Gemeinsamer Ministerrat, 3. 2. 1915
I. Laufende gemeinsame Angelegenheiten
Siehe PDF-Daten https://hw.oeaw.ac.at/ministerrat/serie-2/oe_hu_mrp_VII/pdf/oe_hu_mrp_VII_z9.pdf.
sich dessen Inhalt etwa so, dass in erster Linie das Minimum dessen, was wir in diesem Kriege erreichen müssen, erörtert werde, dann aber die Grenzen, bis zu welchen wir einen erfolgreichen Krieg fortsetzen sollten, endlich die Frage der Gebietserwerbungen und der Kriegsentschädigung. Auf Grund einer solchen Arbeit würde man dann in einer gemeinsamen Ministerkonferenz die weiteren Beratungen fortsetzen können. Graf Berchtold nimmt diese Anregung zustimmend entgegen und wird ein Memorandum im Sinne der Anträge des Grafen Tisza ausarbeiten lassen. Der Vorsitzende hebt hierauf den Ministerrat auf. Original-Reinschrift. -- Die Einsichtnahme wurde auf dem Mantelbogen des Protokolls von sämtlichen'Teilnehmern des Ministerrats bestätigt. In der rechten oberen Ecke dieses Bogens mit Bleistift geschrieben: »fertig«. Auf dem letzten Blatt die Kenntnisnahme durch den Herrscher: »Wien, am 20. November 1914.« Rechts unten die Unterschrift Berchtolds, links die des Protokollführers A. Hoyos. -- Ebd. das handschriftliche Konzept des Protokolls mit mehreren Korrekturen Berchtolds und des Protokollführers. Am Rubrum mit Handzeichen: »gesehen B.« 9. Wien, 3. Februar 1915 Buriän, der als Außenminister zum erstenmal am gemeinsamen Ministerrat teilnimmt, skizziert die außenpolitische Lage und seine Vorstellungen über deren Entwicklung unter besonderer Berücksichtigung des Verhaltens Italiens, Rumäniens und der übrigen neutralen Staaten. Sonderstellungnahme Tiszas in der rumänischen Frage. Debatte über die finanzielle Deckung der stets zunehmenden Bedürfnisse an Kriegs¬ material und über andere, mit dem Kriege zusammenhängende wirtschaftliche Fragen. Baron Istvän Buriän, der bis dahin im Kabinett Tisza Minister am allerhöchsten Hoflager war, wurde von Franz Joseph am 13. Januar 1915 an Stelle des scheidenden Berchtold zum Minister des Äußern ernannt. Buriän übernahm die Leitung des Ministeriums am 14. Januar. In der gemeinsamen Ministerkonferenz vom 3. Februar präsidierte er zum erstenmal als Vorsitzender des gemeinsamen Ministerrates. Sein weitschweifiges außenpolitisches Expose erstreckte sich auf alle Probleme der außen¬ politischen Lage der Monarchie, die schon auf der Tagesordnung der von Berchtold geleiteten Ministerratssitzungen gestanden hatten. Als er über Bulgarien sprach, wo er einige Zeit die Monarchie vertreten hatte, berief er sich auf die Gegebenheiten, die er bei seinem Amtsantritt vorgefunden hatte. Die in seinem Bericht erwähnte Antrittsvisite bei den Deutschen fand am 23. Januar im deutschen Hauptquartier in Mezieres-Charleville statt. Dort hatte er Gelegenheit, sämtliche bedeutenderen Kriegsprobleme der Mittelmächte mit Reichskanzler Beth- mann-Hollweg, mit dem Staatssekretär im Außenamt, Jagow, dem Chef des General¬ stabs Falkenhayn, ja mit Kaiser Wilhelm selbst zu besprechen. Im Gegensatz zu dem, was er in seinem Bericht laut Protokoll über diesen Besuch über die Italienpolitik der Deutschen gesagt hatte, behauptet er in seinen Memorien (Drei Jahre. Berlin 1923, S. 32), daß sie sich in der Frage der Gebietsabtretung nicht einigen konnten. -- Unter 192 <pb/>den mit den Rumänen zusammenhängenden »Ergebnissen« der ungarischen Politik versteht er offenbar den Briefwechsel Istvän Tiszas mit den rumänischen Bischöfen Siebenbürgens (Tisza Istvän Összes Munkäi, S. 272 ff.) bzw. die darin versprochenen Begünstigungen und die dadurch erhoffte, aber nie eingetretene Besserung im rumä¬ nisch-ungarischen Verhältnis. Zur Debatte über die Mobilisierungskredite siehe E. Ivänyi: Magyar minisztertandcsi jegyzökönyvek az elsö viläghäborü koräböl (Ungarische Ministerratsprotokolle aus der Zeit des ersten Weltkrieges). A Magyar Orszägos Leveltär kiadvänyai II. Forräs- kiadvänyok 8. Budapest 1960, S. 72 ff. -- J. Teleszky: A magyar dllam penzügyei a häborü alatt (Die Finanzen des ungarischen Staates während des Krieges). A viläghä¬ borü gazdasägi es tärsadalmi törtenete -- Oszträk es magyar sorozat. Budapest 1927, S. 85 ff. -- S. Popovics: A penz sorsa a hdboruban (Das Los des Geldes im Kriege). A viläghäborü gazdasägi es tärsadalmi törtenete. Budapest 1926, S. 35 ff. Über die Kriegswirtschaft, die Monopole, über die verschiedenen »Zentralen« siehe J. Redlich: Österreichische Regierung und Verwaltung im Weltkrieg. Wirt¬ schafts- und Sozialgeschichte des Weltkrieges. Österreichische und ungarische Serie. Wien 1925, S. 156 ff., besonders S. 179 ff. -- J. Szterenyi und J. Laddnyi: A magyar ipar a viläghäborüban (Die ungarische Industrie im Weltkriege). Budapest 1933, S. 233 ff. Protokoll des zu Wien am 3. Februar 1915 abgehaltenen Ministerratesfür gemeinsame Angelegenheiten, unter dem Vorsitze des Ministers des k.u.k. Hauses und des Äußern Baron von Buriän. K.Z. 36. - G.M.K.P.Z. 520. Gegenwärtige: der k.k. Ministerpräsident Graf Stürgkh, der kgl. ung. Ministerpräsident Graf Tisza, der k.k. Kriegsminister FZM. Ritter von Krobatin, der k.k. Minister für Landesverteidigung G.d.I. Freiherr von G e o r g i, der kgl. ung. Landesverteidigungsminister G.d.I. Baron H a z a i, der kgl. ung. Finanzminister Dr. Teleszky, der k.k. Handelsminister Dr. Edler von Schuster, der kgl. ung. Handelsminister Baron H a r k ä n y i, der k.k. Finanzminister Dr. Freiherr von Engel, der Stellvertreter des Chefs des k.k. Kriegsministeriums Marine-Sektion Vizeadmiral von K a i 1 e r. Protokollführer: k.k. Generalkonsul Ritter von Günther. Gegenstand: Laufende gemeinsame Angelegenheiten. Der Vorsitzende eröffnet um 1/4 11 Uhr Vormittags die Sitzung mit folgenden Worten: »Indem ich die Ehre habe, die Herren Konferenzteilnehmer das erste Mal als Vorsitzender wärmstens zu begrüssen, möchte ich mir gestatten, bevor wir in die Tagesordnung eingehen, einige Worte über die gegenwärtige pohtische Lage zu sprechen. Wir stehen gegenwärtig in Westgahzien und in den Karpathen in schweren Kämpfen mit den Russen. Diese Kämpfe sind von grosser Wichtigkeit und stra¬ tegischer Bedeutung und hoffen wir zuversichtlich auf Erfolg. Auf den Ausgang 13 Komjathy: Protokolle 193 <pb/>dieser Kämpfe richten auch die neutralen Staaten ihre Aufmerksamkeit und von deren Resultat dürften auch die neutralen Staaten ihre endgiltige Haltung abhängig machen. Es steht ausser Zweifel, dass in der Haltung Italiens und Rumäniens, welche eine Analogie zeigt, eine gewisse Gefahr für uns liegt. Beide Staaten zeigen das Be¬ dürfnis, sich während dieser Krise zur Geltung zu bringen und sind entschlossen, sich nicht den möglichen Ergebnissen auszuliefern, ohne selbst mitzureden. Hiezu komme die Volksstimmung und es hiesse, eine Vogel Strauss-Politik treiben, wenn man die diesbezüglichen Schwierigkeiten, die sich für uns ergeben, gering ein¬ schätzte. Anderseits müsse man sich hüten, diese Schwierigkeiten als unabwend¬ bare, imminente Gefahr zu betrachten, weil dies zu Schritten und Vorsichtsmass- regeln führen könnte, die keine Gewähr böten für das, was man von ihnen erhofft. Ich kann nicht verschweigen, dass von sehr wichtiger Seite eine andere Auffassung vertreten worden ist. Über die zififermässige Gefahr herrscht allerdings nur eine Auffassung zwischen den zwei verbündeten Heeresleitungen, dass heisst, dass wir, sei es nach der Entscheidung, sei es während des Kampfes, einen Angriff von rund 1 Million Italienern und 1/2 Million Rumänen nicht ausser Kombination lassen können. Die beiden Hauptquartiere waren und sind diesbezüglich in grosser Be¬ sorgnis und auf Mittel bedacht, wie der Gefahr zu begegnen sei. Ich muss nur der Wahrheit die Ehre geben, wenn ich hervorhebe, dass man der Gefahr bei uns mit mehr Gelassenheit entgegensieht, als in Deutschland. Die deutsche Insistenz er¬ scheint aber begreiflich, da ja das Auskunftsmittel, das den Deutschen vorschwebt, uns mehr belasten würde als Deutschland. Das Sprichwort sagt, das Hemd sei einem näher als der Rock und es handelt sich in diesem Falle um unser Hemd. Es musste nun auf Mittel gesonnen werden, die Gefahr und die Schwierigkeiten auf diploma¬ tischem Wege abzuwenden und ich bin in der Lage, konstatieren zu können, dass die Schwierigkeiten heute noch nicht als unüberwindbar bezeichnet werden dürfen. Die tiefgehende Erregung der italienischen öffentlichen Meinung weist Zeicheneiner beginnenden Beruhigung auf. In Italien herrschte das Empfinden, dass bei dem Engagement der anderen Grossmächte und bei unserer scheinbaren Schwäche die italienischen nationalen Aspirationen erfüllt werden könnten und mit grossem Lärm forderte die Irredenta die Befriedigung ihrer Wünsche. Alles dies tat in Deutschlands politischen und militärischen Kreisen seine Wirkung und man glaubte, dass Italien unmöglich davon abzubringen sein werde, bei seiner unbe¬ nutzten Armee zunächst einen starken Druck auszuüben, dann aber auch von der Anwendung seiner Waffenmacht nicht zurückschrecken würde. Dieser Auffassung habe ich mich vom ersten Momente an entgegengestellt und es war eine günstige Fügung für mich, meine Ansicht bei den Leitern der deutschen Politik persönlich vertreten zu können. Ich kann sagen, dass das Ergebnis meiner Unterredung mit Seiner Majestät dem Deutschen Kaiser, den massgebenden Politikern und dem Chef des Generalstabes ein vollständig befriedigendes ist. Es gelang mir, verschie¬ dene Punkte aufzuklären, welche die deutschen Pohtiker in ihrer Suggestion über¬ sehen haben. Die Leiter der deutschen auswärtigen Politik haben meinen Stand¬ punkt gewürdigt und erklärt, dass sie die weitere Insistenz in der Frage einer österreichisch-ungarischen Gebietsabtretung aufgeben werden. Praktisch müsste .194 <pb/>sich das aber in Rom selbst betätigen, namentlich im Verhalten des dortigen deutschen Botschafters. Wenn dafür gesorgt wird, so erscheint dieser Spuk nun¬ mehr verscheucht und wir begegnen uns mit Deutschland in derselben Aulfassung. Deutschland hat zugesagt, in Rom nur mehr die Rolle unseres Verbündeten zu spie¬ len, energisch zu mahnen, zu einer friedlichen Verständigung einzuraten und bün¬ dig zu erklären, dass man neben uns stets Deutschland finden wird, das sich für uns mit aller Kraft einsetzt. Ich kann mich auf diese Feststellung beschränken und brauche umso weniger Details anzuführen, als das Schwinden dieser Schwierigkeiten nunmehr erhofft werden kann. Nur eines möchte ich noch anführen, weil es auch weiterhin massge¬ bend sein wird und man keineswegs die Augen vor der Gefahr verschliessen soll. Nur darf man diese Gefahr nicht falsch eskomptieren und sich herbeilassen, Opfer zu bringen, deren Nutzlosigkeit klar zu Tage liegt. Die Hauptdifferenz fusste darin, dass es uns allein klar war, dass eine Kapitulation vor einem italienischen Erpres¬ sungsversuche gar keinen Nutzen brächte. Eine wie immer bedingte Abtretung des Trentino hätte Italien nicht zur Abrüstung und nicht dazu gebracht, eine wohlwollende Neutralität bis zum Ende des Krieges zu wahren. Und nun herrscht auch in Deutschland volle Klarheit darüber, dass eine solche Transaktion nur von kurzer Wirkung gewesen wäre und Italien im Momente seiner vollen Kriegsbereit¬ schaft mit weiteren Forderungen auftreten würde. Diese Klarheit rechtfertigt unser Verhalten. Die Episode ist übrigens hoffentlich abgeschlossen und es ist hier gewiss überflüssig auszuführen, was eine freiwillige Abtretung eines Stückes der Erbländer bedeutet hätte. Was im Kampfe verloren wird, kann vielleicht wieder gerettet werden, was man selbst aufgibt, ist für immer verloren. Ich habe in meinem Ideenaustausch mit den deutschen Politikern festgelegt, was mir vom ersten Tage meiner Amtsführung vorgeschwebt freundschafthche und sorgfältige Verhandlungen mit Italien zu einer Verständigung auf Grund des Dreibundvertrages fortzuführen, jeden schroffen Ton zu vermeiden und dem italenischen Kabinette Gelegenheit zu bieten, die Konversation fortzusetzen und den Faden nicht abreissen zu lassen. So erscheint eine Vertiefung nach allen Seiten hin möglich. Uns bleibt die Hoffnung, noch starke Karten ausspielen zu können, so dass der Erfolg, für welchen gewisse Anzeichen sprechen, erhofft werden kann. Ich habe, wie gesagt, diesen Standpunkt im deutschen Auswärtigen Amte offen auseinandergesetzt und dort beruhigend einzuwirken versucht. Auch in Deutsch¬ land hält man grosse Stücke darauf, den Faden des Gespräches mit Italien nicht zerreisen und die Zeit gut ausgenützt zu sehen, um sich nicht dem Vorwurfe aus¬ zusetzen, dass man nicht alles versucht und nicht alle politischen Erwägungen voll ausgenützt habe. Deutschland wird unserer Aktion in Rom aufs wirksamste sekundieren. Aus unverdächtigen italienischen Quellen kann ich konstatieren, dass Italiens Kriegsbereitschaft nicht zu dem Zeitpunkte eintreten wird, von dem wir immer gehört haben, so dass man von einer Vertagung sprechen kann. Und Zeit gewonnen, vieles gewonnen. Über das Wesen und den Inhalt unserer Verhandlungen kann ich nicht viel sagen. Ich möchte aber hervorheben, dass die Persönlichkeit, mit der ich verhandle, das 13* 195 <pb/> beste Medium, ein vollkommen loyaler, dem Dreibunde ergebener Mann ist,1 mit dem mich persönliche freundschaftlichste Beziehungen verbinden. Wenn wir in die Natur der italienischen Bewegung hineinleuchten, so finden wir eine Efferves- zenz lenkbarer Leidenschaften. Wir sehen verschiedene Strömungen, die einemZiele zustreben. Wir haben vor uns die durch kolossale Geldmittel der Entente hervor¬ gerufene Agitation der italienischen Presse mit deren berauschender Wirkung sowie die starke Toleranz der italienischen Regierung gegenüber der ölfentlichen Meinung, die wie ich glaube, auch in ihrer Elferveszenz nicht unbeeinflussbar ist. Wenn man noch so viel Schlechtes von den Italienern denke, Naivität und Unklug¬ heit darf man ihnen nicht zumuten. Italien wird immer jenen Weg einschlagen, den die verantwortlichen italienischen Staatsmänner für richtig halten. Darauf baue ich, wir müssen unsere Augen offen und unser Pulver trocken halten, sowie kein Zeichen der Schwäche geben. Das wirkt schon jetzt. Wir haben Zeit zur Überle¬ gung und dies ist gut für uns und für Italien. Was Rumänien betrifft, so ist die allgemeine Anschauung, dass dessen Haltung im Konnexe mit jener Italiens stehe. Auch in der öffentlichen Meinung könne man den Leitfaden konstatieren, dass wenn Italien eine Aktion unternehme, Rumänien das gleiche tun werde, wogegen letzteres sich still verhalten würde, wenn dies auch Itahen täte. Die Analogie ist tatsächlich vorhanden. Wir sehen das Bedürfnis, zur politischen Geltung zu gelangen und zu diesem Zwecke sich eine starke militärische Bereitschaft zu sichern. Immerhin sei die Tendenz vorhanden, dieses Ziel zu errei¬ chen, ohne das Schwert zu ziehen. Ein Unterschied bestehe aber zwischen beiden Ländern. Während nähmlich in Italien eine faktische Efferveszenz der Massen hineinspiele, seien in Rumänien die Massen teilnahmslos. Die Mache sei hier offen¬ bar. Die Agitation findet ihre Wurzel in der Intelligenz. Es bietet für rumänische Politiker, die keine verantwortliche Stelle bekleiden, einen grossen Anreiz, sich an dieser Agitation zu beteiligen. Mit Befriedigung könne man aber ein gewisses Ablaufen des Kriegslärmes feststellen. Ohne dieses Symptom zu überschätzen, sei es doch wichtig zu konstatieren, dass die leitenden rumänischen Staatsmänner die Mittel besitzen, ihren Willen durchzusetzen. Im Zusammenhänge mit unseren Bemühungen Rumänien durch Zureden, selbstbewusste Haltung und durch uns zur Verfügung stehende Einflüsse zur Besinnung zu bringen, sei dieser Umstand bei den Verhandlungen von grosser Wichtigkeit. Seit ungefähr 10 Tagen ist in Italien der Kriegslärm gemildert. Wenn man auch daraus noch keine optimistischen Schlüsse ziehen könne, so müsse man diese Tatsache dennoch hervorheben, ebenso wie die Beruhigung der öffentlichen Mei¬ nung und Presse in Rumänien. Allerdings wisse man nicht, in welchem Masse dies auf die Zukunft von Einfluss sei. Jedenfalls wollen wir diese Beruhigung mit allen Mitteln fördern. Als Ursache des Stimmungswechsels in Rumänien könne viel¬ leicht das Erscheinen unserer und der deutschen Truppen, welche gegen Russland 1 Herzog Avarna (seit zehn Jahren italienischer Botschafter in Wien), ein Anhänger des Dreibundes, war bestrebt, die sich immerfort verschärfenden Gegensätze und das Angriffs¬ tempo seiner Regierung zu mildern (St. Buridn: Drei Jahre. Berlin, 1923. S. 34). <pb/> operieren, an der rumänischen Grenze gelten. Wohl haben diese Operationen mit Rumänien nichts zu tun, trotzdem machten sie entschieden Eindruck aufRumänien, der noch dadurch verstärkt worden sei, dass sich unsere Südarmee mit grosser Ruhe kräftige und zu neuen Operationen vorbereite. Die Rumänen wissen nun nicht, ob diese Armee eine neue Offensive gegen Serbien plane, oder nicht auch im Bedarfsfälle gegen Rumänien Verwendungen finden könnte. Die zweite Ursache sei vielleicht die bulgarische Gefahr, welche von Rumänien erkannt und noch über Gebühr hoch eingeschätzt werde. Hiezu komme die Einsicht über die Hal¬ tung der Rumänen auf ungarischem Boden. Die Politik der ungarischen Regie¬ rung gegenüber den ungarländischem Rumänen beginne ihre Früchte zu tragen. Hiefür liegen unzweideutige Anzeichen vor. Hier müsse nun die diplomatische Tätigkeit eingreifen. Diese meine Tätigkeit hebt sich von der meines Vorgängers nicht schroff ab, sondern nur mit einer Nuance. Wir haben für uns das Ge¬ fühl der Stärke, das gute Recht und den Entschluss, es zu wahren. Das beginnt man in Rumänien zu verstehen und meine Aufgabe ist es, dies noch mehr zur Wirkung zu bringen. Was die Frage anbelangt, ob wir Aussicht haben, Rumänien und Italien dazu zu bringen, das Schwert an unserer Seite zu ziehen, so besteht diesbezüglich kaum wel¬ che Hoffnung. Die Deutschen waren in dieser Hinsicht früher sehr sanguinisch. Die Deutsche Heeresleitung hegte die Erwartung, dass es gelingen werde, beide Mächte zu einer mihtärischen Kooperation zu bringen. Heute sind diese Illusionen geschwunden, ja es waltet sogar die Erwägung vor, ob eine solche Kooperation uns das brächte, was man sich davon versprach. Betreffs Italiens müsse man dabei an die Quahtät, das Tempo und die Stimmung im Heere denken. Hinsichtlich Rumäniens komme in Betracht, dass eine solche Kooperation' für diesen Staat wenig Verlockendes besitze. Bei oberflächlicher Betrachtung habe man daran gedacht, dass Bessarabien eine Kompensation für Rumänien sein werde, doch sei dies sicher kein Gegenwert für Siebenbürgen und die Bukowina. Nur wenn Russ¬ land ganz gebrochen und militärisch zu Boden geworfen wäre, beziehungsweise aus dem westlichen Europa herausgedrängt würde, könnte Bessarabien eine Rolle spielen. Ich will auf die ethnographischen Verhältnisse und den Wert der frag¬ lichen Gebiete nicht näher eingehen, sondern nur darauf hinweisen, dass man in Rumänien überzeugt ist, dass ohne die vorerwähnten Voraussetzungen Russland in wenigen Jahren Rumänien Bessarabien wieder abnehmen würde. Ein solcher Erwerb, bei Verzichtleistung auf die Bukowina und Siebenbürgen, wäre nach rumänischer Anschauung sicherlich ein Marche de dupe. Unser politischer Freund Herr Carp konnte jüngst im Bukarester Jokey-Klub die Lage in einem uns wohlwollenden Sinne auseinandersetzen, ohne brüskiert zu werden, was gleichfalls ein Zeichen ist eines besseren Verhältnisses zu uns. Carp sei aber der Meinung, dass er, zur Regierung gelangt, Rumänien zu einer Koopera¬ tion bringen könne, wenn er gleichsam als Morgengabe die Bukowina mitbrächte. Im Zusammenhänge mit der Abtretung des Trentino wäre dies nur eine Falle für uns und hier könnte es nicht einmal bei einem Versprechen bleiben, das man even¬ tuell nicht hält. Carp hat offen gesagt, diese Abtretung könne er natürlich nicht geheim halten. Das Resultat wäre allerbestenfalls eine rumänische Kooperation, 197 <pb/>die uns wenig militärische Hilfe brächte. Die Carpsche Episode ist aber vom allge¬ meinen Gesichtspunkte wertvoll. Wenn ein Pohtiker, der sein Land so genau kennt, wie Carp, im friedlichen Sinne tätig sein kann, so ist dies ein Beweis für das Ablaufen der rumänischen Bewegung. Ich hoffe, dass dieser neue Geist beständig bleibt. Wir werden in Rumänien dieselbe Aufgabe haben wie in Italien, ihm gol¬ dene Brücken bauen und ihm ermöglichen, zu einer Verständigung mit uns und zu ganz freundschaftlichen Beziehungen zu gelangen. Bezüglich Bulgariens will ich nicht untersuchen, ob wir dort anders hätten arbeiten können, ich will nur schildern, wie ich die Lage vorgefunden. Bulgarien ist neutral und entschlossen, es vorläufig zu bleiben. Hiezu hat es schwerwiegende Gründe, denn es befindet sich in einer recht gefährlichen Lage. Wenn es zu unseren Gunsten eingreift, so steht es vor einer griechischen Kriegserklärung, wozu die Furcht kommt, dass falls dann die Türkei gegen Griechenland vorgeht, sie Ost¬ thrazien besetzt und nicht wieder herausgibt. Aber auch Russland würde Bulgarien den Krieg erklären und dies brächte auch ohne unmittelbare militärische Aktion eine grosse politische Gefahr mit sich. Die Grundstimmung des bulgarischen Volkes -- und das gereicht ihm ja zur Ehre -- ist die Dankbarkeit gegen Russland, die trotz aller Sünden, ja Verbrechen, welche letzteres an Bulgarien begangen, im Volke tief wurzelt. Schliesslich glaubt Bulgarien vor der Gefahr eines rumänischen Angriffes zu stehen. Ich sehe daher im Beharren Bulgariens in seiner Neutrahtät jetzt viel mehr Vorteile als Nachteile. Sie wird bestimmend auf Rumäniens Haltung sein, weil dessen Armee, zum Teile wenigstens, an der bulgarischen Grenze festgehalten bleiben muss, da man in Bukarest fürchtet, dass, wenn sich Rumänien in den Konflikt einmischt, Bulgarien es angreifen werde, wobei für Griechenland kein casus foederis beziehungsweise belli vorlege. Ein bulgarisches Eingreifen in Serbien schiene mir aber jetzt auch unerwünscht, weil es uns in der Wiederaufnahme der Offensive gegen Serbien beengen könnte. Wir verheren keine Zeit und inzwischen leistet uns unsere Südarmee durch ihre zuwartende Haltung gute pohtische Dienste. Dank meiner langjährigen Verbindungen in diesem Lande trete ich sozusagen mit einem Kapital an Vertrauen bei der Weitergestaltung unserer Beziehungen zu Bulgarien ein. Ich komme nun auf Griechenland zu sprechen, welches sich alle Mühe gibt, in dieser Krise seine Neutralität zu bewahren. Wir müssen dies hoch einschätzen, bei der starken Versuchung, vor welcher Griechenland durch die Anbote der Ententemächte steht. Griechenland rechnet heute schon nicht mehr mit dem Siege der Ententemächte, sondern mit unserem Erfolg oder mit einer partie remise. An der Spitze der griechischen Regierung steht ein Mann von sehr weitem Hori¬ zont,2 der nicht geneigt ist, den momentanen Regungen der öffentlichen Meinung, die ja gewiss der Entente günstig ist, zu unterliegen. Hiebei wird er durch den König unterstützt, der keinen Krieg mit den Zentralmächten wünscht. 2 Seit 19. Oktober 1910 war Eleutherios Venizelos griechischer Ministerpräsident (er wurde am 7. März 1915 von Demetrios Gunaris abgelöst). <pb/> Griechenland duldet die militärische Konterbande d.h. den Transit von Kriegs¬ material für unsere Gegner. Uns ist wohl die Reziprozität zugesagt, doch ist diese nur eine formelle, weil eine materielle wenigstens vorläufig unmöglich wäre. Nicht unerwähnt will ich lassen, dass Griechenland unsere Kriegsgefangenen, welche durch einen Zwischenfall auf sein Gebiet kamen, freundschaftlich behandelt, ein Vorgehen, welches leider nur noch in Japan zutage tritt. Ich hege die zuversichtliche Erwartung, dass Griechenland an seiner Neutrali¬ tät festhalten werde, was uns militärisch und pohtisch vollkommen genügen kann. Und hiemit darf ich meine heutigen Betrachtungen schliessen.« Der kgl. ung. Ministerpräsident erklärt sich mit den Ausführungen des Vorsitzenden betreffend Italien und Griechenland vollkommen einverstanden, was aber Rumänien betreffe, so möchte er die Paralelle mit Italien nicht in vollem Umfange aufrechterhalten. Für Rumänien sei das enjeu grösser, Siebenbürgen wertvoller als das Trentino für Italien. Man sehe auch in Rumänien eine viel inten¬ sivere Wirkung als in Italien, die Armee, das Offizierskorps wünschen in Sieben¬ bürgen einzumarschieren. Daher sei die Situation in Rumänien ernster. Dies werde aber reichüch durch die eigene Schwäche in Rumänien aufgewogen. Dieses Moment komme in Rumänien stärker zur Geltung als in Italien und biete die Möglichkeit, die dortige Auffassung zu beeinflussen und zu lenken. Von pohtischer Wichtigkeit sei auch unsere Südarmee. Er glaube ebenfalls, dass man diese möglichst stark ausgestalten und seinerzeit politisch ausnützen solle, bevor man sie in Serbien engagiere. Sich diesbezüglich jetzt des näheren zu äussern, wäre Konjekturalpolitik. Er möchte nur noch bemerken, dass er glaube, dass in Rumänien der Wunsch aktiv einzugreifen, stärker sei, als Baron Buriän einschätzt. Der Wunsch, sich möglichst billige Lorbeeren zu holen und sich ansehnlich zu vergrössern, ist sicher verbreitet und es wäre eine bittere Pille für Rumänien, wenn es sich ganz passiv zu verhalten hätte. Es wäre daher trotz der vorgebrachten Bedenken der Gedanke an Bessarabien nicht a limine auszuschliessen, eventuell könnten wir doch Bessarabien zu unseren Gunsten ausspielen. Was Bulgarien anbelangt, so habe Baron Buriän besonders zwei Gesichtspunkte betont, und zwar 1. dass dieser Staat einen Krieg mit Griechenland scheue und ein Eingreifen der Türkei nur ungern sehen würde. Redner gibt beides zu, glaube jedoch, dass man eventuell Griechenland dadurch neutral halten könnte, wenn die Türkei die bündige Erklärung abgibt, dass sie im Falle Griechenland Bulgarien angreife, letzterem hel¬ fen werde. Eine solche Erklärung dürfte nämlich Griechenland aus seinen Ver¬ pflichtungen Serbien gegenüber herausdrängen und seine Neutrahtät ermög¬ lichen. Bezüglich des zweiten, von Baron Buriän betonten Punktes, Furcht vor einer russischen Kriegserklärung, so würde dieselbe ja auch im Falle eines bulgarisch¬ rumänischen Krieges erfolgen. Er glaube, dass Bulgarien mit der Möglichkeit einer russischen Kriegserklärung rechne, und könne sich nicht vorstellen, dass Bulgarien bis zuletzt passiv verbleibe. Aber darin stimme er mit dem Vorsitzenden überein, dass Bulgarien nicht in nächster Zeit eingreifen werde, wohl werde es dies aber tun, sobald die Situation reif sei, d.h. wenn unsere Aktion in Serbien anfange. 199 <pb/> Resümierend wolle er konstatieren, dass er mit dem Verhalten unserer auswär¬ tigen Politik vollkommen einverstanden sei und seine besondere Zufriedenheit über die ruhige und energische Durchführung derselben zum Ausdruck bringen müsse. Der Vorsitzende erwiedert, dass es ihm nicht beifalle, gegen diese Aus¬ führungen zu polemisieren, nur möchte er zur Aufklärung seine eigenen noch bes¬ ser beleuchten. Wenn es ihm gestattet sei, das Verhältnis der nationalistischen Bestrebungen Italiens und Rumäniens zueinander, ausgehend von der Anzahl der beiderseits begehrten Stammesgenossen, ziffermässig darzustellen, so möchte er dies in folgender Weise tun. Nach Massgabe des Antriebes der Kräfte stelle sich das Verhältnis bei Rumänien 4 : 1 1/2 bei Italien 30 : 1. Hinsichtlich der Türkei sei es gewiss notwendig, dieselbe zu veranlassen, dass sie erkläre, bei einem Kriege gegen Griechenland Ost-Thrazien als bulgarischen Besitz zu respektieren. Nur bleibe es zweifelhaft, ob man in Bulgarien an eine solche Zusicherung glauben würde. Für Russland mache es einen grossen Unterschied, ob Bulgarien Serbien oder Rumänien angreife. In Russland herrsche kein Wohlwollen für Rumänien. Würde demnach dieser Staat von Bulgarien angegriffen, so werde dies Russland kaum in Bewegung setzen. Im letzteren Falle wäre auch, um was zu erreichen, ein militäri¬ sches Eingreifen Russlands nötig, während im ersteren Falle der moralische Effekt genügt. Die russische Kriegserklärung würde wohl die beiden Eventualitäten auto¬ matisch erfolgen, doch die Wirkung wäre auch auf Bulgarien eine verschiedene, denn der Krieg gegen Rumänien wäre durchaus populär, während bei einem Krie¬ ge gegen Serbien die slavische Fieber, durch Russlands Dazwischenkunft gereizt, stark mitvibrieren würde. Der k.k. Ministerpräsident erklärt, er könne nicht unterlassen, namens der österreichischen Regierung seinen Dank für das hochinteressante Expose des Ministers des Äussern auszudrücken. Wenn man erwäge, in welche schwierige Situation man durch eine verfehlte deutsche Pohtik in Rom gekommen sei und wie gewisse Dinge in die Nähe gerückt worden seien, so müsse man die grösste Befriedigung über den jetzigen Stand der Sache äussern. Man sei sich bei uns wohl klar gewesen, wo der Hebel anzusetzen sei, um der Situation Herr zu werden, aber die stückweise Durchführung sei enorm schwierig. Es sei Baron Buri- än gelungen, die richtigen Konsequenzen aus seinerAuffassung der Dinge zu ziehen. Es war dies eine grosse diplomatische Arbeit und darauf wolle er ganz aus¬ drücklich und dankbar hinweisen. Das Korrelat zu dieser internen Arbeit sei die Wirkung äusserer Tatsachen auf die Neutralen, eine Wirkung, die nur eintreten kann durch günstige Ereignisse auf dem Kriegsschauplatz. Er stimme auch darin mit Baron Buriän überein, dass man Zeit gewinnen müsse, um auch weiter erfolg¬ reich wirken zu können. Er wiederhole, dass er allen Ausführungen des Vorsitzen¬ den freudigst zustimme. Er möchte nur einen Punkt hervorheben. Die Neutrahtät Bulgariens sei fürs erste schon wegen der anderen Balkan-Staaten wünschenswert. Graf Tisza möchte, wie er ausgeführt, dies bis zu unserer neuerüchen Aktion gegen Serbien begrenzen und diesbezüglich erlaube er sich folgendes zu bemerken. Jetzt sei nach Graf Tiszas Meinung die Zeit zur Vorbereitung einer Offensive gegen Ser¬ bien. Diese hänge aber mit der scharfen Konzentration in den Karpathen notwendig 200 <pb/>zusammen. Soviel er wisse, seien weitere Korps vom südlichen Kriegsschauplätze hinaufgegeben worden. Es wird also zu erwägen sein, ob eine Offensive möglich ist, wenn nur das 15. und das 16. Korps und der Landsturm zur Verfügung stehe und ob man an eine solche Erwartung politische Konsequenzen knüpfen könne. Der Vorsitzende dankt wärmstens für die Anerkennung, die seine Aus¬ führungen gefunden. Es sei ihm nicht unbekannt, dass die Südarmee durch Abkommandierungen an die Nordarmee geschwächt worden ist. Diese Truppen dürften aber nach Abschluss der grossen Aktion im Norden zur Südarmee zurückkehren, was etwa in 4 --6 Wochen der Fall sein könne. Die Südarmee dürfte also in ungefähr 2 Monaten für politische Zwecke zur Verfügung stehen. Alle diese Kombinationen seien jedoch auf einem militärischen Erfolge basiert. Der kgl. ung. Ministerpräsident sagt, dass das auch ihm vorge¬ schwebt habe, die Rolle der Südarmee werde nicht jetzt, sondern erst nach einem Erfolge im Norden und nach ihrer Stärkung zu spielen sein. Der gemeinsame Finanzminister bemerkt, dass es zwar nicht üblich sei, dass ein gemeinsamer Minister den anderen lobe, er fühle sich aber dennoch gedrängt Baron Buriän seine Bewunderung und seinen Dank auszu¬ drücken. Es wird nunmehr zur Frage der Bemessung der Erziehungsbeiträge für die Waisen der im Kriege gefallenen Mihtärpersonen geschritten. Der gemeinsame Finanzminister bespricht die Bestimmungen der §§ 4 und 5 der Versorgungsgesetze ex 1887 und die korrespondierenden Be¬ stimmungen der Versorgungsgesetze ex 1907 und weist auf die hinsichtlich der Bemessungsgrundlage für die Erziehungsbeiträge der Offizierswaisen bestehende Inkongruenz dieser gesetzlichen Bestimmungen hin, bei deren Interpretation ver¬ schiedene Auffassungen zutage getreten waren und deren endgiltige Klarstellung und Fixierung den Anlass zu Referentenbesprechungen gegeben haben. Nach dem noch der kgl. ung. Finanzminister nähere Aufklärungen erteilt hat, wird die günstigere Interpretation, nach welcher das den vaterlosen Waisen zu gewährende Fünftel von der Witwenpension und dem 50%igen Zuschüsse zu bemessen ist, angenommen. Als Konsequenz ergibt sich die Sanie¬ rung der bisherigen Bemessung. Es wird ferner zugestimmt, dass das Kriegsmini¬ sterium eine generelle Allerhöchste Ermächtigung einhole zur Bewilligung von gnadenweisen Zuschüssen bei den Erziehungsbeiträgen für die Waisen nach Gagi- sten von der VI. Rangklasse aufwärts in dem Masse, dass der gesetzmässige Er¬ ziehungsbeitrag der vaterlosen Waisen samt dem gnadenweisen Zuschuss ein Fünftel der Witwenpension und des 50%igen Zuschusses höchstens aber 750 K nach einer jeden unversorgten Waise nicht überschreite. Der kgl. ung. Ministerpräsident sagt, dass hinsichtlich der zu Lasten des Kriegskredites verrechneten Ausgaben und der mit dem Kriege zusammen¬ hängenden wirtschaftlichen Fragen mehrere Punkte einer Erörterung und Klärung bedürfen. Es müsse einiges, was geschehen, einer objektiven Kritik unterzogen werden. Er möchte jedoch im voraus, um jedes Missverständnis zu beseitigen, erklären, dass es ihm vollkommen ferne liege, irgendetwas zu sagen, was als 201 <pb/>gegen die Armee gerichtet ausgelegt werden könnte. Abgesehen von seiner per¬ sönlichen Verehrung des Kriegsministers und abgesehen davon, dass er wohl seine Sympathien für die Armee wiederholt bewiesen, könne man ja die sehr grossen Leistungen der Armee nicht genug würdigen. Aber so wie die Truppen im Kriege vieles neu lernen mussten, so müssen auch wir hinsichtlich der wirtschaftlichen Zweige manches neu lernen. Es sei daher notwendig, dass man sich gegenseitig unterstütze um das Bestmögliche zu erreichen. Der Kriegsminister dankt für die warme Anerkennung der Armee und begründet sodann durch Zahlenangaben die Unzulänglichkeit unseres Gewehr¬ vorrates zu Beginn der Mobilisierung. Er stellt die Schwierigkeiten dar, welche sich der Ausrüstung der Marschbataillone mit Gewehren und Bajonetten entgegen¬ gestellt haben. Er verliest eine Note des Armee-Oberkommandos an das Kriegs¬ ministerium betreffend den Mangel an Munition und Pulver, legt die Notwendig¬ keit der Erweiterung der Salpetersäurenanlage sowie aller Anlagen zur Beschaffung der für die Pulvererzeugung notwendigen Rohmaterialen dar und begründet die Notwendigkeit der Absicht der Heeresverwaltung, ein Etablissement für die Reparatur und Erzeugung von Gewehren in der Nähe von Pozsony zu errichten. Im Laufe der Debatte wurde diese Frage ausgeschieden, da die Wirksamkeit dieses Etablissement innerhalb der Kriegsperiode ausgeschlossen erscheint und dessen Erbauung daher nicht als eine mit dem Kriege unmittelbar im Zusammenhänge stehende Massnahme angesehen werden kann. Es wird von Seiten beider Regierungen betont, dass sehr grosse Bedenken gegen die Errichtung einer neuen Anlage vorwalten und dass diesbezüglich ohne vorhe¬ rige Zustimmung aller kompetenten Faktoren gar kein präjudizierlicher Schritt erfolgen könne. Hierauf erklärt sich der Kriegsminister bereit, im Gegen¬ stände besondere Verhandlungen mit den beiden Regierungen einzuleiten und alle etwaigen Vereinbarungen hirfsichtlich dieses Baues zu stornieren. Nach Mitteilungen des Kriegsministers wurden an Geschützen bestellt: 600 Stück 7.5 cm Gebirgskanonen, 2.130 Stück 10 cm Feldhaubitzen, 300 Stück 10.4 cm Belagerungskanonen und 300 Stück 15 cm schwere Haubitzen. Der kgl. ung. Finanzminister schildert vor allem den Vorgang, der sich betreffend die Anforderung des Mobilisierungskredites ausgebildethat. In Friedens¬ zeiten wurde seitens des Kriegsministeriums von Jahr zu Jahr ein Ausweis der Mobilisierungsauslagen mit einer Hauptübersicht den Finanzverwaltungen mit¬ geteilt, welche die Kosten der Mobilisierung für die ersten drei Monate eines Krieges auswies. Laut der zuletzt erhaltenen Hauptübersicht bezifferten sich diese Kosten an einmaligen Auslagen mit 1.574.000.000, an fortlaufenden mit 982,000.000 K. Gleich nach dem Ausbruche des Krieges sind von Zeit zu Zeit seitens der Rriegsverwaltung neue Anforderungen ausgewiesen worden, deren Bedeckung in der Hauptübersicht nicht enthalten war. Seit September erhalte er monatlich zwei Ausweise. In dem ersten sei enthalten, was infolge von Neu¬ formationen und Neuerfordernissen den bereits früher ausgewiesenen Mobi¬ lisierungsauslagen Zuwachsen, im zweiten, was vom Gesamterfordernisse für das (!) nächste Monat gebraucht werde. 202 <pb/> Er habe bereits in den ersten Zeiten des Krieges dem Kriegsministerium mitge¬ teilt, dass er die Verantwortung betreffend die Höhe der als Mobilisierungskredite angeforderten Beträge und betreffend die Zweckmässigkeit und Notwendigkeit ihrer Verwendung nicht teilen könne und dass seine Verantwortung sich lediglich darauf beschränke, dass er die angeforderten Beträge rechtzeitig und dem Gesetze ent¬ sprechend zur Verfügung stelle und darauf wie er diese Beträge aufbringe. Dabei habe er schon damals betont, dass seines Erachtens nach Beendigung des Krieges die Finanzverwaltungen beider Staaten in die Lage gesetzt werden müssen, sich über die Verwendung der Mobilisierungskredite mittelst Einsicht in die detaillier¬ ten Verrechnungen eine genaue Orientierung zuverschaffen, weil er ohne eine solche die Anforderung dieser Kredite bei den Vertretungskörpern auch mit der obenbe- zeichneten auf ihn fallenden beschränkten Verantwortung nicht vertreten könnte. Diesen Standpunkt halte er auch gegenwärtig unverändert aufrecht. Die für den Monat Jänner erhaltenen Ausweise nötigen ihn jedoch, die Frage zu stellen, ob nicht Auslagen ä raison des Mobilisierungskredites gemacht werden, die nicht in denselben gehören, beziehungsweise ob nicht die Kosten solcher Einrichtungen und Anschaffungen aus dem Mobilisierungskredite gedeckt wurden, welche nicht mehr in den Rahmen dieses Kredites passen. Die fortlaufenden Auslagen weisen so grosse Summen aus, wie sie seines Erach¬ tens unmöglicherweise für Mobilisierungsauslagen notwendig sind. Er fragt daher, ob sie zum Teil nicht zu Zwecken verwendet werden, die im Mobihsierungskredit keinen Platz hätten. Die von Monat zu Monat als fortlaufende Auslagen ausge¬ wiesenen Summen werden nämlich derart ermittelt, dass es in den Ausweisen ein¬ fach heisst: so und so viel wurden im vorigen Monat verlangt, so und soviel kom¬ men als Erhaltungskosten der Neuformationen hinzu, daher Summa so und soviel. Man findet aber keine Spur, dass sich die Stände stark reduziert haben und dass daher im laufenden Monate die Erhaltungskosten der im Vormonate bereits auf¬ gestellt gewesenen Formationen nicht vollständig in Anspruch genommen werden können. Erst im Ausweise pro Februar befinde sich ein Betrag von 7,000.000 Kro¬ nen ä raison der reduzierten Stände. Dieser Betrag ist jedoch im Vergleiche der stattgefundenen Standesabgänge verschwindend klein und die Ausweise pro August --Jänner enthalten nicht einmal einen so geringen Abzugsposten, so dass er seiner Ansicht dahin Ausdruck geben müsse, dass an den als fortlaufende Auslagen beanspruchten Beträgen grosse Ersparnisse erzielt werden mussten, und da dränge sich die Frage auf, wozu sie verwendet worden seien. Hinsichtlich der Ausgestaltung der Artillerie seien im Jänner-Ausweise 223,000.000 enthalten. Es handelt sich dabei offenbar um die Durchführung des sogenannten Ergänzungskredites. Wenn es notwendig sei, dieses Programm beschleunigt durchzuführen, so könne dies, solange der Beschluss der Delegationen nicht eingeholt werden kann, nur auf Grund eines gemeinsamen Ministerrats¬ beschlusses geschehen. Es sei nicht möglich, derlei Auslagen einfach in dem Mobi¬ lisierungskredite unterzubringen, so dass die Regierungen beider Staaten das Geschehene nur zufällig und verspätet erfahren. In formaler Beziehung sei fest¬ zustellen, dass dieses sogennante Auffenberg-Programm nicht einfach durch Ein¬ stellung in den Mobihsierungskredit durchgeführt werden könne, sondern nur auf 203 <pb/>Grund eines Konferenzbeschlusses; in materieller Beziehung müsse betont wer¬ den, dass ein solcher Beschluss zur Bedingung habe, dass geprüft werde, ob diese Durchführung unbedingt zum Zwecke des jetzigen Krieges notwendig sei und dass sich die Bewilligung nur in diesem Masse bewege. Er bemerke nebenbei, dass diese Frage die Interessen der ungarischen Kanonenfabrik beziehungsweise die Quote der ungarischen Industrie an den Heereslieferungen berühre. Im Jännerausweise befinde sich ferner für die Munition ein Betrag von 324.8 Millionen. Es sollen aber schon 33,000.000 von dem ursprünglich für die Miete der auf Grund der Kriegsleitungsgesetze in Anspruch genommenen Transport¬ mittel beanspruchten Beträge für Munitionsbeschaffungen verwendet worden sein und sollen aus den ausgewiesenen 324.8 Millionen je 15,000.000 zu diesem Zwecke verwendet werden. Es scheinen daher Bestellungen auf 21 Monate ins Auge gefasst zu sein, wir würden also nach Beendigung des Krieges, soferne er nicht noch 21 Monate lang dauert, eine Zeit hindurch 15.000.000 monatlich weiter zahlen müssen, oder gezwungen sein, die Bestellungen mit schweren Opfern zu stornieren. Nicht nur finanzielle, sondern auch verfassungsrechtliche Gründe sprechen gegen die¬ se Vorgangsweise. Er billige im höchsten Masse, dass soviel Munition, als die Munitionsfabriken während des Krieges überhaupt erzeugen können, bestellt werde. Die Bestellungen sollen aber niemals auf einen die voraussichtliche Dauer des Krieges erheblich überschreitenden Zeitraum vergeben werden. Fernerfehlehinsichthch 83,000.000KanfortlaufendenAuslagenund370.000.000K an einmaligen jede Begründung in den Jännerausweisen. Da, wie aus seinen früheren Ausführungen ersichtlich in einzelnen ziffermässig begründeten Posten solche Auslagen enthalten sind, die nicht in den Mobihsie- rungskredit gehören, werfe sich unwillkürlich die Frage auf, ob aus diesen 83 und 370 Millionen, wenigstens teilweise, nicht auch derartige Auslagen bestritten werden. Als Chef der ungarischen staatlichen Eisenwerke müsse er hervorheben, dass er die grösste Schwierigkeit habe, den Betrieb der Munitionswerkstätte, deren Lei¬ stungsfähigkeit zu erhöhen er bestrebt ist, nur mit der bisherigen Leistungsfähig¬ keit aufrechtzuerhalten. Es werden die besten Arbeiter einberufen und es herrscht namentlich Mangel an Eisendrehern. Die Befreiungen werden wohl erteilt, ihre Durchführung stösst aber auf Schwierigkeiten. Dann erbitte er sich auch eine Aufklärung über die Verwendung der seitens der Delegationen bewilligten ausserordentlichen Kredite. Was die Marine betreffe, so berücksichtige diese die Kompetenzen viel besser als die Heeresverwaltung und er bitte letztere, das gleiche zu tun. Was die Dreadnoughtbauten anbelange, so bitte er um eine Mitteilung über den Stand derselben. Man könne nämlich jetzt nicht an die Herstellung von Dread¬ noughts denken. Hier komme die Arbeiter- und Materialfrage hinzu. So würde z.B. das uns so notwendige Kupfer, insoferne es zur Herstellung neuer Dreadnoughts verwendet wird, den Zwecken des jetzigen Krieges entzogen. Anders stehe es mit den kleinen Schiffen z.B. den Donaumonitoren, die noch so fertiggestellt werden können, dass sie im gegenwärtigen Kriege zu verwenden sind. Deshalb habe die 204 <pb/>ungarische Regierung die Zustimmung erteilt, dass die Kosten der Herstellung dieser Monitore aus dem Mobilisierungskredite bestritten werden. Es wird die Sitzung von 2 bis 5 Uhr unterbrochen. Nach Wiederaufnahme der¬ selben sagt Vizeadmiral von Kailer, dass er glaube der königl. ungar. Finanzminister habe unter der Einstellung der Dreadnoughtbauten wohl nicht die Sistierung der Fertigstellung des »St. Istvän« verstanden, denn bezüglich dieses Schiffes würden die Gründe nicht vorliegen, die Dr. Teleszky angeführt. Arbeitskräfte sind vorhanden, da diese zum Teil von der Danubiuswerfte (etwa 400 Arbeiter) und zum Teile vom Seearsenale beigestellt werden. Auch der zweite Grund, dass in das Schiff Material eingebaut werden muss, welches anderwärtig dringend gebraucht wird (wie Kupfer, Messing etc.) wäre diesbezüglich nicht zutreffend, weil diese Materialien schon verarbeitet und zum Teil eingebaut sind. Die Marineverwaltung hofft auch, dieses Schiff noch vor Kriegsende fertigstellen zu können, was einen grossen Zuwachs an Schlagkraft bedeuten würde. Die Fort¬ setzung der Bauten aus den früheren Krediten wäre daher zu bewilligen. Die Kreu¬ zer »Saida«, »Helgoland« und »Novara« seien fertiggestellt und würde es sich daher nur um die Finalisierung von »St. Istvän« und einiger Torpedoboote handeln. Anders steht es mit den Bauten aus dem 426 Millionen-Kredit. Von diesen sind nur 12,548.750 im ersten Halbjahr und 2,150.000 im zweiten Halbjahr 1914/1915 in Anspruch genommen worden, weil Verbindlichkeiten schon vor Ausbruch des Krieges bestanden, die nicht mehr rückgängig gemacht werden können. Dagegen werden von der im laufenden Budgetjahre bewilligten Rate von 45,292.500 Kronen 30,593.750 Kronen nicht in Anspruch genommen und können zurückgestellt werden, beziehungsweise verpflichtet sich die Kriegsmarineverwaltung, im Laufe des Krieges vom 426 Millionen-Kredit nichts mehr zu verwenden. Die Marine¬ verwaltung muss aber darauf beharren, dass dieser Kredit nicht annulliert wird, sondern als solcher der Kriegsmarine erhalten bleibe. Die Konferenz erklärt, unter warmer Anerkennung der Tätigkeit der Marine, von diesen Ausführungen befriedigt zu sein. Was jedoch den 426 Millionen- Kredit betreffe, so müsse dieser in Schwebe bleiben. Das Programm werde nach dem Kriege revidiert und neuen Delegationsbeschlüssen unterzogen werden. Betreffs der Verwendung der an Miete für Landestransportmittel vom August bis Dezember 1914 angeforderten, für diesen Zweck jedoch nicht zur Auszahlung gelangten Beträge von 233,750.000 K gab der Kriegsminister folgende Aufklärungen: Diese Gelder wurden als Rückersatz folgender bisher nicht angesprochener Auslagen verwendet und zwar: Für Ersatzbeschafifungen an Bekleidung und Ausrüstung der königl. Ungar. Landwehr 18,007.000 K, desgleichen für die k.k. Landwehr 49,258.923 K, Dotie¬ rung der Festungskassa Krakau 35,630.080 K, Dotierung der Festungskassa Przemysl 18,365.000 K, Dotierung der Festungskassa Sarajevo 3,000.000 K, für Munitionsbeschaffungen 33,000.000 K. Weiters wurden von dieser Minderverwendung zur Deckung der laufenden Erhaltungskosten -- an Stelle der Anforderung der Friedensetats der beiden 205 <pb/>Landwehren und der k.u.k. bosnisch-herzegovinischen Truppen -- von August 1914 bis Ende Jänner 1915 insgesamt 47,400.000 K herangezogen. Aus dem Reste von 29,090.000 K wurden dann die laufenden Erfordernisse für Neuformationen bis Ende des Aufstellungsmonates bestritten, da die Erhaltungskosten erst für den der Aufstellung folgenden Monat bei den Finanzverwaltungen angesprochen wor¬ den sind. Endlich wurden daraus auch sonstige, plötzlich aufgetretene einmalige Erfordernisse bestritten und konnte hiedurch die Stellung von Nachtragsgeldan¬ sprüchen in den einzelnen Monaten vermieden werden. Zur Frage der Umbewaffnung der Artillerie bringt der Kriegsminister nachste¬ hende Daten zur Kenntnis: Die bezüglichen Kosten waren in der Post 1 der ausserordentlichen Erforder¬ nisse für die Beschaffung von Kriegsmaterial und zur Durchführung fortifikatori- scher Massnahmen (des sogenannten Ergänzungs- oder Auffenhergkredites) mit insgesamt (85 x 2) 170 Millionen Kronen vorgesehen und es entfällt von den für diese Post bis einschliesslich 1914/1915 bewilligten 64,100.000 K der Teilbetrag von 35,200.000 K auf die Umbewaffnung der Feldartillerie. Infolge der eingetretenen Mobilisierung ist es unmöglich, diese Umbewaffnung nach dem den Friedensverhältnissen angepassten finanziellen Programme durch¬ zuführen; es musste vielmehr das Kriegsministerium alle Verfügungen treffen, dass die Erzeugung des neuen Artilleriematerials derart beschleunigt vor sich gehe, dass dieses Material noch während des Krieges eingeliefert sein wird. Aus Anlass der kriegerischen Ereignisse ist auch der Bedarf an Gehirgskanonen gestiegen und es muss ferner an die sofortige Erzeugung von Belagerungskanonen, deren Kosten im bisherigen Programme nicht vorgesehen waren, geschritten werden. Bei Berücksichtigung dieser Mehrerfordernisse ergibt sich für die Umbewafifnung der Artillerie ein Geldbedarf von rund 223 Millionen Kronen, von welchem auf die Erzeugung der Feldhaubitzen 100, schweren Elaubitzen 40, 10,4 cm Belagerungs¬ kanonen 40, Gebirgskanonen 35 = 215 Millionen Kronen, einschliesslich der zugehörigen Ausrüstung, jedoch ohne Munition, endlich auf die Erzeugung von Lastautos für Automunitionskolonnen 8 Millionen Kronen entfallen, so dass sich im ganzen ein Erfordernis von 223 Millionen Kronen ergibt. Der Kriegsminister bittet zur Kenntnis zu nehmen, dass die Kosten für die Umbewaffnung der Artillerie dem ausserordentlichen Ergänzungs- (Auffenberg-) Kredite nur bis zur vorbezifferten Höhe von 35,2 Millionen Kronen angelastet werden, wogegen der diesen Betrag übersteigende Aufwand (223 Millionen Kronen weniger 35,2 Millionen Kronen:) = 187,8 Millionen Kronen bei den einmaligen Ausgaben des Mobilitätskredites zur Präliminierung gelangte. Der kgl. ung. Finanzminister erwiedert, dass er sich eben gegen diese letztere Vorgangsweise wenden müsse. Der Konto sei das Nebensächliche, die Hauptsache sei, dass Bestellungen solcher Art, wie sie der Kriegsminister betref¬ fend die Umbewaffnung der Artillerie vöfgetragen hat, nicht einfach als unmittel¬ bare Konsequenz des Kriegszustandes betrachtet werden können und dass deshalb diese Bestellungen durch das Kriegsministerium nicht einfach vorgenommen wer¬ den können, sondern dass zur Vornahme solcher Massnahmen vorher die Zustim- 206 <pb/>mung beider Regierungen, eventuell auf einer gemeinsamen Ministerkonferenz eingeholt werden müsse. Er konstatiert aus den Auseinandersetzungen des Kriegsministers, dass bezüg¬ lich der Geschützfrage das zutreffe, was er vermutet habe. Die Heeresverwaltung habe Geschütze ohne Ermächtigung beschafft. Sie hätte so Vorgehen sollen, wie zum Beispiele die Marine betreffend die Bestellung der neuen Donaumonitore vorgegangen ist. Insoferne die Notwendigkeit gegeben, wäre ja die Zustimmung beider Regierungen erfolgt. Die Kosten treffen, wenn die Fertigstellung während des Krieges erfolgt, den Mobilisierungskredit. Es sei in materieller Beziehung fraglich ob alles, was an Artilleriematerial seitens des Kriegsministeriums bestellt wurde, zum Zwecke des gegenwärtigen Krieges unbedingt notwendig gewesen war und ob nicht die Bestellung eine zu weitgehende sei. Die Fabriken sollen während des Krieges voll ausgenützt werden und erzeugen was sie leisten können, aber darüber hinaus dürfe nicht um einen Heller mehr bestellt werden. Alles Weitere gehöre in ein neues Programm, das nach Beendigung des Krieges festzusetzen sein werde und der Bewilligung der Delegationen unterliege und es dürfe diesbezüg¬ lich kein fait accompli geschaffen werden. Hinsichtlich der Munition sei er auch der Auffassung, dass während des Krieges so viel Munition herzustellen sei als die heimischen Munitionsfabriken überhaupt erzeugen können, soferne diese Munitionsmengen zum Zwecke des gegenwärtigen Krieges notwendig sind; es entstehe daher hier die Frage: Wann können die bestellten Geschosse geliefert werden ? Denke man zum Beispiele jetzt, dass der Krieg bis zum Herbste dauern werde, so möge bis dahin bestellt werden. In einem Monat vielleicht werde man an eine längere Kriegsdauer denken, dann muss für eine weitere Dauer vorgesorgt werden. Daran habe man aber gewiss nicht gedacht, dass der Krieg von nun an noch 21 Monate dauern würde, wogegen das Muni¬ tionsbestellungsprogramm wie es aus dem Ausweise pro Jänner ersichtlich ist -- auf weitere 21 Monate festgestellt wurde. Er bitte, das Programm zu revidieren. Was höchstens bis Ende September geliefert werden kann, soll bestellt werden, der Rest in suspenso bleiben und bei Fortdauer des Krieges in weiteren entspre¬ chenden Raten später zur Bestellung gelangen. Der Vorsitzende möchte darauf aufmerksam machen, dass man die Munition im Kriege nicht limitieren könne, da man nicht einmal putativ das Ende des Krieges Voraussagen könne. Die Munitionsbeschaffung müsse unausgesetzt betrieben werden, bis der Frieden in sicherer Aussicht sei. Jedenfalls wäre die Kriegsverwaltung zu ermächtigen, die Munitionsheferung bis zum Ende des Krieges zu forcieren. Der kgl. ung. Ministerpräsident erklärt, dass sich seine Auffassung mit der des Vorsitzenden decke. Er schlägt folgende Formel vor: Die Bestellungen sind in dem Rahmen zu machen, der notwendig ist, um die Fabriken bis zur maximalsten Leistungsfähigkeit vollauf zu beschäftigen. Es wäre aber unbedingt zu vermeiden, Bestellungen zu machen, die erst in einem Jahre und darüber effektuiert werden können. Der kgl. ung. Finanzminister meint, man solle die Munitionsfabriken immer auf 2 1/2 Monate vollständig mit Arbeit versehen. 207 <pb/> Der Kriegsminister sagt zu, eine diesbezügliche Zusammenstellung machen zu lassen. Der k.k. Ministerpräsident stellt fest, dass nicht immer neue Kon¬ ferenzbeschlüsse notwendig sein werden, sondern dass die Sache automatisch vor sich gehen könne. Graf T i s z a und Dr. T e 1 e s z k y stimmen dem zu. Es könne an Munition auf einen nicht längeren Zeitraum als 2 1/2 Monate, von der Bestellung bis zum Endtermine der Ablieferung gerechnet, bestellt werden, was für den Krieg not¬ wendig sei und für denselben mit Rücksicht auf die Leistungsfähigkeit der Muni¬ tionsfabriken geliefert werden kann. Letzterer fügt noch hinzu, das darauf bestanden werden müsse, dass in Hinkunft keine derartigen Anschaffungen wie die Geschütze und andere Anschaffungen solcher Art, die nicht unbedingt als Mobilisierungsauslagen betrachtet werden können, vorzunehmen sind und dass Bestellungen solcher Art nur vorgenommen werden dürfen, wenn beide Regie¬ rungen vorher zustimmen. Dies und die Formel des Grafen Tisza werden sodann angenommen. Da durch diesen Beschluss der Konferenz es als gesichert erscheint, dass aus den seitens des königl. ungar. Finanzministers früher erwähnten 83 und 370 Millionen Kronen nicht solche Bestellungen vorgenommen werden, die nicht in den Mobili¬ sierungskredit gehören, verzichtet der 1 e t z t e r e auf die weitere Erörterung dieser Posten. Der kgl. ung. Ministerpräsident bemerkt nun, dass wenn in den Ausweisen zu den laufenden Auslagen des Vormonates einfach die Kosten der Neuformationen ohne Restriktionen hinzugezählt werden und wenn die Dotierung der Truppen und Unterabteilungen auch auf dieser Basis vorgenommen werde, es zur Verschwendung von Geld, hauptsächlich aber von Material kommen müsse. Er bittet im Einvernehmen mit dem königl. ungar. Finanzminister, darauf Rück¬ sicht zu nehmen. Der kgl. ung. Finanzminister macht aufmerksam, dass er gehört habe, dass die beiden Waffenfabriken heute schon aufgefordert werden sollen, sich für ein neues Modell vorzubereiten. Dies wäre nach seiner Ansicht ein Fehler. Man müsse alles aufbieten, damit die Fabriken an nichts anderes denken, als die Erzeugung der im gegenwärtigen Kriege zu verwendenden Gewehre zu forcieren; hauptsächlich müsse er aber davor warnen, dass die Fabriken zur Erweiterung und Neueinrich¬ tung ihrer Anlagen durch solche Zusagen bewogen werden, die irgendwelche Ver¬ pflichtungen auf Bestellungenvon Gewehrennachdem Friedensschlüsse involvieren. Auf die Ausführungen des Kriegsministers, dass die Errichtung von Baracken in Pozsony auch aus dem Grunde notwendig sei, um nach dem Kriege die überschüssigen Gewehre einlagern zu können, bemerkt der kgl. ung. Han¬ delsminister, dass seiner Ansicht nach hiervon Abstand genommen wer¬ den könne, denn vor allem dürften nach dem Kriege weniger Gewehre da sein als vor demselben, also die bisherigen Lagerräume vollauf genügen; ferner werden nach dem Kriege alle jetzt zur Unterbringung von Gefangenen, Verwundeten und Kranken dienenden Baracken zur Verfügung stehen. Was die ungarische Gewehr¬ fabrik betreffe, so glaubt der ungarische Handelsminister, sie werde auch ohne 208 <pb/>fixe Zusage einer Bestellung für die grösstmögliche Erweiterung und die intensivste Tätigkeit sorgen und ist er auf Wunsch des Kriegsministers gerne bereit, diese Frage bei der ungarischen Gewehrfabrik zu bereinigen. Die Steyrer Fabrik sei noch eher in der Lage, ohne fixe Bestellung ihre Leistungsfähigkeit auszudehnen. Der k.k. Ministerpräsident gibt auch seiner Ansicht dahin Ausdruck, dass die Steyrer Fabrik alles aufbieten werde, ihre Leistungsfähigkeit zu steigern. Wie schon erwähnt, hatte sich der Kriegsminister bereits früher erklärt, alle etwaigen Vereinbarungen hinsichtlich des Baues der ärarischen Gewehrfabrik zu stornieren. Der kgl. ung. Ministerpäsident weist auf den Mangel an Spreng¬ mitteln hin. Namentlich sei die Produktion des Pulvers unzureichend und auch für diesen abnormen Konsum nicht eingerichtet. Ebenso mangle es an Sprengmitteln für die Bergwerke, was den Eisenbahnbetrieb (Kohle) und hiermit die Kriegs¬ fähigkeit gefährde. Er bitte um Aufklärung. Der kgl. ung. Handelsminister bringt gewisse Beschwerden der unga¬ rischen Industrie wegen der Sprengmittel vor. Er weist auf die schon öfters zur Sprache gebrachten Erschwerungen und Einschränkungen der ungarischen Spreng¬ mittelindustrie durch das Kriegsministerium hin; die schlechte Wirkung mache sich jetzt fühlbar in der geringen Entwicklung und Leistungsfähigkeit; so wurde vor 2 Jahren die Errichtung einer Trinitrotoluol-Fabrik verhindert. Er muss auch her¬ vorheben, dass schon zu Friedenszeiten die betreffende Abteilung des Kriegsmini¬ steriums mit gewissen Sprengmitteln die ungarische Sprengmittelindustrie unter¬ bietet, für" welche sie6 die erforderliche Bewilligung nicht besitzt, und dass diese Abteilung, um dies leichter tun zu können, ihre Sprengmittel auch für den Zivil¬ konsum als Militärsendungen nach dem Militärtarif abfertigt. Im Kriege wurde diese Situation noch dadurch verschärft, dass die betreffende Abteilung des Kriegsministeriums im Wege der Zentraltransportleitung verhindert hat, dass ein¬ zelne ungarische Sprengstoff-Fabriken Eisenbahnwaggons erhalten. Er ersucht um eine dringende Abhilfe, abgesehen vom Rechtsstandpunkte auch schon deshalb,' weil sonst die Bergbauindustrie nicht im Stande sein wird, ihre Produktion aufrecht zu erhalten und hierdurch der Strassen- und Eisenbahnbau behindert und -- worauf er das grösste Gewicht legt -- durch eine Beschränkung der Kohlenproduktion die Kohlenversorgung der ungarischen Eisenbahnen ge¬ fährdet würde. Zum Glück habe er einen doppelten Kriegsvorrat gehabt, doch sei derselbe schon auf 390,0001 herabgesunken. Wenn dies so weitergehe, müsse es zu einer Katastrophe kommen. Der vom Kriegsministerium propagierte Sicher- heitssprengstoff sei, von allem arideren abgesehen, infolge der geringeren Spreng¬ kraft und starker Rauchbildung minderwertig. Schon im Interesse der Aktions¬ fähigkeit der Bahnen bitte er um Beistellung von Dynamom und um Berück¬ sichtigung der Eingabe der Titanit A. G., die ersucht, dass der von ihr aus Norwe¬ gen einzuführende Salpeter nicht mit Beschlag belegt werde, um so in der Lage zu sein, Kommerzit erzeugen zu können. a) »für« nachträglich in die Reinschrift des Protokolls eingefügt. b) »sie« nachträglich in die Reinschrift des Protokolls eingefügt. 14 Komjdtby: Protokolle 20p <pb/> Der k.k. Ministerpräsident bemerkt, dass er für den Salpeterverkauf aus den deutschen Beständen interessiert wurde. Er verweist auf die Berliner Verhandlungen und ersucht um Aufklärung, ob diese zu einem Ergebnis geführt haben. An Sprengstoffmangel leiden vorwiegend die Braunkohlenreviere Dux -- Brüx und er möchte dringend bitten, dass dem Bergbau und der Kohlenversorgung geholfen werde. Der Kriegsminister gibt an, dass durch den ganz ausserordentlichen Bedarf der Armee im Felde und die mangelhafte Einfuhr von Rohmaterialien eine grosse Not an normalen Sprengmitteln eingetreten sei, deren Beseitigung durch Einführung von Surrogaten angestrebt werde. Er sagt weiters eine Untersuchung und rasche Abhilfe zu. Der k.k. Ministerpräsident bezieht sich auf den Schriftenwechsel zwischen beiden Regierungen und dem Kriegsministerium hinsichtlich der Rege¬ lung der Militärversorgung. Es handle sich zunächst um die Versorgung der Wit¬ wen und Waisen von im Kriege Gefallenen sowie um die provisorische Besser¬ stellung der Kriegsinvaliden, dann auch um eine gesetzliche Vorbereitung hin¬ sichtlich der definitiven Regelung der Mihtärversorgung im ganzen. Die bisherige unzureichende Fürsorge mache schon jetzt einen unerwünschten Eindruck. Kom¬ missionelle Verhandlungen sollten so beschleunigt werden, dass die Versorgungs¬ gesetze im Entwürfe zustande kämen, um nach dem Kriege nach Mass'gabe der vorhandenen finanziellen Mittel den Vertretungskörpern vorgelegt zu werden. Hier¬ von abgesehen, solle man sofort zu einer provisorischen Regelung der vorbezeich- neten Punkte im Verordnungswege greifen. Der kgl. ung. Ministerpräsident schliesst sich dem namens der ungarischen Regierung an. An eine definitive Regelung des Mihtärversorgungs- wesens könne man erst denken, bis der Umfang der Lasten und die finanzielle Leistungsfähigkeit bekannt sei. Man könne inzwischen auf Vorarbeiten eingehen und das Zustandekommender bezüglichen Gesetze als eine der ersten legislatorischen Aufgaben betrachtet. Daneben bilden die vom Grafen Stürgkh erwähnten, einer provisorischen Regelung bedürftigten Fragen eine ganze abgesonderte Aufgabe. Es handelt sich in diesen eigenthch gar nicht um Gesichtspunkte des Militärver¬ sorgungsgesetzes, sondern um diejenigen Familienangehörigen von Mobilisierten, welche laut der diesbezüglichen Gesetze (für Ungarn G.A.XI. vom Jahre 1882)3 eine staatliche Unterstützung erhalten haben. Wenn nämlich das mobilisierte Familienmitglied im Kriege stirbt oder Invalid wird, so ist laut der Bestimmungen des obzitierten Gesetzes die Unterstützung ein halbes Jahr nach dem Todesfälle, respective sofort nachdem der Betreffende aus dem Heeresverbande entlassen wird, einzustellen. Diese Famihen würden dem¬ nach gerade in dem Momente der grössten Not jede Unterstützung verheren und dem Elende preisgegeben werden. Es handelt sich also darum, denjenigen Familien von Gefallenen oder Invaliden, welche im Besitze einer staatlichen Unterstützung J. 3 Ges. Art. XI. v. J. 1882.: über die Modalitäten der auf Grund des Ges. Art. XXVII. §. 5. v. 1880 zu leistenden Unterstützung an die ohne Ernährer gebliebenen Familienmitglieder der im Mobilisierungsfalle einberufenen ständig Beurlaubten, Reservisten, Ersatzreservisten, Honveds und sonstigen Berechtigten. 210 <pb/>waren und nur diesen eine gewisse weitere Unterstützung auf die Übergangsperiode zuteil werden zu lassen, bis die Revision des Versorgungsgesetzes eine befriedi¬ gende Bereinigung der ganzen Frage ermöglicht. Es sind dies unbedingt notwendige Übergangsmassnahmen, welche äusserst dringend zu bewerkstelligen sind, will man wahrlich empörende Misstände ver¬ meiden, und welche mit der Revision des Versorgungsgesetzes nicht in ein Junktim gebracht werden können. Wenn in der Kriegsverwaltung in diesem Belange eine gewisse Bitterkeit vorherrsche, so sei dies ungerechtfertigt. Diese oben bezeichneten Fragen sind nicht künstlich herausgegriffen. Es werden ja seinerzeit auch die übrigen Wünsche der Kriegsverwaltung nach Tunlichkeit berücksichtigt werden; wenn man aber jetzt bezüglich der oben bezeichneten Fragen gar nichts mache, so werfe man die Leute auf die Strasse zu einem Zeitpunkte, wo sie die Unterstüt¬ zung am notwendigsten brauchen. Der kgl. ung. Finanzminister spricht sich betreffend die seitens des k.k. Ministerpräsidenten aufgeworfenen drei Fragen für Übergangsmodalitäten aus, welche für die Dauer des Krieges und höchstens für weitere 6 Monate zu gelten hätten, und zwar in dem Sinne, dass in Anbetracht der während dieser Zeitperiode obwaltenden ausserordentlichen Verhältnisse die im Verordnungswege proviso¬ risch festzusetzenden Versorgungsgenüsse zwar kleiner als die den Familien der Eingerückten gebührenden gesetzlichen Unterstützungen, jedoch grösser als die jetzigen oder die seinerzeit zu normierenden gesetzlichen Versorgungsgenüsse sein könnten. Sollte während der Dauer der provisorischen Regelung ein Gesetz nicht geschaffen sein, so müsse man an ein neues Provisorium schreiten. Man könne dann vielleicht schon die definitiven Ziffern nehmen, die jedenfalls niedriger sein müssen, als die jetzt zu gewährenden provisorischen Versorgungsgenüsse. Diesem Anträge stimmt die Konferenz zu, nachdem Graf S t ü r g k h noch betonte, dass jedenfalls ein Hiatus vermieden werden müsse. Der Kriegsminister sagt, dass ihm die Aufklärungen der beidenRegie- rungen vollkommen genügen und er dafür danke. Er erklärt weiter, dass er mit Rücksicht auf den übereinstimmenden Wunsch der beiden Regierungen eine Ein¬ ladung an die beiden Landesverteidigungsministerien und das gemeinsame Finanz¬ ministerium ergehen lassen werde, um diese Frage in der denkbar kürzesten Zeit zunächst durch Referentenbesprechung zu regeln. Die an den bezüglichen Beratun¬ gen teilnehmenden Vertreter des Kriegsministeriums werden dahin instruiert wer¬ den, dass diejenigen Familien, welche ihre Unterhaltsgebühren infolge des Todes oder des Invalidwerdens des mobilisierten Familienmitgliedes verlieren sollten, im Besitze einer, wenn auch herabgesetzten Unterhaltungsgebühr belassen werden. Auf Grund der ausgesprochenen Geneigtheit der beiden Regierungen wird der Kriegsminister des weiteren die Bildung einer Kommission beantragen, welche das definitive Versorgungsgesetz derart zu beraten haben wird, dass mit Beendigung des Krieges der betreffende Gesetzentwurf sofort der parlamentari¬ schen Behandlung unterzogen werden könne. Der k.k. Ministerpräsident bittet um eine Regelung des Ausspruches der Superarbitrierungskommission hinsichtlich der bürgerlichen Erwerbsunfähig¬ keit. 14* 211 <pb/> Der kgl. ung. Finanzminister weist auf die Gefahr hin, die durch eine zu lose Praxis betreffend die Feststellung der Erwerbsunfähigkeit den Finanzen beider Staaten erwachsen würde und wirft die Frage auf, ob die bür- gerliche Erwerbsunfähigkeit nicht nur von Jahr zu Jahr ausgesprochen werden sollte. Hinsichtlich der jüngsten Berliner Verhandlungen des Kriegsministeriums, die in mehreren Punkten eine Änderung der Berliner September-Abmachungen enthalten, sagt der kgl. ung. Handelsminister, dass die Zustimmung der beiden Regierungen erst jetzt nachdem die Sache abgeschlossen sei, erbeten wurde. Die ungarische Regierung hätte gar nicht gewusst, dass jemand nach Berlin entsendet worden sei. Ganz abgesehen davon, dass er ein solches Vorgehen beanstanden muss, glaubt er wohl behaupten zu können, dass, wenn die volkswirtschaftlichen Ministerien vertreten gewesen wären, man gewisse Fehler vermeiden hätte können. Jetzt sei es kaum mehr möglich, eine Abänderung zu unseren Gunsten zu erzielen. Er weise nur daraufhin, dass bespielsweise Baumwolle als Kompensationgenommen wurde, was für uns von nur geringem Werte sei, da ja das im September erhaltene Kontingent bisher unsererseits nur etwa zum vierten Teile ausgenützt wurde, wozu komme, dass Baumwolle neuerdings nicht mehr als Konterbandeartikel figuriert. Er müsse auch die Frage der Zentralen berühren. Er rechne zwar darauf, dass die hinsichtlich dieser Frage aufgetauchten Meinungsverschiedenheiten und Anstände nunmehr behoben sein werden, er bitte aber, ihm in diesen und ähnlichen Dingen Gelegen¬ heit zu geben, in statu nascendi mitzureden. Besonders muss er die Requisitionen der österreichischen Metallzentrale in Ungarn beanstanden. Der Kriegsminister wird Einleitungen treffen, damit diese Requisitio¬ nen im Wege des ungarischen Handelsministeriums aufgehoben werden. Er sagt ferner zu, dass er seinen Organen einschärfen werde, auf die ungarischen wirtschaft¬ lichen Interessen Rücksicht zu nehmen. Der kgl. ung. Finanzminister wendet sich gegen das Monopol, welches das Kriegsministerium bei der Versorgung mit Mineralölen eingeführt habe. Dieses beruhe auf keiner gesetzlichen Basis und sei aus finanziellen und wirtschaftlichen Gründen sehr bedenklich. Der Kriegsminister teilt die bezüglichen Verfügungen der Heeres¬ verwaltung mit, gegen welche Graf T i s z a Stellung nimmt. Dieses Monopol müsse abgeschafft werden. Diesbezüglich hätten sich die beiden Finanzminister mit dem Kriegsministerium ins Einvernehmen zu setzen. Nach eingehender Diskussion der Frage wird beschlossen, dass dieses Monopol und die damit verbundene Beschlagnahme der Zisternenwagen abgeschafft werde und dass die seitens des Kriegsministeriums gemachten Schlüsse der interessierten Raffinerie-Industrie beider Staaten mittelst Intervention der beiderseitigen Regie¬ rungen abzutreten seien. Es gelangen nunmehr die Getreidekäufe .der Heeresverwaltung, die Angelegen¬ heit der Salztransporte in Ungarn, namentlich aus Marmaros-Sziget und der Waggonmangel zur Diskussion, ferner der Umstand, dass in Ungarn Eisenbahnen für militärische Zwecke durch k.k. Beamte gebaut werden. Diesbezüghch führt der 212 <pb/>Kriegsminister aus, dass militärischerseits zu Zwecke der Approvisionie- rung Österreichs keine speziellen Käufe vom Getreide vorgenommen würden. Im übrigen werde er sich referieren lassen und tunlichst Abhilfe schaffen. Dr. Teleszky erörtert die Frage der Ausfuhr von Speisefettwahren. Er führt aus, dass, wenn Österreich beweise, dass die völlige Unterbindung der Ausfuhr von Speisefetten im Interesse der Alimentierung der österreichischen Bevölkerung not¬ wendig sei, und dass die in Ungarn überflüssigen Speisefette in Österreich Absatz finden können, und wenn es wegen Sistierung der Ausgabe von Ausfuhrbewilli¬ gungen einschreite, er seine loyale Pflicht tun und keine Ausfuhrbewilligungen geben werde. Das königl. Ungar. Finanzministerium habe auch eine Besprechung dieser Frage beantragt, es gehe aber nicht an, dass man österreichischer- seits einseitig an das Kriegsministerium wegen Ablehnung der Erteilung solcher Ausfuhrbewilligungen, die seitens des Kriegsministeriums aus Rücksichten der Kriegführung nicht abgelehnt wurden, herantrete. Graf T i s z a betont, dass die Ausfuhr soweit als möglich unterstützt werden müsse, da dadurch Geld ins Land komme, respektive wir Zahlungsmittel zur Begleichung unserer Verbindlichkeiten im Auslande erhalten. Der Kriegsminister erwiedert, dass er sich nur vom Standpunkt der Heeresverwaltung leiten lasse. Graf S t ü r g k h erklärt, dass man die Monarchie als ein wirtschaftliches Territorium betrachten müsse, welchem Ausspruche Graf T i s z a zustimmt. Der k.k. Ministerpräsident versichert, dass sich der k.k. Finanzminister im Gegenstände mit dem königl. ungar. Finanzminister ins Einvernehmen setzen werde. Hinsichtlich der Unzukömmlichkeiten bei den Beschaffungen der Militärinten¬ dantur, welche Baron H a r k ä n y i namens des königl. Ungar. Ackerbaümini- steriums zur Sprache bringt -- so ganz besonders das Vorgehen der Temesvarer Intendanz, die entgegen der Weisung des Kriegsministeriums auch neuerdings requiriert -- legt der Kriegsminister dar, dass er in jedem konkreten Falle, der ihm zur Kenntnis gebracht werden wird, auf sofortige Abhilfe bedacht sein werde. Bezüglich der hohen Nachnahmen bei militärischen Sendungen stellt der Kriegsminister die Bitte, ihm konkrete Fälle zur Kenntnis zu bringen, da¬ mit er gegen derartige Erscheinungen einschreiten könne. Unabhängig davon werde er gleichzeitig eine allgemeine Verfügung an die unterstehenden Behörden erlassen, welche die Unzulässigkeit dieser Nachnahmesendungen auseinandersetzt. Hinsichtlich der Berliner Verhandlungen erklärt der Kriegsminister, dass sie über Drängen der deutschen Heeresverwaltung innerhalb eines sehr kur¬ zen Zeitraumes durchgeführt wurden, wobei zugegeben werden muss, dass eine vorherige Besprechung mit den beiden Handelsministerien versehentlich unterlas¬ sen wurde, was in Hinkunft nicht mehr eintreten werde. Der Vorsitzende bemerkt, dass er sich anlässlich seines Berhner Aufent¬ haltes in der Frage der Aufteilung der Kriegsbeute sehr stark eingesetzt habe und fragt, ob diese Intervention durch die erwähnten Verhandlungen überholt sei. Es wird ihm von mehreren Seiten erwidert, dass dies nicht der Fall sei, indem durch 213 <pb/>diese Verhandlungen nur die Möglichkeit des freihändigen Ankaufes von okku¬ pierten Waren aufgegeben worden wäre. Hinsichtlich der Inanspruchnahme von Kriegsleistungen und mit diesen verbun¬ denen Unzukömmlichkeiten macht der Kriegsminister auf die Verhand¬ lungen mit den beteiligten Ressortministerien aufmerksam, die zu einem befriedi¬ genden Abschlüsse führen dürften. Baron H a r k ä n y i wirft im Namen des ungarischen Ackerbauministers die Frage auf, inwieweit Ungarn stärker bei Pferderequisitionen herangezogen wurde als Österreich. Er bittet, dass man sich, wenn Requisitionen unvermeidlich sind, im voraus an die ungarische Regierung wende, damit diese im Interesse der mög¬ lichsten Schonung der Landwirtschaften sagen könne, von wo man die Pferde nehmen soll. Dies sei schon aus dem Grunde von der grössten Wichtigkeit, denn es handle sich hiebei in eizelnen Gegenden um die Ermöglichung der Frühjahrsaussaat. Graf T i s z a empfiehlt den militärischen Kommanden mehr Fürsorge; wenn nämlich die Inanspruchnahme der Pferde mit Heranziehung sachverständiger Offiziere und der Organe des Ackerbauministers geschehen würde, erhielte das Heer ein besseres Material und es würde eine arge Schädigung mancher Gegenden vermieden werden. Graf S t ü r g k h weist darauf hin, dass Ungarn einen höheren Pferdestand habe als Österreich. Er erörtert ferner die Beschwerden Gahziens gegen die in dem verwüsteten Gebiete ausgeschriebene neue Pferdeklassifikation, die völlig aussichtslos sei. Der k.k. Ministerpräsident erwähnt eine Note des Armeeoberkom¬ mandos an das Kriegsministerium betreffend die Sicherung der Ersätze für die weiteren Kriegsmonate ab August dieses Jahres. Es handelt sich um die Abände¬ rung des Landsturmgesetzes, wonach die Landsturmmänner von 37 -- 42 Jahren zur vollen Ersatzleistung herangezogen werden können, und darum, die Land¬ sturmpflicht auf Leute von 18 beziehungsweise 42--50 Jahren auszudehnen. Der bezügliche Beschluss müsste jeweils rechtzeitig erfolgen da mehrere Monate zur Musterung, Abrichtung u.s.w. notwendig seien. Die k.k. Regierung habe hiezunoch keine definitive Stellung genommen. Redner verschliesse sich aber nicht der Not¬ wendigkeit, zeitgerecht vorzusorgen, falls die Sache unerlässlich sei. Schwer wäre nur die Heranziehung der 42 --50jährigen Männer. Jedenfalls solle man die ein¬ zelnen Massnahmen teilen und nicht früher an die Durchführung jeder derselben herantreten, als es die Skadenz erfordere. Dies sei vom militärischen Standpunkte angemessen, weil man ja nicht wisse, wie lange der Krieg dauert, und vom poli¬ tischen Standpunkt aus geboten, sowohl im Hinblicke auf die Wirkung nach innen, als auf den Eindruck nach aussen, damit man nicht vorzeitig schon jetzt urbi et orbi verkünde, dass alle Ressourcen erschöpft werden. Graf T i s z a sagt, dass sich seine Anschauung im grossen und ganzen mit jener des Grafen Stürgkh decke. Für Ungarn käme der Gesetzesweg in Frage. Das Parlament dürfte im März oder April einberufen werden. Vielleicht werde es genü¬ gen, zunächst die erste Bestimmung durchzuführen. Es werde auch zu erwägen sein, ob nicht gesagt werden soll, dass die Achtzehnjährigen und die 42--50jährigen zur Ablösung anderer bestimmt werden und nicht in die Front kommen. 214 <pb/> Der Vorsitzende schliesst sich diesen Ausführungen vom Standpunkte der auswärtigen Politik an. Nach einer Debatte, an der sich auch die beiden Landesverteidi¬ gungsminister beteiligen, wird beschlossen, dass zunächst Vorberatungen in den militärischen Ministerien stattfinden und dass sich dann die beiden Regie¬ rungen mit der definitiven Entscheidung befassen sollen. Hierauf wird die Sitzung um 1/2 10 Uhr abends geschlossen. Original-Reinschrift. -- Die Einsichtnahme wurde auf dem Mantelbogen des Protokolls von sämtlichen Teilnehmern des Ministerrats bestätigt. Auf dem letzten Blatt die Kenntnisnahme durch den Herrscher: »Wien, am 6. Juli 1915.« Unten die Unterschriften von Günther und Buriän. Am Rande der Blätter und unter den einzel¬ nen Zeilen Striche und Zeichen, die den Sinn des Textes jedoch nicht modifizieren. -- Ebd. Konzept des Protokolls in Maschinenschrift mit vielen Zusätzen und Korrekturen des Ministers des Äußern Buriän. An mehreren Stellen handschriftliche Korrekturen und Zusätze des Protokollführers Günther. Auf dem ersten Textblatt seitwärts das Handzeichen Buriäns, unter dem Text die Unterschrift Günthers. 10. Wien, 8. März 1915 Der Ministerrat beschließt, teilweise auch infolge des deutschen Druckes, zur Sicherung der Neutralität Italiens gewisse minimale territoriale Zugeständnisse zu machen. Tisza hält das Übereinkommen mit den Italienern für wichtig, um dadurch ein Zusammenge¬ hen der Rumänen mit ihnen zu verhindern. Die italienische Frage, die in den Ministerratssitzungen vom 31. Juli, 8. und 19. August, 20. September, 31. Oktober 1914 und 3. Februar 1915 behandelt wurde, stand in diesem Kronrat zum letztenmal auf der Tagesordnung. Deutschland war von Anfang an der Meinung, daß die Neutralität Italiens auch um den Preis territorialer Zuge¬ ständnisse gesichert werden müsse. Botschafter Bülow drängte darauf und auch bei der Mission des zum linken Flügel des Zentrums gehörenden Reichstagsabgeordneten Erzberger in Italien hatte sich im wesentlichen diese Überzeugung herausgebildet. Trotz der schweren Vorwürfe gegen die Deutschen entschloß sich schließlich auch das oberste Regierungsorgan der Monarchie zur Politik der Gebietsabtretung. Von einer Abtretung weiterer Gebiete, über das Trentino hinaus, wollte kein einziges Mitglied des gemeinsamen Ministerrates etwas wissen. Über die Einzelheiten der Verhandlungen siehe: St. Buriän: Drei Jahre. Berlin 1923, S. 19-50. -- M. Erzberger: Erlebnisse im Weltkrieg. Berlin, 1920, S. 21 ff. und B. vonBiilow: Denkwürdigkeiten. Berlin 1930, Bd. III, S. 204 ff. Über die polnischen Beziehungen dieses Problems spreche ich in Zusam¬ menhang mit dem Material des gemeinsamen Ministerrats vom 6. Oktober 1915. Protokoll des zu Wien am 8. März 1915 abgehaltenen Ministerrates für gemeinsame Angelegenheiten, unter dem Allerhöchsten Vorsitze Seiner Majestät des Kaisers und Königs. 215 <pb/>