Gemeinsamer Ministerrat, 21. 4. 1913
I. Ankauf der Mehrheit der Aktien der bosnisch-herzegowinischen Waldabstockungsgesellschaft
Siehe PDF-Daten https://hw.oeaw.ac.at/ministerrat/serie-2/oe_hu_mrp_VI/pdf/oe_hu_mrp_VI_z41.pdf.
Nr. 41 Gemeinsamer Ministerrat, Wien, 21. 4. 1913 571 Infolgedessen wird die Anteilnahme der Regierungen an einem Kapitalsverlu¬ ste, der aus einer der kalkulierten gegenüber ungünstigeren Einlösung der Be¬ triebsrechte erfolgen konnte, im Falle der Einlösung des ganzen Netzes mit 5 Millionen Kronen limitiert; ferner wird der Zinsenzuschuß der Regierung für den Fall des ständigen Fortbetriebes der gesamten Strecken oder eines betriebsfähi¬ gen Ensembles auf 2 % des darauf entfallenden Kapitals beschränkt, falls das Rendement nicht 5 % ausmachen würde. Auf dieser Basis liegt ein Vertragsentwurf vor, der außer obigen Bestimmun¬ gen folgende Mittel voraussieht, um die Transaktion zu ermöglichen: 1. Eine Bareinlage. Diese ist gedacht mit 5 Millionen unverzinslich oder 8 Millionen mit 2 % Verzinsung. 2. Bis zu der Neuregelung der Angelegenheiten der Bahn mit den Balkanstaa¬ ten eine Garantie der Zinsen des ausgelegten Betrages mit 5 %. 3. Falls diese Neuregelung bis Ende des Jahres 1917 nicht erfolgt, eine endgil- tige Regelung des Verhältnisses zwischen der Regierung und der Bankgruppe und zwar nach einer dreifachen Alternative in der Wahl der Regierungen: a) die Rücknahme der Aktien durch die Regierungen, b) die dauernde Zusiche- rung einer 5 %igen Garantie für die Konzessionsdauer, c) eine weitere Prämie, mit der sich die Regierungen von allen ihren Pflichten liberieren. Zu diesem gan¬ zen Finanzplane ist zu bemerken, daß das Einkommen der Orientbahn-Betriebs- Gesellschaft im Jahre 1911 10 % des Aktienkapitals ergeben hat, wobei allerdings eine geringere Dividende ausgeschüttet wurde, indem ein großer Betrag in Reser¬ ve gestellt worden ist. Nr. 41 Gemeinsamer Ministerrat, Wien, 21. April 1913 RS. (und RK.) Gegenwärtige: der k. k. Ministerpräsident Graf Stürgkh, der kgl. ung. Ministerpräsident Dr. v. Lukäcs, der k. u. k. gemeinsame Finanzminister Ritter v. Bilinski (19. 5.), der k. u. k. Kriegsmini¬ ster FZM. Ritter v. Krobatin (20. 5.). Protokollführer: Generalkonsul Joarmovics. Gegenstand: Ankaufder Mehrheit derAktien der bosnisch-herzegowinischen Waldabstockungs- gesellschaft. KZ. 27 - GMKPZ. 505 Protokoll des zu Wien am 21. April 1913 abgehaltenen Ministerrates für ge¬ meinsame Angelegenheiten unter dem Vorsitze des Ministers des k. u. k. Hauses und des Äußern Grafen Berchtold. Der Vorsitzende eröffnet die Sitzung um 10 Vi Uhr vormittags mit der Mitteilung, daß seitens des k. u. k. gemeinsamen Finanzministers ein Antrag we¬ gen Ankaufs der in Händen des Kommerzienrates Otto v. Steinbeis befindlichen <pb/> 572 Nr. 41 Gemeinsamer Ministerrat, Wien, 21. 4. 1913 Majorität der Aktien einer Gesellschaft gestellt werde, welche auf Grund eines mit der bosnisch-herzegowinischen Landesverwaltung abgeschlossenen Holzab- stockungsvertrages einen im nordwestlichen Bosnien gelegenen großen Wald¬ komplex ausbeute. Der genannte Hauptaktionär beabsichtige, seinen Aktienbe¬ sitz zu verkaufen und habe dem k. u. k. gemeinsamen Finanzminister ein diesbezügliches Anbot gemacht. Andererseits scheine sich ein italienisches Kon¬ sortium für die Erwerbung der Aktien des Unternehmens zu interessieren. Der Vorsitzende ersucht den k. u. k. gemeinsamen Finanzminister, seine Anträge der Konferenz mitzuteilen. Der k. u. k. gemeinsame Finanzminister macht hierauf an der Hand des beiliegenden Exposes ausführliche Mitteilungen über die Entste¬ hung und bisherige Entwicklung des Unternehmens, über das Anbot des Hauptak¬ tionärs Steinbeis und die mit ihm geführten einschlägigen Verhandlungen sowie über die Ergebnisse der gegenständlichen sachlichen Erhebungen der Experten des k. u. k. gemeinsamen Finanzministeriums und der bosnisch-herzegowini¬ schen Landesregierung.1 Der Vortragende erörtert die wirtschaftlichen und politischen Gründe, welche ihn veranlassen, den Ankauf der im Besitze des Hauptaktionärs befindlichen Ak¬ tien durch das bosnisch-herzegowinische Landesärar zu beantragen und ersucht die Konferenz, den beabsichtigten Ankauf dieser Aktien unter den in der Beilage angegebenen Modalitäten genehmigend zur Kenntnis zu nehmen. Der kgl. ung. Ministerpräsident erklärt, den vom k. u. k. gemeinsamen Finanzminister vorgebrachten Daten und Berechnungen zwar vol¬ les Vertrauen entgegenzubringen, welchen zufolge sich aus Anlaß des Ankaufes der in Rede stehenden Aktien eine Belastung des Budgets nicht ergeben werde. Nichtsdestoweniger sei er der Meinung, daß diese Frage als eine die finanzielle Gebahrung Bosniens und der Herzegowina berührende Angelegenheit nicht mit Umgehung der beiden Finanzminister erledigt werden könnte. Der k. u. k. gemeinsame Finanzminister hat gegen die Mitteilung seines Antrages an die beiden Finanzminister nichts einzuwenden, er¬ klärt aber mit Rücksicht auf die Dringlichkeit der Angelegenheit, sich schon jetzt die prinzipielle Zustimmung des Ministerrates zu seinem Anträge erbitten zu müssen, worauf er nicht ermangeln werde, den beiden Finanzministem sein bei¬ liegendes Expose gleichfalls zur Kenntnis zu bringen. Der Vorsitzende erklärt, daß es vom Standpunkte der auswärtigen Po¬ litik nicht gleichgiltig sei, in wessen Händen sich ein so großes Unternehmen, wie das in Rede stehende, befinde. Es wäre nicht nur wirtschaftlich, sondern auch politisch höchst bedenklich, wenn Italien Gelegenheit gegeben würde, in jenem i Das Expose liegt dem Originalprotokoll bei. Zu den Verträgen der Bosnischen Forstindustrie AG Otto Steinbeis mit der bosnisch-herzegowinischen Landesregierung und zu den Zahlun¬ gen der Firma an das Landesärar siehe Fa., GFM., Sammlung bosnisch-herzegowinische Abteilung, Heft 12, Holzverkäufe. <pb/>Nr. 41 Gemeinsamer Ministerrat, Wien, 21. 4. 1913 573 Teile Bosniens festen Fuß zu fassen, wo sich das Unternehmen befinde. Während der ganzen laufenden Orientkrise habe man beobachten können, daß Italien zwar als Bundesgenosse aufder Seite Österreich-Ungams gestanden sei, trotzdem aber bestrebt war, einen beständigen Kontakt mit den politischen Gegnern der Monar¬ chie am Balkan zu erhalten. Das Gros der öffentlichen Meinung Italiens habe es ganz offen mit den Serben und Montenegrinern gehalten und es sei daher zu er¬ warten, daß, wenn Italien in Bosnien Boden gewinnen würde, es seinen Einfluß mehr oder weniger zu Gunsten jener Elemente in Bosnien geltend machen werde, welche im Solde der großserbischen Agitation stehen. Von diesem Standpunkte aus sei es daher als sehr wünschenswert zu bezeichnen, das Geschäft nicht aus der Hand zu geben und am allerwenigsten es einem italienischen Konsortium zufallen zu lassen. Der k. k. Ministerpräsident erblickt den politischen Zweck des Antrages des k. u. k. gemeinsamen Finanzministers in der Verhütung dessen, daß nach dem Tode des gegenwärtigen Leiters und Hauptaktionärs des Unternehmens dasselbe in unbemfene Hände komme. Auch bei Angelegenheiten von unverhält¬ nismäßig geringerer Bedeutung, als die in Rede stehende, sei die k. k. Regierung bestrebt, zu verhindern, daß einzelne Liegenschaften in den Grenzgebieten von fremden unverläßlichen Elementen in Besitz genommen werden. Umsomehr müsse dies rücksichtlich der vorliegenden Angelegenheit der Fall sein, wo es sich um ein großes Unternehmen handle, das über eine Eisenbahn verfuge, die zu ei¬ nem Punkte der Küste führe, wo besondere militärische Interessen vorliegen. Die politischen Erwägungen, welche dem Anfrage des k. u. k. gemeinsamen Finanz¬ ministers zu Grunde liegen, werden also von der k. k. Regierung vollauf gewür¬ digt. Bezüglich der finanziellen Seite der Angelegenheit setzt der k. k. Minister¬ präsident voraus, daß die Details des Antrages vom k. k. Finanzminister noch geprüft werden. Was die Vertretung in den Parlamenten (Delegationen) anbelan¬ ge, so sei zu berücksichtigen, daß die bosnisch-herzegowinischen Waldgeschäfte wegen der niedrigen Abstockungstaxen seit jeher den Gegenstand von Rekrimi- nationen bilden. Es sei daher notwendig, die Bedingungen der Rückübemahme bei der in Rede stehenden Transaktion auf das Genaueste zu prüfen und die erfor¬ derlichen Berechnungen und Nachweisungen sorgfältigst vorzubereiten, um eventuellen Einwendungen und Bemängelungen mit verläßlichen Belegen entge- genfreten zu können. In wirtschaftlicher Beziehung ließe sich die Transaktion mit dem Hinweise darauf rechtfertigen, daß unter der Patronanz und dem Einflüsse der Regierung Raum geschaffen werden soll für eine mehr konservative Wald¬ wirtschaft. Dem müßte aber auch in dem Ausbeutungsplane jedenfalls Rechnung getragen werden. Ein Ausbeutungsplan, der die Abstockung derart regle, daß nicht zu viel mit einem Male und nicht zu rasch abgestockt werde, sei wirtschaft¬ lich von größtem Wert, weil dadurch ein Preisdruck verhindert und eine bessere Verwertung des gewonnenen Materiales ermöglicht werde. Hiedurch würde auch dem Einsprüche der durch das bosnische Unternehmen den anderen Unterneh¬ mungen in der Monarchie bereiteten Konkurrenz begegnet werden können. <pb/>574 Nr. 41a Vortrag Bilinskis im Gemeinsamen Ministerrat Unter dem Vorbehalte, daß vom sachlichen Standpunkte die Details des Antra¬ ges des k. u. k. gemeinsamen Finanzministers noch geprüft werden, erklärt der k. k. Ministerpräsident sohin gleichfalls, hiezu seine Zustimmung zu geben. Der k. u. k. Kriegsminister erklärt, von seinem Standpunkte aus ebenfalls den größten Wert auf das Zustandekommen der Transaktion im Sin¬ ne der Anträge des k. u. k. gemeinsamen Finanzministers legen zu müssen, damit das Eindringen Italiens verhindert werde. Bezüglich des Ertrages des Geschäftes müsse man sich auf die durchgeführten Studien verlassen. Sind die hiebei gewon¬ nenen Daten richtig, was zu bezweifeln kein Grund vorliege, so könne das Ge¬ schäft auch von diesem Standpunkte aus nur als ein gutes bezeichnet werden, weil ein verhältnismäßig großer Reingewinn in einer relativ kurzen Zeit zu er¬ warten sei. Hiezu kämen noch die sehr erheblichen Werte der Investitionen, wel¬ che in den Besitz des Landesärars übergehen. Auf Grund der vorstehenden Erörterungen spricht sich der Ministerrat vom politischen und wirtschaftlichen Standpunkte zu Gunsten des Antrages des k. u. k. gemeinsamen Finanzministers mit dem Vorbehalte aus, daß auch dem k. k. und dem kgl. ung. Finanzminister Gelegenheit gegeben werde, sich rücksichtlich der finanziellen Seite der Angelegenheit zu äußern. Der k. u. k. gemeinsame Finan- minister ist somit ermächtigt, mit Konmerzienrat Steinbeis in die Verhandlungen wegen Ankaufes seines Aktienbesitzes einzutreten.2 Sohin wurde die Sitzung um 12 Uhr mittags geschlossen. Berchtold Ah. E. Ich habe den Inhalt dieses Protokolles zur Kenntnis genommen. Wien am 24. Mai 1913. Franz Joseph. Nr. 41a Vortrag Bilinskis im Gemeinsamen Ministerrat Vorgetragen in der gemeinsamen Ministerkonferenz vom gemeinsamen Finanzminister Ritter v. Bilihski am 21. April 1913. Seit dem Jahre 1892 hat der bekannte, fachlich sehr tüchtige Kommerzienrat Otto v. Steinbeis aus Brannenburg in Bayern auf Grund eines mit der bosnisch- herzegowinischen Landesverwaltung abgeschlossenen Holzabstockungsvertra- ges die Exploitation des im Sanagebiete im nordwestlichen Bosnien gelegenen Waldkomplexes in Angriff genommen. Gelegentlich der Ergänzung seines Holz- abstockungsvertrages durch Einbeziehung neuer Gebiete im westlichen Teile des Der cisleithanische und der ungarische Finanzminister stimmten dem Aktienkauf in einer Sitzung der drei Finanzminister v. 1. 5. 1913 zu, Protokoll der Sitzung Fa., FM., Präs. 1218/1913. Das Übereinkommen Bilihskis mit Otto Steinbeis v. 16. 5. 1913 in ebd., Präs. 1219/1913. <pb/>Nr. 41a Vortrag Bilinskis im Gemeinsamen Ministerrat 575 Bihacer Kreises wurde ihm im Jahre 1900 die Bewilligung erteilt, seine Firma in eine Aktiengesellschaft umzuwandeln. Diese Aktiengesellschaft trat an die Stelle des Steinbeis in die vorgenannten Holzabstockungsverträge ein. Laut den Statu¬ ten besteht das Stammkapital dieser Aktiengesellschaft aus 8 Millionen Kronen (40 000 Aktien ä 200 K), wovon bis heute 30 000 Aktien = 6 Millionen Kronen emittiert worden sind. Der Waldkomplex, den die Aktiengesellschaft zu exploitieren hatte, umfaßte dazumal eine Fläche von 45 000 Hektar mit einer nutzbaren Holzmasse von 18 Millionen Kubikmeter. Diese groß angelegte Exploitation erforderte umfangrei¬ che und kostspielige Investitionen und sind bisher 500 Kilometer Waldbahnen, zwei große Sägewerke samt zahlreichen Hochbauten, als Arbeiterhäuser, Beam¬ tenhäuser, Schulbauten, Spitäler, eine Zellulosefabrik errichtet worden. Außer¬ dem führte die Gesellschaft größere Anlagen im Hafen von Sebenico durch, bau¬ te einen eigenen Dampfer (4000 Tonnen) und legte aufeigenem Grund und Boden einen Schienenstrang von Knin über die dalmatinische Grenze zum Anschlüße an ihr bosnisches Waldbahngebiet. Es ist selbstverständlich, daß infolge der großen Investitionen, zu welchen hauptsächlich die Erträgnisse aus dem Abstockungsvertrage verwendet wurden, die Gesellschaft im ersten Dezennium ihres Bestandes nur einen bescheidenen Gewinn ausweisen konnte. Die ersten Jahre ihres Bestandes verteilte die Gesell¬ schaft 4 % des Aktienkapitales als Dividenden, während der Gewinn in den letz¬ ten Jahren sich auf 10 % steigerte. Das Unternehmen ist gegenwärtig ein absolut sicheres, innerlich gut fundiert und durch die reichen Investitionen zu einer künftigen großen Ertragsfahigkeit bestimmt. Trotz dieser günstigen Lage seines Unternehmens trat Steinbeis im Herbste vorigen Jahres an mich mit dem Anerbieten heran, sein ganzes Unternehmen dem bosnisch-herzegowinischen Landesärar zu verkaufen. Bestimmend für Steinbeis waren hiebei zweierlei Gründe: erstens befindet sich Steinbeis bereits im vorge¬ rückten Alter (73 Jahre) und muß gewärtig sein, die Früchte seiner Tätigkeit in diesem Unternehmen nicht mehr genießen zu können. Die Zukunft des Unterneh¬ mens im Falle des Todes Steinbeis' ist aber insofeme eine unsichere, als unter seinen Erben sich niemand findet, der die Fähigkeit und das Interesse besäße, das Unternehmen weiterzuführen. Es kommen hier in Betracht: sein kränklicher Sohn Ferdinand, eine ledige Tochter und eine zweite in Trient an den Italiener Garbari verheiratete Tochter, endlich die Frau des Steinbeis. Es scheint, daß dem Stein¬ beis daran gelegen ist, die Vermögensangelegenheiten unter diesen Verwandten, namentlich zu Gunsten seiner Frau, noch zu seinen Lebzeiten zu ordnen. Der zweite für Steinbeis maßgebende Grund, sich von dem Unternehmen zurückzu¬ ziehen, ist die Tatsache, daß er trotz seines zweifellos kulturellen Wirkens in Bos¬ nien im bosnisch-herzegowinischen Landtage und in der bosnisch-herzegowini¬ schen Journalistik maßlos und gehässig angegriffen wird. In diesen Kreisen wird nämlich dem Steinbeis zum Vorwurf gemacht, erstens daß er für den herrlichen <pb/>576 Nr. 41a Vortrag Bilinskis im Gemeinsamen Ministerrat Wald bloß eine Stocktaxe von durchschnittlich 2 K per Festmeter vertragsmäßig zahlt, was allerdings auf das Alter des Vertrages, so wie die Notwendigkeit der enormen Investitionen zurückzuführen ist, zweitens daß er durch die Art seiner Exploitation die Erhaltung der Substanz des Waldes gefährde, was seine Wider¬ legung darin findet, daß von den bisher genutzten 18 060 Hektaren 14 360 Hekt¬ ar aufgeforstet sind und der Rest per 3700 Hektar programmäßig in den nächsten sechs Jahren, unbeschadet der gleichzeitigen laufenden Aufforstung nachgetra¬ gen werden wird. Ich habe über das genannte Verkaufsanbot des Steinbeis sehr eingehende ver¬ trauliche Verhandlungen geführt, welche das Resultat ergaben, daß das Unterneh¬ men, wie schon oben gesagt, ein innerlich solides und wohlfundiertes ist und daß von diesem Gesichtspunkte aus gegen den Ankauf desselben keine Bedenken sprechen. Hingegen wäre ich vor der Notwendigkeit gestanden, zur Beschaffung der Mittel zum Ankäufe eine Anleihe aufzunehmen, wozu ich die Mitwirkung des Landtages gebraucht hätte. Auch wurden seitens maßgebender Funktionäre der Landesverwaltung Zweifel ausgesprochen, ob die gegenwärtige Finanzlage Bos¬ niens und der Herzegowina diese weitere Belastung vertrage und noch mehr, ob die staatliche Verwaltung überhaupt in der Lage wäre, ein so umfangreiches kauf¬ männisches Unternehmen gewinnbringend zu verwalten. Diese Bedenken haben mich bestimmt, das Angebot des Steinbeis abzulehnen. Obwohl die von mir früher erwähnten Verhandlungen über die Chancen des Ankaufes des Steinbeisuntemehmens sehr vertraulich geführt worden sind, ist es doch bekannt geworden, daß Steinbeis sich mit der Absicht trage, sich von dem Unternehmen zurückzuziehen, und scheint es, daß dieser Umstand gewisse poli¬ tische, der Monarchie nicht freundlich gesinnte Kreise auf den Gedanken ge¬ bracht hat, sich des Unternehmens zu bemächtigen und damit in einem Gebiete festen Fuß zu fassen, welches in Zukunft bedenklichen politischen Aspirationen ausgesetzt sein könnte. Es ist mir nämlich vertraulich zur Kenntnis gekommen, daß sich an den Vertreter des Steinbeis Interessenten gewendet haben, welche offenbar mit einem italienischen Konsortium in Verbindung stehen. Die betref¬ fenden Persönlichkeiten haben nämlich unter Hinweis auf das Alter des Steinbeis an den Vertreter desselben die Anfrage gerichtet, ob Steinbeis nicht gewillt wäre, seinen Anteil am Unternehmen gegen einen ausgiebigen Preis zu verkaufen und zu welchen Bedingungen derselbe zu haben wäre. Dieses Vorkommnis hat mich im hohen Grade mit Sorge erfüllt. Wenn ich es nämlich auch für vollkommen ausgeschlossen halte, daß Steinbeis bei seiner zweifellosen Loyalität das Unternehmen an politisch bedenkliche Kreise verkau¬ fen werde, so halte ich es mit Rücksicht auf die oben geschilderten Verhältnisse unter den Erben des Steinbeis, unter denen sich, wie erwähnt, auch ein Trientiner Italiener befindet, für durchaus nicht ausgeschlossen, daß ein solches Ereignis nach dem Tode des Steinbeis eintreten könnte. Ich brauche nicht auszuführen, welche politischen und militärischen Gefahren damit verbunden wären, wenn das Steinbeisuntemehmen mit der Zeit in italienische Hände überginge. Ich verweise <pb/>Nr. 41a Vortrag Bilinskis im Gemeinsamen Ministerrat 577 nur darauf, daß damit wichtige Hafenanlagen in Sebenico, dem künftigen zweiten Kriegshafen, die dalmatinische Bahnstrecke Knin-Grab, endlich sämtliche bosni¬ sche Waldbahnstrecken des Unternehmens der Einflußsphäre des italienischen Staates zugänglich gemacht würden. Die bosnisch-herzegowinische Verwaltung hätte kein Mittel in der Hand, ei¬ nen solchen Verkauf zu verhindern. Es enthalten zwar sämtliche Holzabstok- kungsverträge die Bestimmung, daß ohne Einwilligung der Landesverwaltung die Übertragung der Rechte aus dem Vertrage an dritte Personen nicht zuläßig sei. Diese Bestimmung hat jedoch nur einen Wert gegenüber Einzelfirmen, kann aber gegenüber Aktiengesellschaften deshalb nicht angewendet werden, weil der Ver¬ kauf von Aktien seitens der Aktionäre an beliebige Personen nicht verhindert werden kann. Mit dem Übergang der Aktien in andere Hände ist aber notwendi¬ gerweise ein Wechsel im Rechtssubjekte des Vertrages möglich. Gegenüber dieser Sachlage habe ich es für notwendig gehalten, dem Projekte des Ankaufes des Steinbeis'sehen Unternehmens durch die bosnisch-herzegowi¬ nische Landesverwaltung neuerdings nahezutreten. Dieses Projekt erscheint ge¬ genwärtig deshalb leichter durchführbar, weil ich einen Modus gefunden zu ha¬ ben glaube, um in den faktischen Besitz des Unternehmens ohne Mitwirkung des bosnisch-herzegowinischen Landtages und ohne Gefährdung für die bosnisch- herzegowinischen Finanzen gelangen zu können. Es wäre dies in der Weise möglich, daß die bosnisch-herzegowinische Landes¬ verwaltung nicht das ganze Unternehmen, sondern nur die im Besitze des Stein- beis befindliche 60 %ige Majorität des Stammkapitales im Nominalwerte von 3,6 Mill. Kronen ankaufe und die an Steinbeis zu leistende Abzahlung des Kaufschil¬ lings in der Weise einrichte, daß die Abzahlung auf einen genügend langen Zeit¬ raum verteilt werde, um die jährlichen Kaufschillingsraten aus den Einkünften des Unternehmens sicher decken zu können. Steinbeis wäre nun bereit, seinen Aktienbesitz, mit welchem die bosnisch-her¬ zegowinische Landesverwaltung die Majorität in der Gesellschaft besäße, unter folgenden Modalitäten abzugeben: Steinbeis offeriert seine Aktien (Nominalwert 200 K) zum Preise von 550 K pro Aktie, demnach seine 18 000 Aktien zu rund 10 Millionen Kronen. Die Ab¬ zahlung des Kaufschillings hätte so zu erfolgen, daß am 2. Jänner 1914 ein Betrag von einer Million bar zu leisten wäre, während der Kaufschillingsrest per 9 Mil¬ lionen in 18 gleichen Jahresraten, deren erste am 1. Mai 1915 fällig würde, gelei¬ stet werden müßte. Diese jährliche Kaufschillingsquote würde unter Zugrundele¬ gung einer 5 %igen Verzinsung den Betrag von rund 770 000 K ausmachen. Die Landesverwaltung hätte also zur Abzahlung des Kaufschillinges im Jahre 1914 eine Mill. K und ab 1915 durch 18 Jahre entsprechend der kürzesten vertragsmä¬ ßigen Abstockungsperiode 770 000 K jährlich an Steinbeis zu leisten. Diese meiner Meinung nach günstigen Abzahlungsmodalitäten würden nach fachmännischem Urteile die Landesverwaltung in die Lage versetzen, den Kauf- <pb/>578 Nr. 41a Vortrag Bilinskis im Gemeinsamen Ministerrat Schilling ohne Inanspruchnahme der bosnisch-herzegowinischen Landesfinanzen aus den laufenden Erträgnissen des Unternehmens abzustatten. Zur Begründung dieser Anschauung erlaube ich mir im folgenden die finanzi¬ ellen Chancen eines solchen Ankaufes zu beleuchten: Das gegenwärtig im Vertragsgebiete noch zu nutzende Holzmaterial macht nach offizieller Schätzung, welche aber durch das faktische Ergebnis bisher stets übertroffen wurde, die Summe von 10 Millionen Festmetem aus, welche ver¬ tragsmäßig durch 18 Jahre (in einigen Teilen des Gebietes durch 22 Jahre) zu nutzen sind. Nach dem Urteile der Fachmänner ist mit Rücksicht auf die durch¬ schnittlich nur 2 K pro Festmeter betragende vertragsmäßige Stocktaxe ein Rein¬ gewinn von mindestens 4,5 K pro Festmeter zu gewärtigen. Wir bekommen jetzt nämlich aus Verträgen jüngeren Datums 5 bis 6 K an Stocktaxen allein. Dies er¬ gibt bei 10 Millionen Festmetem ä 4,5 K einen Gesamtnutzen von 45 Millionen Kronen. Da der Anteil des Steinbeis hieran 60 % ausmacht, so ergibt sich für den Aktienbesitz des Steinbeis ein Gewinn von 27 Millionen K. Aus diesen 27 Mil¬ lionen K wäre die im Laufe von 18 Jahren an Steinbeis insgesamt zu zahlende Summe von rund 15 Millionen K zu bestreiten und verbliebe sodann für das Lan¬ desärar noch ein Gewinn von 12 Millionen K. Hiezu kommt aber noch der Anteil an sämtlichen Investitionen, als: Bahnen, Hafenanlagen, Sägewerken, Dampfern etc., der nach der Bilanz mit 8,7 d. i. 60 % von 14,5 Millionen bewertet ist. Die bisherige Stocktaxe von 2 K per Festmeter, zusammen per 20 Millionen K würde dem Ärar im Laufe der Jahre selbstverständlich gleichfalls zukommen. Wie oben erwähnt, offeriert Steinbeis seinen Aktienbesitz zum Preise von 550 K pro Aktie. Die Berechnung des gegenwärtigen Wertes der Aktien ergab folgendes Resul¬ tat: Bei Berücksichtigung der gegenwärtigen Aktiva und Passiva des Unterneh¬ mens ergibt sich ein heutiger Bilanzwert pro Aktie von 462 K, wogegen der Er¬ tragswert der Aktie berechnet nach dem Gewinn 1910/1911 unter Zugrundele¬ gung einer 5 %igen Verzinsung einen Kapitalswert von 560 K ergibt. Da aber der in den nächsten Jahren auszuweisenden Gewinn deshalb ein steigender sein wird, weil die Investitionen, die bisher zum großen Teile aus dem Betriebe bestritten wurden, im allgemeinen abgeschlossen sind, so ist mit Sicherheit auf eine we¬ sentliche Zunahme des Ertragswertes der Aktie zu rechnen. Für das laufende Jahr, welches bereits dem Ärar zu Gute kommen soll, wird die Dividende bis zu 35 % betragen können. Wie die vorstehenden Ausführungen ergeben, erscheint die aus politischen Gründen dringend gebotene Übernahme des Aktienbesitzes des Steinbeis durch die bosnisch-herzegowinische Landesverwaltung auch aus wirtschaftlichen und finanziellen Gründen empfehlenswert und gewinnbringend. Ich neige zu der An¬ sicht, daß zu einer solchen Aktion, wie ich sie im Auge habe, die Mitwirkung des Landtages im Sinne des Landesstatutes nicht notwendig ist und auch die Zustim¬ mung der beiden Regierungen formell nicht eingeholt werden müßte, denn es <pb/>Nr. 42 Gemeinsamer Ministerrat, Wien, 2. 5. 1913 579 handelt sich im Grunde um den teilweisen Rückkauf eines von der Landesregie¬ rung ganz frei abgeschlossenen Abstockungsgeschäftes. Mit Rücksicht jedoch auf die Motive und die wirtschaftliche Bedeutung der geplanten Aktion für Bos¬ nien und die Herzegowina erachte ich es für notwendig und geboten, vor einer Perfektionierung des Übereinkommens mit Steinbeis die Sachlage zur Kenntnis der hohen Regierungen zu bringen und mich der Zustimmung derselben zu versi¬ chern. Dies erscheint mir auch noch aus dem weiteren Grunde erforderlich, weil es doch nicht ausgeschlossen ist, daß durch das Zusammentreffen besonderer, heute nicht absehbarer Ereignisse in dem einen oder anderen Betriebsjahre der Ertrag die vorgesehene Höhe nicht erreichen könnte und zur Deckung der Til¬ gungsquote des betreffenden Jahres budgetär durch das Land vorgesehen werden müßte. Eine gewisse Sicherung gegen die Eventualität von minder günstigen Betriebs¬ ergebnissen dürfte übrigens darin erblickt werden können, daß ich für den Fall des Abschlusses des Übereinkommens vorgesorgt habe, daß Steinbeis auch wei¬ terhin als Betriebsleiter dem Unternehmen erhalten bleibt, wodurch die Weiter¬ führung des Geschäftes auf Grund der reichen Erfahrungen eines der tüchtigsten Fachmänner unter strenger Kontrolle der Landesregierung sichergestellt wäre. Dadurch bliebe der bewährte privatwirtschaftliche Betrieb bis auf weiteres auf¬ rechterhalten und könnte die spätere Überleitung des Betriebes in die landesära¬ rische Verwaltung ohne Überstürzung und ohne Gefahr von politischen Einflüs¬ sen allmälig vorbereitet werden. Aufjeden Fall aber bliebe der Landesregierung die Möglichkeit Vorbehalten, je nach der finanziellen Konvenienz einzelne Reviere mit Vorteil an kleinere' verläßliche Privatfirmen wieder zu vergeben, andererseits aber im eigenen Be¬ triebe durch Ausdehnung der Abstockungsperioden für die Perennierung der Waldbestände Sorge zu tragen. Ich bitte die hohe Konferenz den beabsichtigten Aktienkauf, dem der Landes¬ chef von Bosnien-Herzegowina bei einer Besprechung der ganzen Steinbeisfrage in Wien Ende Januar d. J. prinzipiell zugestimmt hat, genehmigend zur Kenntnis nehmen zu wollen. Nr. 42 Gemeinsamer Ministerrat, Wien, 2. Mai 1913 RS. (und RK.) Gegenwärtige: der k. k. Ministerpräsident Graf Stürgkh (10.5)., der kgl. ung. Ministerpräsident Dr. v. Lukäcs, der k. u. k. gemeinsame Finanzminister Ritter v. Bilinski (10. 5.), der k. u. k. Kriegs¬ minister FZM. Ritter v. Krobatin (11. 5.), der k. k. Finanzminister Ritter v. Zaleski, der kgl. ung. Finanzminister Dr. Teleszky (28. 5.). [Publiziert in: Österreich-Ungarns Aussenpolitik, Band 6 Nr. 6870.] Protokollführer: Hof- und Ministerialrat Alexander Ritter v. Günther. Gegenstand: Der gegenwärtige Stand der politischen Lage. <pb/>