Gemeinsamer Ministerrat, 1912-10-08; 1912-10-09
I. Außerordentliche Nachtragsforderungen für Heer und Marine
Siehe PDF-Daten https://hw.oeaw.ac.at/ministerrat/serie-2/oe_hu_mrp_VI/pdf/oe_hu_mrp_VI_z33.pdf.
500 Nr. 33 Gemeinsamer Ministerrat, Wien, 8. and 9. 10. 1912 Nr. 33 Gemeinsamer Ministerrat, Wien, 8. und 9. Oktober 1912 RS. (und RK.) Gegenwärtige: Der k. k. Ministerpräsident Graf Stürgkh, der kgl. ung. Ministerpräsident v. Lukäcs, der k. u. k. Kriegsminister GdI. Ritter v. Auffenberg, der k. u. k. gemeinsame Finanzmini¬ ster Dr. Ritter v. Bilinski (21. 10.), der k. k. Finanzminister Dr. Ritter v. Zaleski, der kgl. ung. Finanzminister Dr. Teleszky, derk. u. k. Marinekommandant Admiral Graf Montecuccoli (31. 10.). Schriftführer: Legationsrat Graf Hoyos. Gegenstand: Außerordentliche Nachtragsforderungen für Heer und Marine. KZ. 59 - GMKPZ. 497 Protokoll des zu Wien am 8. und 9. Oktober 1912 abgehaltenen Ministerrates für gemeinsame Angelegenheiten unter dem Vorsitze des k. u. k. Ministers des k. u. k. Hauses und des Äußern Grafen Berchtold. Der Vorsitzende eröffnet die Konferenz, indem er bemerkt, die Frage der Einbringung außerordentlicher Kredite für Heer und Marine sei in dem letzten Ministerrate am 3. Oktober nur einer Vorbesprechung unterzogen worden.1 Der kgl. ung. Ministerpräsident habe sich damals einen endgiltigen Beschluß über die Anforderungen des Kriegsministers und Marinekommandanten bis heute Vorbe¬ halten, um seine Ministerkollegen in Budapest zu Rate ziehen zu können. Auch der k. k. Ministerpräsident habe die Entscheidung der k. k. Regierung hinsichtlich der Marinekredite Vorbehalten. Er bitte nun vor allem den kgl. ung. Ministerprä¬ sidenten, der Versammlung eine Mitteilung darüber zu machen, zu welchem Ent¬ schlüsse er gelangt sei. Ehe dies geschehe, glaube er den Anwesenden in Erinne¬ rung rufen zu sollen, daß der Kriegsminister 250 Millionen in sechs Jahresraten und der Marinekommandant 170 Millionen in drei Jahresraten angefordert habe. Der kgl. ung. Ministerpräsident führt aus, daß der in Buda¬ pest abgehaltene Ministerrat sich in eingehender Weise mit der Frage der Rü¬ stungskredite beschäftigt habe.2 Man sei nach reiflicher Überlegung zur Überzeu¬ gung gelangt, daß es mit Rücksicht auf den internationalen Geldmarkt und die Unmöglichkeit, unsere Anlehen im Auslande zu plazieren, derzeit dringend gebo¬ ten erscheine, von den Anforderungen des Kriegsministers und des Marinekom¬ mandanten vorderhand nur jene zu bewilligen, für welche mit Rücksicht auf die gegenwärtige kritische Lage der Monarchie dem Auslande gegenüber eine dring¬ liche Notwendigkeit vorliege, dagegen aber den Rest der Forderungen auf einen späteren Zeitpunkt zu vertagen. Eine Rentenemission erscheine derzeit fast un¬ möglich, eine Kontokorrentanleihe der Regierung zu diesem Zwecke oder die Fortsetzung des GMR. v. 3. 10. 1912 über den außerordentlichen Heeres- und Marinekredit, GMKPZ. 496. Der ungarische Ministerrat v. 7. 10. 1912/29 beschäftigte sich mit dieser Frage, deutsche Übersetzung HHSxA., ungarische Ministerratsprotokolle, Karton 31. <pb/>Nr. 33 Gemeinsamer Ministerrat, Wien, 8. und 9. 10. 1912 501 Ausgabe von Schatzscheinen würde für die Staatsfinanzen die größte Gefahr be¬ deuten und Verpflichtungen auferlegen, für die man am Verfallstage nur mit grö߬ ter Schwierigkeit aufkommen könnte. Die kgl. ung. Regierung habe nun den nachstehenden Vorschlag ausgearbeitet: Dem von dem gemeinsamen Kriegsminister für die gemeinsame Armee geforder¬ ten, für unumgänglich notwendig befundenen und im Laufe von sechs Jahren in Anspruch zu nehmenden außerordentlichen Kredite im Betrage von 250 Millio¬ nen Kronen, wovon 170 Millionen Kronen für Geschütze, 55 Millionen Kronen für Befestigungen und 25 Millionen Kronen für Flugmaschinen und Automobile verwendet werden sollen, stimmt die ungarische Regierung unter folgenden Be¬ dingungen zu: 1. Der auf die ungarische Quote entfallende Teil der anzuschaffenden Geschüt¬ ze kann innerhalb zwei Jahren nicht bestellt werden, damit, falls innerhalb dieser zwei Jahre eine ungarische Kanonenfabrik errichtet wird, diese Bestellungen bei der ungarischen Kanonenfabrik effektuiert werden können. 2. Von den anzuschaffenden Geschossen wird der auf die ungarische Industrie entfallende Teil im Interesse einer entsprechenden Beschäftigung der Diösgyörer Geschoßwerkstätte mit vorhergehender Zustimmung des kgl. ung. Finanzmini¬ sters und des kgl. ung. Handelsministers zwischen den ungarischen Industrieun- temehmungen aufzuteilen sein. Hinsichtlich des für die Kriegsmarine geforderten außerordentlichen Kredites im Betrage von 170 Millionen Kronen nimmt die ungarische Regierung folgen¬ den Standpunkt ein: Der Bau der zwei Dreadnoughts, die zum Ersätze der Kriegsschiffe zu je 5600 Tonnen, Type ,,Monarch", bestimmt wären und die Errichtung des hiezu gehöri¬ gen Docks wäre aufzuschieben, bis die gegenwärtig im Baue befindliche Dread¬ nought-Division fertiggestellt ist. Hingegen erteilt die ungarische Regierung ihre Zustimmung dazu, daß Unter¬ seeboote, Monitore, Torpedoboote, Patrouillenboote und Flugmaschinen zu den Gesamtkosten von 17,5 Millionen Kronen angeschaffl: werden können und daß der Kriegsmarine zu diesem Zwecke ein außerordentlicher Kredit in der Höhe von 17,5 Millionen Kronen bewilligt werde, der in zwei gleichen Jahresraten in Anspruch genommen werden kann. Da es aber wünschenswert ist, daß die gegenwärtig im Baue befindliche Dread¬ nought-Division je eher fertiggestellt werde, ist die ungarische Regierung geneigt zuzustimmen, daß die auf diese laut dem bereits früher festgesetzten Programme in den Jahren 1915 und 1916 verwendbaren 54 Millionen Kronen bereits in den Jahren 1913 und 1914 in zwei gleichen Teilen in Anspruch genommen werden. Auf diese Weise ist die Dreadnought-Division bis zum Jahre 1914 fertiggestellt und könnte im Jahre 1915 mit dem Ersätze der Kriegsschiffe Type ,,Monarch" begonnen werden. Was schließlich die Anmeldung der auf diese Weise festgestellten Kosten an die Delegationen, beziehungsweise die Bewilligung dieser Kosten durch die De- <pb/>502 Nr. 33 Gemeinsamer Ministerrat, Wien, 8. und 9. 10. 1912 legationen betrifft, so wäre es nach der Ansicht der ungarischen Regierung unbe¬ dingt notwendig, daß das hier vorgeschlagene Programm zwischen den Regie¬ rungen zwar bereits jetzt intern festgestellt, jedoch von den den gemeinsamen Staatsvoranschlag für das Jahr 1912 feststehenden Delegationen bloß die Bewil¬ ligung des auf die Jahre 1912 und 1913 entfallenden außerordentlichen Kredites im Betrage von 77,41 Millionen Kronen erbeten werde, woraus 41,6 Millionen auf die Neubeschaffungen des Heeres, 8,75 Millionen auf die Neubeschafftmgen der Kriegsmarine und 27 Millionen auf die Beschleunigung des Baues der im Bau befindlichen Dreadnoughts entfallen. In Ergänzung der Ausführungen Herrn v. Lukäcs führt der k g 1. u n g. Finanzminister aus, die ungarische Regierung sei zwar bereit, was die Anforderungen des Kriegsministeriums anbelange, pro foro intemo den ganzen Betrag von 250 Millionen schon jetzt prinzipiell zu bewilligen und protokolla¬ risch festzulegen; den Delegationen könne sie aber derzeit nur die auf das Jahr 1912 und 1913 fallenden Jahresraten vorlegen, da sie aus taktisch politischen Gründen mit Rücksicht auf ihre frühere, im ungarischen Abgeordnetenhause ab¬ gegebene Erklärung nur einen kurzfristigen Kredit, der durch die momentane Krise begründet wäre, vor den Delegationen zu vertreten in der Lage sei. Nie¬ mand in Ungarn werde der Behauptung Glauben schenken, daß ein auf sechs Jahre verteilter Kredit des Kriegsministeriums durch die momentane Lage be¬ gründet sei und allgemein würde der Vorwurf gegen die Regierung erhoben wer¬ den, daß sie im Widerspruche mit ihrer Erklärung den Anforderungen der Kriegs¬ und Marineverwaltung schon zu einem früheren Zeitpunkte zugestimmt habe und jetzt den günstigen Moment benütze, um dieselben vorzubringen. Dies gelte auch fiir die von dem Marinekommandanten angeforderten zwei Dreadnought- Schlachtschiffe, deren Bau erst in drei Jahren vollendet sein könnte und die daher momentan für die Schlagfertigkeit der Marine nicht in Betracht kämen. Der Vorsitzende verweist darauf, daß er schon im letzten Ministerrate hervorgehoben habe, daß man es vermeiden müsse, die Rüstungskredite als eine fiir momentane kriegerische Maßnahmen angesprochene Forderung erscheinen zu lassen. Diese Vermutung dürfe mit Rücksicht auf die diplomatische Situation nicht erweckt werden. Er müsse nochmals betonen, daß er eine kriegerische Ak¬ tion der Monarchie in der nächsten Zukunft nicht fiir wahrscheinlich halte und die Anforderungen des Kriegsministers und Marinekommandanten nur deshalb unterstütze, weil er der Ansicht sei, daß die gegenwärtige Krise die Monarchie in der entfernteren Zukunft leicht in die Notwendigkeit versetzen könnte, für ihre berechtigten Interessen einzutreten. Der k. u. k. gemeinsame Finanzminister ist der Ansicht, daß die Vorschläge der kgl. ung. Regierung aus taktischen Gründen in der öster¬ reichischen Delegation nicht realisierbar seien. Er würde es unter allen Umstän¬ den für wünschenswert halten, daß die Gesamterfordemisse der Heeres- und Ma¬ rineverwaltung schon jetzt angefordert werden und glaube, daß dies auch den Delegationen angenehmer wäre, als jetzt einen kleinen Betrag votieren zu müs- <pb/>Nr. 33 Gemeinsamer Minislerrat, Wien, 8. und 9. 10. 1912 503 sen, von dem jeder Delegierte wissen müsse, daß er nur ein Teilbetrag sei und daß in kurzer Zeit weitere Kredite verlangt werden würden. Vom Standpunkte einer Rentenemission bedeute der ungarische Vorschlag durchaus keine Erleichterung, man hätte aufjeden Fall jetzt nicht mehr als die nächstjährige Jahresrate emittie¬ ren müssen. Seiner Ansicht nach würde eine solche Vorgangsweise in den Krei¬ sen der österreichischen Delegierten als eine Täuschung aufgefaßt und auf das entschiedenste zurückgewiesen werden. Der k. k. Ministerpräsident verweist darauf, daß die k. k. Re¬ gierung hinsichtlich des Kredites von 250 Millionen für die Bedürfnisse der Hee¬ resverwaltung bereits einen zustimmenden Beschluß gefaßt habe. Er möchte hier nur die Frage aufwerfen, ob es nicht vielleicht möglich wäre, den für Flugzeuge und Automobile in Aussicht genommenen Kredit, der ihm mit 25 Millionen sehr hoch bemessen zu sein scheine, herabzusetzen. Was die Marineforderungen anbelange, könne er jetzt das Votum der öster¬ reichischen Regierung dahin verdolmetschen,3 daß sie sich der Notwendigkeit der Ausgestaltung der Marine zwar nicht verschließe, aber doch der Ansicht sei, daß bei den Anforderungen des Marinekommandanten eine Reduktion vorge¬ nommen werden könnte. Allerdings sei diese Reduktion keine so weitgehende, wie die von der kgl. ung. Regierung in Vorschlag gebrachte, sie erstrecke sich auch nicht so sehr auf die vom Marinekommandanten benötigten Schififseinhei- ten, als vielmehr auf eine leichtere Echellonierung der Zahlungen, welche in ihrer jetzigen Gestalt eine schwere Belastung des Budgets bedeuten würden. Der ungarische Vorschlag erscheine auch ihm in taktischer Hinsicht undurch¬ führbar. Er sehe keine Möglichkeit, im Sinne dieses Vorschlages eine Kreditfor- derung von 77 Millionen vor den Delegationen zu vertreten, für welche man ei¬ nen Verwendungsplan gar nicht Vorbringen könne. Es sei ein öffentliches Geheimnis, daß das Kriegsministerium 250 Millionen brauche, wenn der Herr Kriegsminister jetzt nur 77,41 Millionen in den Delegationen ansprechen und hiebei seine weiteren Pläne für die Ausgestaltung des Heeres mit Rücksicht auf die von der ungarischen Regierung gewünschte Geheimhaltung seines zukünfti¬ gen Programmes gar nicht entwickeln könne, so werde die österreichische Dele¬ gation diesen Kredit gewiß nicht bewilligen. Man sei in der österreichischen Delegation bereit, die ganze Summe von 250 Millionen und auch noch einen größeren Betrag für die Marine sofort zu votieren, Teilbeträge würde man aber ebenso sicher zurückweisen. Der k. k. Finanzminister stimmt dieser Auffassung bei und be¬ tont, daß ein vollständiger Plan über die Verwendung des Gesamterfordemisses der Heeres- und Marineverwaltung den Delegationen vorgelegt werden müsse. Allerdings ist auch er der Ansicht, daß die gegenwärtige Lage des Geldmarktes und der Finanzen der beiden Staaten eine gewisse Reduktion der Forderungen angezeigt machen. Er würde daher vorschlagen, daß man die von dem Heere und 3 Beschluß des k. k. MR. v. 5. 10. 1912/1, MRZ. 32/1912. <pb/>504 Nr. 33 Gemeinsamer Ministerrat, Wien, 8. und 9. 10. 1912 der Marine benötigte Summe von zusammen 420 Millionen auf eine Globalsum¬ me von 300 Millionen Kronen für sechs Jahre reduziere. Es ließen sich Streichun¬ gen an der für Flugzeuge und Automobile eingesetzten Post des Kriegsministers und im Befestigungskredite vornehmen. Im Marineerfordemis würde er nach sei¬ ner Anregung ein Schlachtschiff mit 72 Millionen und die weiteren kleineren Einheiten mit 8 Millionen einstellen, so daß die Marine 80 Millionen, das Heer 220-230 Millionen Kronen erhalten könnte. Wenn man diesen Plan akzeptiere, so würde die erste Rate für das Jahr 1912- 1913 nur 50-53 Millionen Kronen betragen, wogegen sie nach dem ungarischen Vorschläge 77 Millionen ausmachen würde. Der kgl. ung. Finanzminister erwidert hierauf, daß das auch von dem Herrn k. k. Finanzminister in Anregung gebrachte reduzierte Programm für die kgl. ung. Regierung nicht annehmbar sei, weil es nicht vollständig sei und allgemein den Eindruck hervorrufen müsse, daß weitere Forderungen folgen würden. Niemand würde glauben, daß in den nächsten Jahren nur ein Dread¬ nought gebaut werden solle, denn der Bau des Schiffes nehme höchstens 3 Jahre in Anspruch. Für die k. k. Regierung sei die Situation eine leichte, die kgl. ung. Regierung sei aber gebunden, man werde ihr Spiegelfechterei vorwerfen, wenn sie jetzt das große Rüstungsprogramm einbringe, das sie im Juli abgelehnt habe. Der k. u. k. Kriegsminister verweist mit Befriedigung darauf, daß die kgl. ung. Regierung seinen Rüstungskredit von 250 Millionen prinzipiell angenommen habe. Was die von der kgl. Regierung gestellte Bedingung wegen der Bestellung von Kanonen anbelange, müsse er bemerken, daß er gerne bereit wäre, die Bestellung der schweren Stahlgeschütze auf zwei Jahre hinauszuschie¬ ben, damit dieselben, falls inzwischen eine ungarische Kanonenfabrik errichtet werde, in Ungarn bestellt werden könnten. Dagegen sei er absolut nicht in der Lage, irgendwelcher Reduktion seines Programmes zuzustimmen. Dasselbe sei auf das allemotwendigste eingeschränkt und er könne nicht einen Heller entbeh¬ ren. Den Befestigungskredit würde er angesichts der veränderten außenpoliti¬ schen Lage nunmehr dazu verwenden müssen, die Festungen an der russischen Grenze, für die seit Jahren nichts mehr geschehen sei, auszubauen. Die russische Probemobilisierung, die man nicht mißverstehen könne, mache es ihm zur drin¬ gendsten Pflicht, an die Verteidigung unserer Nordostgrenze zu denken. Er halte einen Krieg mit Rußland in den nächsten Jahren für sehr wahrscheinlich. Der gemeinsame Finanzminister bedauert, daß die Anforde¬ rungen der Marine von der kgl. ung. Regierung so wenig berücksichtigt würden. Er könne zwar nur vom Standpunkte des außen stehenden Beobachters über aus¬ wärtige Politik sprechen und möchte den Ausführungen des Ministers des Äu¬ ßern in keiner Weise vorgreifen. Es scheine ihm aber, daß die derzeitigen politi¬ schen Verhältnisse mehr für eine Vermehrung unserer Marine sprechen, als dies früher der Fall gewesen sei. Im Jahre 1914 laufe der Dreibund ab. Für diesen Moment müßten wir gerüstet sein. Unser Verhältnis zu Italien habe eben eine <pb/>Nr. 33 Gemeinsamer Ministerrat, Wien, 8. und 9. 10. 1912 505 Änderung erfahren. In der Zukunft würden wir gerüstet sein müssen, um Hand in Hand mit Italien unsere Interessen im Mittelmeere wahren zu können.4 Von den beschleunigten Ratenzahlungen des 312 Millionenkredites sehe er für die Marine keinen Vorteil. Der Bau der Schiffe der ersten Dreadnought-Division sei ohnedies vom Marinekommandanten nach Tunlichkeit beschleunigt worden. Vom taktischen Standpunkte müsse er bemerken, daß jeder Marinekredit von der österreichischen Delegation leicht bewilligt werden würde. Er müsse dringend bitten, daß man die Marine berücksichtige. Der Vorsitzende erklärt, daß er den klaren Ausführurgen des gemein¬ samen Finanzministers über die auswärtige Lage vollinhaltlich beipflichte. In Er¬ gänzung derselben müsse er bemerken, daß unser Bündnis in elf Jahren ablaufe. Die Verlegung der französischen Flotte in das Mittelmeer müsse jedermann Stoff zum Nachdenken geben. Besonders in Italien habe diese Maßnahme Besorgnis erregt. Bleiben wir nun mit der Entwicklung unserer Flotte zurück, so liege die Gefahr nahe, daß man italienischerseits Vergleiche zwischen uns und Frankreich anstelle und zu der Überzeugung gelange, daß man bei dem Alliierten gegenüber der französischen Bedrohung keinen Rückhalt finde und besser daran täte, sich der mächtigeren Gruppe anzuschließen. Wenn wir Italien im Dreibunde behalten wollen, müssen wir es auch in die Lage versetzen, seine vitalen Interessen in diesem Bundesverhältnisse schützen zu können. Der kgl. ung. Finanzminister erklärt, daß die kgl. ung. Regie¬ rung aus politischen Gründen bei ihrem Vorschläge beharren müsse. Es entspinnt sich hierauf eine lange Diskussion über diesen Vorschlag und dessen praktische Durchführbarkeit, wobei die gemeinsamen und k. k. Minister auf dem Stand¬ punkte verharren, daß eine im Sinne dieses Vorschlages in der österreichischen Delegation eingebrachte Vorlage zurückgewiesen werden würde, wogegen die kgl. ung. Minister erklären, daß sie ein sechsjähriges Programm in Ungarn nicht vertreten können. Nachdem sich die Gegensätze im Laufe der Debatte nicht ge¬ mildert haben und keine Aussicht vorhanden war, daß eine Einigung auf dieser Grundlage zustandekomme, beantragt der Vorsitzende eine kurze Unterbrechung der Sitzung und bittet den kgl. ung. Ministerpräsidenten, sich nochmals mit Heim von Teleszky zu besprechen und Mittel und Wege zu suchen, um eine Annähe¬ rung an die Auffassung der anderen Teilnehmer zu finden. Nach einer halbstündigen Unterbrechung erklärt der kgl. ung. Mini¬ sterpräsident, er habe, um das möglichste Entgegenkommen gegenüber der Auffassung der gemeinsamen und österreichischen Minister zu beweisen, die ganze Frage nochmals einer eingehenden Prüfung unterzogen und sei nunmehr in Der Dreibundvertrag wurde am 5. 12. 1912 verlängert. 1913 kam ein Abkommen mit Italien über die Zusammenarbeit beider Flotten im Kriegsfall zustande. Siehe hierzu Vego, Austrian-Hungarian Naval Policy 114--131 sowie Hobelt Lothar, Die Marine 720 f. <pb/>506 Nr. 33 Gemeinsamer Ministerrat, Wien, 8. und 9. 10. 1912 der Lage, die nachstehende Kodifikation seines ursprünglichen Antrages in Vor¬ schlag zu bringen. Die kgl. ung. Regierung sei bereit, von den Delegationen die Hälfte des Ge- samterfordemisses des Kriegsministeriums, nämlich 125 Millionen Kronen, so¬ fort anzufordem, welcher Betrag auf drei Jahre zu verteilen wäre. Es könne dann protokollarisch festgestellt werden, daß der Kriegsminister nach Ablauf der er¬ sten drei Jahre einen weiteren Kredit von 125 Millionen anfordem könne. Hinsichtlich der Marine sei die kgl. ung. Regierung bereit, nebst den in ihrem früheren Programme bewilligten kleineren Schiffseinheiten auch den Bau des großen Docks im Betrage von 8,5 Millionen Kronen zu bewilligen. Dieser Antrag des ungarischen Ministerpräsidenten wird von den Anwesenden mit dem Bemerken zur Kenntnis genommen, daß sie nicht in der Lage seien, zu demselben sogleich Stellung zu nehmen und sich eine Überlegungsffist Vorbehal¬ ten müßten. Mit Rücksicht hierauf wird beschlossen, daß der Ministerrat am nächsten Tage wieder zusammentreten solle, um die weitere Beratung über diese Frage fortzu¬ setzen. Der k. u. k. gemeinsame Finanzminister verliest sodann ein Telegramm des Landeschefs für Bosnien und die Herzegowina, worin sich General Potiorek für die weitgehendsten Maßnahmen zur Verstärkung unserer mi¬ litärischen Bereitschaft in den annektierten Ländern ausspricht.5 Herr v. Bilinski bemerkt hiezu, daß er Wert darauf gelegt habe, die Meinung des Landeschefs ein¬ zuholen, bevor er seine Ansicht über die von dem k. u. k. Kriegsministerium an Ah. Stelle in Antrag gebrachten Standeserhöhungen zum Ausdrucke bringe.6 Die Auffassung des Landeschefs sei eine sehr pessimistische, er möchte aber im Widerspruche mit derselben doch an dem Grundsätze festhalten, daß es aus innerpolitischen und diplomatischen Rücksichten dringend erwünscht sei, daß so wenig wie möglich geschehe und wenigstens vorläufig von jeder weitgehenden Maßregel Abstand genommen werde. Der k. u. k. Kriegsminister betont, daß er nach wie vor alles vermeiden möchte, was wie eine Provokation im Auslande angesehen werden könnte und unsere diplomatische Aktion stören würde. Er glaube aber nicht, daß es möglich sein werde, die ernsten Mahnungen des Landeschefs ganz zu überse¬ hen. Wenn seine Anträge an Ah. Stelle angenommen würden, so könnten die Stände in Bosnien-Herzegowina und Dalmatien in 12 bis 14 Tagen um etwa 30 000 Mann erhöht werden, in dem Bereiche des 7. und 13. Korps um 7-8000 Mann. Eine solche Standeserhöhung würde täglich etwa 64 000 Kronen kosten, wogegen die Annahme der vollen Kriegsstände in Bosnien-Herzegowina und Fortsetzung des GMR. v. 3. 10. 1912 über die Vorkehrungen an der serbischen Grenze, GMKPZ. 496. Telegramm Potioteks an Bilihski v. 8.10.1912, Ka., Nachlaß Potiorek B 1503, Karton l,Nr. 106. Zum Vortrag Auffenbergs v. 4. 10. 1912 siehe GMR. v. 3. 10. 1912, GMKPZ. 496, Anm. 3. <pb/>Nr. 33 Gemeinsamer Ministerrat, Wien, 8. und 9. 10. 1912 507 Dalmatien, wie sie der Landeschef befürworte, die das Kriegsministerium aber nicht für nötig halte, täglich etwa 145 000 Kronen kosten würde. Der Vorsitzende verweist darauf, daß man seiner Ansicht nach von Serbien im gegenwärtigen Augenblicke nichts zu befürchten habe und daher die Standeserhöhungen nur für die Aufrechterhaltung der Ruhe und Ordnung in den annektierten Ländern bemessen sein sollten. Vom diplomatischen Standpunkte lege er nach wie vor Wert darauf, daß so wenig wie möglich geschehe.7 Es wird hierauf der Beschluß gefaßt, die Sitzung am nächsten Tage um 5 Uhr nachmittags fortzusetzen, worauf der Vorsitzende die Konferenz unterbricht. Konferenz vom 9. Oktober Der Vorsitzende erinnert bei Eröffnung der Sitzung daran, daß am vorherigen Tage über die Frage der Rüstungskredite keine Einigung erzielt werden konnte, jedoch am Ende der Konferenz ein neuer Vorschlag vom kgl. ung. Ministerpräsi¬ denten eingebracht worden sei, über den sich die Anwesenden die Beschlußfas¬ sung Vorbehalten hätten. Der k. k. Ministerpräsident ergreift das Wort, um auszuführen, die k. k. Regierung habe diesen neuen Vorschlag einer eingehenden Prüfung un¬ terzogen und nunmehr auf Grundlage derselben in Form einer Erklärung einen Gegenvorschlag ausgearbeitet, der hoffentlich zu einer Einigung führen werde. Hierauf verliest der k. k. Finanzminister die nachstehende Er¬ klärung: Die k. k. Regierung erklärt sich mit dem vom Kriegsminister vorgeschlagenen Programme von 250 Millionen, deren Verwendungsdauer auf sechs Jahrs zu ver¬ teilen ist, einverstanden. Die Durchführung wird in folgender Weise vorgeschlagen: Zunächst werden 125 Millionen, verteilt auf drei Jahre, von den Delegationen 1912 sofort angesprochen und ist die Verwendung dieses Betrages in den näch¬ sten drei Jahren ziffermäßig darzustellen und zu begründen. Der Kriegsminister wird ermächtigt, bei Darlegung seines ganzen Bedürf¬ nisprogrammes von 250 Millionen zu erklären, daß er nach Ablauf der dreijähri- Telegramm (K.) Auffenbergs an Potiorek v. 12. 10. 1912, ein Kosten- und Zeitkalkülfür eine mögliche Standeserhöhung in Bosnien-Herzegowina und Dalmatien zu erstellen, Ka., KM., Präs. 81-27/1/1912. Mit ihren Vorträgen v. 23. 11. 1912 beantragte Auffenberg, die Stände der Truppen des VII., XIII., XV. undXVI. Korps zu erhöhen, Hazai dasselbefür die kgl. ung. landwehr im II. und VI. landwehrdistrikt und Georgi dasselbe für die k. k. landwehr in Dalmatien. Alle drei Vorträge wurde mit Ah. E. v. 24. 11. 1912 resolviert, der Vortrag Auffen¬ bergs Ka., MKSM. 82-1/8-3/1912, der Vortrag Georgis ebd. 82-1/8--4/1912 und der Vor¬ trag Hazais ebd. 82-1/8-5/1912. Mit den Vorträgen v. 28. 11. 1912 bat Auffenberg, die Trup¬ pen des XV. und XVI. Korps aufKriegsstärke zu bringen, und Georgi tat dasselbefür die k. k. landwehr in Dalmatien, beide resolviert mit Ah. E. v. 7. 12. 1912, der Vortrag Auffenbergs ebd. 82-1/8-8/1912 und der Vortrag Georgis ebd. 82-1/8-9/1912. Fortsetzung über die Vor¬ kehrungen an der serbischen Grenze in GMR. v. 28. 10. 19121 GMKPZ. 499. <pb/>508 Nr. 33 Gemeinsamer Ministetrat, Wien, 8. und 9. 10. 1912 gen Frist die zweite Hälfte per 125 Millionen für die folgenden drei Jahre in An¬ spruch zu nehmen beabsichtigt und hervorzuheben, daß die Regierungen diese seine Ansicht zur Kenntnis genommen haben. Für die Marine werden die von der kgl. ung. Regierung angebotenen 26 Mil¬ lionen für diverse vom Marinekommandanten angegebene Anschaffungen in zwei Jahresraten konzediert und dieselben von den Delegationen des Jahres 1912 in Anspruch genommen. Überdies erklärt sich die k. k. Regierung mit dem Vorschläge der kgl. ung. Regierung einverstanden, wonach die im Sinne der Vereinbarungen vom 6. Jän¬ ner 1911 für Marinebauten entfallenden letzten zwei Raten des außerordentlichen Kredites per 312,4 Millionen, die pro 1915 und 1916 49 beziehungsweise 5 Mil¬ lionen betragen, schon in den Jahren 1912/13 und 1914 und zwar in Beträgen von je 27 Millionen zwecks Beschleunigung des Ausbaues der Schiffsdivision zur Verfügung gestellt werden.8 Der Marinekommandant wird ermächtigt, den Delegationen zu erklären, daß er rechtzeitig einen Kredit wegen Beschaffung einer weiteren Schiffsdivision zum Ersätze der Monarch-Klasse in Anspruch nehmen wird, so daß nach Ablauf der Kreditbewilligungsfrist der 312,4 Millionen mit dem Baue der neuen Schiffsdivi¬ sionen begonnen werden könne und wird gleichfalls zu der Erklärung ermächtigt, daß die Regierungen diese seine Absicht zur Kenntnis genommen haben. Nach einer kurzen Diskussion erklärt der kgl. ung. Ministerprä¬ sident, daß er dieser Erklärung im Namen der kgl. ung. Regierung zustimme. Der Marinekommandant möchte noch feststellen, daß der für den Dock eingesetzte Betrag von 8,4 Millionen Kronen sich um zirka 3 Millionen erhöhen würde, falls der Dock nicht im Auslande, sondern bei einer inländischen Werft bestellt werde. Dies wird von dem k . k . und dem kgl. ung. Fi¬ nanzminister zur Kenntnis genommen. Hieraufresümiert der Vorsitzende die gefaßten Beschlüsse in nachste¬ hender Weise: ,,1. Die gemeinsame Regierung wird sofort den Delegationen eine Vorlage un¬ terbreiten, worin pro 1912 als erste Rate eines Gesamterfordemisses von 125 Millionen ein außerordentlicher Kredit von 41,6 Millionen für Heeresausrüstun¬ gen, sodann ein Kredit von 13 Millionen für die in der Konferenz genannten Bedürfnisse der Marineverwaltung, weiters 27 Millionen als Teilbetrag der letz¬ ten zwei Raten des Marinebauprogrammes vom 6. Jänner 1911, angesprochen werden. Die drei vorgenannten Kredite sollen zweijährige Verwendungsdauer, nämlich 1912 und 1913, erhalten. 2. Die beiden Finanzverwaltungen werden ä conto dieser Kredite noch im Lau¬ fe des Jahres 1912 einen Betrag von 3,3 Millionen der Heeresverwaltung zur Verfügung stellen. Siehe dazu GMR. v. 6. 1. 1911, GMKPZ 484. <pb/>Nr. 33 Gemeinsamer Ministerrat, Wien, 8. und 9. 10. 1912 509 3. Im Jahre 1914 werden außerordentliche Kredite für Heeresausrüstungen und Marinebauten in der gleichen Höhe, wie sub 1. erwähnt, angesprochen wer¬ den. 4. Im Jahre 1915 entfallen als dritte Rate des 125 Millionenkredites für das Heer 41,8 Millionen. 5. Der Kriegsminister wird ermächtigt, bei Darlegung seines ganzen Bedürf- nisprogranmes von 250 Millionen zu erklären, daß er nach Ablauf der dreijähri¬ gen Frist die zweite Hälfte per 125 Millionen für die folgenden drei Jahre in An¬ spruch zu nehmen beabsichtigt und hervorzuheben, daß die Regierungen diese seine Absicht zur Kenntnis genommen haben. 6. Der Marinekommandant wird ermächtigt, den Delegationen zu erklären, daß er rechtzeitig einen Kredit wegen Beschaffung einer weiteren Schiffsdivision zum Ersätze der Monarch-Klasse in Anspruch nehmen wird, so daß nach Ablauf der Kreditbewilligungsffist der 312,4 Millionen mit dem Baue der neuen Schiffsdivi¬ sionen begonnen werden könne, und wird gleichfalls zu der Erklärung ermäch¬ tigt, daß die Regierungen diese seine Absicht zur Kenntnis genommen haben." Der Vorsitzende erklärt somit, daß der sechsjährige Heereskredit per 250 Mil¬ lionen Kronen sowie der Ausbau einer neuen Schiffsdivision vom Jahre 1915 angefangen sichergestellt erscheint.9 Zum Schlüsse erklärt der Vorsitzende, daß es ihm nur noch übrig bleibt, seiner Freude darüber Ausdruck zu geben, daß die langen und schwierigen Verhandlun¬ gen über die Heeres- und Marineerfordemisse zu einem günstigen Ergebnis ge¬ führt haben und ein wichtiger Schritt getan erscheint, um die Wehrmacht der Monarchie für alle Eventualitäten schlagfertig zu gestalten.10 Berchtold Ah. E. Ich habe den Inhalt dieses Protokolles zur Kenntnis genommen. Wien, am 2. November 1912. Franz Joseph. Mit Schreiben (K.) v. 3. 10. 1912 hatte Montecuccoli das Seebezirkskommando und das Ma¬ rinemilitärkommando Fiume beauftragt, Pläne zur Beschleunigung der Fertigstellung der im Bau befindlichen Schiffe zu erarbeiten, Ka., KM., MS., PK. II-3/1-4266/1912. Mit Schrei¬ ben v. 29. 10. 1912 wies Montecuccoli die entsprechenden Stellen an, die im Bau befindlichen Schiffe so bald als möglich vom Stapel zu lassen, ebd., PK. II-3/1-4671/1912. Der Vortrag Bilihskis v. 10. 10. 1912 wegen Einbringung des außerordentlichen Fleeres- und Marinekredites in den Delegationen wurde mit Ah. E. v. 10. 10. 1912 resolviert, HHSxA., Kab. Kanzlei, KZ. 2457/1912. Am 11. 10. 1912 brachte Bilihski den sogenannten Ausgestal¬ tungskredit in der cisleithanischen Delegationen ein, Stenographische Sitzungsprotokolle der Delegation des Reichsrates 1912517 f. Nach Annahme des Voranschlages und der au¬ ßerordentlichen Kreditefür Fleer und Marine durch die Delegationen wurde das gemeinsame Budget pro 1912 über Vortrag Berchtolds v. 20. 10. 1912 mit Ah. E. v. 20. 10. 1912 sanktio¬ niert, ebd., KZ. 2528/1912 - im Index 1912 der Kab. Kanzlei des HHStA. wird irrtümlich auf KZ. 2856/1912 verwiesen, die Sanktionierung der Delegationsbeschlüssefür das gemeinsa¬ me Budgetfür 1913. <pb/>