Gemeinsamer Ministerrat, 12. 12. 1915
I. Sicherstellung des Getreidebedarfes Österreich-Ungarns
Siehe PDF-Daten https://hw.oeaw.ac.at/ministerrat/serie-2/oe_hu_mrp_VII/pdf/oe_hu_mrp_VII_z14.pdf.
II. Organisation der Einkäufe in der Türkei und in Bulgarien
Siehe PDF-Daten https://hw.oeaw.ac.at/ministerrat/serie-2/oe_hu_mrp_VII/pdf/oe_hu_mrp_VII_z14.pdf#page=18.
III. Beschaffung von Eisenbahnwaggons und Lokomotiven
Siehe PDF-Daten https://hw.oeaw.ac.at/ministerrat/serie-2/oe_hu_mrp_VII/pdf/oe_hu_mrp_VII_z14.pdf#page=22.
IV. Ausgleichsverhandlungen, Polnische Frage, südslawisches Problem
Siehe PDF-Daten https://hw.oeaw.ac.at/ministerrat/serie-2/oe_hu_mrp_VII/pdf/oe_hu_mrp_VII_z14.pdf#page=24.
14. Wien, 12. Dezember 1915 Der Ministerrat berät über die Deckung des Getreidebedarfs der Monarchie, über die Organisierung des Getreideeinkaufs in der Türkei und in Bulgarien im Einverneh¬ men mit Deutschland, über das Problem der Beschaffung von Lokomotiven und Eisenbahnwaggons. Schließlich lenkt Tisza die Aufmerksamkeit auf die Wichtigkeit des wirtschaftlichen Ausgleichs zwischen den beiden Teilen der Monarchie und der südslawischen Frage. Die Lebensmittelversorgung der Österreichisch-Ungarischen Monarchie verschlech¬ terte sich seit Kriegsausbruch rapid. Teilweise war dies eine Folge der mangelnden Wirtschaftsplanung für den Kriegsfall, was auch in den Sitzungen des gemeinsamen Ministerrates wiederholt mit mehr oder weniger Schärfe zur Sprache gebracht worden war. Die Deckung des Getreidebedarfs wurde vor allem im landwirtschaftlich schwäche¬ ren Österreich schwierig. Es ist kein Zufall, daß das Getreideproblem auf Antrag des österreichischen Ministerpräsidenten Stürgkh auf die Tagesordnung des gemeinsamen Ministerrates gesetzt wurde. Bereits in der gemeinsamen Ministerkonferenz vom 3. Februar 1915 wurde ein Beschluß gefaßt, nach dem das Kriegsministerium ohne Wissen der Regierungen in Angelegenheiten, die in deren Wirkungskreis fallen, nicht Vorgehen könne. Jetzt wurde in Sachen der Handelsunternehmungen der Heeresverwaltung in der Türkei und in Bulgarien, die sie ebenfalls ohne Zustimmung der Regierungen eingeleitet hatte, sowie in der Frage des durch den Krieg erhöhten Bedarfes an Eisenbahnwaggons und Lokomotiven ein ähnlicher Beschluß gefaßt. (Über die Beschlüsse, ihre Wiederholung ist in der Einleitung ausführlich die Rede.) Ministerrat in (!) gemeinsamen Angelegenheiten unter dem Vorsitze des k.u.k. Ministers des k.u.k. Hauses und des Äußern Baron Buriän. Wien, am 12. Dezember 1915. G.M.K.P.Z. 525. Anwesend waren: 1. der k.k. Ministerpräsident Graf Stürgkh, 2. der kgl. ung. Ministerpräsident Graf Tisza, 3. der k.u.k. gemeinsame Finanzmini¬ ster Dr. von Koerber,4. der k.u.k. Kriegsminister Freiherr von K r o b a t i n, 5. der k.k. Minister des Innern Prinz zu H o h e n 1 o h e, 6. der k.k. Ackerbau¬ minister Dr. Z e n k e r, 7. der k.k. Handelsminister Dr. von Spitzmüller, 8. der k.k. Eisenbahn-Minister Freiherr von Förster, 9. der k.k. Finanzmini¬ ster Dr. von Leth, 10. der kgl. ung. Handelsminister Baron Harkänyi, 11. der kgl. ung. Finanzminister Dr. T e 1 e s z k y , 12. der kgl. ung. Ackerbaumini¬ ster Baron Ghilläny, 13. der kgl. ung. Minister des Innern von Sändor, 14. der k.u.k. Vizeadmiral von K a i 1 e r , 15. in Vertretung des k.u.k. Armeeober¬ kommandos Oberst H ö f e r des k.u.k. Generalstabskorps. Protokollführer: Generalkonsul Von Joannovics. Gegenstand: I. Sicherstellung des Getreidebedarfes Österreich-Ungarns. II. Orga¬ nisation der Einkäufe in der Türkei und in Bulgarien. III. Beschaffung von Eisen- SG <pb/>bahnwaggons und Lokomotiven. IV. Ausgleichsverhandlungen, Polnische Frage, südslawisches Problem. I. Sicherstellung des Getreidebedarfes Österreich-Ungarns Der Vorsitzende eröffnet die Sitzung um 10 Uhr vormittags und führt einleitend aus, dass die Frage der Approvisionierung eine erhöhte Bedeutung und Tragweite erhalten habe in Folge der bekannten misslichen Umstände einer wieder¬ holten schwachen Ernte, in Folge der allgemeinen Kriegslage und endlich in Folge der durch die ungünstigen Witterungsverhältnisse entstandenen erheblichen Schwierigkeiten des Herbstanbaues. Wenn die Beratungen der Konferenz zu dem Schlüsse führen sollten, dass auch in der jetzt kommenden Zeit und vielleicht mehr noch als bisher die grösste Spar¬ samkeit notwendig sein werde, wenn die strengste Regelung des Konsums in bei¬ den Staaten der Monarchie und auch seitens der Militärverwaltung sich als erfor¬ derlich erweisen werde, wenn es ferner als geboten erschiene den Anbau, welcher sehr gelitten habe, in der vielleicht noch gegebenen kurzen Spanne Zeit des mil¬ deren Wetters, namentlich aber im Frühjahr, mit der grössten Intensität fort¬ zusetzen, so sei doch auch daraufhinzuweisen, dass die Monarchie nicht ausschhess- lich auf ihre eigenen Vorräte angewiesen sein werde. Allerdings dürfen die Erwar¬ tungen auf Zufuhren aus dem Balkan nicht zu hoch gespannt werden. Wenn sie auch in Erfüllung gehen sollten, so dürfen sie doch in keiner Weise den Zwang beeinträchtigen, unter welchem die Monarchie hinsichtlich der nötigen Vorsorge stehe. Die Zufuhren aus dem Balkan werden in dem gemeinsamen Bedarfe Öster¬ reich-Ungarns und Deutschlands bald aufgehen. Ausserdem sei nicht zu übersehen, dass die Monarchie durch diese Importe sehr schwer belastet werde, weil sie mit Gold und Goldeswert beglichen werden müssen und daher nach Massgabe ihrer Ausdehnung zur Verschlechterung der Valutaverhältnisse beitragen werden. Es sei daher von erheblichem Interesse, durch Massnahmen im Innern der Monarchie die möglichste Abhilfe zu schaffen und die Einfuhren auf das Notwendigste beschränken zu können. Der k.k. Ministerpräsident weist darauf hin, dass er die heutige Besprechung angeregt habe, um die Frage der Approvisionierung mit allen betei¬ ligten Faktoren und unter voller Berücksichtigung ihrer zwingenden Rückwir¬ kung auf die militärische und die auswärtige Lage, sowie auf die inneren Verhält¬ nisse der beiden Staaten der Monarchie erörtern zu können. Im Juni 1915 seien unter erfreulichen Erwartungen hinsichtlich der kommenden Ernte Abmachungen mit Ungarn über die Deckung des österreichischen Getreide¬ bedarfes getroffen worden. Diese Erwartungen haben sich leider nicht erfüllt. Als man hierauf im Oktober mit der kgl. ung. Regierung abermals in Verhandlungen eingetreten sei, um gewisse aus dieser Lage erwachsene Wünsche vorzubringen, sei man bereits unter dem klaren Eindrücke gestanden, dass Österreich in allen Früch¬ ten eine Missernte hatte. Es sei damals nicht möglich gewesen, die kgl. ung. <pb/>Regierung zu bewegen, an den Vereinbarungen vom Juni eine Änderung zu Gunsten Österreichs eintreten zu lassen. Für diese Haltung seien insbesondere zwei Argumente massgebend gewesen: einerseits dass von den Einfuhren aus Rumänien und Bulgarien eine entsprechende Ergänzung der Vorräte Österreichs zu erwaiten sein werde, andererseits dass auch die ungarischen Erntehoffnungen sich nicht in dem Masse erfüllten, als im Juni erwartet worden war. Die Verhandlungen hätten sich dann im Wesentlichen auf die Sicherung der Ablieferung eines bereits gewähr¬ ten Kontingentes und die Bestimmung des Zeitraumes beschränkt, während welches dieses Kontingent abzuliefern sein werde. Hierüber sei eine prinzipielle Zusiche¬ rung erteilt worden, deren Erfüllung jedoch durch anderweitige Umstände ver¬ hindert wurde. Seither sei an die Stelle der Ernteschätzungen eine Bestandsaufnahme der öster¬ reichischen Vorräte getreten, wodurch man einer Tatsache gegenübergestellt wurde, welche jene neue Lage geschaffen habe, die den Anlass zur Einberufung der Konfe¬ renz gegeben habe. Diese Bestandsaufnahme habe ein so trauriges Bild ergeben, dass, selbst wenn auf Rechnung der Verheimlichung ein erheblicher Perzentsatz dazugerechnet würde, man geradezu vor einer Katastrophe stehe. Das Augenblicksbild zeige sich zwar nicht ungünstig, Galizien ausgenommen, wo Hungersnoterscheinungen aufgetreten seien. Es wäre aber nichts verhängnisvoller, als zu glauben, dass dieses Augenblicksbild die wirkliche Lage wiedergebe. Wie die Dinge stehen, sei zu konstatieren, dass Österreich bei den festgestellten Erträgen an Brotgetreide zuzüglich des ungarischen Kontingentes von 9 Millio¬ nen Meterzentnern und bei schärfster Durchführung der Ersparungsmassregeln längstens bis Ende Februar-anfangs März das Auslangen finden könne. Über diese Lage der Dinge dürfe man sich nicht wundern. Österreich habe im Frieden durchschnittlich 15 1/2 Millionen Meterzentner Getreide und Mehl aus Ungarn bezogen und habe jetzt ein Kontingent von blos 9 Millionen Meterzentner erhalten. Galizien und die Bukowina haben in den letzten Jahren allein 12.7 Millio¬ nen Meterzentner geerntet, heuer nicht einmal drei Millionen. Dazu komme die Missernte in den wichtigsten getreideproduzierenden Gebieten Österreichs. Aus allen diesen Fehlposten setze sich das Defizit zusammen. Weitere Ersparun¬ gen im Konsum und im sonstigen Verbrauch von Getreide könne man wohl nicht in Aussicht nehmen, zumal man selbst für diese Hungerdiät ab Februar nicht versorgt sei. Österreich bedürfe daher der ergiebigsten und nachhaltigsten Unter¬ stützung. Dem gegenüber sei in Ungarn bisher noch keine strenge Gebrauchsregelung für Brot und Mehl eingeführt und auch der Brauindustrie seien keine Einschränkungen rücksichtlich der Verarbeitung von Gerste auferlegt worden, während in Öster¬ reich die zu vermälzende Menge Gerste auf 25 % des normalen Bedarfes herabge¬ setzt wurde. Man habe mit der kgl. ung. Regierung seinerzeit unter anderen Voraussetzungen verhandelt, als sie später eingetreten seien, und im Juni dahin abgeschlossen, dass Ungarn nach Abzug eines immer noch sehr auskömmlichen eigenen Mehl- und Brotbedarfes und nach Abzug derjenigen Mengen, welche Ungarn im Verhält¬ nisse zur Produktion an die Armee abzuliefern hätte, den verbleibenden Rest von 317 <pb/>9 Millionen Meterzentner an Österreich abtrete. Auf dieser Grundlage könne die Monarchie jedoch heute unmöglich das Auslangen finden; es werde eintreten müssen, dass nicht nach Massgabe des leicht abgebbaren Überschusses Ungarns, sondern nach Massgabe des unerlässlichen Bedarfes Österreichs eine Verteilung der Vorräte erfolge. Die einzig mögliche Lösung sei daher die Erhöhung des Kontingentes unter Einschränkung des ungarischen Konsums. Ein Teil dieses Kontingentes wäre in Mais zur Brotmischung ehestens abzugeben. Ungarischerseits sei bisher die Ablehnung einer Erhöhung des Kontingentes mit dem Hinweise auf Importe aus dem Auslande begründet worden. Es sei zu erwar¬ ten, dass die Einfuhr aus Rumänien heute schon mehr als eine Hoffnung bedeute. Doch scheine dies noch nicht eine ausschliesslich technische Frage zu sein, sondern es bestünden gewisse Hemmungen, welche in das Gebiet der Politik gehören. Bei dem grossen Importbedarfe der Zentralmächte gewinnen die Getreidelieferungen Rumäniens den Charakter einer Stellungnahme Rumäniens zu Gunsten einer be¬ stimmten Mächtegruppe. Dies sei die Schwierigkeit, die heute bestehe. Die Getrei¬ deeinfuhr aus Rumänien für einen gegebenen Zeitpunkt, das ist im Frühjahre nach dem Eisgänge, sei ein Wechsel auf unbestimmte Sicht und es sei daher unmöglich, die Bevölkerung Österreichs davon abhängig zu machen, ob diese Importe statt¬ finden werden. Es sei daher erforderlich, dass die beiden Staaten der Monarchie primär diejenigen seien, die sich gegenseitig unterstützen. Bei den rumänischen Importen sei eine Teilung vereinbart worden, bei welcher sich Deutschland den grösseren Anteil gesichert habe; von den beiden Staaten der Monarchie aber habe der eine Teil, der ohnehin völlig gedeckt sei, sich noch 20 % reserviert, während Österreich auf die verbleibenden 30 % dieser Einfuhr reduziert sei. Österreich bedürfe des vollen Anteils der Importe aus Rumänien, abgesehen von den etwaigen Notlieferungen an Siebenbürgen und dazu noch einer Erhöhung des ungarischen Kontingentes um 5 Millionen Meterzentner. Mit diesen zwei Fak¬ toren sei einige Aussicht vorhanden, auszukommen. Der k.k. Ministerpräsident unterbreitet sohin der Konferenz eine von der k.k. Regierung ausgearbeitete Denkschrift wegen Sicherstellung der Brotversorgung (Beilage 1)," worin die besprochenen Verhältnisse in allen Einzelheiten aus¬ geführt und die Forderungen der k.k. Regierung formuliert sind. Er ersucht, diese Denkschrift den weiteren Verhandlungen zu Grunde zu legen. Der Vorsitzende erwidert auf die Bemerkung des Vorredners bezüglich der Getreideeinfuhr aus Rumänien, dass diese an sich rein wirtschaftliche Frage zu einer im ersten Stadium hauptsächlich militärischen, dann politischen Frage geworden sei. Diesen letzteren Charakter habe sie allerdings noch nicht verloren, doch dürften die Faktoren, die hier auf Rumänien bestimmend einwirken, heute eher dazu beitragen, uns zum Ziele zu verhelfen. Die Verhandlungen selbst seien nach verschiedenen Phasen endlich in die richtigste Form der Zentralisierung bei den drei Getreidezentralen gebrachtworden, welchen die rumänische Regierungeine " Die Beilage, die in gedruckter Form dem Protokoll beigeschlossen wurde, s. im Anschluß an den Text des Protokolls. 318 <pb/>Kampforganisation entgegengestellt habe. Man habe daher versuchen müssen, durch diese Vermittlung zum Ziele zu gelangen, was zu erhoffen sei, weil in Rumä¬ nien nicht ganz ohne unsere diplomatische Tätigkeit ein starker Druck der Pro¬ duzenten eingetreten sei, welchem sich die Regierung nicht mehr entziehen könne. Ausserdem wisse Rumänien sehr gut, dass die Entente unter den gegenwärtigen Verhältnissen nicht das Verlangen stellen werde, den Zentralmächten kein Getreide zu verkaufen, um die Stimmung des Landes für die Entente nicht noch weiter zu verschlechtern. Es sei daher heute nicht mehr zu befürchten, dass Rumänien aus Liebedienerei zur Entente sich weigern werde, uns seine Überschüsse zu verkaufen. Der Verkaufs¬ abschluss selbst dürfte bald erfolgen und die Schwierigkeiten, die sich bei der Ausfuhr ergeben, sei man bemüht, mit den zu Gebote stehenden Mitteln zu bewältigen. Der kgl. ung. Ministerpräsident stimmt den Ausführungen des k.k. Ministerpräsidenten insoweit bei, dass es wirklich notwendig sei, die in Erörterung stehende Angelegenheit mit allen massgebenden Faktoren und in allen Einzelhei¬ ten durchzuberaten, um in die Frage volle Klarheit zu bringen. Es sei daher zu¬ nächst auch erforderlich, einige Irrtümer richtig zu stellen. Zunächst sei darauf zu verweisen, dass von dem mit rund 16 Millionen Meter¬ zentnern angegebenen Getreideimporte Österreichs aus Ungarn vom Jahre 1913/4 ungefähr 4 Millionen Meterzentner rumänisches Getreide sind. Was die der Brauereiindustrie auferlegten Beschränkungen anbelange, so sei es zwar richtig, dass den ungarischen Brauereien der Ankauf von 800.000 Meter¬ zentnern Gerste, das ist ungefähr ihr normaler Bedarf, gestattet wurde, doch dür¬ fen sie hievon nur die Hälfte vermälzen, während die andere Hälfte zur Verfü¬ gung der Regierung zu halten sei. Schliesslich sei richtigstellend noch zu bemerken, dass der ungarische Standpunkt österreichischerseits so aufgefasst werde, als hätte man nach voller Deckung des reich bemessenen eigenen Bedarfes den Überschuss abgegeben. Dies treffe aber durchaus nicht zu, weil der im Juni berechnete Bedarf schon ein einigermassen ein¬ geschränkter gewesen sei. Sobald sich gezeigt habe, dass die Ernteergebnisse schlechtere waren, als man erwartet hatte, seien die Massnahmen einem niedrige¬ ren Schlüssel angepasst worden, der weit unter dem Schlüssel vom 10. Juni bleibe. Der prinzipielle Standpunkt der kgl. ung. Regierung gehe dahin, dass man die Versorgungsfrage von den gleichen Grundsätzen ausgehend betrach¬ ten müsse, wie den freien Verkehr, das sei der Grundsatz einer möglichst gleichen Behandlung der konsumierenden Bevölkerung der beiden Staaten der Monarchie unter Berücksichtigung der verschiedenartigen Verhältnisse in beiden Staaten. Von diesem Standpunkte aus seien die 9 Millionen Meterzentner in Aussicht gestellt worden, wobei betont wurde, dass falls die Ernte hinter jener des Jahres 1913 Zurückbleiben sollte, eine Einschränkung dieser Quote einzutreten hätte. Dieser Standpunkt sei auch österreichischerseits angenommen worden. Die Lage habe sich in beiden Staaten seither so verschlechtert, dass man einer ganz neuen Situation gegenüberstehe. Die Ernte sei mit erheblichen Mengen unter 3i9 <pb/>dem Ergebnis des Jahres 1913 zurückgeblieben und in Folge dessen auch der Standpunkt vom Juni ein überwundener. Man müsse daher der Frage neu gegenüber treten, was in der loyalsten Weise geschehen werde. Es könne aber jetzt schon gesagt werden, dass Ungarn nicht in der Lage sei, wesentlich mehr als das bisher tat¬ sächlich nach Österreich ausgeführte Quantum abzugeben. Es müsse daher der Konsum unbedingt auf das allermässigste Niveau herabgesetzt, die verborgenen Vorräte aufgebracht und endlich eine Organisation des Einkaufs und der techni¬ schen Abwicklung des Verkehres eingerichtet werden, um das aus dem Auslande zu beziehende Getreide rasch hereinbringen zu können. Der kgl. ung. Handelsminister bemerkt zu letzterem Punkte, dass durch den in Verhandlung stehenden Vertrag mit Rumänien 5 Millionen Meter¬ zentner neuer Ware und 8 Millionen Meterzentner alter Ware importiert werden würden, wozu noch die Grenzkäufe in der Menge von etwa 2 Millionen Meter¬ zentner hinzukommen, so dass in Verbindung mit dem resp. durch den abzu- schliessenden Vertrag ein Gesamtexport aus Rumänien von etwa 15 Millionen Meterzentner gesichert wird. Der k.k. Minister des Innern bringt hierauf die Denkschrift der k.k. Regierung zur Verlesung, wozu der k.k. Ackerbauminister noch nähere Auf¬ klärungen gibt. Der kgl. ung. Ackerbauminister gibt auf Grund der sub 2 beiliegen¬ den Tabelle^ nähere Aufklärungen über die Ernteergebnisse Ungarns an Brot¬ früchten und ihre Verwendung. Kroatien und Slavonien wurden in die Berechnung nicht aufgenommen, weil diese Länder eine Missernte hatten und kaum annähernd für den eigenen Bedarf aufkommen. Nach diesen Berechnungen würde sich ergeben, dass Ungarn unter Einrechnung der an Österreich bereits gelieferten 3.1 Millio¬ nen Meterzentner Brotgetreide seinen eigenen schon ermässigten Bedarf um weitere 2.185 Millionen Meterzentner verringert habe. Noch ungünstiger haben sich die Verhältnisse bei Futtergetreide gestaltet, einerseits wegen der sehr schlechten Hafer¬ ernte, andererseits weil die gesamten Altmaisbestände aufgezehrt worden seien. Der ungarische Landwirt sei daher genötigt gewesen, den Hafer zu verfüttern, so dass, selbst wenn der ganze noch vorhandene Hafer beschlagnahmt würde, die Quote für die Heereslieferungen nicht gedeckt werden könnte. An Mais seien der Heeresverwaltung 4 Millionen Meterzentner zu liefern, doch seien an gesundem Mais dermalen nur 30 % der Ernte zu beschaffen. Hieraus ergebe sich die Unmöglichkeit, heuer Mais als Nahrungsmittel in Rechnung stellen zu können, zumal die Ernte um 13 Millionen Meterzentner geringer ausgefallen und von wesentlich schlechterer Qualität sei. Man sei ungarischerseits bereit den Konsum zu reduzieren, aber auf die öster- reichischerseits verlangten weitergehenden Verpflichtungen sei man unter den gegebenen Verhältnisse ausserstande einzugehen. Der k.k. Ministerpräsident will diese Erklärungen nicht als das letzte Wort der kgl. ung. Regierung ansehen. Er stelle sich nicht auf den Stand- V Die Tabellen s. im Anschluß an Beilage 1. 320 <pb/>punkt, dass dem individuellen Ernährungsverhältnisse gewisser Teile der Bevöl¬ kerung Ungarns nicht Rechnung getragen werden solle. Doch müsse er darauf verweisen, dass während in Österreich ein förmliches Monopol und drakonische Vorschriften für die Abnahme derjenigen Getreidevorräte gemacht worden seien, welche dem einzelnen Produzenten über die Versorgungsquote hinaus verbleiben, man sich in Ungarn hiezu erst später entschlossen habe. Die ungarische Kriegs¬ produktengeseilschaft sei nicht in der Lage gewesen, tatsächlich alles, was dis¬ ponibelwar, zu erfassen. Es seien Monate verstrichen, inwelchen derVerbrauch sehr liberal gestattet war. Mais sei in Ungarn immerhin noch in einer solchen Menge er¬ zeugt worden, dass wenn die Frage stehe, ob man diesen Mais vermästen oder als Brotfrucht verwenden solle, man in der Entscheidung hierüber nicht zögern dürfe. Der kgl. ung. Ackerbauminister erklärt hiezu, dass von einer För¬ derung der Mästung auf Kosten der Ernährung der Bevölkerung keine Rede sein könne. Es werde nur der verdorbene, nicht haltbare Mais notwendigerweise ver¬ füttert. Gesunden Mais könne heute in Ungarn niemand beziehen. Der kgl. ung. Ministerpräsident erklärt sich nur auf die statistischen Daten beziehen zu können. Die Irrtümer der Statistik seien nirgends so betrü¬ bend hervorgetreten, wie bei Mais. Von den geschätzten 46 Millionen Meter¬ zentner sei keine Rede; ein grosser Teil der Ernte sei defekt, für menschliche Ernährungszwecke gar nicht brauchbar und müsse jetzt rasch verfüttert wer¬ den, weil er später gar nicht mehr zu gebrauchen sein werde. Die Erntestatistik und Vorratsaufnahme finde erst jetzt statt. Verschwiegene Vorräte würden konfisziert werden und man werde dann erst sehen, welche Mengen dieses Verfahren noch zum Vorschein bringen werde. Man dürfe sich also keinen Illusionen hingeben. Wenn von einer Hungersnot die Rede sei, dann werde man wohl mit der Schweineschlachtung vergehen müssen, doch müsse man sich jetzt im Reinen darüber sein, dass eine weitere Einschrän¬ kung der Schweinezucht die allgemeine Notlage noch mehr verschärfen würde. Augenblicklich sei die Lage in der Futterversorgung etwas günstiger, gerade weil man den defekten Mais rasch verbrauchen, also der Mästung zuführen muss. Mo¬ mentan ist also eine Steigerung der Fettproduktion zu erwarten, welche jedoch mit dem Ausgehen des defekten Maises ein Ende haben, und umso trostloseren Zu¬ ständen Raum geben werde. Bei Brotgetreide sei die Lage in Ungarn aus dem Grunde eine wesentlich ver¬ schiedene, weil ein sehr grosser Teil der Konsumenten gleichzeitig Getreidepro¬ duzenten oder landwirtschaftliche Arbeiter sind, die einen Teil ihres Lohnes in Getreide beziehen. Die Landbevölkerung habe daher zum grossen Teile eigene Vorräte und lebe von diesen. Dadurch verringere sich die Verteilung auf den ande¬ ren Teil der Bevölkerung. Man könne zwar die Quote für diesen Teil der Bevöl¬ kerung geringer ansetzen, doch könne man selbst bei den vexatorischesten Mass¬ nahmen keine wesentliche Vermehrung der Vorräte von den ganz geringen Quanti¬ täten erhoffen, welche als Überschüsse von den Arbeitern weggenommen werden. Leider seien die statistischen Daten noch nicht genügend festgestellt. Eine Bevölkerung von 5 bis 6 Millionen decke ihren Brotbedarf mit gekauftem Getreide. Zu diesem Zwecke seien die Munizipien ermächtigt worden, für jenen Teil der 21 Komjäthy: Protokolle 321 <pb/>Bevölkerung, welcher unter Mangel litt, Getreideankäufe zu machen. Diese Ermäch¬ tigung sei am 1. November abgelaufen, so dass nunmehr nur von der Kriegs- produktengesellschaft eingekauft werden könne. Im Durchschnitte ist die ganze Be¬ rechnung des Getreidebedarfes der städtischen Bevölkerung auf einem sehr ma¬ ssigen Schlüssel basiert. Für die Ernährung der Bevölkerung seien dieser Berechnung zufolge noch 6 Millionen Meterzentner für die Munizipien anzukaufen. Der Heeresverwaltung habe Ungarn nach den ursprünglichen Verabredungen noch 4 Millionen Meter¬ zentner zu liefern. Von den 9 Millionen Meterzentner für Österreich seien noch 5.9 Millionen im Rückstände. Dies ergebe einen Bedarf von insgesamt rund 16 Milhonen Meterzentner. Demgegenüber habe die Gesellschaft jetzt 2.2 Millionen Meterzentner auf Lager, 2.3 Milhonen Meterzentner angekauft und erwarte von den in den letzten Wochen noch ausständigen Anmeldungen bestenfalls noch 2.5 Millionen Meterzentner, so dass die sichtbaren Vorräte in ganzen 7 Millionen Meterzentner betragen. Hieraus ergebe sich ein Defizit von 9 Millionen Meterzentner für Ungarn; das österreichische Defizit von 17 Millionen hinzugerechnet, ergebe daher ein Ge¬ samtdefizit für die Monarchie von 26 Millionen Meterzentner. Hiezu treten noch folgende Umstände: Kroatien habe noch gar keine Daten geliefert, dürfte aber allem Anscheine nach eine so schlechte Ernte haben, dass es vielleicht auch auf Zuschüsse angewiesen sein werde. Ebenso werde man auch an Bosnien und die Herzegowina Getreide abhefern müssen. Es frage sich daher, auf welche Weise das berechnete Defizit zu decken sein werde. Als geeignetes Mittel hiefür käme folgendes in Betracht: 1. Die Veranlassung einer besseren Aufnahme der Vorräte, um die verheimlich¬ ten Mengen ans Tageslicht zu bringen. Es sei anzunehmen, dass diese nicht gering seien. Wenn man von der österreichischen Berechnung des Ernteergebnisses zu¬ rückrechne, so komme man zu einem so geringen Ertrage, nämlich 18 Milhonen q. als Gesamternte Österreichs an Weizen und Roggen, was gewiss nicht zu¬ treffe. Ferner ergebe sich zwischen Ernte und Vorratsaufnahme ein Unter¬ schied von 5 Millionen Meterzentnern, wodurch das ohnehin schon ungünstige Resultat in kaum erklärlicher Weise noch weiter verringert werde. Ähnliches gelte auch von Ungarn, obwohl hier die Nacherhebungen mit weit grösseren Schwierigkeiten verbunden seien. Schliesslich sei noch anzunehmen, dass auch die Lage in Galizien nicht so ver¬ zweifelt ist, wie angegeben wird. Es sei ja bekannt, dass unsere Truppen und Trains während der Gefechtspause der Bevölkerung bei Einheimsung der Ernte geholfen haben und es wäre wohl angezeigt, die über die galizische Ernte vorliegenden Daten einer Kontrolle zu unterziehen. Diese nachträglichenAufnahmenhätten ambesten durch die Finanzwache zuerfol¬ gen, welche nach verborgenen Vorräten zu suchen und dieselben zu konfiszieren ha¬ ben werde, wobei allerdings gleichartig und pari passu vorgegangen werden müsste. Die österreichischerseits an dem bisherigen Vorgehen in Ungarn geübte Kritik, man sei anfangs von einer sehr optimistischen Schätzung ausgegangen, habe zwar eine gewisse Berechtigung. Weder in Ungarn, noch in Österreich hat man den 322 <pb/>ganzen Ernst der Lage vor November constatieren können. Jetzt werden aber alle notwendigen Massnahmen getroffen, es werde die Brotkarte überall eingeführt und auch zur Erhebung der Vorräte seien sehr wirksame Massregeln in Kraft gesetzt. 2. Es wird das möglichste geschehen müssen, um den Konsum weiter einzu¬ schränken, insbesondere durch die Vermahlungsvorschriften. Man sei in Ungarn bei Weizen um 4%, bei Roggen um 5% hinaufgegangen, was bei der schlechten Beschaffenheit des Getreides das Höchstmass darstellt, bei welchem noch brauch¬ bares Mehl zu erlangen ist. 3. Endlich wird eine Revision des Bedarfes der Heeresverwaltung erforderlich sein. Nach der ursprünglichen Berechnung des Kriegsministeriums sei auf Grund eines Verpflegsstandes von 5 Millionen Menschen zu 600 Gramm Mehl ein Gesamtbedarf von 13.3 Millionen Meterzentnern beansprucht worden, wovon 3.2 Meterzentner mit Gerste gedeckt werden. Bei dieser Berechnung seien die eige¬ nen Einnahmen der Heeresverwaltung aus dem Kriege (Produktion der besetzten Gebiete, ergriffene feindliche Vorräte) gar nicht in Betracht gezogen worden. Bei der heutigen Lage der Dinge erscheine es aber vollaufbegründet, an die Heeres¬ verwaltung mit dem Ersuchen heranzutreten, ihren Bedarf möglichst zu verringern. Der Verpflegsstand schwanke naturgemäss; doch seien im Juli 4.3 Millionen Mann, darunter 600.000 Kriegsgefangene angegeben worden. Heute stehe die Hälfte der Kriegsgefangenen in Privatverpflegung. Es wäre daher notwendig, den Bedarf nach den tatsächlichen Monatsdurchschnitten aufzustellen, um auf diesem Wege die Anforderungen entsprechend herabsetzen zu können. Ferner könnte eine mässige Einschränkung des Broterfordernisses im Hinter¬ lande eintreten, wo doch annähernd die Hälfte des Verpflegsstandes sich befin¬ den dürfte. Endlich wäre die erhebliche Menge Getreide, welche die Heeresverwaltung sich in Feindesland beschafft, oder dem Feinde abgenommen habe, in Rechnung zu stellen. Auf dieser Grundlage könnte eine Herabminderung der Anforderungen der Heeresverwaltung erfolgen, die sich vielleicht auf mehrere Millionen Meterzentner belaufen würde. Jedenfalls werde aber auch dann noch ein erhebliches Defizit Zurückbleiben, dessen Deckung durch Einfuhren aus dem Auslande mit Schwierig¬ keiten verbunden sei. Die Berechnung für die Eisenbahntransporte sei eine ziem¬ lich optimistische. Andererseits könnte aber auf dem Donauwege gewiss eine reichlichere Versorgung stattfinden, wodurch sich die Lage verbessern würde. Endhch sei auch mit dem Grenzverkehre per Achse zu rechnen, wodurch die Bahnen entlastet würden. Es sei jedenfalls eine der wichtigsten Aufgaben der Eisenbahnverwaltung, diesen Verkehr so günstig als möglich zu regeln, um die Einfuhren aus Rumänien ergiebig zu gestalten. Es könne daher heute zur Lage nur soviel konstatiert werden, dass man mit aller Energie daran gehen müsse, die Vorräte zu erheben, den Konsum einzuschrän¬ ken, die Einfuhren zu erleichtern; erst nach dem Ergebnisse dieser Massregeln werde das weitere zu veranlassen sein. Dermalen sei Ungarn ausser Stande, neben der Deckung des Heeresbedarfes auch noch nur Deckung des österreichischen Bedarfes etwas beizustellen. Sobald ein über den eigenen eingeschränkten Bedarf hinausgehender Überschuss sich ergeben sollte, werde dieser gewiss Österreich zur 21* 3 23 <pb/>Verfügung gestellt werden. Endlich sei man auch bereit von den rumänischen Importen nach Abzug der Grenzkäufe in Siebenbürgen, sowie der für den drin¬ genden Bedarf Bosniens und der Herzegowina und vielleicht auch Kroatiens notwendigen Mengen, den verbleibenden Rest gleichfalls an Österreich abzutreten. Was die Lage in Bosnien und der Herzegowina betrifft, gibt der k.u.k. gemein¬ same Finanzminister die nachstehenden Daten: Die Bevölkerung beziffert sich nach der Aufnahme vom Mai 1915 folgender- massen: Stadtbevölkerung: 187.927 Personen Landbevölkerung: 1,428.183 Personen Flüchtlinge: 35.000 Personen Gesamtbevölkerung: 1,651.110 Personen Der Bedarf an Brotgetreide bis zur neuen Ernte (12 Monate) beträgt: Für die Stadtbevölkerung: monatlich 7.2 kg pro Kopf, d.i. jährlich 86.4 kg, somit im ganzen 162.590 q. Für die Landbevölkerung: monatlich 15 kg pro Kopf, d.i. jährlich 180 kg somit im ganzen 2,633.760 q. Bedarf für die Stadtbevölkerung: 162.590q Bedarf für die Landbevölkerung: 2,633.760q Gesamtbedarf: 2,796.350 q Von der Produktion des Jahres 1915 verbleiben nach Abzug des Saatbedarfes an Brotfrüchten (Weizen, Roggen Gerste, Spelz, Halbfrucht, Mais) 2,054.450 q; hievon entfällt auf Mais (das Hauptnahrungsmittel der Bevölkerung) 1,651.400 q d.i. ungefähr die Hälfte des im Vorjahre zur Verfügung gestandenen Quantums. Die Ernte in den Brothalmfrüchten Weizen, Roggen, Gerste, Spelz und Halb¬ frucht ergibt im Jahre 1915 gegenüber der Ernte des Vorjahres einen Ausfall von 1,490.000 q. Der Abgang beträgt daher: 2,796.350q (Bedarf) 2,054.450 q (Deckung) 741.900 q = 7.419 Waggons Brotgetreide, welcher Abgang durch Import gedeckt werden muss. Diesen Abgang will die Landesregierung decken durch Bezug von 5000 Waggon Weizen oder Mais (gleich 4000 Waggon Mehl) aus Ungarn, 500 Waggon Mais oder Weizen aus Rumänien, sowie 2 -- 3000 Waggon Kartoffeln. Die ursprüngliche Absicht im Tauschwege von der deutschen Zentraleinkaufs¬ gesellschaft gegen gedörrte Pflaumen, 4000-5000 Waggon Weizen zu bekommen, musste aufgegeben werden, da sich die Erteilung der Zustimmung der beiden Regierungen zu dem von der Landesregierung geplanten Aufteilungsmodus ver¬ zögerte und schliesslich die Sperre der gedörrten Pflaumen im Interesse des Han¬ dels mit dieser Ware aufgehoben werden musste. Über die Approvisionierungslage und die bezügliche Aktion in Bosnien und der Herzegovina wurden die beiden Ministerpräsidenten mit Note des gemeinsamen 324. <pb/>Finanzministers Z. 11504 BH vom 6. November d. J. ausführlich informiert. Der kgl. ung. Ministerpräsident antwortete mit der Erklärung, dass die kgl. ung. Regierung für die Versorgung mit Brotfrucht das Möglichste tun werde. Es ist natürlich gleichgiltig, ob das Getreide beziehungsweise das Mehl aus Rumänien, Bulgarien oder Ungarn bezogen werde. Die Hauptsache bleibe, dass die beiden Regierungen beziehungsweise die mit dem Ankauf betrauten offiziellen Gesellschaften auf den Bedarf Bosniens und der Herzegowina Rücksicht nehmen und der Landesregierung entweder selbst die nötigen Mengen zuweisen oder aber der Durchfuhr von Getreidemengen, welche die bosnische Lebensmittelverkehrs¬ anstalt sich durch direkten Ankauf beschafft, keine Schwierigkeiten in den Weg legen. Der direkte Einkauf im Auslande, den die Landesregierung wiederholt angeregt habe, dürfte wohl nicht gut möglich sein, da in den beiden Staaten der Monarchie identische Verordnungen bestehen, wonach die Einfuhr von Ge¬ treide, Hülsenfrüchten und Mahlprodukten aus dem Zollauslande nur durch die Kriegsgetreideverkehrsanstalt beziehungsweise die Kriegsproduktengeseil¬ schaft in den inländischen Verkehr gesetzt werden können und jeder, der diese Artikel aus dem Auslande einführt, sie an diese Gesellschaften abzuge¬ ben verpflichtet ist. Ausserdem bestehe eine Vereinbarung dieser Gesellschaf¬ ten mit der deutschen Zentraleinkaufsgesellschaft, wonach zwecks Verhin¬ derung von Preistreibereien Sondereinkäufe im Zollauslande nicht vorgenom¬ men werden dürfen. Der bosnisch-herzegowinischen Landesverwaltung sei daher die Möglichkeit ge¬ nommen, ihren durch die eigene Ernte nicht gedeckten Bedarf an Brotfrucht durch eigene direkte Einkäufe zu decken. Sie sei entweder auf die Mithilfe der kgl. ungari¬ schen Regierung angewiesen, wenn es sich um Einkäufe in Ungarn, wo die Ernte beschlagnahmt wurde, handle, oder es müssten die beiden Kriegsgesellschaften den bosnisch-herzegowinischen Bedarf in Rechnung stellen, wenn für den Ankauf das Zollausland in Betracht komme. Das gemeinsame Finanzministerium habe sich auch in diesem Sinne an die beiden Gesellschaften gewendet und angefragt, ob bei dem letzten in Rumänien getätigten Kaufe Bosnien und die Herzegowina berücksichtigt seien, damit, falls dies nicht der Fall wäre, eine Remedur geschaffen werden könne. Hievon seien auch die beiden Regierungen verständigt worden. Der k.u.k. gemeinsame Finanzminister fasst sohin seinen Antrag, wie folgt, zusammen: Entweder müssen die Kriegsgetreideverkehrsanstalt in Österreich und die Kriegsproduktengeseilschaft in Ungarn einvernehmlich den durch Import zu deckenden Bedarf Bosniens und der Herzegowina an Brotfrucht, der auf Grund der vorliegenden Daten und bei Berücksichtigung der bisherigen Zuschübe aus Ungarn noch immer mehr als 6000 Waggons betrage, durch ihre Einkäufe im Zollauslande sichern oder aber soll der bosnisch-herzegowinischen Landes¬ verwaltung gestattet werden, durch ihre offizielle Lebensmittelverkehrsanstalt ihre Einkäufe direkt im Zollauslande zu besorgen, wobei ihr aber natürlich die ungehinderte Durchfuhr der bezüglichen Transporte durch Ungarn gesichert werden müsste. 325 <pb/> Der kgl. ung. Finanzminister hält die Heranziehung der Finanzwache für das zweckmässigste Mittel zur Feststellung der verborgenen Vorräte. Zu diesem Zwecke sei der Finanzwache die Ergreiferprämie zuzubilligen. Um dies durchzu¬ führen, stelle er die Bitte an die Heeresverwaltung um Entlassung der im Heeres¬ dienste stehenden Finanzwachleute wenigstens bis zum Frühjahr. Ausserdem wäre es zweckmässig, der ungarischen Regierung eine gewisse Menge von Trains zur Verfügung zu stellen, weil die Landwirte ihre Produkte in Ermangelung von Fuhr¬ werken nicht zur Bahn bringen können. Hiedurch könnte der Grenzverkehr mit Rumänien beträchtlich gehoben und ziemlich grosse Mengen eingeführt werden, andererseits könnten aus gewissen Teilen Ungarns Erdäpfel für den österreichischen und bosnischen Bedarf zu den Bahnen gebracht und dadurch einem Notstände abgeholfen werden. Schliesslich sei es sehr notwendig, für den Frühjahrsanbau Trains zur Verfügung zu stellen, weil sonst die grössten Schwierigkeiten zu be¬ fürchten wären. Mit dieser Hilfe könnte in der Versorgungsfrage eine wesentliche Erleichterung geschaffen werden; wenn sie aber ausbleibe, so werde der grosse Bedarf kaum zu decken sein. Der kgl. ung. Ackerbauminister stellt in Erwägung, ob es nicht möglich wäre, die in Serbien stehenden Truppen direkt von Bulgarien aus zu ver¬ sorgen, wodurch die Importe aus Rumänien frei werden könnten. Der k.u.k. Kriegsminister erklärt dies derzeit noch für untunlich, weil der Eisenbahn¬ betrieb noch nicht aufgenommen sei und keine Aussicht bestehe, den Verkehr nach Bulgarien vor Mitte Jänner in Gang setzen zu können. Die Versorgung aus Rumä¬ nien hänge aber nicht allein von verkehrstechnischen, sondern auch von anderen Schwierigkeiten ab. Bis heute hätten 30 Schlepper Orsova passiert. In der nächsten Zeit könne nicht auf sehr grosse Transporte gerechnet werden. Es seien wohl 15 Griechenschlepper freigegeben worden, die aber erst in 14 Tagen Orsova erreichen dürften. Ungefähr 6 Wochen dürften erforderlich sein, um die Schlepper wieder zur Neuladung hinunterschicken zu können. Im Maximum stünden 600 Schlep¬ per zur Verfügung. Wenn es also möglich ist, täglich 12 Schlepper durch das Eiser¬ ne Tor zu remorquieren, so würden fast 3 Monate erforderlich sein um das he¬ reinzubekommen, was Rumänien freigegeben habe. Der kgl. ung. Handelsminister bemerkt, dass jetzt im Herbste aller¬ dings kaum mehr als 10 Schlepper täglich das Eiserne Tor passieren können; im Frühjahre und Sommer aber können anstandlos 18 Schlepper remorquiert werden. Ausserdem sei auch noch damit zu rechnen, dass im Frühjahr auf dem alten Wege neben dem Kanal noch ein beträchtlicher Verkehr abgewickelt werden könne. Die Begrenzung liege im Frühjahre nicht in der Leistungsfähigkeit des Eisernen Tor- Kanals, sondern in der Anzahl der Schlepper, die^Zur Verfügung stehen werden. Man rechne auf 700 Schlepper, welche bei guter Einteilung in einem Turnus von 35 Tagen verkehren könnten. Auf diese Weise würden monatlich 3,000.000 Meterzentner auf dem Wasser¬ wege heranzogen werden können, das sind also für vier Monate Schiffahrtvon März bis Juli, als den Beginn der Ernte gerechnet, 12,000.000 Meterzentner, wozu noch etwa 2,000.000 Meterzentner zu rechnen sind, die im heurigen Herbste noch heran¬ gebracht werden könnten. 326 <pb/> Auf dem Eisenbahnwege sei die tägliche Leistung von 400 Waggons nicht zu niedrig berechnet; allerdings stehe jetzt auch die Linie über Orsova zu Verfügung. Hiemit wäre unter der Voraussetzung, dass kein Waggonmangel eintrete, auf beiden Wegen (auf dem Eisenbahnweg auf eine Transportzeit von 6 Monaten gerechnet) -- etwa mit einem Transporte von 22 -- 23,000.000 Meterzentner zu rechnen, wovon allerdings die Hälfte auf Deutschland entfalle. Bulgarien und die Türkei kommen nur an zweiter und dritter Stelle in Kombina¬ tion. Ausser der verkauften alten Ware von 8,000.000 Meterzentnern und den jetzt angekauften 5,000.000 Meterzentnern schätze man die verkaufsfähige Ware in Ru¬ mänien auf 45,000.000 Meterzentner. In Bulgarien betrage der für den Export ver¬ fügbare Neumais 6,000.000 Meterzentner, ausserdem seien noch etwa 1,000.000 Me¬ terzentner Bohnen zu haben. Augenblicklich spielen diese Vorräte für die Deckung unseres Bedarfes -- mangels entsprechender Transportmittel, - keine wesentliche Rolle; doch wäre für den Jänner und Februar zu empfehlen, den serbischen Bedarf sowohl für die Truppen als auch für die Bevölkerung aus Bulgarien zu decken. Bezüglich Bosniens und der Herzegovina sei zu bemerken, dass die Landes¬ regierung als selbständiger Käufer in Rumänien schon mit Rücksicht auf unser Abkommen hierüber mit Deutschland, nicht auftreten könne, und ferner dass ohne einer strammen Organisation sei ein preismässiger Ankauf bei den rumänischen Verhältnissen ausgeschlossen. Der k.u.k. gemeinsame Finanzminister erklärt, es sei der bosnisch-herzegovinischen Landesverwaltung selbstverständlich genügend, wenn sie den Bedarf durch die österreichische und ungarische Gesellschaft gedeckt be¬ komme. Wenn diese Aussicht bestehe, so habe sie ihrerseits keinen Anlass, eine getrennte Aktion einzuleiten. Der Vertreter des k.u.k. Armee-Oberkommandos gibt sohin Aufschlüsse über die Verhältnisse in Russisch-Polen, Galizien und Serbien. In Russisch-Polen sei das Getreidemonopol eingeführt, sämtliches Getreide beschlagnahmt und in die Magazine eingelagert worden. Die ursprüngliche Be¬ rechnung habe einen Überschuss von 7000 Waggons ergeben, welcher sich jedoch infolge des schlechten Wetters, dann weil die Gebiete rechts der Weichsel in stark verwüstetem Zustande befunden wurden, auf 3600 Waggons reduziere, wobei Saatgut schon in Abrechnung gestellt wurde. Hievon seien 1000 Waggons grössten¬ teils in das notleidende Gebiet von Olkusz und Dombrowa abgeschoben worden. Weiters besitze Russisch-Polen jetzt eine Garnison von etwa 100 000 Mann und 12.000 Pferden, für welche 2000 Waggons reserviert werden mussten, so dass also gegenwärtig ein reiner Überschuss von bloss 600 Waggons verbleibe. Hiebei sei die sehr niedrige Quote von 300 g pro Mann und Tag in Rechnung gestellt worden. Sehr günstig sei die Erdäpfelernte ausgefallen, welche einen Überschuss von 15 000 Waggons ergeben habe, von welchen bereits 7000 Waggons in das Hinter¬ land abgeschoben worden seien. Leider sei es durch den Mangel an Transport¬ mitteln und bei der Grösse der Produktionsgebiete namentlich rechts der Weichsel, dann infolge des Fehlens eines grossen Teiles der Bevölkerung und bei dem Mangel an Kriegsgefangenen nicht möglich gewesen, die ganze Ernte zu bergen. Es wurde daher angeordnet, die noch nicht abtransportierten Mengen einzumieten und was 327 <pb/>noch im Boden stehe, zur Schweinemast zu verwenden. Es wäre zweckmässig, die Schweine zur Mästung aus Ungarn hinauf zu senden. Ferner wurden Erdäp¬ feltrocknungsanlagen eingerichtet, permanente für menschliche Verpflegung und provisorische in den Brauereien und Brennereien, welche Viehfutter abgeben können. Die Hartfutterernte sei in Russisch-Polen sehr schlecht ausgefallen. Sie genüge kaum zur Deckung des Landesbedarfes. In Galizien sei die Brotfruchternte schlecht. Die Armee habe nur ganz gering¬ fügige Mengen aufgebracht, etwa 800 Waggons Brotfrucht und 2000 Waggon Hartfutter. Man sei gezwungen gewesen, der Bevölkerung mit den militärischen Beständen auszuhelfen. In Serbien sei die Lage ziemlich ungünstig. Der Anbau sei gering und die Ernte sehr schwach gewesen. Die zurückkehrenden Flüchtlinge leiden Hunger und man sei genötigt, an den Rückströmungslinien der Flüchtlinge Verpflegsstationen ein¬ zurichten. Es sei kaum anzunehmen, dass das Land zur Not das liefern werde, was die Flüchtlinge brauchen und daher erscheine es zweckmässig, für Serbien, ähnlich wie es Deutschland für Belgien verlangt habe, eine internationale Hilfsak¬ tion einzuleiten. Die Armee in Felde erhalte für ihre Verpflegung an Brotfrüchten einen täglichen Zuschub von 144 Waggons. Bei einem Stande von 2 1/2 Millionen Mann benötige man bei normaler Verpflegung (700) 161 Waggons täglich. Der tägliche Nach¬ schub betrage daher um 17 Waggons weniger als der Bedarf. Man habe aber Spar¬ massnahmen eingeführt, indem das Brot in der vollen Portion nur den Kampf¬ truppen und den Trains ausgefolgt werde. Die übrigen Truppen, also ein Drittel des Standes, bekommen nur 560 g. Bezüglich der Anforderung, dass jene Mengen Getreide, welche die Armee selbst aufgebracht habe, in Rechnung zu stellen seien, sei zu bemerken, dass nicht bloss der tägliche Bedarf der Armee in Betracht komme, sondern auch die Reserven, die sie sich aus Ersparnissen oder Überschüssen anlege. Die Vorräte hinter der Front seien auf 8 -- 10 Tage berechnet, maximal sogar auf 16 Tage. Dann musste auch für die Approvisionierung der festen Plätze vorgesorgt werden, endlich müssen Ver¬ luste in Rechnung gestellt werden. Tatsächlich betrage der dermalige Verpflegs- stand der Armee im Felde schon mehr als 2 1/2 Milhonen Mann und werde sich in der nächsten Zeit, da über den Winter eine Periode geringerer Verluste eintreten dürfte, voraussichtlich noch vermehren. Alle diese Faktoren lassen es erklärlich erscheinen, dass die aus dem Feindeslande gezogenen Vorräte den Reserven zugeschlagen werden müssten. Bezüglich der beanspruchten Hilfeleistung durch Trains habe das Armee¬ oberkommando die Absicht, die Zeit bis zum Anbau jetzt schon zur Feststellung zu benützen, wieviel Gespanne man brauche. Wenn die Heeresleitung bis Februar einen Überblick haben werde, so werde sie selbst militärische Rücksichten hintan¬ setzen, um nach einem grosszügigen Plane Arbeiter und Gespanne zur Verfügung zu stellen. Es werde bloss um möglichst baldige Bekanntgabe der Anforderungen ersucht. Bezüglich der Schlepper auf der Donau sei zu bemerken, dass von den zwei für operative Zwecke angelegt gewesenen Schiffsschleppbrücken die eine schon vor 328 <pb/>längerer Zeit abgebrochen und zum Teile in der Save verwendet werde, die andere jetzt zerlegt werde, woraus sich für die Getreideverfrachtung ein Zuwachs von 100 Schleppern ergeben werde. Grosse Schwierigkeiten ergibt die Ernährung der Armee in Serbien und der dortigen Bevölkerung; die Bahn genüge kaum für die bulgari¬ sche Armee und es sei schwer, eine neue Etappenlinie von Osten nach Westen einzurichten. Dagegen könne die Verpflegung auf dem Donauwege hinauf bis Belgrad eingerichtet werden. Die Freigabe der Finanzwache dürfte wohl keinem Anstande unterliegen. Es stehe aber infolge der zu gewärtigenden Einrichtung des serbischen Verwaltungs¬ gebietes und des Zolldienstes in Russisch-Polen ein grosser Bedarf an Finanz¬ wache bevor, zumal man wegen des noch immer bestehenden ausserordentlich grossen Schmuggels nach Deutschland die Grenze gegen das deutsche Okkupa¬ tionsgebiet gleichfalls mit Finanzorganen besetzt habe. Der k.k. Ministerpräsident gibt zu bedenken, dass, so dankenswert auch das Entgegenkommen der kgl. ung. Regierung bezüglich der Einfuhr aus Rumänien sei und so gerne er auch seinerseits den vom kgl. ung. Ministerpräsi¬ denten beantragten Massregeln zu folgen bereit sei, damit doch noch immer keine entscheidende Abhilfe geschaffen werde. Die nachträglichen Erhebungen der Vorräte dürften in Österreich, wenn sie auch noch so strenge durchgeführt werden, keine bedeutenden Mengen mehr ans Tageslicht bringen, weil man ja vom Anfang an streng vorgegangen sei. In Ungarn Hesse sich allerdings ein besseres Ergebnis erwarten. In den Streckungsmassnahmen werde man in Österreich gleichfalls nicht wesentlich weiter gehen können. Es sei daher unbedingt nötig, eine sichere Garan¬ tie zu erhalten, als diese Massregeln erwarten lassen. Wenn die kgl. ung. Regierung wegen der noch nicht abgeschlossenen Vorrats¬ aufnahmen in Mais heute noch nicht in der Lage sei, seine bestimmte Erklärung über die weiteren Lieferungen an Österreich abzugeben, so müsse doch auf das dringendste ersucht werden, die Lage nochmals zu prüfen und danach die end- giltige Erklärung einzurichten. Die geäusserten Zweifel an der Möglichkeit der Einhaltung des vereinbarten Kontingentes von 9,000.000 Meterzentnern seien geeignet, die Lage noch mehr zu verschärfen, weil sich die Wirkungen des Aufhö¬ rens der ungarischen Lieferungen schon in den nächsten Wochen fühlbar machen würden. Österreich müsse unbedingt damit rechnen können, dass dieses Kontin¬ gent nicht erschüttert und seine Abheferung nicht unterbrochen werde; es müsse ferner eine baldige Antwort bezügüch der Lieferung von Mais erwarten, da die Heranziehung von Mais zur Brotmischung dringendst erforderHch sei, um die Bevölkerung nicht später wieder auf Maismehl allein beschränken zu müssen. Der kgl. ung. Ministerpräsident erklärt, dass eine Verpflichtung Ungarns, die 9 Millionen Meterzentner abzuHefern, nicht bestehe, weil die dies¬ bezügliche Zusage ausdrücklich unter der Voraussetzung gegeben worden sei, dass die heurige Ernte nicht hinter jener des Jahres 1913 Zurückbleiben werde. Man stehe daher heute einer neuen Lage ohne gegenseitige Verpflichtungen gegenüber und müsse die allerdings schwere Last dieser neuen Lage tragen. Von den Vorrats¬ erhebungen durch die Finanzwache sei in beiden Staaten mehr zu erwarten, als 329 <pb/>der k.k. Ministerpräsident voraussetze. Natürlich müsste einheitlich vorgegangen und auch in Österreich die Ergreiferprämie wieder eingeführt werden. Vor der Verwendung von Mais zur Brotmischung sei dermalen unbedingt zu warnen, weil der Mais neuer Ernte hiezu nicht geeignet sei und das Mehl verderben würde. Hiezu wäre allenfalls guter rumänischer Mais alter Ernte zu verwenden. Was schliesslich die Revision der Berechnung des Heeresbedarfes anbelange, so sei zu bemerken, dass der österreichischen Berechnung die Schätzungen vom Oktober zu Grunde gelegt wurden, während man die tatsächlichen Druschergeb¬ nisse als Basis annehmen müsse, wodurch das Bild ein wesentlich anderes werde. Weitere Fehler der österreichischen Berechnung liegen ferner darin, dass die ungarischerseits bereits gelieferten 3 Milhonen Meterzentner nicht eingerechnet wurden und die Zeit von der Ernte bis 15. Oktober mit 2 statt mit 3 Monaten ein¬ gesetzt wurde. Der Vertreter des Armee-Oberkommandos ergänzt seine früheren Ausführungen noch mit Daten betreffend die Ersparungsmöglichkeiten von Hartfutter. Die Armee im Felde bekomme statt der erwarteten 446 Waggons täglich nur 313 1/2 Waggons, das ist per Pferd 4 kg, also ein äusserstes Minimum. Als Berechnungsschlüssel war jedoch ein Stand von 850.000 Pferden angenommen worden, welcher indessen seither auf 776.000 Stück zurückgegangen sei. Man könnte also eine Hartfutterersparnis von etwa 2.3 Millionen Meterzentnern erzie¬ len und dadurch vielleicht Erleichterung in die Brotversorgung bringen. Aus den vorstehenden Feststellungen schhesst der k.k. Ackerbaumini¬ ster, dass sich eine Notwendigkeit, das Beitragsverhältnis für Hartfutter zu ändern, nicht ergebe. Bei Brotfrucht dagegen glaubt der kgl. ung. Handelsminister, dass mit Rücksicht auf die augenblicklich bestehenden Verhältnisse ungarischerseits zur Deckung des dringendsten Bedarfes Österreichs vorschussweise mit weiteren Zustellungen an Österreich fortgefahren werden sollte, welche allerdings spä¬ ter aus den rumänischen Importen zurückgestellt werden müssten. Diese Liefe¬ rungen könnten über Wunsch der österreichischen Regierung speziell an die der¬ malen notleidenden Gegenden abgegeben werden. Der k.k. Handelsminister führt die äusserst ungünstige Lage, mit der heute zu rechnen sei, darauf zurück, dass die Verbrauchsregelung in Ungarn nicht rechtzeitig erfolgt sei. Wenn der freie Verkehr aufgehoben werde, so müssen beide Regierungen auch hinsichtlich des Masses der Verbrauchsregelung übereinstim¬ mend vergehen, weil sonst eine Prägravierung Österreichs erfolge. Es ergebe sich als Folge der Einschränkung des Getreideverkehres, dass die Verbrauchsrege¬ lung eine gemeinsame sein müsse. Zur Revision des Abkommens bemerkt der k.k. Handelsminister, dass nach Ansicht österreichischer und ungarischer Geschäftskreise die Versorgung in Ungarn sehr günstig eingeschätzt werde, wozu gesagt wird, es sei zu hoffen, dass, wenn grosse rumänische Importe kommen, die ungarischen Vorräte ans Tageslicht kommen würden. Wenn also jetzt eine ausserordentlich scharfe Revision ein¬ trete, so sei zu erwarten, dass dieselbe ein Resultat ergeben werde, welches die Lage einigermassen verbessern könnte. 330 <pb/> Der kgl. ung. Ministerpräsident wiederholt, dass Ungarn den eige¬ nen Konsum auf das tunlichste Mindestmass beschränken und was möglich ist, an Österreich abliefern werde. Eine Ziffer könne man aber heute nicht angeben. Der k.k. Minister des Innern fasst sohin in Abwesenheit des durch ein Unwohlsein an der weiteren Teilnahme an der Konferenz verhinderten k.k. Ministerpräsidenten das Ergebnis der Beratung wie folgt zusammen: Es sei der Sachverhalt aufgenommen worden und man habe sich gegenseitig die Lage gezeigt, wobei man leider zu sehr traurigen Wahrnehmungen gekommen sei. Auf öster¬ reichischer Seite habe man den Eindruck empfangen, dass man leider mit einer bestimmten Zusicherung ungarischerseits nicht rechnen könne. Man möchte aber die Konferenz nicht schliessen, ohne eine dahingehende Erklärung abzugeben, dass die österreichische Regierung sich ausser Stande sehe, die Verantwortung zu über¬ nehmen, weiter durchzuhalten, wenn nicht die nachstehend angeführten Bedin¬ gungen als Minimum Annahme finden und zur Durchführung gelangen: 1. müsse man darauf bestehen, die zugesagten 9 Milhonen Meterzentner zu erhalten. Man wisse zwar, dass diese Zusage unter Voraussetzungen gegeben wurde, die nicht eingetroffen sind, habe aber in Österreich auf diese 9 Milhonen Meter¬ zentner gerechnet. 2. sollen die angehofften Bezüge aus Rumänien mit Ausnahme der für Bosnien und die Herzegowina, eventuell für Kroatien benötigten Mengen, sowie der Grenz¬ käufe in Siebenbürgen Österreich überlassen werden. 3. bezüglich des Maises wolle man österreichischerseits die Worte des kgl. ungarischen Ministerpräsidenten nicht als endgiltige Ablehnung ansehen. Man bitte, die Sache noch einmal zu prüfen, da man darauf rechnen müsse, einen Mais¬ bezug zu bekommen, und zwar so viel als möglich, weil man Mais auch als Brot¬ frucht verwenden müsse. 4. dass jene Bitte, welche an die Heeresverwaltung gerichtet wurde, erfüllt werde und eine Ersparung eintrete, wodurch die Kontingente, die beiderseits geleistet werden sollen, entsprechend verringert würden. 5. dass endlich die an die Zentraltransportleitung gerichtete Bitte um Entgegen¬ kommen bei der Verfrachtung erfüllt werde. Der k.k. Eisenbahnminister bemerkt zu diesem Punkt, dass 600 Waggons für Getreidetransporte aus Ungarn nach Gahzien und dem Künsten- lande angefordert worden seien, woraufjedoch noch keine Antwort erfolgt sei. Der Chef der k.u.k. Zentraltransportleitung erklärt hiezu, dass der Getreidetransport bereits in die Wege geleitet sei und die 600 Waggons beigestellt werden. Der kgl. ung. Handelsminister erklärt, dem Vorstehenden nur inso- . ferne zustimmen zu können, als die 600 Waggons aus dem österreichischen Zivil¬ verkehre zur Verfügung gestellt werden. Es sei jetzt unmöglich, den Getreideverkehr in geschlossenen Zügen zu organisie¬ ren, weil Getreidevorräte auf den einzelnen Stationen nur in geringen Mengen erliegen. Ausserdem sei man mit den Ablieferungen an die Mühlen stark im Rück¬ stände. Mehl könnte dagegen in geschlossenen Zügen abgegeben werden, und sei auch bereit, die Direktion der ung. Staatsbahn anzuweisen sich hierüber mit der 33i <pb/>Kriegsprodukten Gesellschaft ins Einvernehmen zu setzen und den Mehlverkehr tunlichst nach den Dispositionen der k.k. Regierung zu regeln. Der k.k. Eisenbahnminister bemerkt, dass die Schwierigkeiten, wie es sich zeige, darin liegen, dass die einzelnen Transporte verstreut sind. Als die zwei einzigen geeigneten Sammelpunkte wurden Temesvar und Arad bezeichnet, von wo aus ein Pendelverkehr eingerichtet werden könnte. Nach den Erklärungen des Chefs der Zentraltransportleitung und des kgl. ungarischen Handelsministers könne also einer zustimmenden Antwort entegegengesehen werden, worauf dann die weitere betriebstechnische Regelung der Angelegenheit mit den Staatsbahnen erfolgen könnte. Der kgl. ung. Ministerpräsident erwidert zunächst auf die vom k.k. Handelsminister berührte prinzipielle Frage, wonach sich aus der Notwendigkeit einer Verkehrsbeschränkung die Notwendigkeit der Verbrauchsregelung im beider¬ seitigen Einvernehmen ergebe. Man nehme ungarischerseits keinen Anstand zu erklären, dass die Regelung auch mit Rücksichtnahme auf die Interessen des ande¬ ren Staates zu erfolgen habe; aber eine formelle Verpflichtung, dies im Einver¬ nehmen zu machen, könne man nicht eingehen. Man werde viel leichter zu einer zweckmässigen Lösung gelangen, wenn beide Teile die freie Hand haben, als wenn man von vorneherein an ein Vorgehen im gegenseitigen Einvernehmen gebunden sei. Zu den vom k.k. Minister des Innern abgegebenen Erklärungen bemerkt der kgl. ung. Ministerpräsident: 1. Bezüglich der Zusage der 9 Millionen Meterzentner könne er nur wiederho¬ len, was er bereits gesagt habe: leider könne diesbezüglich heute eine Zusage nicht gemacht werden, es müsse vielmehr sehr davor gewarnt werden, diese 9 Millionen in Aussicht zu nehmen. So wie die Dinge heute stehen, sei wenig Hoffnung vor¬ handen. Man werde ungarischerseits alles abtreten, was möglich sei, aber dies werde die Ziffer von 9 Millionen nicht erreichen. 2. Die Einfuhr aus Rumänien sei schon bereinigt. Ungarn verzichtet auf seinen Anteil von 20% mit den vom k.k. Minister des Innern angegebenen Einschrän¬ kungen. 3. Bezüglich der Überlassung von Mais könne nur wiederholt darauf verwie¬ sen werden, dass man in Ungarn eben im Begriffe stehe, die Bestände festzustellen. Das Ergebnis werde der österreichischen Regierung mitgeteilt werden und dann werde man erst sehen, was zu tun noch möglich sei. Leider sei aber auch hier sehr wenig Raum für Hoffnungen vorhanden, weshalb man vor Illusionen warnen müsse. 4. Bezüglich der Ersparnisse bei der Heeresverwaltung stehen beide Regierun¬ gen auf dem gleichen Standpunkte. Auch ungarischerseits könne man sich nur wiederholt an das Kriegsministerium und das Armee-Oberkommando mit der Bitte um Mithilfe wenden. Man nehme es mit grossem Danke zur Kenntnis, dass bezüglich des Hartfutters schon eine erhebliche Ersparnis möglich sei. Die hier er¬ sparten Mengen erleichtern die Lage schon wesentlich. Andererseits wäre es sehr erwünscht, auch dem vom Bedarf an Brotfrucht zwei bis drei Millionen Meter¬ zentner abzuziehen und man bitte daher mit der peinlichsten Sorgfalt den unbe¬ dingt nötigen Bedarf zu berechnen. Was an Brotfrucht von der Heeresverwaltung erspart werde, sei Ungarn bereit, dem österreichischen Konsum abzutreten. 332 <pb/> Dem 5. Punkte stimmt der kgl. ungarische Ministerpräsident vollinhaltlich bei. Die grösste Schwierigkeit sei verkehrstechnischer Natur. Um vorwärts zu kommen, müssen sehr grosse Mengen aus Rumänien hereingebracht werden. Das sei eine Transportfrage. Man müsse jetzt schon alle Massnahmen treffen, um im Frühjahr den Donauweg möglichst ausnützen zu können. Hiezu müssten schon im Winter die nötigen Vorbereitungen getroffen werden. Hierauf rekapituliert der kgl. ungarische Ministerpräsident die Ergebnisse der Besprechung im positiven Sinne und stellt folgendes fest: Man sei darüber einig, dass man auf der ganzen Linie alle Massnahmen treffen müsse, um den rumäni¬ schen Verkehr zu entwickeln und die grösstmöglichen Mengen hereinzubekommen. Man sei sich ferner einig in der Bitte an die Heeresleitung, den Regierungen hilf¬ reich an der Seite zu stehen wegen des Bedarfes an Brotfrucht. Man stimme end¬ lich auch darin überein, dass sowohl in Österreich wie in Ungarn die Revision der Vorräte mit den nachdrücklichsten Mitteln durchgeführt werde: Heranziehung der Finanzwache, Konfiskation, Ergreiferprämie. Die königl. ungarische Regierung werde das Ergebnis ihrer Arbeiten der öster¬ reichischen mitteilen, um die Angelegenheit in vertrauensvollster Weise mit der österreichischen Regierung der Regelung zuführen zu können. Über Anfrage des k.k. Ackerbauministers erklärt der kgl. ung. Handelsminister, dass die Grenzkäufe in Siebenbürgen alle Artikel und nicht bloss Mais betreffen. Der Vorsitzende stellt sohin abschliessend fest, dass die überaus wich¬ tige Frage der Brotversorgung bis zu jener Grenze erörtert wor¬ den sei, welche die heutigen Verhältnisse gestatten und dass beide Regierungen die noch erforderlichen ergänzenden Arbeiten der Regelung des Konsums, der Vor¬ ratsaufnahme und der provisorischen Versorgung der notleidenden Gebiete vor¬ nehmen werden. Es sei gegenseitig die Zusage gegeben worden, sich über die Fortschritte dieser Arbeiten im Laufenden zu erhalten, weil daraus ersehen wer¬ den könne, wie weit man sich dem Ziele nähere. Wenn diese Arbeiten zu einem Abschlüsse gekommen sein werden und wenn dann gleichzeitig auch festgestellt werden kann, wie sich die rumänische Getreideeinfuhr entwickelt und welche Ergebnisse sie liefert, werde die Konferenz ein zweites Mal zusammentreten, um dann zu konstatieren, in welchem Masse dem Bedürfnisse abgeholfen worden sei. Wenn einmal die jetzt anzuwendenden Mittel erschöpft sein werden, dann werde man feststellen müssen, ob man am Ziele angelangt sei und dann werde auch zu entscheiden sein, ob man sich mit dem Erreichten begnügen könne oder ob noch irgend welche andere Mittel zu ergreifen seien. II. Organisation der Einkäufe in der Türkei und in Bulgarien Der kgl. ung. Handelsminister bringt die Gründung der orientali¬ schen Handelsgesellschaft in Konstantinopel zur Sprache, welche den Gegen¬ stand einer Note des Kriegsministeriums gebildet habe, worin das Handelsmini¬ sterium um die Namhaftmachung jener Banken ersucht wird, die an dem Unter¬ nehmen teilnehmen sollen. Es sei schwer, zu diesem fait accompli Stellung zu neh- 333 <pb/>men, ohne vorher über die Einzelheiten die auch mit den Regierungen hätten besprochen werden sollen, informiert zu sein. Soweit die vorhandenen Informatio¬ nen reichen, handle es sich um die Gründung einer Gesellschaft, welche den Ein¬ kauf von Bedarfsartikeln in der Türkei im Einvernehmen mit dem türkischen Kriegsministerium zu besorgen hätte. Türkischerseits sei zu diesem Zwecke die Erlassung allgemeiner Ausfuhrverbote für die in Betracht kommenden Gegen¬ stände in Aussicht genommen worden. Es wäre vor allem festzustellen, ob diese Ausfuhrverbote bereits erlassen seien, ferner ob die Gesellschaft bloss für die Dauer des Krieges tätig sein soll, oder ihr auch für spätere Zeiten Agenden zuge¬ dacht seien. Der k.u.k. Kriegsminister führt aus, dass man sich infolge der überaus regen Einkaufstätigkeit Deutschlands in der Türkei veranlasst gesehen habe, an das preussische Kriegsministerium mit dem Ersuchen heranzutreten, in irgend einer Form eine Vereinbarung zu treffen, um auch für Österreich-Ungarn einen gewissen Anteil der für die Kriegsführung unbedingt nötigen Artikel sicherzustellen. Nun war die deutsche Regierung schon im Begriffe, eine Einkaufsgesellschaft für die Türkei zu gründen, weshalb man trachten musste, bei dieser Gesellschaft wenig¬ stens eine Kontrolle zu ermöglichen. Hierauf sei zwischen den beiden Kriegsmi¬ nisterien die Vereinbarung betreffend die orientalische Handelsgesellschaft zu¬ stande gekommen, welche nur für die Dauer des Krieges Geltung haben soll. Die wesentlichsten Bestimmungen gehen dahin, dass die Durchfuhr durch Österreich- Ungarn nur insoweit gestattet werden soll als die Hälfte der angekauften Waren in Österreich-Ungarn verbleibt (das genaue Verhältnis der Verteilung ist 5 : 5 bei Beförderung auf dem Wasserwege, 4 : 6 bei Beförderung mittels Bahn, wo Deutsch¬ land den grösseren Anteil erhält, weil es die Waggons beistellt.) Der Wareneinkauf für Deutschland und Österreich-Ungarn soll ausschliesslich durch die orientalische Handelsgesellschaft erfolgen, welche in Konstantinopel nicht als rein deutsches Unternehmen auftreten, sondern ihre Tätigkeit unter Mitwirkung österreichischer und ungarischer Banken entfalten werde. Es sei weiter vereinbart worden, dass in der Türkei in erster Linie Deutschland, in Bul¬ garien, auf welches Land sich die Tätigkeit der Gesellschaft gleichfalls erstrecken werde, Österreich-Ungarn einkaufen solle. Da die genannte Gesellschaft eine Filiale der deutsch-orientalischen Handelsgesellschaft in Bremen bilde, sei auch die Entsendung eines Vertreters nach Bremen erwirkt worden. Das Aktienkapital werde erst nach Massgabe des Beitrittes der österreichischen und ungarischen Banken zu bilden sein. Der kgl. ung. Finanzminister bemerkt, dass man sich insbesondere auch darüber nicht im klaren gewesen sei, ob die Tätigkeit der Gesellschaft nur für Heereszwecke oder auch für die private Industrie beabsichtigt sei. Jetzt wisse man, dass die Heeresverwaltung alles für sich in Anspruch nehme, so dass die privaten Bezüge ausgeschaltet bleiben. Immerhin wäre festzustellen, wie die Bezüge von Waren, die von der Heeresverwaltung nicht benötigt werden, zwischen den beiden Staaten verteilt werden sollen. Ferner sollte der deutschen Regierung ganz klar gesagt werden, dass die Organisation nur für die Kriegsdauer bestimmt sei und nur für die während des Krieges gekauften Waren einschliesslich der eventuell 334 <pb/>nicht abzuführenden Waren gelten solle und sich nach Friedensschluss sofort auf¬ zulösen habe. Der Vorsitzende bemerkt, dass er sich auf die Anfrage der kgl. ungari¬ schen Regierung an das Kriegsministerium mit dem Ersuchen um die näheren Informationen gewendet habe, die nunmehr gegeben worden seien. Die Beschrän¬ kung des Zweckes der Gesellschaft auf die beiden kriegführenden Mächte ent¬ spreche der Sachlage in Konstantinopel, da die türkische Regierung nichts ver¬ kaufen lasse. Es falle alles unter das Verbot und Ausnahmen werden nur für die beiden Heeresverwaltungen gemacht. Über die Absichten der deutschen Regierung nach dem Kriege werde man versuchen, sich zu informieren. Der k.k. Handelsminister schliesst sich im grossen und ganzen dem Standpunkte des kgl. ung. Finanzministers an und bemerkt noch im besonderen, dass er es im Interesse des Prestiges der Monarchie für bedenklich halte, wenn eine Gesellschaft in Konstantinopel auftrete, in welcher Österreich-Ungarn nur ver¬ treten sei. Er hielte es für richtiger, dass die Monarchie selbständig auftrete und neben der deutschen Gesellschaft eine österreichisch-ungarische gegründet werde, welche beide gemeinsam die Filiale der deutsch-orientalischen Gesellschaft zu betreiben hätten. Es sei ihm bekannt, dass auch die Geschäftskreise in Bremen diese Stellungnahme begreifen. Der k.u.k. Kriegsminister bemerkt hiezu, es sei nicht eine blosse Ver¬ tretung in Konstantinopel geplant, wo die österreichischen und ungarischen Banken mit den deutschen Beteiligten gleichberechtigt sein werden; es handle sich dort um eine einheitliche Organisation. Die blosse Vertretung sei in der Zentrale in Bremen in Aussicht genommen. Der Vorsitzende bemerkt, es sei nicht unter allen Umständen vorteilhaft, wenn Österreich-Ungarn und Deutschland getrennt auftreten, namentlich nicht unter den gegenwärtigen Verhältnissen in der Türkei: man mache sich Konkur¬ renz und erschwere sich gegenseitig die Tätigkeit. Er glaube, dass die Vertreter der beiden Heeresverwaltungen ganz erspriesslich zusammen arbeiten können. Der k.k. Handelsminister bemerkt, er habe nicht die Konkurrenz im Auge gehabt, sondern nur gemeint, dass man wissen sollte, dass hinter der Grün¬ dung eine deutsche und eine österreichisch-ungarische Organisation stehe, nicht aber dass Österreich-Ungarn durch Deutschland vertreten sei. Der kgl. ung. Ministerpräsident hofft, dass die Gründung in Konstan¬ tinopel mit Vorteilen für Österreich-Ungarn verbunden sein werde; in Sofia seien die Deutschen im Vorteile gewesen, da ihnen auch die Beteihgung an den alten, Käufen, für welche österreichisch-ungarischerseits die Ausfuhr bereits erwirkt war, zugestanden werden musste. Der k.u.k. Kriegsminister erwidert, dass die Teilung auch in Bulga¬ rien die gleiche sei, wie in der Türkei und dass die alten Käufe einbezogen wurden, weil Deutschland in der Türkei viel mehr solche Käufe habe, als Österreich- Ungarn. Man hätte sich sehr geschadet, wenn man darauf bestanden wäre, die alten Käufe auszuschliessen. Der kgl. ung. Handelsminister bemerkt, dass die Teilung doch nicht solche Waren betreffen sollte, für welche schon die Ausfuhrbewilligung erwirkt 335 <pb/>worden sei. Er glaube daher, dass man die Sache noch sehr überlegen müsse, zu¬ mal diese Bestimmung auch in das Privatrecht eingreife. Der kgl. ung. Ministerpräsident will sich den Schwierigkeiten der Lage nicht verschliessen; doch müsste immerhin in allen diesen Fragen ein sehr intensives Zusammenarbeiten zwischen der Heeresleitung, dem Ministerium des Äussern und den beiden Regierungen erfolgen. Er wolle hoffen, dass die Sache in dem vorliegenden Falle sich vorteilhaft gestalte, es sei aber doch bedenklich, wenn die Heeresleitung, von ihrem Standpunkte allein ausgehend, in solchen wirtschaft¬ lichen Fragen Beschlüsse fasse, ohne die Rücksichten zu kennen, welche die beiden Regierungen betreffen. Im Sinne dieser Bemerkung spricht die Ministerkonferenz den Wunsch aus, dass alle wirtschaftlichen Fragen möglichst schon im Stadium der vertrauli¬ chen Besprechung den Regierungen mitgeteilt werden, um im Einvernehmen mit ihnen geregelt werden zu können. III. Beschaffung von Eisenbahnwaggons und Lokomotiven Der kgl. ung. Handelsminister bringt die Frage der Bestellung von Waggons und Lokomotiven und deren Nachschaffung im Auslande zur Sprache, in welcher Angelegenheit sich das Kriegsministerium an die zuständigen Ministerien gewendet habe. Er stellt an die Heeresverwaltung das Ersuchen, von einer direkten Bestellung abzusehen, Bestellungen im Auslande möglichst zu unterlassen, und die Bestellungen überhaupt nur in Einvernehmen mit den Regierungen vorzunehmen. Diesem letzteren Wunsche sei das Kriegsministerium bereits nachgekommen und habe die Bestellung von 90 Lokomotiven und 6000 Waggons im Auslande angeregt. Es frage sich, ob es nötig sei, dieses Material aus dem Auslande zu beschaffen. Die ungarische Lokomotivenfabrik sei sehr leistungsfähig und wenn gewisse Bestand¬ teile aus dem Auslande bezogen würden, so könnte die gegenwärtige Produktion von ungefähr 20 Lokomotiven monatlich um mehr als die Hälfte gesteigert werden. Für Waggons sei schon in ziemlich starkem Masse vorgearbeitet w'orden, indem mit der in den letzten Tagen erfolgten Bestellung alles in allem 16.778 Lastwagen an¬ geschafft worden seien, womit man das Auslangen finden dürfte. Immerhin könnte die ungarische Fabrik noch eine Bestellung von 2000 Waggons übernehmen. Auch der k.k. Eisenbahnminister will die Gründe der Dringlichkeit nicht verkennen, welche das Kriegsministerium veranlasst haben, die Bestellung im Auslande anzuregen. Er wolle auch die Schwierigkeiten nicht näher erörtern, welche sich neben dem Wagenmangel für den Verkehr ergeben haben, so insbe¬ sondere die Unzulänglichkeit der Bahnhofanlagen. Er gebe auch zu, dass in puncto Waggons nicht alles geleistet wurde, was zu leisten gewesen wäre, trotzdem sehr aus¬ giebige Bestellungen gemacht worden seien. Die österreichischen Waggonfabriken hätten bisher in der letzten Zeit durchschnittlich 1200 Waggons monatlich erzeugt. Sie wären aber in der Lage, auch mehr zu liefern, etwa um 3 -- 400 Waggons monatlich mehr, was zuzüglich der Leistung der ungarischen Fabrik dem entspre¬ chen dürfte, was das Kriegsministerium aus dem Auslande beschaffen wolle. Etwas anders liegen die Dinge bei den Lokomotivfabriken, welche eine viel grössere Leistungsfähigkeit ausweisen, als sie wirklich betätigen, weil sie durch die 336 <pb/>Einberufung ihrer Professionisten sehr stark in Anspruch genommen sind. Sie wären gleichfalls einer wesentlichen Mehrleistung fähig, wenn ihnen die Profes¬ sionisten zurückgegeben würden. In diesem Falle könnten sie beiläufig 10 Lokomo¬ tiven monatlich mehr liefern und im Zusammenhänge mit der Produktion der ungarischen Fabrik dem Heeresbedarfe gerecht werden. Der k.k. Eisenbahnmini¬ ster glaubt daher, dass man es vermeiden sollte, sich ohne zwingende Not an das Ausland zu wenden, was rücksichtlich der Lokomotiven allerdings nur dem Falle der Entlassung der Professionisten aus dem Heeresdienste möglich wäre. Der k.u.k. Kriegsminister wird beim Armee-Oberkommando einen entsprechenden Antrag stellen und ersucht nur, die Fabriken zu veranlassen, die Namensverzeichnisse der zu enthebenden Arbeiter einzureichen. Der kgl. ung. Finanzminister schliesst sich auch von seinem Ressort¬ standpunkte der Bitte an, von den ausländischen Bestellungen abzusehen und zieht die allgemeine günstige militärische Lage in Vergleich zu der sehr ungünstigen wirtschaftlichen Lage. Die grösste Sorge bestehe heute darin, dass man die Erfolge des Krieges wegen wirtschaftlicher Hindernisse vielleicht nicht werde ausnützen können und er bittet daher, auf die wirtschaftlichen Bedürfnisse von nun an ein grösseres Augenmerk zu lenken, zumal die militärischen Interessen so ziemlich gesichert seien. Der k.k. Eisenbahnminister schliesst sich dieser allgemeinen Anre¬ gung vollinhaltlich an. Überall trete die Tatsache zu Tage, dass heute das einzig Gefährdete die inneren wirtschaftlichen Verhältnisse seien. Der k.u.k. Kriegsminister bemerkt, dass bezüglich der Waggons die Heeresverwaltung verpflichtet sei, den Ansprüchen des Verkehrs insoferne Rech¬ nung zu tragen, als im Wagenpark immer genügend Waggons vorhanden sein müssten. Bei Lokomotiven stehe die Sache anders, weil sie sich nicht trennen las¬ sen in solche für Heereszwecke und für anderen Gebrauch. Zu Beginn des Krieges habe man über 12.000 Lokomotiven verfügt. Zugewachsen seien 792, verloren 237, für andere Zwecke werden gegenwärtig verwendet 469. Rechnet man den Ver¬ lust und die für besondere Zwecke verwendeten ab, so ergebe sich ein Zuwachs von 86 Lokomotiven seit Kriegsbeginn. Ziehe man in Betracht, welchen grossen Umfang der Kriegsverkehr angenommen habe, so zeige sich, dass durch den Man¬ gel an Lokomotivenersatz beträchtliche Verkehrsschwierigkeiten eintreten müssten, da sich die Lokomotiven heute schon in einem sehr abgenützten Zustande befinden. Dies sei der Grund, warum das Kriegsministerium sich entschlossen habe, auf den Gedanken einzugehen, Lokomotiven aus dem Auslande zu beschaffen. So dankenswert die Erhöhung der Leistungsfähigkeit der eigenen Fabriken sei, so schliesse sie doch nicht die Wahrscheinhchkeit grosser Verkehrschwierigkeiten aus. Es werde wohl nichts anderes übrig bleiben, als die Lokomotiven in den Auf¬ marschraum zu senden, worunter der Zivilverkehr empfindlich leiden müsste. Die Heeresverwaltung glaube daher, so schwer die Opfer auch seien, dass es gegenwär¬ tig nötig wäre, Lokomotiven von dort zu nehmen, wo man sie bekomme. In dem Sinne seien auch in Deutschland Erhebungen gepflogen und festgestellt worden, dass man etwa 100 Lokomotiven in der Zeit vom 1. Februar bis Juni 1916 bekom¬ men könnte. 22 Komjäthy: Protokolle 337 <pb/> Der kgl. ung. Handelsminister sieht ein, dass die Frage des Verkehrs heute eine Frage der Lokomotiven sei. Trotzdem möchte er aber zu bedenken geben, ob man im Auslande auch gerade die passenden Lokomotiven bekommen werde und ob sie zur bestimmten Zeit sicher abgeliefert werden können. Jedenfalls ersucht er mit der Bestellung im Auslande noch einige Zeit zuzuwarten, schon wegen der Verhandlungen, die in Deutschland wegen der Lieferung der Bestandteile geführt werde, was in ungefähr 14 Tagen geregelt sein dürfte. Falls das Kriegsministerium auch nach dieser Zeit von einer Bestellung der Lokomotiven im Ausland nicht absehen zu können glaubt, ersucht er mit Rücksicht auf die schon früher ange¬ führten volkswirtschaftlichen Gründe, dies nur nach neuerlichem Einvernehmen mit beiden Regierungen vorzunehmen. Hiezu bemerkt auch der k.k. Eisen¬ bahnminister, dass die zu erwartende Mehrproduktion der inländischen Fabriken es gleichfalls als erwünscht erscheinen lasse, mit den Bestellungen im Auslande noch zuzuwarten, was vom k.u.k. Kriegsminister zur Kennt¬ nis genommen wird. IV. Ausgleich, polnische Frage, südslavisches Problem Der kgl. ung. Ministerpräsident lenkt zum Schlüsse die Aufmerk¬ samkeit der Konferenz auf einige wichtigen Fragen, welche ehestens der Beratung zuzuführen wären und zwar: 1. Die Festlegung der Hauptgrundsätze des wirtschaftlichen Ausgleiches zwi¬ schen den beiden Staaten der Monarchie. Es erscheine geboten, im Schosse der Regierungen die Hauptprinzipien zu besprechen. Die Referentenverhandlungen wären erst aufzunehmen, wenn die Hauptfragen besprochen sind. Ebenso sei es notwendig, gewisse Hauptgesichtspunkte bezüglich der Gestaltung des wirt¬ schaftlichen Verhältnisses zu Deutschland festzulegen. 2. Die Erörterung gewisser pohtischer Fragen, die heute zwar noch nicht der Lösung zugeführt werden können, die aber doch eine rechtzeitige Stellungnahme1 erfordern. Es seien dies gewisse Fragen der engeren Angliederung Polens an die Monarchie und des südslavischen Problems. Der kgl. ung. Ministerpräsident verweist diesbezüglich auf den Ministerrat vom Oktober d. J. und bittet die öster¬ reichische Regierung, die Besprechung dieser Angelegenheiten bald ermöglichen zu wollen. In Abwesenheit des k.k. Ministerpräsidenten erklärt der k.k. Minister des Innern, diese Anregungen zur Kenntnis nehmen und hierüber dem k.k. Ministerpräsidenten Bericht erstatten zu wollen. Der Vorsitzende schliesst sohin die Sitzung um 9 Uhr abends. 1 Die Stellungnahme der ungarischen Regierung in der polnischen Frage s. bei ivdnyi a.a.O. S. 194--197. Graf Tisza wurde vom ungarischen Ministerrat v. 2. Oktober 1915. beauftragt, diese Stellungnahme dem nächsten gemeinsamen Ministerrat vorzutragen. 33» <pb/>a Beilage 1. Geheim. Denkschrift wegen Sicherstellung der Brotversorgung Die k.k. Regierung hat Ende Mai d. J. mit der kön. ung. Regierung Fühlung gesucht, damit die für die neue Ernte aufzustellende Regelung im gemeinsamen Einverständnisse getroffen und jene schweren Behinderungen des Verkehrs mit Ungarn beseitigt werden, die sich infolge der Einführung der Transportzertifikate besonders bei den Maisbezügen im Frühjahre fühlbar gemacht haben. Die kön. ung. Regierung hat bei diesen Verhandlungen den Standpunkt einge¬ nommen, dass die ausserordentlichen Verhältnisse die der Krieg mit sich gebracht hat, die Restituierung des freien Verkehres unmöglich machen und dass sie da¬ her zur Durchführung der Getreideversorgung eine auf altruistischer Grundlage aufgebaute und unter ausschlaggebender staatlicher Kontrolle stehende Zentrale organisieren werde, die im Einvernehmen mit der österreichischen Kriegs-Getrei¬ deverkehrsanstalt die Deckung des Heeresbedarfes und die Lieferung des nach Österreich abzugebenden Getreides durchzuführen haben werde. Die k.k. Regierung nahm diesen Standpunkt unter der Voraussetzung zur Kenntnis, dass an Österreich ein dem normalen Friedensbezuge ungefähr gleich¬ kommendes Quantum abgegeben werde und hiebei als Preisbasis der Übernahms¬ preis mit einem Zuschläge für die Deckung der Spesen zu gelten habe. Die Verhandlungen bezüglich der Kontingente fanden am 10. Juni d. J. in Bu¬ dapest in einer Ministerkonferenz statt, an der auch der k.u.k. Kriegsminister teil¬ genommen hat. Die kön. ung. Regierung liess sich hiebei von dem Grundsätze leiten, dass die ungarische Bevölkerung in ihrem Verbrauche uneingeschränkt bleiben soll. Die kön. ung. Regierung hat also zunächst für den ungarischen Bedarf eine Menge gesichert, die dem Friedenskonsum voll entspricht. Denn die hiebei in Ansatz gebrachten Quoten für die ländliche und städtische Bevölkerung (216, beziehungsweise 120 Kilogramm Getreide pro Kopf und Jahr) sind, wie noch näher dargelegt werden soll als sehr reichlich zu bezeichnen. In Verfolgung dieses Standpunktes hat die kön. ungarische Regierung die von Ungarn an Cisleitha- nien abzugebende Quantität derart berechnet, dass vom ungarischen Ernteergeb¬ nisse, nach voller Deckung des ungarischen Konsums und Saatgutbedarfes, der von Ungarn zu deckende Heeresbedarf vorweg in Abzug gebracht worden ist. Somit ist der Heeresbedarf, so weit er aus Ungarn zu decken ist, aus jener Menge bestritten, die die normale Ausfuhr nach Österreich darstellt. Gleichzeitig wurde aber bestimmt, dass beide Staaten zum Heeresbedarfe nach ihren Produktions¬ ziffern beitragen. Österreich muss also einerseits seine volle Quote zum Heeresbedarfe beitra¬ gen, erhält aber andererseits von Ungarn um den ungarischen Heeresbedarfweniger. Das Ergebnis dieser Rechnung ist somit, dass im Vergleiche zu den normalen Versorgungsverhältnissen die gesamte Last des Bedarfes der Armee der öster¬ reichischen Bevölkerung zugeschoben, der ungarische Konsum hiegegen von dieser Belastung vollkommen freigehalten wird. Die k.k. Regierung vermöchte aber daher das sonach berechnete Kontingent 22* 339 <pb/>per 9 Mill. Meterzentner nur mit dem Vorbehalte zu akzeptieren, mit Wünschen wegen einer Erhöhung an die kgl. ung. Regierung heranzutreten, falls die öster¬ reichische Ernte ausser dem in Galizien zu erwartenden Ausfall auch in anderen Kronländern unter dem Ergebnisse des Jahres 1913 bleiben würde. Schon Ende August zeigte sich, dass der Ernteausfall leider tatsächlich einen star¬ ken Abgang aufweist; doch ist erst Anfang Oktober, als dieses Ergebnis als völlig feststehend angesehen werden musste, mit bezüglichen Forderungen an die kgl. ung. Regierung herangetreten worden. Es fand hierüber am 22. Oktober d. J. in Budapest eine Ministerkonferenz statt, die aber zu keinem positiven Resultate geführt hat. Da seither die österreichische Vorratsaufnahme, die mit dem Stichtage vom 15. Oktober durchgeführt wurde, abgeschlossen vorliegt, kann die Sicherstellung der Versorgung der österreichischen Bevölkerung mit dem wichtigsten Nahrungs¬ mittel nicht länger in Schwebe gelassen werden, da sonst die weitesttragenden ka¬ tastrophalen Konsequenzen zu befürchten wären. In den angeschlossenen Tabellen sind die der k.k. Regierung vorhegenden statistischen Materialien wiedergegeben, die zu folgender Beurteilung der gegebe¬ nen Sachlage führen: A) Nach der letzten Ernteschätzung (vom Oktober d. J.) beläuft sich (einschhess- üch Westgaliziens und der Bukowina) der Vorrat an Weizen und Roggen nach Abzug von Saatgut und Hintergetreide, aber nach Einrechnung des kontingent- mässigen Bezuges von Ungarn auf 28.6 Mill. Mztr. Getreide. Dagegen ist der zwölfmonatliche Bedarf für die Zivilbevölkerung und die Heeres¬ quote mit 39.8 Mill. Mztr. Getreide zu beziffern, so dass sich ein Abgang von 11.2 Mill. Meztr. Brotgetreide ergibt. Die Vorratsaufnahme, die ungefähr ein gleiches Gebiet umfasst hat, führt nach Abzug des Saatgutes für den noch ausständigen Anbau und nach Hinzurechnung des auf das ungarische Kontingent noch ausständigen Restes zu einem Vorratsbe- stande von 14.274 Mill. Meterzentner Mehl. Wenn demgegenüber der zehnmonatliche Bedarf für die Zivilbevölkerung mit 24 Mill. Meterzentner Mehl und die noch ausständigen Lieferungen an das Heer mit 3.8 Mill. Meterzentner Mehl beziffert werden, so gelangt man zu einem Abgän¬ ge von 13.47 Mill. Meterzentner Mehl, das ist 16.9 Mill. Meterzentner Getreide. Die Differenz zwischen der Ernteschätzung und der Vorratsaufnahme erklärt sich zunächst aus der Ungenauigkeit derartiger statistischer Erhebungen überhaupt. Weiter kommt in Betracht, dass bei der Vorratsaufnahme ein Teil der Bestände verschwiegen worden sein dürfte, weshalb die k.k. Regierung sogleich strenge Verfügungen wegen einer Revision der Aufnahme angeordnet hat. Bisher haben die nachträglichen Einbekenntnisse 0.198 Mill. Weizen und 0.281 Mill. Roggen, das ist 0.479 Mill. Meterzentner Brotfrucht oder 0.383 Mill. Meterzentner Mehl, ergeben. Bei optimistischer Aufnahme kann also vielleicht mit einer Erhöhung des Gesamtquantums um rund 10 pzt., also zirka 0.9 Mill. Meterzentner Mehl, das ist 1.12 Mill. Meterzentner Getreide, gerechnet werden, so dass sich das Defizit auf etwa 15.8 Mill. Meterzentner Getreide verringern würde. Die restliche Differenz der beiden Ziffern lässt sich zum Teile daraus erklären, dass die Ernteschätzung vielfach, so insbesondere in Galizien, zu hohe Angaben 340 <pb/>ausweist und weiter auch ein Teil des Getreides, das feucht eingebracht wurde und zu menschlichem Genüsse nicht brauchbar war, verfüttert worden ist. Darüber hinaus dürfte auch gesundes Getreide entgegen dem bestehenden Verbote zu Futterzwecken verwendet worden sein. Unter allen Umständen aber vermag die k.k. Regierung nur von den Ergebnis¬ sen der Vorratsaufnahme auszugehen. Denn die Erfahrungen des Vorjahres zei¬ gen, dass äussersten Falles nur die in den Vorratsbekenntnissen fatierten Mengen wirklich greifbar gemacht werden können, so dass jede andere Methode irreal wäre und daher nicht die Grundlage für einen Versorgungsplan der Bevölkerung bilden kann. Das Defizit an Brotfrucht ist somit mit 15.8 Milk Meterzentner Getreide zu beziffern. B) Auf Tabelle V sind die Verhältnisse Galiziens dargestellt. Die Ernteschätzungen ergaben 3.2 Milk Meterzentner Brotgetreide. Wenn hiezu ein -- allerdings völlig irrealer -- Zuschlag für Ostgahzien gemacht wird, so gelangt man zu 4.1 Milk Meterzentner Brotgetreide gegenüber einem normalen Ernteertrage an Brotfrucht von 12.744 Milk Meterzentner. Die Ernteschätzungsziffern in Galizien zeigen noch weit grössere Fehlerquellen als in anderen Kronländern und sind vielfach nur auf Grund der Daten aus früheren Jahren erstellt worden. Die Vorratsaufnahme ergab in den bearbeiteten Gebieten von West- und Ost¬ galizien einen Bestand von 2 Milk Meterzentner Getreide und 0.18 Milk Meter¬ zentner Mehl, welche Vorräte aber grösstenteils (besonders jene an Mehl) nicht aus der galizischen Ernte, sondern aus Zuschüben stammen. An Hartfrucht ergab die Vorratsaufnahme folgende Ziffern: Gerste 0.9 Mill. Meterzentner Hafer Insgesamt sind also durch die 1.47 ,, ,, Vorratsaufnahme Getreide erfasst worden. 4.37 ,, ,, Der Durchschnitt der Ernte Galiziens betrug dagegen im Dezennium 1903--1912 Weizen 5.767 Mill. Meterzentner Roggen 6.977 ,, Gerste 3.635 ,,,, Hafer 6.845 ,,,, 23.224 Mill. Meterzentner Somit ist der durch den Krieg allein in Galizien, ohne Bukowina, hervorgeru¬ fene Abgang am Ertrage der Zerealien, wenn für den Verbrauch und Anbau bis zum 15. Oktober ein gewisser Anteil in Abschlag gebracht wird, mit etwa 11 bis 13 Mill. Meterzentner zu beziffern. C) Zur Deckung des Abganges steht - nach dem von der kgl. ung. Regierung bei der Budapester Konferenz vom 12. Oktober 1915 eingenommenen Stand¬ punkte zunächst die Balkaneinfuhr zu Verfügung. 34i <pb/> Nach den Berechnungen über die Transportmöglichkeiten (Tabelle VI) könnte die Einfuhr für den österreichisch-ungarischen Anteil bis Ende Juli 1916 maximal 8.86 Mill. Meterzentner Getreide ergeben. Hiebei ist damit gerechnet, dass ab 1. Dezember 1915 täglich 400 Waggons auf dem Bahnwege und ab 1. März 1916 täglich 12 Schlepper durch das Eiserne Tor eingeführt werden. Diese Annahme ist aber bereits eine sehr optimistische. Selbst wenn die rumä¬ nische Regierung nicht nur keine Schwierigkeiten macht, sondern den Export werktätig unterstützt, wenn weiter innerhalb der Monarchie die Durchführung der gekennzeichneten Transporte nicht etwa auf die -- in jüngster Zeit häufige -- Be¬ hinderung infolge militärischer Verfügungen stösst, und wenn endlich die erforder¬ lichen Waggons stets klaglos beigestellt werden können -- wenn also alle Momente im günstigsten Sinne wirken, selbst dann ist ein täglicher Abtransport von zusam¬ men 1000 Waggons eine sehr hoch gegriffene Annahme, da z. B. an Sonntagen und dann während der Erntezeit in Rumänien kaum mit einer dieser hohen Quantität entsprechenden Verladung gerechnet werden kann. Es darf schliesslich bemerkt werden, dass für die Einfuhr vom Balkan überwie¬ gend nur Rumänien in Betracht kommen kann. Die aus Bulgarien auszuführenden Quantitäten (im wesentlichen nur Mais) sind mit höchstens 2 Millionen Meterzentner zu beziffern. Die anderen Gebiete, Serbien und Türkei werden für Zerealien noch geringere Bedeu¬ tung haben. Die serbischen Bestände sind durch den Krieg zum grössten Teile kon¬ sumiert, und der Bezug an Getreide aus der asiatischen Türkei kann umso weniger wesentlich sein, als die sehr beschränkten Transportmöglichkeiten durch andere Waren, wie Gerbstoffe, Gespinstfaser etc. voll in Anspruch genommen sein werden. D) Was dagegen die Versorgung Ungarns betrifft, so zeigt die Tabelle Nr. VII. dass in Ungarn für eine Bevölkerung von 19 Millionen Seelen 36.24 Mill. Meter¬ zentner, in Österreich dagegen für 27.5 Millionen Köpfe nur 34.4 Mill. Meter¬ zentner Getreidebedarf beansprucht werden. Für 8 1/2 Millionen Menschen mehr werden somit 1.84 Mill. Meterzentner Getreide weniger beansprucht. In Österreich wird der Kriegsbedarf der Bevölke¬ rung nur mit 125.1 Kilogramm Getreide pro Kopf und Jahr, in Ungarn dagegen mit 190.7 Kilogramm kalkuliert. Während aber in Österreich zur Durchführung dieser Verbrauchsbemessung wirksame Normen bestehen, ist durch die in Ungarn getroffenen Verwaltungsmassnahmen keinerlei Garantie geschaffen, dass nicht ein Verbrauch weit über das gesetzliche Mass hinaus erfolge. Soweit bekannt, ist nur in Budapest ein Ansatz zu einer Verbrauchsregelung vor¬ handen. Dort ist für die Entnahme von Back- und Kochmehl eine Mehlkarte (750 Gramm pro Woche) eingeführt. Der Konsum an Brot und anderen Mahl¬ produkten, wie Gries ist aber auch in Budapest frei. Doch selbst wenn davon abgesehen wird, dass die Rationierung in Ungarn nur eine theoretische ist, da eine praktisch wirksame Verbrauchsregelung fehlt, so zeigt der in der Tabelle VII enthaltene Vergleich zwischen der österreichischen und der ungarischen Rationierung, dass auch bei Einhaltung der in der ungarischen Ver¬ ordnung vom 16. Juni 1915. Z. 2072/M.E. aufgestellten Quoten, die Deckung in 343 <pb/>Ungarn ungleich reichlicher ist: Für die ungarische Bevölkerung sind für die Zeit ab 1. Jänner 1916 bis zur neuen Ernte (1. August) bei Berechnung nach den ungarischen Kopfquoten 21.14 Mill. Meterzentner Getreide, dagegen unter Zugrundelegung der österreichischen Rationen nur 15.07 Mill. Meterzentner somit um 6.07 Mill. Meterzentner Getreide weniger erforderlich. Wie überreich die Deckung des ungarischen Konsums sich gestattet, lässt auch ein offizielles Kommunique des Budapester Magistrates erkennen, dass am 27. No¬ vember d. J. publiziert wurde und aus dem folgendes hervorgeht: Budapest hat bis 20. November 676.000 Meterzentner Getreide übernommen, woraus 525.000 Meterzentner Mehl erzeugt wurden. Diese Mehlmenge stellte die Hauptstadt in der von der Regierung vorgeschrie¬ benen Weise dem Publikum zur Verfügung. Aufjeden Bewohner entfielen 9 Kilo¬ gramm Getreide, d.i. 7.02 Kilogramm Mehl, so dass der Mehlbezug der Bevöl¬ kerung von Budapest,' die mit 900.000 Köpfen angegeben wird, 63.000 Meter¬ zentner Mehl monatlich betrug. Weiter erhielten Bäcker und Brotfabriken monat¬ lich 56.000 Meterzentner Mehl, Restaurants, Hotels, Pensionen, Spitäler usw. monatlich 10.000 Meterzentner Mehl, so dass der gesamte Mehlkonsum monat¬ lich 120.000 Meterzentner Mehl betragen hätte, was für die Zeit von Mitte Juli bis 20. November d. J. einen Gesamtverbrauch von 537.000 Meterzentner ergibt, wenn die Ration tatsächlich konsumiert worden wäre. Tatsächlich habe aber der Konsum in den vier Monaten und fünf Tagen 395.000 Meterzentner Mehl, das ist im Monatsdurchschnitte 95.000 Meterzentner Mehl, betragen. Während also die Hauptstadt für jeden Bewohner im Monat 14.3 Kilogramm Mehl zur Verfügung gestellt hat, wurden effektiv nur 10.5 Kilogramm oder nur 350 Gramm pro Kopf und Tag verbraucht. Die monatliche Deckung war also um nahezu 4 Kilogramm höher, als sie vom Konsum effektiv beansprucht wurde. Folgerungen Aus der gekennzeichneten Sachlage ergibt sich -- von der weiteren Ausfalls¬ deckung ganz absehend -- zunächst mit elementarer Notwendigkeit die gänzliche Überlassung des Balkanbezuges an Österreich. Im Hinblick auf den von der kgl. ung. Regierung hervorgehobenen Bedarf Siebenbürgens wäre aber die k.k. Regierung bereit, aufjenen Mais, der in Sieben¬ bürgen als sogenannte Grenzware aufgekauft wird, zu Gunsten des dortigen loka¬ len Konsums Verzicht zu leisten. Es wäre sonach mit dieser Ausnahme der gesamte vom Balkan einfliessende Bezug an Zereahen aller Art dem österreichischen Verbrauche zuzuführen, so dass die kgl. ung. Regierung vorläufig auf jedwede Beteiligung oder Anrechnung auf das Heereskontingent Verzicht zu leisten hätte. Eine weitere Begründung für die Forderung auf diesen Verzicht auf ein Lucrum erscheint wohl um so mehr überflüssig, als die vom Balkan zu beziehende Quantität nicht einmal den Kriegsschäden gleichkommt, die Österreich in Galizien und der Bukowina erlitten hat. 343 <pb/> Nach Abrechnung des gekennzeichneten Bezuges vom Balkan ergibt sich aber noch immer ein ungedeckter Abgang von 7. Milk Meterzentner Brotfrucht, unge¬ rechnet den Abgang an Hartfrucht. Selbst bei völliger Einstellung der Verarbeitung von Gerste auf Malz, also Sperrung der Brauereien und bei Requisitionen des gesamten bei den Produzenten noch vorhandenen Hafers wäre noch nicht einmal die an die Armee abzuliefernde österreichische Hartfutterquote gedeckt (Ta¬ belle IV). Andererseits kann aber nicht verkannt werden, dass eine gewisse Menge an Hartfuttermitteln auch für den Bedarf der Zivilpferde reserviert werden muss: Die Pferde der Industrie, der Bergwerke, des städtischen Schwerfuhrwerkes, der Post und der Polizei müssen ein gewisses Minimum erhalten, da sonst die völlige Einstellung des Verkehres und der Produktionsfähigkeit der Industrie die unaus¬ bleibliche Folge wäre. Da damit gerechnet werden muss, dass ein Teil der Balkanimporte in einem fin¬ den menschlichen Genuss ungeeigneten Zustand eintrilft, so wäre diese Quote der Verfütterung zuzuführen. Auch kommt in Betracht, dass Mais und Gerste nicht in jenem Masse durchge¬ mahlen werden können wie Weizen und Roggen, ohne bei der Bevölkerung schwere Gesundheitsstörungen nach sich zu ziehen. Es wird also auch in der abfallenden Kleie eine gewisse Menge Futtermittel verbleiben. Wenn aber hierin eine gewisse minimale Deckung der Futterstoffe für Pferde gefunden wird, so ist sodann die aus den Balkanimporten gewonnene Deckung des Abganges an Brotgetreide um so geringer. Wenn auch versucht würde, Kartoffeln zur, Streckung des Brotes heranzuziehen -- was bei dem Mangel an Kartoffeln für Speisezwecke vielfach auf Schwierig¬ keiten stossen wird - so ist der weitere Abgang an Brotfrucht noch immer auf mindestens 7 Milk Meterzentner zu beziffern. Dabei muss aber die Verweisung eines so ausserordentlichen Teiles der Bedarfs¬ deckung auf die Balkanbezüge schweren Bedenken unterliegen. Denn abgesehen von der Unsicherheit des Verkehres kommen hiebei auch bedeutsame politische Momente in Betracht: Wenn wir darauf angewiesen sein werden, dass täglich eine Menge von nicht weniger als 100.000 Meterzentner, das sind 1000 Waggons, eingeführt werden, so würde schon eine nur wenige Tage dauernde Verkehrseinstellung bei uns kata¬ strophale Folgen, d.h. absoluten Mangel an Brot in Städten und Industriezentren, zur Folge haben. Wie aus den Berichten der nach Rumänien entsendeten Delegierten der Getreide¬ zentrale zu entnehmen ist, sind sich die massgebenden Kreise in Bukarest schon jetzt über diesen Stand unserer Versorgung nicht im Unklaren und haben die Tat¬ sache, dass wir auf die rumänischen Bezüge angewiesen sind, auch bei den Verhandlungen offen betont. Bei dem Fortschreiten der Zeit, d.h. mit der immer grösseren Aufzehrung unse¬ rer Vorräte wird aber die Abhängigkeit von den Importen und damit die hierin liegende politische Gefahr immer grösser. 344 <pb/> Zur Vermeidung der naheliegenden peinlichen Folgen muss daher ein möglichst grosser Teil des österreichischen Verbrauches innerhalb der Monarchie gedeckt werden. Die Bestreitung des erwähnten Abganges von 7. Mill. Meterzentner aus ungarischen Beständen erscheint daher auch aus den gekennzeichneten politischen Gesichtspunkten unerlässlich. Es ergeben sich somit folgende Forderungen: 1. Die Aufteilung des Heereskontingentes (10 Mill. Meterzentner Brotfrucht, 2.5 Mill. Meterzentner Gerste, 16 Mill. Meterzentner Hafer), für die am 10. Juni d. J. als Schlüssel das Verhältnis der Produktion an den beiden Brotfrüchten angenommen wurde, wäre auf Grund der letzten Ernteschätzungen der beiden Ackerbauministerien zu revidieren. Man gelangt sonach zu folgenden Verhält¬ nisziffern : Brotfrucht Österreich Ungarn Differenz (Weizen und Roggen gegenüber 31,1 68,9 Status quo zusammen) 3,11 6,89 1,09 in Prozenten 38,7 61,3 in Mill. Metzr. 0,29 1,0 1,58 2,16 Gerste 50 50 in Prozenten 8 in Mill. Metzr. 8 Hafer in Prozenten in Mill. Metzr. Allerdings werden sowohl von österreichischer wie auch von ungarischer Seite in die Richtigkeit der Ernteschätzung Zweifel gesetzt. Da aber zur Auftei¬ lung des Heereskontingentes andere Ziffern nicht zur Verfügung stehen, so ergibt sich wohl kein anderer Ausweg, als beiderseits mit ungefähr gleichen Fehler¬ quellen zu rechnen und die amtlichen Ernteziffern wenn auch nicht als absolute, so doch als relative Grundlage für die Herstellung des Schlüssels zu be¬ nützen. Durch diese Veränderung der Aufteilung des Heereskontingentes würde somit Österreich um rund eine Million Meterzentner Brotfrucht entlastet. 2. Weiter wäre das ungarische Kontingent mit der einer normalen Friedensaus¬ fuhr entsprechenden Höhe von 15. Mill. Meterzentner Getreide zu bestimmen. Somit würde dem österreichischen Konsum aus dieser Quelle ein Plus von 6. Mill. Meterzentner zufliessen. Dass eine solche stärkere Heranziehung der ungarischen Vorräte für den öster¬ reichischen Konsum möglich ist, ergibt sich aus den obigen Darlegungen über die beiderseitige Versorgung. Hiebei würde die k.k. Regierung zustimmen, dass das Plus von 6 Mill. Meter¬ zentner in jedweder Fruchtgattung abgeliefert werden kann. Da ausser Brotfrucht in erster Linie Mais in Betracht käme, wäre somit die k.k. Regierung bereit, der Bevölkerung abermals Maismehl als Brotnahrung zuzuführen. Bei einer solchen Regelung würde somit Ungarn eine den Friedensverhältnissen entsprechende Quantität an Österreich abgeben, während der Bedarf des Heeres von 345 <pb/>jedem der beiden Staaten gleichmässig getragen würde. Ebenso hätten beide Staa¬ ten den Abgang ihrer Ernte aus Ersparungen am Zivilverbrauche selbst zu decken. Nur für den Kriegsschaden, der in Galizien und Bukowina eingetreten ist, erhielte Österreich einen -- wenngleich unvollständigen und überdies unsicheren -- Ersatz aus den Balkanbezügen. Damit würde der Grundsatz zur Anerkennung gelangen, dass die Bevölkerung beider Staaten bei der Bekämpfung des Aushungerungskrieges mit gleichen Opfern mitzuwirken hat und dass ebenso auch der Bedarf für die Armee von beiden Staats¬ gebieten in gleicher Weise getragen werden muss. Forderungsliste I. Erhöhung des ungarischen Kontingentes für Österreich auf 15. Mill. Meter¬ zentner Getreide. II. Revision der Heeresquote auf Grund der beiderseitigen Ernteschätzungen. III. Balkanbezüge. Gänzliche Überlassung dieser an Österreich (mit der gekennzeichneten Ausnah¬ me der Grenzkäufe an Mais in Siebenbürgen). Tabelle I. Österreichische Ernteschätzung an Brotgetreide. Oktoberschätzung exclusive Ost-Galizien. Weizen. Mill. Roggen . Meter¬ zentner 8.975 15-535 Zusammen . 24.510 Hievon ab Saatgut 15 pzt. und Hintergetreide 4.902 5 pzt = 20 pzt. Verbleiben von der österreichischen Ernte 19.608 für den Konsum .... 9.000 Bezüge aus Ungarn . 28.608 Für den Konsum stehen zur Verfügung. Konsumbedarf: für Heereslieferung1 4.3 Mill. Meterzentner Mehl für Zivilbevölkerung2 27.529 ,, ,,,, Zusammen. 31.829 Mill. Meterzentner Mehl in Getreide. 39.786 Abgang .. 11.178 1 Das österreichische Kontingent an Weizen und Roggen für den Heeresbedarf war mit 4,2 Mül. Meterzentner festgesetzt. Es ist jedoch 4,3 Mill. Meterzentner Mehl in Rechnung zu stellen, da mangels an Gerste Roggen, und zwar nahezu alles in Mehlform geliefert wird. 2 Siehe Tabelle III. 346 <pb/> Tabelle II. Ergebnis der Vorratsaufnahme an Brotgetreide. Getreidevorräte (einschliesslich Weizen Roggen Zusammen eines Teiles Galiziens) . . . Mül. Mill. Mill. Ab Saatgut für den noch nicht Metzr. Metzr. Metzr. bewerkstelligten Anbau . . . 4.998 6.857 11.855 Verbleiben für den Konsum 1.026 1.211 2.237 3.972 5.646 9.618 Weizenmehl Roggenmehl Zusammen 4.517 7.694 Umgerechnet auf Mehl .... 3.177 0.591 1.780 Hiezu Mehlvorräte . 1.189 5.108 9.474 Zusammen: 4.366 Ungarischer Bezug, Rest ab 15. 4.8 Oktober . 14.274 Mehl zur Verfügung. Bedarf für Heeres- und 27.740 Zivilversorgung vom 15. Oktober bis 15. August. Abgang in Mehl.. 13.466 Umgerechnet in Getreide ... 16.832 Tabelle III. 30.000.000 2.500.000 Bedarf 27.500.000 Bevölkerung Ende 1915 . Hievon Militär ab. Verbleibt Zivilbevölkerung. Verbrauchsberechnung. Mül. Metzr. Landwirtschaft!. Bevölkerung 14 Mill. 16.352 320 g1 Mehl für 365 Tage = 116,8 kg pro Kopf . . 0.336 Hierunter Erntearbeiter . 7 Mill. 80 g1 Mehlbedarf für 60 Tage . 2.957 Schwerarbeiter .2.7 Mill. 300 g1 Mehl für 365 Tage = 1095 kg pro Kopf 7.884 Übrige Bevölkerung.10.8 Mill. 200 g2 Mehl für 365 Tage = 73 kg pro Kopf . . . 27.529 34.411 Gesamtbevölkerung .27.5 Mill. Gesamtbedarf an Mehl . Umgerechnet in Getreide . 1 R. G. Bl. Nr. 182 ex 1915 2 R. G. Bl. Nr. 75 ex 1915 347 <pb/> Für die Zeit vom 15. Oktober 1915 bis Mül. 15. August 1916 Metzr. Mehl Bedarf für die Zivilbevölkerung3 . ,, ,, das Heer . 23.94 3.8 27.74 Tabelle IV. Erträge an Hartfrucht in Österreich. a) Ernteschätzung Oktober-Schätzung Gerste, . Mül. Exclusive Ost-Galiziens Hafer. Metzr. Ost-Galizien Zusammen. 7.702 angenommen 10 pzt. vom Gerste . 11.872 Hafer. 19.574 Durchschnitte 1904/13 Zusammen. 0.258 0.459 Insgesamt 0.717 Hievon ab Saatgutbedarf Gerste . 20.291 Hafer. 2.000 3.200 Ab für Pferde der Haferproduzenten . 1.500 0.800 Für das der Landwirtschaft freigegebene Viertel Gerste . 12.791 Verbleiben . b) Vorratsaufnahme am 15. Oktober 1915 Millionen Meterzentner Gerste Hafer Zusammen Österreich exclusive Galizien 4.3 5.4 9.7 Galizien . 0.9 1.5 2.4 Zusammen: 5.2 6.9 12.1 Hievon ab Saatgutbedarf Gerste . 2.0 Hafer. 3.2 1.5 Ab für Pferde der Haferproduzenten . Für das der Landwirtschaft 0.8 freigegebene Viertel Gerste . 7.5 Verbleibt. 4.6 Heeresbedarf (am 15. Okt. 1915 noch ausständig) . . . 5.78 Ungedeckt 1.18 8 Dieser Bedarf ist auf Grund der in jüngster Zeit länderweise revidierten Bevölkerungsziffer genauestens berechnet. 348 <pb/> Tabelle V. Die Vorräte in Galizien 1. Brotgetreide a) nach der Ernteschätzung West-Galizien (Schätzung) .... Weizen Roggen Zusammen Ost-Galizien (angenommen 10 pZt Mül. Mill. Mül. vom Durchschnitt 1904/1913) . . Metzr. Metzr. Metzr. Zusammen 0.961 2.241 3.202 0.465 0.463 0.928 4.130 1.426 2.704 Zusammen b) nach der Vorratserhebung Mill. Metzr. Weizen Roggen Mill. Mill. 2.000 Metzr. Metzr. 0.712 Brotfrucht . 0.810 1.190 1.288 1.030 Ab Saatgut für den noch nicht 0.177 1.207 bewerkstelligten Anbau . Verbleibt. Umgerechnet auf Mehl . Hiezu vorhandene Mehlvorräte. Gesamtmehlvorräte . 2. Hartfrucht nach der Vorratsaufnahme Mül. Metzr. Gerste . Hafer. 0.9 1.47 Zusammen:. 2.37 Tabelle VI. (Balkanbezüge) Mül. a) Eisenbahntransporte: Metzr. Getreide vom 1. Dezember 1915 bis 31. Juli 1916 = 240 Tage, pro Tag 400 Waggons = 9,6 Mill. Meterzentner; hievon im 4.364 Verhältnisse 5 : 6 auf den österreichisch-ungarischen Anteil. 4.5 9.864 b) Schiffszufuhr: vom 1. März 1916 bis Juli 1916 = 150 Tage, pro Tag 12 Schlepper zu 50 Waggons = 9 Mill. Meterzentner: hievon 50 pZt. für Österreich-Ungarn . 349 <pb/> Tabelle VII. Mill. Metzr. Besorgung Ungarns Getreide Ländliche Bevölkerung (14 Millionen, pro Kopf und 30.24 Jahr 216 Kilogramm). Städtische Bevölkerung (5 Millionen zu 120 Kilo¬ 6.00 gramm) . 36.24 Österreichischer 34.41 Bedarf Österreich = 27.5 Millionen Köpfe = 34,41 Mill. Metzr. Getreide = 125.1 Kilogramm pro Kopf Ungarn = 19.0 Millionen Köpfe = 36,24 Mill. Metzr. Getreide = 190.7 Kilogramm pro Kopf Vergleich (ab 1. Jänner 1916) a) Österreichische Rationierung 14 Millionen ländliche Bevölkerung pro Kopf und Mill. Metzr. Monat Getreide a) 400 Gramm Getreide vom 1. Jänner bis 1. Juli 10.08 2.10 b) 500 ,, ,, vom 1. Juli bis 1. August 2.100 4 Millionen städtische Bevölkerung zu 250 Gramm 0.79 15.07 7 Monate . 1 Million Schwerarbeiter zu 375 Gramm, 7 Monate b) Ungarische Rationierung 17.64 14 Millionen landwirtschaftliche Bevölkerung (zu 18 3.50 Kilogramm pro Monat, 7 Monate) . 21.14 5 Millionen städtische Bevölkerung (zu 10 Kilogramm, 7 Monate). Differenz: 6.07 Millionen Meterzentner Getreide. ß Beilage 2. 41,190.583 q Ungarns Fechsung (ohne Kroatien und Slavonien) 13,273.594 q war im Jahre 1913 an Weizen.. 54.464.177 q an Roggen und Doppelfrucht . 350 <pb/> Approximative Aufstellung über die ungarländischen (ohne Kroatien und Slavonien) Getreidebestände und über den Bedarf an Getreide für die Jahre 1915--1916. Laut ausführlichen Ausweisen ist das letzte Dreschergebnis an Weizen 34,849.869 q an Roggen 8.384.602 q Insgesamt: 43,234.471 q Die Bevölkerung Ungarns zählt . 18,264.000 Seelen Hievon a) sind in militärischer 4,000.000 Seelen Verpflegung.2,000.000 14,264.000 Seelen b) nähren sich ausschliesslich mit Maismehl.2,000.000 Verbleiben: Es wird gerechnet: für 10,264.000 bei der Urproduktion Beschäftigte, die berechtigt waren, von ihrer Fechsung monatlich 18 kg für ihren eigenen Gebrauch zurück¬ zuhalten 12x 18 kg 216 . 22,170.240 q ,,,, ,, für 4,000.000 Stadtbewohner pro 4,800.000 ,, 7,500.000 ,, Monat 10 kg gerechnet 12x10 kg 648.000,, 120 kg . 5,800.000 ,, ,, ,, ,, für 71/2 Millionen Joch Saatgut 49.500 ,, 52.000 ,, ,, ,, ,, für 300.000 in den Wirtschaften 41,019.740 q angestellte Kriegsgefangene 12x18 216 kg. Abgegeben an die Heeresverwaltung . ,, ,, Kroatien ,, ,, Bosnien. Insgesamt: Hiezu 3 % für kleine Posten, die nicht aufzubringen 1,300.000 q sind .... 42,319.740 q Überfluss . 914.731 q An Österreich wurden bereits abgeschoben .... 3,100.000 ,, Somit wurde der hierländische gemässigte Bedarf 2,185.269 ,, zu Gunsten Österreichs mit . verringert. Die Original-Reinschrift ist nicht vorhanden. (Daher die Abweichungen vom gewohnten Text des Mantelbogens.) Vor dem Konzept ein Blatt mit folgendem hand¬ schriftlichem Text: »G.M.R.P.Z1. 525. - 12. XII. 1915. an S.E.Gf. Hadik geschickt. 23. X. 917. Wiesner (?) m.p.« Aus diesem Hinweis kann gefolgert werden, daß die Original-Reinschrift des Protokolls bei der Übersendung an Hadik oder bei der Rücksendung verlorengegangen ist. Die Textausgabe erfolgte auf Grund des in Maschi¬ nenschrift angefertigten Konzepts, in welchem teils von Buriän, teils vom Protokollführer Korrekturen vorgenommen wurden. Auf dem ersten Blatt das Handzeichen Buriäns. 351 <pb/>