen des gemeinsa¬
         men Finanzministers nachträglich hinzugefügt.

                                                                                                                18.

                                                                                Wien, 16. Oktober 1916

        Debatte über die Schwierigkeiten der Lebensmittelversorgung der Monarchie.
        Die Versorgungslage in Österreich und in Ungarn.

            Bereits im Ministerrat vom 9. September war der Gedanke aufgetaucht, sich zur
        Linderung des katastrophalen Getreidemangels in der Monarchie an Deutschland zu
        wenden. Nun wurde nach längerer Debatte ein entsprechender Beschluß gefaßt, der
        jedoch dem ungarischen Ministerpräsidenten mißfiel. Fast erfreut nahm er die Mittei¬
        lung zur Kenntnis, auch bei den Deutschen sei die Ernte nicht gut ausgefallen. Nicht
        ohne Grund befürchtete er nämlich, durch das Hilfeansuchen werde die ohnehin
        auf schwachen Füßen stehende wirtschaftliche, politische und militärische Selbständig¬
        keit der Monarchie weiter geschwächt werden, außerdem würden die Österreicher in
        die Versorgungsverhältnisse Einsichtnahme verlangen, was auch bereits auf dieser
        Konferenz eintrat. -- Zu der Frage übrigens, welche Ministerkonferenzen sich mit
         dieser Frage befaßten, siehe den Kommentar zum Protokoll vom 9. September 1916.

Protokoll des zu Wien am 16. Oktober 1916 abgehaltenen Ministerrates für gemein¬
same Angelegenheiten, unter dem Vorsitze des Ministers des k.u.k. Hauses und des
Äußern Baron Buriän.

   K.Z. - G.M.K.P.Z. 529.
   Gegenwärtige; der k.k. Ministerpräsident Karl Graf S t ü r g k h, der kgl. ung.
Ministerpräsident Stefan Graf T i s z a, der k.u.k. gemeinsame Finanzminister
Dr. Ernst von K o e r b e r, der k.u.k. Kriegsminister GO. Freiherr von Kro-
b a t i n, der k.k. Ackerbauminister Freiherr von Zenker, der k.k. Finanz¬
minister Ritter von L e t h, der k.k. Handelsminister Dr. von Spitzmüller,
der kgl. ung. Handelsminister Baron Harkänyi, der kgl. ung. Ackerbau¬
minister Baron G h i 11 ä n y, der kgl. ung. Finanzminister Dr. Teleszky, der
Leiter des k.k. Ministeriums des Innern Freiherr von Handel, der Vertreter
des k.u.k. Armeeoberkommandos Oberst des k.u.k. Generalstabskorps H ö f e r,
der Chef der Zentraltransportleitung Oberst K r e n n e i s.
   Protokollführer: Generalkonsul von Joannovics.
   Gegenstand: 1. Getreidefrage. 2. Kündigung der Handelsverträge.

410
<pb/>Monatsbedarf der Nichtselbstversorger in Österreich und Deckungsverhättnis nach Herkunft des Getreides.

In den Zeiträumen                                                            Auguit September ÖMobtr Nevember Detember JtUtner Februer Hart April Hai Juni

                                                                  (--13.Q00                                                                                          Gesamtbedarf

        wurden durch die                                                                                                                                    vom August 1915 bis Juni 1916
Kriejs-Getreide-VcrkehrsanstaH                                                                                                                              einschließlich Heereslieferungen

         dem Bedarfs der                                                                                                                                           (Brot- und Futtergetreide).
Nichtselbslversorger zügeführt

         Waggone Mahl

Rumänische Herkunft                                                                                                                                                    Zivilbedarf
Ungarische                                                                                                                                                  vom August 1915 bis Juni 1916.
Österreichische »
<pb/>                                     1. Getreidefrage

A) Die deutsche Aushilfe mit Brotgetreide

   Der Vorsitzende eröffnet um 11 Uhr vormittags die Sitzung, welche
sich rücksichtlich des I. Punktes der Tagesordnung als eine Fortsetzung des
gemeinsamen Ministerrates vom 9. v. M. darstellt, und erwähnt einleitend,
dass seine an die beiden Ministerpräsidenten in Angelegenheit der Getreide¬
versorgung gerichtete Note nicht in der Annahme geschehen sei, dass die beiden
Regierungen in der Zwischenzeit nicht alles vorgekehrt hätten, um eine einver-
nehmliche zweckmässige Lösung dieser überaus wichtigen Frage vorzubereiten,
sondern weil das Ministerium des Äussern durch das inzwischen aufgetretene
Moment der deutschen Beihilfe deutscherseits selbst gedrängt werde, die in Aus¬
sicht genommene Aussprache mit der kaiserlich deutschen Regierung je eher zu
ermöglichen. Die kaiserlich deutsche Regierung habe sich im Prinzipe zwar zu¬
vorkommend ausgesprochen, jedoch schon gelegentlich der ersten unverbindlichen
Fühlungnahme den Vorbehalt gemacht, dass die Möglichkeit auszuhelfen haupt¬
sächlich von dem Ergebnisse der Kartoffelernte abhängen werde. Dieses habe sich
nun als ein derart schlechtes gezeigt, dass es Deutschland ausserordentlich schwer
wäre, mit Brotgetreide auszuhelfen, was aus der den beiden Regierungen mitge¬
teilten letzten Notiz der deutschen Botschaft und auch aus mündlichen Äusserun¬
gen des Staatssekretärs des Äussern an den k.u.k. Geschäftsträger in Berlin her¬
vorgehe. Für die schliessliche Entscheidung der kaiserlich deutschen Regierung
spiele das deutsche Bedürfnis eine wichtige Rolle, einen klaren Überblick über die
Lage in den drei Staaten zu gewinnen. Es sei deutscherseits deshalb vorgeschlagen
worden, vorerst eine gemeinsame Besprechung über die Art der Erhebungen, über
die Grundlagen der Bedarfsberechnung und der Verbrauchsregelung in den drei
Staaten abzuhalten. Wenn dies auch nicht gerade erwünscht sei, so werde man sich
doch der Notwendigkeit nicht entziehen können, der deutschen Regierung einen
sehr klaren Einblick in die Verhältnisse in Österreich und in Ungarn zu geben,
ebenso wie man auch deutscherseits bereit sei, die Vertreter der beiden Regierun¬
gen über die deutschen Verhältnisse zu informieren.

   Der kgl. ung. Ministerpräsident gibt der Meinung Ausdruck, dass die
ganze Angelegenheit durch die letzte Notiz der deutschen Botschaft als erledigt zu
betrachten sein dürfte, nachdem die deutsche Regierung erkläre, infolge der unbe¬
friedigenden Ernte im Deutschen Reiche, nicht in der Lage zu sein, in der erwar¬
teten Weise auszuhelfen.

   Der Vorsitzende hält die deutsche Mitteilung nicht für eine absolute
Ablehnung. Deutschland habe sich ja auf den Standpunkt gestellt, dass die Ge¬
treidefrage als eine Angelegenheit der gemeinsamen Verteidigung zu behandeln sei.
Es könnte die deutsche Regierung daher nach ihrem eigenen Standpunkte und wenn
ihr nachgewiesen würde, dass die Lage in Österreich-Ungarn noch wesentlich
schlechter sei, als in Deutschland, vielleicht dazu gebracht werden, die Verbrauchs¬
regelung in Deutschland einer Revision zu unterziehen, um der Monarchie aus¬
helfen zu können.

                                                                                                               41 x
<pb/>  Auch der k.k. Ministerpräsident entnimmt der letztendeutschenNotiz,
dass man in Deutschland zwar zurückhaltender geworden sei, wahrscheinlich aus
taktischen Gründen, um die Hoffnungen auf eine sehr erhebliche Aushilfe der Lage
entsprechend herabzustimmen. Eine Aussprache mit der deutschen Regierung
sei aber unerlässlich. Sie müssen auf Grundlage der gegenseitigen Einsichtnahme
in die Verfügungen der drei Staaten bezüglich Erhebung, Verteilung und Ver¬
brauchsregelung erfolgen. Österreich-Ungarn habe den Vergleich mit der deutschen
Organisation durchaus nicht zu scheuen.

   Der k.k. Handelsminister bestätigt diesen Eindruck auf Grund seiner
mit dem Unterstaatssekretär Freiherrn von Stein bei dessen letzter Anwesenheit
in Wien gehabten Unterredung. Freiherr von Stein sei hiebei über die gewöhnliche
pflichtgemässe Courtoisie hinausgegangen und habe sich geäussert, es müsse eine
Gewähr dafür geschaffen werden, dass eine gleichmässige Bewirtschaftung der vor¬
handenen Vorräte eintrete, wobei er auf den Unterschied in den Kopfquoten
hingewiesen habe. Auch die kürzlichnach Berlin in anderer Angelegenheit entsende¬
ten Unterhändler des k.k. Handelsministeriums hätten berichtet, man sehe dort
ein, dass man dem Verbündeten aushelfen müsse.

   Man könne es sich demnach schwer vorstellen, dass die Verhandlungen ergeb¬
nislos verlaufen sollten, wenn auch nicht von der Hand zu weisen sei, dass es sich
nach den neuesten Mitteilungen um eine geringere Getreidemenge handeln werde,
als Freiherrn von Stein gegenüber erwähnt wurde.

   Der kgl. ung. Ministerpräsident erklärt, dass auch ihn die deutsche
Notiz überrascht habe. Er müsse es doch bezweifeln, ob es zweckmässig sei, auf
diese Mitteilung hin nach Berlin zu reisen. Die kgl. ung. Regierung sei gerne be¬
reit, in eine eingehende Besprechung mit der deutschen Regierung einzutreten,
jedoch unter der Voraussetzung, dass die Ernährungsverhältnisse in den drei
Staaten nicht allein vom Standpunkte des Verbrauches von Brotfrüchten, sondern
auch mit Rücksichtnahme auf die übrigen wichtigen Nahrungsmittel beurteilt
werden, in welchen Deutschland wesentlich günstiger gestellt sei, so wie unter der
weiteren Voraussetzung, dass es sich nicht bloss um eine Verhandlung über die zu
ergreifenden Massnahmen handle, sondern dass deutscherseits wirklich eine
Aushilfe mit Brotgetreide zugesagt werde. Ungarischerseits könnte der Ent¬
sendung von Delegierten nach Berlin also nur dann zugestimmt werden, wenn
über die Bedeutung der letzten deutschen Notiz Klarheit geschaffen und Gewiss¬
heit darüber erlangt würde, dass die deutsche Regierung für den Fall der ausge¬
wiesenen Notwendigkeit auszuhelfen bereit sei.

   Der Vorsitzende glaubt, dass dem Bedenken der kgl. ung. Regierung
ohne weiteres durch eine entsprechende Stilisierung der an die deutsche Botschaft
zu richtenden Antwortnote Rechnung getragen werden könnte. Aus der Einsicht¬
nahme in die Verhältnisse der Monarchie werde sich für Deutschland Gelegen¬
heit bieten, die Sache richtig zu beurteilen. Es werde in der Antwort die berechtigte
Erwartung auf die deutsche Aushilfe und die Bereitwilligkeit zum Ausdrucke
gebracht werden, die Verhandlungen aufzunehmen, in der Voraussetzung, dass
Deutschland auszuhelfen grundsätzlich bereit sei. Der Notenentwurf werde den
beiden Ministerpräsidenten vor Absendung im Einsichtswege mitgeteilt werden.

 412
<pb/>Die beiden Ministerpräsidenten erklären sich mit dieser Vor¬
gangsweise einverstanden, der kgl. ung. Ministerpräsident jedoch mit dem Vorbe¬
halte, dass die Richtigkeit obiger Voraussetzung deutscherseits anerkannt werde,
bevor unsere Vertreter thatsächlich entsendet werden.&quot;

B) Deckung des Bedarfes an Brotgetreide in den
beiden Staaten der Monarchie

   Der k.k. Ministerpräsident gibt der Meinung Ausdruck, dass eine
Zusammenfassung des in der Monarchie für den inneren Bedarf und für den Bedarf
der Heeresverwaltung sich ergebenden Fehlbetrages im Wege einer Pauschalbe¬
rechnung kein richtiges Bild der Lage gebe und nicht zum Ziele führen könne, weil
auf diesem Wege nicht jener Lage Rechnung getragen werde, die sich staatsrecht¬
lich und faktisch ergebe: Österreich und Ungarn stellen in der Frage der Getreide¬
versorgung infolge der von den beiden Regierungen ergriffenen Kriegsmassnahmen
kein einheitliches Wirtschaftsgebiet dar; die beiden Staaten besitzen nicht die
gleichen Einrichtungen und befinden sich auch rücksichtlich der Produktion und
der Konsumverhältnisse in einer verschiedenen Lage. Es sei daher erforderlich,
die Lage nach den Verhältnissen in jedem der beiden Staaten der Monarchie
getrennt darzulegen. Für Österreich werde sich hieraus ergeben, wie weit die Mög¬
lichkeit der eigenen Versorgung reiche, beziehungsweise dass eine Beteihgung
Österreichs an Lieferungen für das Heer nicht im Bereiche der Möglichkeit
liege.

   Der k.k. Ackerbauminister führt hiezu des Näheren aus, dass die im
gemeinsamen Ministerrate vom 9. September 1. J. vorgebrachten Ziffern auf
Schätzungen der Ernteberichterstatter, beziehungsweise der statistischen Organi¬
sation der Kriegsgetreideverkehrsanstalt pro August beruhten. Nunmehr liegen die
bereits auf Schätzungen des Druschergebnisses beruhenden Angaben pro Septem¬
ber vor, welche für Weizen und Roggen eine weitere wenn auch geringere Verrin¬
gerung der Erträge erkennen lassen, während in Gerste und Hafer eine Verbesse¬
rung eingetreten ist. Gegenüber dem Vorjahre ergebe sich ein Minderertrag bei
Weizen von 1.8 q, bei Roggen von 1.5 q pro ha, während die Besserung bei Gerste
 1.7 q, bei Hafer 3 q pro ha betrage.

   Die auf den August-Schätzungen beruhenden Daten seien inzwischen auf Grund
der ungarischerseits in der Sitzung vom 9. September gemachtenBemerkungen einer
Umarbeitung unterzogen worden. Hiedurch sei man zu dem Ergebnisse gelangt,
dass in Weizen und Roggen abzüglich des Saatgutes und Hintergetreides ein Vor¬
rat von 18.5 Millionen q resultiere gegenüber einem Erfordernis von 29 Millionen q
unter Zugrundlegung der dermalen geltenden Kopfquote von 300 Gramm für
 Schwerarbeiter, 240 Gramm für Selbstversorger und 200 Gramm für die

    a) Der mit »der kgl. ung. Ministerpräsident« beginnende und mit »entsendet werden«
 schließende Teil wurde von Tisza nachträglich eingefügt.

                                                                                                                4G
<pb/>übrige Bevölkerung. Das Defizit an Brotfrucht betrage demnach 10.5 Mil¬
lionen q.

   Zu seiner Deckung soll in erster Linie die Gerste herangezogen werden, von
welcher ein Ertrag von 11 Millionen q erwartet werde. Nach Abzug des Saatgutes
und der der Landwirtschaft zur Verfütterung zu überlassenden Menge erübrige
zum Aufkauf eine Menge von 7.25 Millionen q. Für die Futtermittelzentrale und
für industrielle Verwendung seien hievon mit Einrechnung des Aufbringungsman¬
kos 3 Millionen q in Abzug zu bringen; somit verbleiben zur Verwendung an Brot¬
getreide 4.25 Millionen q Gerste oder in Weizen umgerechnet 3.83 Millionen q.
Mit Hinzurechnung der von Ungarn erwarteten 2 Millionen q Gerste ergebe sich
eine Gesamtmenge von Gerste zur Vermahlung für Brot von 6.25 Millionen q =
4.75 Milhonen q Weizen wodurch sich das Defizit an Brotgetreide von 10.5
Millionen q auf 5.75 Millionen q reduziere. Nachdem ungarischerseits jedoch
erklärt worden sei, dass die 2 Millionen q Gerste nicht geliefert werden könnten,
so sei Manko entsprechend grösser. Hiezu sei noch in Rechnung zu stellen, dass die
Selbstversorger ihren Bedarf bis August 1917 gedeckt haben müssten.

   Mit Hilfe der von Ungarn täglich zu liefernden 30 Waggons Mehl könnte also
Österreich bestenfalls bis anfangs Mai das Auskommen finden. Für die Deckung
des Heeresbedarfes komme Österreich nicht in Betracht, da es selbst auf
Zuschübe angewiesen sei.

   In zweiter Linie sei die Vermahlung von Hafer ins Auge gefasst worden, auf
welchem Wege möglicherweise 3.7 Millionen q Hafermehl gewonnen werden könn¬
ten, so dass bei fortdauernder Lieferung jener 30 Waggons aus Ungarn sich das
Defizit auf rund 2 Millionen q belaufen würde.

   Der Leiter des k. k. Ministeriums des Innern bemerkt
hiezu, dass die vorangeführten Daten nur rechnungsmässig zu verstehen seien.
Tatsächlich werde die Stockung in der Versorgung viel früher eintreten, wahr-
scheinüch schon im Jänner oder Februar, weil sich die Verteilung in Wirklichkeit
nicht so vollziehe, wie es am Papier berechnet worden sei. Hiezu komme noch zu
erwägen, dass im Falle der Rückeroberung von Teilen der heute vom Feinde
besetzten Gebiete Gahziens und der Bukowina auch für die dortige Bevölkerung
werde gesorgt werden müssen, die insgesamt mit etwa 3 Millionen Menschen ein¬
zuschätzen sei.

   Der k.k. Ministerpräsident ergänzt die vorstehenden Ausführungen
mit dem Hinweise auf den Umstand, dass die Berechnung strenge nach der Kopf¬
quote durchgeführt worden sei und die Aufbringung mit den schärfsten Mitteln
sogar bis zur Hausdurchsuchung erfolge, was bei der Bevölkerung schon lebhafte
Missstimmung erweckt habe. Besondere Schwierigkeiten ergeben sich in der Ver¬
sorgung der Steiermark und der südlichen Kronländer aus Böhmen und Mähren,
weil diese Länder bisher auf den Bezug aus Ungarn angewiesen waren, ferner in
der Versorgung von Wien. Eine Berechnung der ungarischen Versorgung aufGrund
der österreichischen Kopfquote ergebe eine Differenz von mehr als 7 Millionen q
gegenüber dem Verbrauch nach der ungarischen Kopfquote. Mais könnte auch in
Ungarn in höherem Masse zur Streckung für Brotfrucht herangezogen werden, was
in Österreich infolge des Mangels von Mais überhaupt nicht möglich sei. Die

414
<pb/>Lage in Österreich sei daher eine überaus bedrohliche und eine in so hohem Masse
passive, dass diese Passivität schon jetzt, in ihrer Gesamtwirkung aber in nicht allzu
ferner Zeit zu Tage treten werde.

 Es sei unmöglich, aus dieser Lage einen Ausweg zu finden, wenn man sich nicht
auf folgenden Standpunkt stelle: Abgesehen von Futtergetreide sei österreichi-
scherseits eine Lieferung von Getreide an die Heeresverwaltung nicht möglich. Zur
Deckung des eigenen inneren Bedarfes sei für Österreich ein Zuschub erforderlich,
welcher in genügendem Ausmasse nur dann werde erfolgen können, wenn man sich
in Ungarn auf jene Lage einrichte, in der sich die Monarchie im ganzen befindet.
Es sei nicht möglich, in Ungarn eine umso vieles (!) höhere Kopfquote aufrecht
zu belassen.

   Der kgl. ung. Ministerpräsident&#39; erwidert, dass ungarischseits die
Kopfquote herabgesetzt worden sei und die äusserste Grenze darstelle, bis zu wel¬
cher man gehen könne. Schon jetzt zeigen sich die Folgen in der Unterernährung
der Bevölkerung und der grossen Sterblichkeit insbesondere der Kinder.

   Der k.k. Ministerpräsident entgegnet, dass aus der Darlegung der Ver¬
hältnisse in Österreich die eine Folgerung sich jedenfalls ergebe, dass Österreich
nicht in der Lage sei, sich an den Lieferungen von Brot und Mehl für die Heeres¬
verwaltung zu beteihgen. Wenn man dies als feststehend annehme, so ergebe sich
noch ein ungedecktes Defizit für die Zivilbevölkerung. Dieses müsste durch Lie¬
ferungen aus Deutschland hereingebracht werden; doch könne auch von dieser
Seite nicht viel erwartet werden. Es wäre also zu prüfen, ob von ungarischer Seite
nicht mehr, als die 30 Waggons täglich geliefert werden könnten. Ausserdem
kämen noch die Ressourcen aus den besetzten Gebieten in Betracht. Wenn diese
nur in der Art herangezogen werden, dass durch sie das Heereskontingent herab¬
gesetzt wird, so habe Österreich nichts davon, weil es ja nichts für den Heeresbe¬
darf liefere. Nur eine solche Leistung aus den besetzten Gebieten, welche dem
Konsum im Hinterlande direkt zugute käme, könne in Rechnung gestellt werden.

   Der kgl. ung. Ministerpräsident bemerkt, dass die österreichischer-
seits vorgelegte Berechnung des Ernteergebnisses gegenüber der ungarischen auf
der Druschstatistik beruhenden Berechnung doch auf einer sehr labilen Grundlage
aufgebaut sei, da sie sich nur auf Schätzungen stütze. Es liege in der menschhchen
Natur, dass man dem Ergebnisse der letzten Wirtschaftsjahre und bei den trauri¬
gen Verhältnissen der heurigen Ernte jedermann, das Bedürfnis fühle, in seinen
Schätzungen möglichst pessimistisch zu sein. Dies sei das Interesse des Einzelnen
und selbst der Landesbehörden. Man könne daher nicht umhin zu hoffen, dass das
wirkliche Ergebnis doch ein besseres sei, als die Schätzungen. Ferner sei zu prüfen,
ob, sowohl was Brotfrucht als auch insbesondere Kartoffel anbelange, auf Rech¬
nung Galiziens nicht doch zu viel in Abrechnung gebracht worden sei. Es sei ja
nur die kleinere Hälfte Ost-Galiziens in den Händen des Feindes.

   In Ungarn haben die Druschergebnisse bis Ende September einen Ertrag von
26.6 Millionen q bei Weizen, 6.8 Millionen q bei Roggen und 7.2 Millionen q bei
Gerste ergeben. Der Drusch gehe nun zu Ende und es dürfte kaum mehr als 1 Mil¬
lion q in allen Getreidearten zusammen noch ausstehen. Das Endergebnis werde
also etwas schwächer, als in der Sitzung vom 9. September angegeben wurde, aus-

                                                                                                                             4i5
<pb/>fallen, doch sei dieser Ausfall nicht wesentlich so dass die damals angegebenen Zif¬
fern als Grundlage beibehalten werden können, das sind 38 Millionen q an Brot¬
getreide (Weizen und Roggen). Nach Abzug der in Siebenbürgen verloren gegan¬
genen 1.46 Milhonen q, und des 5%igen Ausfalles wegen Zusatzkörner und
Schwundc verbleiben 34.8 Millionen q. Hievon entfallen auf Saatgut 7.5 Millio¬
nen q, dann für die Ernährung der Produzenten einschliesslich des Mahllohnes und
unter Zugrundelegung einer Kopfquote von 400 Gramm für den Schwerarbei¬
ter und von 300 Gramm für die Übrigen: 18.7 Millionen q. Somit verbleiben für
andere Ernährungszwecke 8.6 Milhonen q.

   Diese Summe sei wie nachstehend angegebennoch zuberichtigen: Bei einemTeile
der Landbevölkerung bestehe ein Defizit, welches wieder bei anderen Landwir¬
ten, die eine bessere Ernte hatten, durch einen Überschuss gedeckt sei. Dieses
Defizit könne mit 3.4 Millionen q angenommen werden, so dass bei den Landwir¬
ten, die einen Überschuss haben, im ganzen 12 Mihionen q vorhanden sein müs¬
sen. Von diesen 12 Millionen q seien von der Kriegsproduktengeseilschaft bisher
7 Millionen q aufgekauft worden; die übrigen 5 Milhonen q aber seien bis heute
gar nicht zum Vorschein gekommen. Es dürfte schon ziemhch viel nach Öster¬
reich geschmuggelt worden sein, ein anderer Teil dürfte noch bei den Produzenten
versteckt hegen, was sich im Wege der Requisitionen ergeben werde. Im besten
Fähe könnte aber nur noch auf eine Aufbringung von etwa 3 Milhonen q gerechnet
werden. Von den gekauften Vorräten besitze die Kriegsproduktengeseilschaft heute
noch 2.8 Milhonen q. Hiezu komme der Mahllohn von 10 % auf die oben berechne¬
ten 18.7 Millionen q für die Ernährung der Produzenten nach Abzug des Defizits
von 3.4 Millionen q = 1.5 Millionen q. Diese Posten zusammen ergeben eine
aufbringbare Menge von 7.3 Milhonen q.

   Hiezu sei nun noch Gerste und Mais gerechnet. Von der Gersteernte sei der
Landwirtschaft ein Viertel für Futterzwecke, dann das Saatgut belassen, worden
endhch das allernotwendigste Minimum für die Brauindustrie und Rohgersteer-
zeugung reserviert worden, woraus sich für Brotzwecke eine Menge von 3 Milho¬
nen q Gerste = 2.7 Milhonen q Weizen ergebe.

   Die Maisernte habe leider ganz versagt. Der ganze wirtschaftliche Bedarf für
Futterzwecke konzentrierte sich auf Mais, weil Hafer und Gerste für andere
Zwecke verwendet werden müssen. Die Maisernte ergebe bloss 19 Milhonen q
gegenüber einem normalen Durchschnittsertrage von rund 50 Milhonen q. Mit
grösster Strenge seien daher für Brotzwecke nur etwa 2.4 Milhonen q Mais aufzu¬
bringen.

   Dies zusammen genommen ergebe einen Gesamtvorrat von 12.4 Milhonen q für
Brotzwecke. Dem gegenüber stelle sich der Bedarf wie folgt: Für die Landbevöl¬
kerung 3.4 Milhonen q, für die übrige Bevölkerung 6.6 Milhonen q, somit zusam¬
men 10 Milhonen q. Hievon seien bisher gedeckt worden 1.63 Milhonen q, so
dass noch 8.37 Milhonen q zu decken sind. Die kgl. ungarische Regierung stehe

    b) Von 3,2 von Tisza auf 1,4 verbessert.
    c) »und des 5%igen Ausfalles wegen Zusatzkörner und Schwund« von Tisza nachträglich
in die Reinschrift des Protokolls eingefügt.
<pb/>auf dem Standpunkte, dass die beste Form, in welcher Österreich geholfen werden
könnte, die sei, dass Ungarn die Deckung des Heeresbedarfes auf sich nehme,
insoweit sie nicht aus den besetzten Gebieten erfolgen könne. Der Bedarf sei in der
Sitzung vom 9. September mit 8.4 Millionen q Getreide bemessen worden, wobei
alles, was in den eroberten Gebieten aufgebracht werden kann, an die Heeres¬
verwaltung zu liefern sein werde. Von diesen 8.4 Millionen q seien bisher 2.07
Millionen q abgeliefert worden, so dass noch ein Rest von 6.33 Millionen q zu
liefern sein werde. Endlich müssten für Bosnien und die Herzegowina 0.6 Millio¬
nen q reserviert werden. Dies ergebe einen Gesamtbedarf von 15.3 Millionen q, wo¬
von 12.4 Millionen q gedeckt seien.

   Aus Deutschland dürfte kaum viel hereinzubekommen sein. Dagegen müssten
für den Fall des Einmarsches in Rumänien dort noch erhebliche Mengen Getreide
zu finden sein. Es sei daher vielleicht die Hilfe Deutschlands am besten in seinem
Verzichte auf die rumänische Beute zu suchen. Jedenfalls werde die Heeresver¬
waltung ersucht werden müssen, für Österreich-Ungarn aus Rumänien so viel als
möglich zu retten.

   Sollte von keiner Seite etwas herbeigeschafft werden können, so bleibe nichts
anderes übrig, als das Defizit von 2.9 Millionen q beim eigenen Konsum herein¬
zubringen. Dies seien allerdings 32 % des gesamten inneren Konsums. Dadurch,
dass von Fall zu Fall in einzelnen Gegenden ein Manko gegenüber dem Tagesbe¬
darf entstehe und die Möglichkeit fehlen werde, den Konsum überall regelmässig
zu versorgen, werde ein Teil des Defizits auf diese Weise automatisch hereinge¬
bracht.

  Nach dieser Berechnung lasse sich die Aushilfe, die Ungarn leiste, wie folgt
feststellen: An Bosnien und die Herzegowina 0.6 Millionen q, an Österreich ein¬
schliesslich der nach Konstantinopel noch abgehenden Transporte 0.55 Milho¬
nen q, ferner jener Teil des Heeresbedarfes, welcher auf die österreichische Bevölke¬
rungsziffer entfalle, das sind 58 % von 8.4 Millionen q = 4.87 Millionen q. Ohne
Bosnien und die Herzegowina einzurechnen, liefere Ungarn somit an Österreich
5.4 Millionen q Brotfrucht an Stelle der vorschussweise bewilligten 1 Millio¬
nen q Weizen und 2 Millionen q Gerste.

   Der kgl. ung. Ackerbauminister erklärt hiezu, dass diese Leistung, um
sie überhaupt zu ermöglichen, an die nachstehenden Bedingungen geknüpft werden
müsse:

   1. Dass alle militärischen Sendungen nur mit Transportzertifikaten erfolgen
dürfen;

   2. Dass für die Kriegsgefangenenlager und Kadres gestattet werde, auf Rech¬
nung des Brotfruchtkontingentes auch Kartoffelmehl zu hefern;

   3. Dass die eventuellen Ersparnisse bei der Armee Ungarn überlassen werden;

  4. Dass alle Requisitionen im Hinterlande durch Mihtärkommanden zu unter¬
bleiben haben;

   5. Dass die von den operierenden Truppen in Siebenbürgen in Anspruch genom¬
menen Mengen in das Kontingent eingerechnet werden.

27 Komjäthy: Protokolle  417
<pb/>   Zur Frage der Beschaffungsmöglichkeit von Getreide aus Rumänien für den
Fall des Einmarsches erklärt der Vertreter des Armeeoberkom¬
mandos, dass sich dieses mit der Frage schon befasst und eine Organisation
nach dem Muster der Ostwesttransporte entworfen habe. Es sei beabsichtigt, einen
Wirtschaftsausschuss zu errichten, das Land in Rayons einzuteilen, wo das Getreide
in Sammelstationen überführt wird, um dann raschestens abtransportiert zu
werden. Die Teilung mit Deutschland soll im Verhältnis von 1 : 1 erfolgen, wie
dies schon bei den rumänischen Bezügen im Frieden der Fall war. Die deutsche
Oberste Heeresleitung habe diesen Antrag jedoch mit der Begründung abgelehnt,
dass diese Frage alle Verbündeten interessiere und unter Leitung eines deutschen
Generals durch eine gemischte Kommission geregelt werden soll, an welcher
auch das Armeeoberkommando beteiligt sein werde. Dieses habe jedoch das
Ansinnen der deutschen Obersten Heeresleitung auch seinerseits abgelehnt und
stehe auf dem Standpunkte, dass, falls Deutschland auf seiner Forderung beharre,
die Durchfuhr dahin unmöglich gemacht werde.

   Der k.k. Ackerbauminister bemerkt zur ungarischen Berechnung,
dass, wenn die eine Million q ungarisches Mehl, das sind die täglich zu liefernden
30 Waggons, als mit den zu liefernden 5.4 Millionen q abgestattet in Rechnung
gestellt werden, das österreichische Defizit sich um die noch nicht gelieferte etwa
eine 1/2 Million q erhöhe, da die erwähnten täglichen Lieferungen in die Be¬
rechnung des österreichischen Vorrates als Aktivpost eingestellt worden seien.
Bezüglich Galiziens sei zu bemerken, dass Westgalizien in die Berechnung einbe¬
zogen worden sei, nur Ostgahzien nicht.

   Der kgl. ung. Ministerpräsident ersucht noch um näheren Auf¬
schluss über Ostgalizien, da in den Berechnungen der Heeresverwaltung der Über¬
schuss fehle, welcher im Bereiche der operierenden Armee im Wege von Requisi¬
tionen beschafft werde. Ferner müsste die Bevölkerung Galiziens, insoweit das
Land nicht als Produktionsgebiet in Rechnung gestellt worden sei, gleichfalls
abgerechnet werden.

   Der Vertreter des Armeeoberkommandos gibt zum ersten
Punkte die Aufklärung, dass der Bedarf, der im Armeebereiche gedeckt werde,
immer gemeldet und von dem Kontingente, welches das Hinterland zu liefern
habe, in Abrechnung gestellt werde. Zum zweiten Punkte erwidert der Leiter des
k.k. Ministeriums des Innern, dass die Bevölkerung der vom Kriege
berührten Teile Gahziens nicht abgerechnet werden könne, weil sie zum grössten
Teile in das Hinterland abgeschoben worden sei. Es seien mehr als 1 Million
Flüchtlinge zu ernähren.

   Nachdem der kgl. ung. Ministerpräsident über Anfrage des k.k.
Ministerpräsidenten bezüglich der ungarischerseits auf Rechnung der späteren
Lieferungen vorschussweise zur Lieferung übernommenen 1 Million q =
30 Waggon Mehl täglich für Wien und 20 Waggon für Konstantinopel, sowie der
2 Millionen q Gerste erklärt hatte, dass diese Lieferungen nur insoweit fortgesetzt
werden könnten, als sie bereits abdisponiert sind, weil die ungarische Regierung
die gesamten Lieferungen an die Heeresverwaltung übernommen habe, welche
wesentlich mehr betragen, als die vorerwähnten Vorschüsse an Österreich, erklärt
<pb/>der k.k. Ministerpräsident, dass das Ausbleiben dieser täglichen Mehl¬
lieferung für Wien eine Katastrophe für die allernächste Zeit bedeuten würde.
Er stelle daher die dringendste Bitte an die kgl. ung. Regierung, diese Lieferung
nicht abzubrechen und vielleicht in der Form in Aussicht zu nehmen, dass sie
einen Vorschuss auf eine künftige Leistung bilden solle, die auf Grund weiterer
Verhandlungen erfolgen könnte, wenn durch ein dazwischentretendes Ereignis eine
Änderung zum Besseren sich ergeben würde, sei es dass das Ernteergebnis sich gegen¬
über den Schätzungen doch als besser erweisen werde, wie dies ja im vorigen Jahre
auch der Fall gewesen sei, sei es dass bei den Verhandlungen mit Deutschland eine
genügende Aushilfe erreicht werden sollte, sei es endlich dass aus Rumänien
Zufuhren ermöglicht würden.

   Der kgl. ung. Ministerpräsident verweist darauf, dass die Lieferung
von 30 Waggons Mehl täglich, soweit sie bereits abdisponiert seien, noch einige
Zeit laufen werde, die Gefahr für Wien demnach keinen akuten Charakter habe.
In der Zwischenzeit müsste die österreichische Regierung doch unbedingt in die
Lage kommen, gegen diesen Notstand aus der eigenen Ernte in irgend einer Weise
Abhilfe zu schaffen.

   Es ergibt sich somit Einvernehmen darüber, dass die Lieferungen an Brotfrucht
für die Heeresverwaltung bis zum Ausmasse von 8.4 Millionen q Getreide von
Ungarn unter den vom kgl. ung. Ackerbauminister oben formulierten Bedingun¬
gen übernommen werden, dass Österreich demnach zu den Heereslieferungen
nichts beizutragen habe und dass infolgedessen auch in Österreich mihtärische
Requisitionen unbedingt zu unterbleiben haben.

QDeckungdesHeeresbedarfes

   Der k.u.k. Kriegsminister erklärt, dass die der Heeresverwaltung
zuerkannte Quote von 8.4 Millionen q bei dem derzeitigen. Verpflegsstande der
Armee für ihre Verpflegung nicht hinreiche. Ende August habe der Verpflegsstand
betragen:

                            2.191.000 Mann bei der Armee im Felde,
                            1.637.000 Mann im Hinterlande,

                            3.828.000 Mann zusammen.
   Dazu kommen: 900.000 Kriegsgefangene.
   Im September stelle sich der Verpflegsstand auf:

                              3.295.000 Mann bei der Armee im Felde,
                              1.991.000 Mann im Hinterlande,

                              5.286.000 Mann zusammen.

   Dazu kommen 1.147.000 Kriegsgefangene, von welchen allerdings bloss 495.000
in den Lagern in Heeresverpflegung stehen, während die übrigen im Lande ver¬
teilt sind.

     27* 4X9
<pb/>   Der Bedarf ergebe sich aus folgender Aufstellung auf Grund der bereits verfüg¬
ten Ermässigung der täglichen Gebühr.
Diese beträgt:
550 Gramm bei den Kampftruppen einschliesslich Train und Arbeiterabteilungen,
das sind:
2.310.000 Mann =70% des Standes;
500 Gramm bei den anderen Truppen der Armee im Felde, das sind 990.000
Mann = 30 % des Standes;
500 Gramm bei den Truppen im Hinterlande, das sind 2,000.000 Mann; 200 Gramm
für die Kriegsgefangenen, das sind 1.2 Millionen Mann.

   Dies ergebe eine durchschnittliche tägliche Kopfquote von 462 Gramm Mehl
oder 170 kg Mehl pro Jahr und Mann, insgesamt einen Bedarf von rund 11 Mil¬
lionen q Mehl.

  Abgesehen von dem im vorstehenden berechneten Verpfiegsbedarf kommt noch
hinzu:
1. das bereits in Galizien befindliche türkische Korps mit etwa 35.000 Mann, zu
welchem voraussichtlich noch ein zweites Korps in der gleichen Stärke kommen
werde;
2. die Verpflegung der Zivilbevölkerung in Montenegro und Albanien mit einer
täglichen Kopfquote von 160 Gramm für etwa 200.000 Menschen;
3. die Verpflegung der aus Serbien allmählich einzuziehenden und im Hinterlande
zu internierenden etwa 50.000 waffenfähigen Männer;
4. die Verpflegung von 10.000 rumänischen Kriegsgefangenen, welche von Bul¬
garien an die Monarchie ausgeliefert werden sollen zum Zwecke allfälliger Retor-
sionsmassregeln in Vergeltung der schlechten Behandlung der in Rumänien inter¬
nierten Österreicher und Ungarn.

   Da nach den vorliegenden Erklärungen der beiden Regierungen mit der heute
geltenden Mehlgebühr das Auslangen keinesfalls werde gefunden werden können, so
ergebe sich die Notwendigkeit, eine weitere Herabsetzung der Rationen schon jetzt
zu verfügen. Bei den diesbezügüchen Berechnungen sei getrachtet worden, die
Kampftruppen möglichst zu schonen. Wenn daher von den oben erwähnten
Tagesquoten bei den Kampftruppen 20 Gramm, bei den Hinterlandsformationen
100 Gramm täglich in Abzug gebracht werden, so gelange man zu einem Gesamt-
bedarfe von 9.9 Millionen q Mehl. Es ergebe sich daher gegenüber den 8.4 Millio¬
nen q Getreide = 7 Millionen q Mehl, welche von Ungarn geliefert werden sol¬
len, ein Defizit von 2.9 Milhonen q Mehl = 3.4 Milüonen q Getreide, das aus den
besetzten Gebieten eventuell aus Rumänien, gedeckt werden müsste.

   Der kgl. ung. Ministerpräsident beantragt die Herabsetzung der
Kopfquote für die polnische Zivilbevölkerung, welche bei der Möglichkeit,
in Kartoffeln einen hinreichenden Ersatz für Brotfrucht zu finden, mit 300
Gramm für Selbstversorger und 200 Gramm für die übrige Bevölkerung wohl
zu hoch bemessen sein dürfte.

   Der Vertreter des Armeeoberkommandos hält diese Mass-
regel nicht für zweckmässig, weil man auf diesem Wege viel weniger herausbekom¬
men werde. Es wäre dies lediglich eine Ersparnis auf dem Papier, in der Praxis

420
<pb/>werde man das Getreide nicht herausbekommen können. Es würde jedenfalls eine

lebhafte Missstimmung in der Bevölkerung eintreten, welche nicht ohne pohtische

Rückwirkung bleiben könnte. Das Armeeoberkommando sei auf anderem Wege

bemüht, das Möglichste aus dem Lande herauszupressen, so auch durch

Gewährung von Prämien für Mehrlieferungen.
   Seitens der beiden Finanzminister wird unter Hinweis auf die

Schwierigkeiten der Verpflegung, die wesentliche Erhöhung der Kriegskosten und
den im Hinterlande entstehenden Arbeitermangel in diesem Zusammenhänge auf

die Notwendigkeit der Herabsetzung der Stände hingewiesen.
   Bezüglich der aus Ostgalizien herangezogenen Getreidemengen gibt der Ver¬

treter des Armeeoberkommandos die Aufklärung, dass, was auf¬
gebracht werde, monatlich angemeldet und von dem Kontingente aus der Mon¬

archie in Abzug gebracht werde. Die diesbezüglichen Meldungen kommen sowohl
dem Armeeoberkommando wie dem Kriegsministerium zu und die dadurch erzielte

Ersparnis werde zur Deckung des allgemeinen Defizits der Heeresverwaltung

herangezogen werden müssen.
   Es ergibt sich demnach die nachstehende abschliessende Berechnung des Heeres¬

bedarfes an Mehl und seiner Deckung:

ursprünglich angemeldeter Bedarf:     11 Millionen q

durch Herabsetzung der Kopfquote ermässigt um: 1.1 Millionen q

demnach herabgesetzter Bedarf:        9.9 Millionen q

von Ungarn übernommene Lieferung:     7.0 Millionen q

verbleibt ein Defizit von:            2.9 Millionen q,

welches von den besetzten Gebieten einschhesslich der aus Ostgalizien herangezo¬

genen Mengen zu decken ist.
  Auf Grund der beiliegenden Tabelle erklärt der Vertreter des Armee¬

oberkommandos, dass sich aus den besetzten Gebieten insgesamt 1.6 Mil¬

lionen q als Überschuss ergeben, welche man herauszubekommen hoffe, so dass

noch ein ungedecktes Defizit von 1.3 Millionen q Mehl verbleibe.
  Der kgl. ung. Ministerpräsident betont, dass da die beiden Regie¬

rungen durchaus nicht in der Lage seien, mehr abzugeben, dieses Defizit aus den
Überschüssen aus Ostgalizien und den etwa noch mehr aufzubringenden Mengen

in den besetzten Gebieten, ferner durch eine Herabsetzung der Stände gedeckt wer¬

den müsse, wobei ausdrücklich betont werden muss, dass nur die Vorräthe der jetzt
schon besetzten Gebiete für die Deckung des Heeresbedarfes in Betracht kommen
können, während das eventuell in Rumänien zu erbeutende Getreide und Mais zur
Ernährung der Civilbevölkerung beider&#39; Staaten der Monarchie zu verwenden

sein wird.d
  Der k.u.k. gemeinsame Finanzminister stellt die Approvi-

sionierungslage in Bosnien und der Herzegowina folgendermassen dar:
   Die in der gemeinsamen Ministerkonferenz vom 9. September 1. J. geschilderte

Approvisionierungslage Bosniens und der Herzegowina habe sich seither nicht

   d) Der mit »wobei ausdrücklich« beginnende und mit »sein wird« endende Teil wurde von
Tisza nachträglich in die Reinschrift des Protokolls eingefügt.

                                                                421
<pb/>gebessert, sondern eher insofern verschlechtert, als beinahe keine Aussicht vorhan¬
den sei, ausreichende Getreidezuschübe für die genannten Länder sicherzustellen.

   Der kgl. ung. Ackerbauminister habe nämlich in seiner Note vom 25. Septem¬
ber 1916, ZI. 88872/Pr., erklärt, dass er in Anbetracht der qualitativ und quanti¬
tativ schwachen Getreideernte Ungarns sowie des Umstandes, dass Ungarn im
laufenden Jahre zur Gänze den Heeresbedarf decken und ausserdem nicht unbe¬
deutende Mengen an Brotfrucht für die Zivilbevölkerung Österreichs und für die
Türkei abgeben müsse, nicht in der Lage sei, Brotfrucht für Bosnien und die
Herzegowina zu liefern, insolange mit der österreichischen Regierung hinsichtlich
der Beteiligungsquote an der Versorgung Bosniens und der Herzegowina keine end¬
gültige Vereinbarung zustande komme. Dies dürfte aber noch in weiter Ferne liegen.

   Die nunmehrige Erklärung des kgl. ung. Ministerpräsidenten, wonach die kgl.
ung. Regierung bereit sei, für die Approvisionierung Bosniens und der Herzego¬
wina 6000 Waggon zu reservieren, werde daher mit dem grössten Danke begrüsst.
Es wäre auch vom pohtischen Standpunkte sehr bedenklich, wenn keine Hilfe
geboten würde, um dem infolge der Missernte in Bosnien und der Herzegowina
drohenden Notstände wenigstens teilweise abzuhelfen. Die Bevölkerung dieser
Länder habe in diesem Kriege überaus beträchtliche Opfer an Gut und Blut ge¬
bracht, die bosnisch-herzegowinischen Truppen leisten nach dem Urteile kom¬
petenter militärischer Faktoren Hervorragendes an Tapferkeit und Ausdauer. Die
darbende Bevölkerung der ressourcenarmen Länder Bosnien und der Herzegowina
sei daher einer gewissen Rücksicht auch würdig. Diese Rücksicht wäre umso mehr
zu üben, nachdem selbst den okkupierten Gebieten Albaniens und Montenegros
das k.u.k. Armeeoberkommando mit Getreidezuschüben zu Hilfe komme.

   Das k.u.k. gemeinsame Finanzministerium habe daher auch nicht ermangelt,
an die genannte Stelle mit der Bitte heranzutreten, der bosnisch-herzegowinischen
Landesverwaltung entsprechende Maismengen aus den in Serbien zu gewärtigen¬
den Überschüssen gegen Bezahlung zu überlassen; die Entscheidung sei noch aus¬
ständig.Wohl aber sei mittlerweile einTelegramm des k.u.k. Armeeoberkommandos
eingelangt, worin dasselbe mitteilte, dass es dem Anträge des Landeschefs für
Bosnien und der Herzegowina, aus den Approvisionierungsvorräten der festen
Plätze in den genannten Ländern Lebensmittel bis zu einem Viertel für die Zivil¬
bevölkerung in Anspruch nehmen zu dürfen, keine Folge geben könne, da das
Armeeoberkommando für die Armee nur den unbedingt nötigen Bedarf im
knappsten Ausmasse von den beiden Regierungen erhalte, andererseits aber zu¬
gleich das Ansinnen erhebt, durch sofortige Verpflegszuschübe den Approvisionie-
rungsschwierigkeiten in Bosnien und der Herzegowina zu steuern.

   Es sei nicht klar, in welcher Weise diese Verpflegszuschübe zu bewerkstelligen
wären, nachdem aus dem Zollauslande für Bosnien und die Herzegowina Getreide
nicht erhältlich sei und der bosnisch-herzegowinischen Landesverwaltung Getrei¬
dereserven nicht zur Verfügung stehen.

   Die bosnisch-herzegowinische Landesverwaltung sei daher bemüssigt, der gege¬
benen Situation Rechnung zu tragen und habe zur Selbsthilfe gegriffen. Sie setzte
zunächst die zur Ernährung der hauptsächlich an Brotgenuss gewöhnten Landbe¬
völkerung nur notdürftig genügende Monatskopfquote von 10.5 kg auf 8 kg

422
<pb/>Getreide herab - die Monatskopfquote der Stadtbevölkerung per 7.2 kg Getreide
= 6 kg Mehl konnte nicht gut reduziert werden -- um den Fehlbedarf an Brot¬
frucht pro 1916/17 wenigstens einigermassen zu verringern. Aber selbst in der
Voraussetzung der beinahe unmöglichen restlosen Erfassung der nach Abzug des
Saatgutbedarfes voraussichtlich verbleibenden Vorräte von insgesamt 1,477.409 q
in allen Arten Brotfrucht werde sich noch immer ein Abgang ergeben, zumal auch
die begonnenen Requirierungen schon jetzt Schwierigkeiten zeigen, denen nicht
immer abgeholfen werden könne, und insbesondere die Resultate hinter den

Erwartungen Zurückbleiben.
   Um daher dem drohenden Notstände nur halbwegs vorzubeugen, werde die

bosnisch-herzegowinische Landesverwaltung auf die Hafervorräte greifen, sowie
die Landbevölkerung zur Fleischnahrung an zwei Tagen der Woche verhalten
müssen, um auf diese Weise die Kopfquote noch um 1 - 2 kg zu verringern. Diese
Aktion werde aber nicht unbedeutende finanzielle Opfer erfordern, da zur Erzeu¬
gung von Dauer-(Selch-Rauch-) Ware aus dem anzukaufenden überschüssigen
Kleinvieh, welche an die ärmere Bevölkerung unentgeltlich oder unter den Ge¬
stehungskosten abgegeben werden soll, die im Lande vorhandenen Selchereien

tunlichst vergrössert werden müssen. &amp;

    Da die Deckung dieser Kosten budgetmässig nicht aufgebracht werden könne,
 erübrigt nur, aus dem durch die bosnisch-herzegowinische Landesverwaltung zen-
 trafisierten Verkaufe der bosnischen Pflaumenprodukte und des sonstigen Dörrob¬
 stes einen höheren Gewinn zu erzielen, als ursprünglich für die Zwecke des wirt-
 schafthchen Wiederaufbaues der vom Feinde devastierten Gebiete in Aussicht
 genommen war. Der Preis von 220 Kronen per Meterzentner Dörrpflaumen, zu
 dem die bosnisch-herzegowinische Landesverwaltung diese nach Österreich-
 Ungarn zu verkaufen gedenke, entspreche übrigens den Ernteergebnissen, sowie
 der heutigen Marktlage, wie diese in der Note vom 30. September 1916, ZI.
 13.373/B.H., an die beiden Herren Ministerpräsidenten eingehend dargelegt wor¬

 den sei.
    Der Vollständigkeit halber sei noch Nachstehendes zu erwähnen.
    In der Note vom 21. September 1916, ZI. 12.095/B.H., sei an den Herrn kgl.

 ung. Ministerpräsidenten die Bitte gestellt worden, zu veranlassen, dass zum min¬
 desten die nach dem seinerzeit für das Wirtschaftsjahr 1915/16 zugebilligten Kon¬
 tingente von 6000 Waggons Getreide, welches durch rumänische Importe zu decken
 war, noch aushaftenden 189 Waggons je eher angeliefert werden. Diese Bitte werde
 hiemit wiederholt und insbesondere mit der im allgemeinen, daher sicher auch im
 Interesse Ungarns sehr wichtigen Mehlversorgung des bosnisch-herzegowinischen
  Eisenbahnpersonals begründet. Das k.u.k. gemeinsame Finanzministerium habe sich
 in dieser Hinsicht auch an den Herrn kgl. ungarischen Ackerbauminister gewendet
  und müsse den grössten Wert aufeine günstige Erledigung seines Einschreitens legen.

     Mit dem kgl. ungarischen Ackerbauministerium sei mit Note vom 6. Oktober
  1916, ZI. 13.349/B.H., auch in Verhandlung wegen Beschaffung von 800 Waggons
  Kartoffeln aus Ungarn eingetreten worden, welche aber durch gleiche Mengen
  Kartoffel aus Russisch-Polen refundiert werden sollen, sowie wegen Sicherstellung
  eines weiteren Kontingentes von 600 Waggon Kartoffeln ungarischer Provenienz

                                                                                                                                423
<pb/> ohne Refundierung. Es brauche nicht besonders betont zu werden, wie wertvoll die
 Beschaffung dieser Kartoffelkontingente für die Approvisionierung Bosniens und
 der Herzegowina wäre.

    Zum Schlüsse müsse noch auf Folgendes hingewiesen werden:
    Bei der Organisierung der Getreidebeschaffung aus dem Zollauslande blieben von
 allem Anfang an Bosnien und Herzegowina unberücksichtigt. Die Getreidebe¬
 schaffung lag in den Händen der beiden Kriegsgesellschaften und war der bosnisch-
 herzegowinischen Landesverwaltung von vornherein jede Möglichkeit benommen,
 Getreide in den beiden Staaten der Monarchie oder im Zollauslande im eigenen
 Wirkungskreise einzukaufen. Sie war schliesslich auf das ihr von den beiden
 Regierungen zugestandene Kontingent von 6000 Waggons Getreide aus Rumänien
 angewiesen, welches ihr aber, wie früher bemerkt, auch nicht restlos angeliefert
 wurde. Hätte jedoch, wenn sie nicht an die Kriegsgetreidegesellschaften gebunden
 gewesen wäre, wiederholt Gelegenheit gehabt, sich auch mit entsprechenden
 Getreidereserven zu versorgen.
    Wenn also schon die beiden Regierungen aus staatsrechtlichen Gründen die
Aktionsfreiheit der bosnisch-herzegowinischen Landesverwaltung einschränken zu
müssen glaubten, so hoffe der k.u.k. gemeinsame Finanzminister andererseits,
nicht vergebens an die beiden Ministerpräsidenten zu appellieren, wenn er sie
bitte, in der Bevölkerung Bosniens und der Herzegowina zur Beruhigung der dort
 immerhin wahrnehmbaren erregten Stimmung, auf welche auch in einem vom
Kriegsüberwachungsamte dem gemeinsamen Finanzministerium zugekommenen
Berichte hingewiesen wurde, die Überzeugung zu stärken, dass ihr die Zugehörig¬
keit zur grossen Monarchie nicht zum Schaden, sondern zum Wohl und Nutzen
gereiche.

D) Deckung des Bedarfes an Haferfutter

   Der Anspruch der Heeresverwaltung wird vom k.u.k. Kriegsminister
mit 14.5 Milhonen q angegeben, wozu der kgl. ung. Ministerpräsident
die Notwendigkeit einer möglichsten Herabsetzung mit Rücksicht auf die gleich¬
falls akute Fett- und Fleischfrage betont.

   Der kgl. ung. Ackerbauminister teilt mit, dass das Ergebnis der
Haferernte in Ungarn 11 Millionen q. betrage. Nach Abzug des Bedarfes an
Saatgut von 3 Millionen q verbleiben 8 Millionen q, von welchen die Hälfte an die
Heeresverwaltung abgegeben werde, so dass für die Landwirtschaft bloss 4 Mil¬
honen q erübrigen. Die Lieferung des Heereskontingentes von 4 Millionen q werde
seitens der ungarischen Regierung nach ihrer Wahl in Hafer, Mais oder Kleie
übernommen und der Eintausch des Maises in Fettschweine Vorbehalten.

   Die österreichische Hafererntewirdvomk.k. Ackerbauminister mit 14 Mil¬
honen q angegeben, von welchen 4 Millionen q als Saatgut und für die Pferde
der Landwirte in Abzug zu bringen sind. Es verbleiben somit 10 Millionen q,
abzüghch der als Brotfrucht zu verwendenden Mengen. Für den Heeresbedarf
erübrigen somit: 1 Million q in Frucht, 50% Futtermehl von 5 Milhonen q und
70 % Futtermehl von 4 Millionen q = 6.3 Millionen q teils in Frucht, teils in Mehl.

424
<pb/>    Es ergebe sich demnach, wie der k.u.k. Kriegsminister ausführt, gegen¬
 über dem Bedarfe von 14.5 Millionen q eine Deckung von 10.3 Milhonen q, somit
 ein Defizit von 4.2 Millionen q. Dieses werde gedeckt durch die Herabsetzung der
 Quote für die Pferde bei der Armee im Felde von 4 auf 3.5 kg per Tag, wodurch der
 Heeresbedarf auf 12.8 Millionen q reduziert sei. Durch die Herabsetzung der
 Quote für die Zivilpferde in Polen auf 1 kg pro Tag werde eine weitere Million q
 hereingebracht. Die noch fehlenden 1.5 Millionen q werden soweit als möglich aus
 Galizien hereinzubringen sein, doch sei eine volle Deckung dieses Mankos nicht zu
 erwarten, weil der Armeebereich in diesem Teile der Front hauptsächlich durch
 deutsche Truppen besetzt sei, die für sich requirieren. Es dürfte daher immer noch
ein Manko von etwa 1/2 Million q verbleiben, für welches die beiden Regierungen
 aufkommen müssten.

E) Transportschwierigkeiten

   Der k.k. Handelsminister bringt in diesem Zusammenhänge die sich
aus der Konkurrenz der verschiedensten Transporte und aus dem bestehenden
Mangel an Waggons und Lokomotiven ergebenden Schwierigkeiten für den
Abtransport der Zuckerrüben zu den Fabriken zur Sprache. Es sei in Erwägung
gezogen worden, die Zuckerkampagne auf einige Zeit hinauszuschieben, doch wäre
dies höchstens auf 8 -- 14 Tage möglich, da einerseits die Zuckervorräte schon so
beschränkte seien, dass sie voraussichtlich nur bis Ende Oktober reichen, und
andererseits eine Verschiebung der neuen Kampagne über den 1. November hinaus
wegen der zu befürchtenden Fröste und der Gefährdung der Zuckerproduktion
wegen Verminderung der Qualität der Rübe nicht möglich sei.

   Der Chef der k.u.k. Zentraltransportleitung führt aus, dass
die militärische Inanspruchnahme des Wagenparkes dermalen in Folge der um¬
fangreichen Truppenverschiebungen allerdings eine besonders grosse sei. Im allge¬
meinen erfolge die Ausnützung des Wagenparkes in der Art, dass die Heeresver¬
waltung die für ihre Zwecke benötigte Anzahl Waggons dem gemeinsamen Parke
entnehme und die erübrigenden den beiden Regierungen zur Verfügung stelle,
welche darüber nach freien Ermessen disponieren können. Eine Entscheidung, für
welche Zwecke die freiem Wagen verwendet werden sollen, stehe dem Kriegsmini¬
sterium nicht zu. Es glaube richtiger zu handeln, wenn es die Entscheidung hier¬
über den zuständigen Fachministerien überlasse. Die beklagten Übelstände seien
vielfach auf Mängel in der Organisation zurückzuführen. Durch eine raschere
Entladung und Zirkulation der Waggons könnte manches erreicht werden. Au¬
sserdem sei die Waggonlage auch beeinflusst durch den Mangel an Lokomotiven
und Personal. Die schwierige Lage dürfte sich voraussichtlich mindestens bis die
Weihnachtszeit erstrecken. Das einzige wirksame Auskunftsmittel sei wohl nur
darin zu suchen, dass mehr Waggons und Lokomotiven angeschafft werden
müssten.

   Der kgl. ung. Handelsminister erwidert, dass man über die jetzige
Lage mit den vorhandenen Mitteln hinwegzukommen trachten müsse. Durch
Neuanschaffungen kann -- seiner Ansicht nach -- ganz abgesehen von der finan-

                                                                                                                             425
<pb/>ziellen Frage, zeitgerecht keine Abhilfe geschaffen werden,&#39; ein Hinausschieben
der Zuckerkampagne bis zur Weihnachtszeit sei gleichfalls ausgeschlossen, das
Maximum sei bis Anfang November. Man müsste sich daher einrichten, die Kam¬
pagne mit den vorhandenen Mitteln zu bewältigen. Durch ein energisches Eingrei¬
fen in der Waggonfrage werde dies erreicht werden können im Wege rascheren
Verladens und Entleerens der Waggons. Bei den Lokomotiven werde man das
möglichste tun müssen, um sie auszunützen, was bei den kurzen Transporten, die
bei der Rübenbeförderung in Betracht kommen, möglich sein werde. Endlich sei zu
prüfen, ob im eigentlichen Kriegsgebiete nicht zuviel Transportmittel und Reserven
an Lokomotiven und Personal angehäuft seien. Es würde sich empfehlen, eine
gemischte Kommission aus Vertretern der Zentraltransportleitung, der Feldtrans¬
portleitung, sowie der zuständigen Zivilministerien mit der Erhebung der Verhält¬
nisse zu betrauen. Der Kommission müsste auch Einblick in die Lage bei der Feld¬
transportleitung gewährt werden, um mit ihr einvernehmlich über die Mittel und
Wege schlüssig zu werden, damit dem dringenden Bedarfe im Hinterlande abgehol¬
fen werde.

   Der Vertreter der Zentraltransportleitung glaubt, dass
das Armeeoberkommando aller Voraussicht nach die gegebene Anregung in
Rücksicht ziehen werde. Wie diese Frage beim Armeeoberkommando in Anregung
zu bringen sein werde, bleibe einem direkten Einvernehmen der Fachministerien
mit der Zentraltransportleitung Vorbehalten.

2. Kündigung der Handelsverträge

    Der Vorsitzende führt aus, dass die kgl. ung. Regierung mit Note vom
 13. Juni 1. J., Nr. 3447/res. M.E., von dem im Artikel IV. des geltenden Aus¬
 gleichsvertrages festgelegten Rechte Gebrauch gemacht habe, die Kündigung der
 geltenden Handelsverträge auf den Ablaufstermin vom 31. Dezember 1917 zu
 beantragen. Für das Ministerium des Äussern würde, wenn hierüber zwischen
 den beiden Regierungen bis zum 31. Dezember 1916 keine anderweitige Verständi¬
 gung zustande käme und auf dieser Absicht bestanden würde, die Pflicht erwachsen,
 die beantragte Kündigung vorzunehmen. Da bis zu dem angegebenen Tage noch
 einige Zeit erübrige, welche es ermögliche, die Sache noch genau zu erwägen, stehe
 dem Ministerium des Äussern im gegenwärtigen Stadium der Angelegenheit eine
 offizielle Ingerenz zwar noch nicht zu. Angesichts der weitgehenden Folgen aber,
 welche die Durchführung dieser Kündigung für die Monarchie haben müsste,
 halte es der Vorsitzende für notwendig, zu dieser Frage auch schon vorläufig Stel¬
 lung zu nehmen, ebenso wie er es für seine Pflicht gehalten hätte, den beiden
 Regierungen die .schweren Bedenken darzulegen, welche die Herbeiführung einer
 derartigen Situation unter den durch den Weltkrieg verursachten Verhältnissen

      ej In der Reinschrift des Protokolls wurde der Teil »Neuanschaffungen seien aus finanziel¬
  len Gründen nicht möglich« von Harkänyi gestrichen und an dessen Stelle folgendes geschrie-
  hen: »Durch Neuanschaffungen kann, -- seiner Ansicht nach -- ganz abgesehen von der
  finanziellen Frage, zeitgerecht keine Abhilfe geschaffen werden.«

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<pb/>hervorrufen müsste. Es wäre das Zweckwidrigste und Schädlichste in die Zeit nach
Kriegsabschluss im Zustande völliger Vertraglosigkeit mit Freund, Feind und
Neutralen eintreten zu wollen. Im einzelnen sei immer mit Hinweis auf die beste¬
henden aussergewöhnlichen Verhältnisse zu bemerken, dass es wohl kaum anginge,
den geltenden Handelsvertrag mit dem Deutschen Reiche ausser Kraft treten zu
lassen, bevor die Grundlagen für die künftigen wirtschaftlichen Beziehungen zu
dem verbündeten Reiche gelegt sein werden. Gegenüber der Schweiz wäre die Kün¬
digung gleichfalls nicht ohne Gefährdung wichtiger politischer und wirtschaftlicher
Interessen möglich, zumal die Schweiz der einzige Staat sei, mit welchem für Öster¬
reich-Ungarn ein direkter Warenverkehr in grösserem Umfange noch möglich
sei, während die Monarchie im Übrigen bezüglich des Verkehrs nach dem Westen
ganz von der deutschen Vermittlung abhänge. Die Kündigung der Meistbegünsti¬
gungsverträge mit den anderen neutralen Staaten, welche, wie die Niederlande und
die skandinavischen Staaten, für den Handel der Monarchie während des Krieges
ganz besonders in Betracht kommen, würden diese Staaten direkt in den wirt¬
schaftlichen Bannkreis der Entente treiben. Es sei ferner wohl ausgeschlossen, die
Handelsbeziehungen zu dem gegenwärtig und voraussichtlich auch nach dem
Kriege wirtschaftlich mächtigsten Staate, zu den Vereinigten Staaten von Amerika,
abzubrechen, welche nach dem Kriege für Österreich-Ungarn sowohl als Bezugs¬
land für Rohstoffe, als auch als Geldgeber in Betracht kommen werden. Wenn
ferner die durch den Krieg aufgehobenen Verträge mit den feindlichen Staaten
nach dem Friedensschlüsse wieder in Kraft treten sollten, wäre im Falle der
Kündigung und des Ausserkrafttretens der Verträge mit den Verbündeten und
Neutralen eine ganz unannehmbare Situation in den wirtschaftlichen Beziehungen
der Monarchie zu den einzelnen Mächtegruppen geschaffen.

   Der kgl. ung. Ministerpräsident erklärt sich mit der Auffassung des
Vorsitzenden vollständig einverstanden. Die Note der kgl. ungarischen Regierung,
mit welcher der Kündigungsantrag gestellt worden sei, habe bloss den Zweck einer
Rechtssicherung gehabt, um das Recht Ungarns auf einseitige Kündigung der Han¬
delsverträge zu wahren^, den gleichzeitigen Ablauf der Handelsverträge mit dem
Ausgleichvertrage sicherzustellen und damit die beiden Staaten der Monarchie
mit dem Inkrafttreten des neuen Ausgleichvertrages auch dem Auslande gegen¬
über gleichzeitig die freie Hand bekommen. Es bestehe ungarischerseits durchaus
keine Einwendung dagegen, sich mit der k.k. Regierung schon heute darüber zu
verständigen, dass die Sache auf ein Jahr hinausgeschoben werde.

   Der Vorsitzende erklärt, dass ihm diese Art der Lösung durchaus ent¬
sprechen würde. Sei es schon unter normalen Verhältnissen ausserordentlich schwie¬
rig, diese Frage zu regeln, so wäre es unter den gegenwärtigen aussergewöhnlichen
Verhältnissen direkt unmöglich, eine befriedigende Lösung herbeizuführen. Es
würde ihm daher eine grosse Beruhigung bieten, wenn die beiden Regierungen dahin
Übereinkommen, das Kündigungsrecht auf ein Jahr zu erstrecken.

   f) Der mit »das Recht Ungarns« beginnende und mit »zu wahren« endende Teil wurde
von Tisza nachträglich eingefügt.

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<pb/>   Der kgl. ung. Ministerpräsident wiederholt, dass er die vom Vorsit¬
zenden geschilderten Nachteile durchaus würdige. Die kgl. ung. Regierung würde
von dem Kündigungsrechte nur dann Gebrauch machen, wenn sonst eine Verjäh¬
rung dieses Rechtes eintreten würde. Wenn das Recht aber prolongiert werde, so
sei man ungarischerseits durchaus mit der Anregung des Vorsitzenden einverstan¬
den.

   Der k.k. Ministerpräsident erklärt, dass im Prinzip gegen eine solche
Lösung auch österreichischerseits keine Einwendung bestehe. In formaler Bezie¬
hung werde man sich über die Durchführung, sei es im Notenwege, sei es im Wege
eines Gesetzes, mit der kgl. ung. Regierung noch zu verständigen haben.

   Es ergibt sich demnach Übereinstimmung der beiden Regierungen dahin, dass
zur Vermeidung der sich aus der Kündigung der Handelsverträge ergebenden
schweren Nachteile der Weg der Erstreckung des Kündigungsrechtes eingeschla¬
gen werde. Die Durchführung bleibt dem weiteren Einvernehmen der beiden
Regierungen Vorbehalten.

   Der Vorsitzende schliesst die Sitzung um V2 9 Uhr abends.

            Original-Reinschrift. -- Die Einsichtnahme wurde auf dem Mantelbogen des
        Protokolls von sämtlichen Teilnehmern des Ministerrates bestätigt, mit Ausnahme
        des österreichischen Ministerpräsidenten Stürgkh, dessen Name auf diesem Bogen gar
        nicht vorkommt, denn er war noch vor Fertigstellung der Reinschrift, am 23. Oktober,
        einem Attentat zum Opfer gefallen. -- Auf dem letzten Blatt unter dem Text rechts
        die Unterschrift Buriäns, links unten die von Joannovics. Die Kenntnisnahme durch den
        Herrscher fehlt. Die Reinschrift wurde offenbar nach dem am 21. November 1916
        eingetretenen Tod Franz Josephs, oder zumindest zu einer Zeit fertiggestellt, als er
        bereits schwer krank war. Wenn letzteres der Fall war, so ist sicher, daß man nur
        unaufschiebbare, wichtige Schriftstücke von dem schwerkranken Greis unterschreiben
        ließ. Das Protokoll des einen Monat vorher abgehaltenen Ministerrates zur Kenntnis
        zu nehmen, hatte der Herrscher nicht mehr die Zeit und die Möglichkeit. -- Ebd. das
        maschinengeschriebene Konzept des Protokolls mit einigen Korrekturen des Protokoll¬
        führers. Auf dem ersten Blatt unten das Handzeichen Buriäns. -- Auf dem letzten
        Blatt unten die Unterschrift von Joannovics.

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                                                                                  Wien, 10. Januar 1917

        Die Lebensmittelrationen. Schutz der wirtschaftlichen Interessen der Staatsbürger der
        Monarchie iru besetzten Rumänien. Die Verbindungen der Rumänen Siebenbürgens
        mit dem rumänischen Königreich.

            In dieser Konferenz kam die Unzufriedenheit der Österreicher darüber, daß sich
        Ungarn als einstiges landwirtschaftliches Exportland an der Sicherung der Lebens¬
        mittelversorgung der österreichischen Provinzen nicht in solchem Maße beteilige, wie
        es könnte, in sehr scharfer Form zum Ausdruck. Zu der auf der Tagesordnung
        stehenden Frage siehe den Kommentar zum Protokoll vom 9. September 1916.

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