Gemeinsamer Ministerrat, 1912-07-08; 1912-07-09
I. Der gemeinsame Voranschlag für das Jahr 1913
Siehe PDF-Daten https://hw.oeaw.ac.at/ministerrat/serie-2/oe_hu_mrp_VI/pdf/oe_hu_mrp_VI_z30.pdf.
Nr. 30 Gemeinsamer Ministerrat, Wien, 8. und 9. 7. 1912 459 Nr. 30 Gemeinsamer Ministerrat, Wien, 8. und 9. Juli 1912 RS. (undRK.) Gegenwärtige: Der kgl. ung. Ministerpräsident v. Lukäcs, der k. k. Minister des Innern Dr. Freiherr v. Heinold als Vertreter des k. k. Ministerpräsidenten, der k. u. k. Kriegsminister GdI. Ritter v. Auffenberg, der k. u. k. gemeinsame Finanzminister Ritter v. Bilihski (18. 8.), der k. k. Finanzminister Ritter v. Zaleski (18. 8.), der kgl. ung. Finanzminister Dr. Teleszky, der k. u. k. Marinekommandant Admiral Graf Montecuccoli (21. 11.), der k. u. k. Chef des Generalstabes FML. Schemua (31. 8.). [Auszugsweise publiziert in: Österreich-Ungarns Aussenpolitik, Band 4, Nr. 3612.] Protokollführer: Hof- und Ministerialrat Ritter v. Günther. Gegenstand: Der gemeinsame Voranschlag für das Jahr 1913. KZ. 46 - GMKPZ. 494 Protokoll des zu Wien am 8. und 9. Juli 1912 abgehaltenen Ministerrates für gemeinsame Angelegenheiten unter dem Vorsitze des Ministers des k. u. k. Hau¬ ses und des Äußern Grafen Berchtold. Der Vorsitzende eröffnet die Sitzung um 14 11 Uhr vormittags mit ei¬ nem allgemeinen Expose über die äußere Lage, worin er daraufhinweist, daß die übersichtliche Darstellung, welche Graf Aehrenthal in der Ministerkonferenz vom 6. Dezember 1911 entworfen habe,1 sich hauptsächlich mit dem italienisch¬ türkischen Kriege sowie mit dem deutsch-englischen Antagonismus und den von dem letzteren zu besorgenden künftigen Krisen befaßte. Seit jener Zeit habe der Konflikt zwischen Italien und der Türkei nicht nur keinen Abschluß gefunden; die Aussichten für dessen weiteren Verlauf seien überdies heute wesentlich ungünstiger, als es damals der Fall gewesen. Die über russische Initiative eingeleitete Friedensaktion habe wegen der zu Tage getretenen unüberbrückbaren Divergenzen namentlich hinsichtlich der Sou- veränitätsffage einen kompletten Mißerfolg erlitten. Italien sei durch das Gesetz über die Souveränitätserklärung gebunden, die Türkei könne anderseits auf die Oberhoheit über die beiden Provinzen2 nicht ver¬ zichten, ohne Gefahr zu laufen, Aufruhr im eigenen Lande und zwar sowohl in türkischen wie in arabischen Gebieten wachzurufen. Eine Fortsetzung der Media¬ tionsversuche sei unter diesen Umständen aussichtslos gewesen, umsomehr, als die mssische Initiative die Mediation von vomeherein in den Augen der türki¬ schen Regierung odios gemacht hätte.3 GMR. V. 6. 12. 1911, GMKPZ. 490. Gemeint sind die Provinzen Cyrenaica und Tripolitanien. Vermittlungsversuche Sasonows seit Ende 1911, die mit der Antwort der Türkei im April scheiterten. Pallavicini berichtete im Schreiben an Berchtold v. 16. 4.1912 über die Überga¬ be der aufrussische Initiative beschlossene Kollektivnote an die Türkei, und im Schreiben v. 23. 4. 1912 über die ablehnende Antwort der Türkei, beides publiziert in Österreich-Un- <pb/>460 Nr. 30 Gemeinsamer Ministerrat, Wien, 8. und 9. 7. 1912 Mit dem Versagen der Vermittlungsaktion habe die Ausbreitung der italieni¬ schen Flottenoperationen auf das Ägäische Meer koinzidiert, wodurch der Krieg in ein ernsteres Stadium getreten sei. Mit Rücksicht auf die Gefahren, welche aus dieser Aktion für die Ruhe am Balkan erwachsen konnten, habe die k. u. k. Regierung ihr Bestreben darauf ge¬ richtet, die italienische Regierung dazu zu bewegen, die militärischen Operatio¬ nen Italiens im Ägäischen Meere tunlichst einzuschränken und von einer Beset¬ zung der nördlichen Inseln des Archipels sowie von einer Aktion gegen die Dardanellen abzusehen. Die für die letzten zwei Eventualitäten der italienischen Regierung gegenüber formulierten Reserven hätten die gewünschte Wirkung nicht verfehlt. Man habe bis auf weiteres die geplante Aktion zurückgestellt und dafür die kriegerischen Operationen in Libyen wieder aufgenommen. In Italien sei aber in letzter Linie die Volksstimmung entscheidend; man könne sich daher der Besorgnis nicht verschließen, daß die Fortsetzung der Aktion im nahen Osten der italienischen Regierung in einem gegebenen Augenblicke auch gegen ihren Willen aufgedrängt werden könnte. Schon durch die bisherige Besetzung der von Christen bewohnten Inseln sei insofeme eine schwierige Lage geschaffen, als dadurch der Panhellenismus geweckt worden sei und die seinerzeitige Rückstel¬ lung dieser Gebiete ein dorniges Problem bilden werde. Eine Fortsetzung der italienischen Aktion würde aber nach aller Voraussicht zu den verhängnisvollsten Konsequenzen führen. Ein Erscheinen der italienischen Truppen auf den nördlichen Inseln oder die Forcierung der Dardanellen durch die italienische Flotte könnte leicht das Signal zu einer allgemeinen Erhebung am Balkan geben. Die in den letzten Tagen in Form von Meutereien zu Tage getretenen inneren Gebrechen der türkischen Armee schienen geradezu darnach angetan, die Akti¬ onslust der Balkanstaaten zu wecken. Für die österreichisch-ungarische Monarchie würde sich im Falle einer Bal- kankonfiagration die Notwendigkeit ergeben, die Stände an der Grenze zu ver¬ mehren, um auf diese Weise als Machtfaktor auftreten zu können und um so zu verhindern, daß Dispositionen über die ihr zunächst liegenden Gebiete wirtschaft¬ licher Expansion, ohne daß sie befragt werde, getroffen werden. Aufdie deutsch-englischen Beziehungen übergehend, bemerkt GrafBerchtold, daß der Gegensatz zwischen den beiden Ländern in den letzten Monaten keine wesentliche Veränderung erfahren habe. Der Versuch Lord Haldanes, einen Ausgleich in betreff des Flottenprogram¬ mes herbeizuführen, habe fehlgeschlagen. Die Rüstungen würden beiderseits mit dem gleichen Übereifer fortgesetzt. Bei den tiefgehenden Rivalitäten der beiden Nationen seien die Chancen des Gelingens der von Kaiser Wilhelm unterstützten Garns Aussenpolitik, Bd. 4, Nr. 3442 und 3474. Die Antwortnote der Türkei selbst ist publi¬ ziert als Anlage des Schreibens des deutschen Botschafters in Konstantinopel an Bethmann Hollwegv. 23. 4.1912, Die grosse Politik, Bd. 30/1,Nr. 11065. <pb/>Nr. 30 Gemeinsamer Ministerrat, Wien, 8. und 9. 7. 1912 461 Idee, die Verständigung mit England auf einem anderen, dem politischen Terrain anzubahnen, sehr gering.4 Viel wahrscheinlicher sei es, daß der auch von dem Grafen Aehrenthal prognostizierte Konfliktsfall nicht zu vermeiden sein werde. Besonders ungünstig werde die weitere Ausgestaltung der deutsch-englischen Beziehungen durch den Umstand beeinflußt, daß die öffentliche Meinung in Frankreich seit der vorjährigen Marokkokrise in einem Maße gegen Deutschland aufgebracht sei, wie es seit den 70er Jahren nicht mehr der Fall gewesen. In der vorjährigen Ministerkonferenz habe der kgl. ung. Ministerpräsident den Wunsch ausgesprochen, daß sich die Beziehungen zwischen Österreich-Ungarn und Rußland möglichst vertrauensvoll gestalten mögen.5 Diesfalls könne Graf Berchtold die Versicherung abgeben, daß es auch sein Bestreben sei, die Fühlungnahme mit dem St. Petersburger Kabinette tunlichst zu vertiefen. Hiebei möge ihm ein gewisses Kapital an persönlichem Vertrauen zu Nutze kommen, das sich aus dem Freundschaftsverhältnisse ergebe, in welchem er zu den leitenden russischen Staatsmännern stehe. Auf der anderen Seite sei jedoch nicht zu verkennen, daß diesem Streben ernste Schwierigkeiten im Wege stehen. Es seien dies namentlich die von der Monarchie in neuerer Zeit verfolgte Ru- thenenpolitik6 und die von Rußland traditionell betriebene Balkanpolitik. Er sehe vollkommen ein, daß es eine Unmöglichkeit sei, 4 Millionen rutheni- scher Staatsangehöriger die Prinzipien der Gleichberechtigung und die Elemente nationaler Kultur vorzuenthalten, nur weil Rußland bei sich in der Niederhaltung des gleichen Volksstammes ein Postulat der Staatsraison erblicke. Man müsse aber damit rechnen, daß nach russischer Auffassung infolge der hier betriebenen Ruthenenpolitik 30 Millionen russischer Ruthenen in Aufleh¬ nung gegen die russische Zentralregierung gebracht werden und dadurch an den Grundfesten des heutigen russischen Staatswesens gerüttelt werde. Daß diese Verhältnisse nicht nur eine Annäherung derzeit verhindern, sondern auch leicht entzündlichen Brennstoff in sich bergen, brauche wohl keine nähere Begründung. Zum Scheitern der Mission Haldanes siehe Schreiben des deutschen Botschafters in London Metternich an den deutschen Reichskanzler Bethmann Hollweg v. 29. 3. 1912 in Die grosse Politik, Band 31, Nr. 11423; mit der Initiative Wilhelm II. ist vermutlich die Abberufung des Deutschen Botschafters in London Metternich und die Ernennung Marschalls gemeint. Statt des Flottenabkommens bemühte sich Marschall dann um ein Kolonialabkommen mit Gro߬ britannien; zu den Gründen, warum Metternich aus London abgezogen und Marschall von Konstantinopel nach London versetzt wurde siehe ebd., Nr. 11427, speziell die Anmerkung.. Siehe dazu GMR. v. 6. 12. 1911, GMKPZ. 490. Zur cisleithanischen Ruthenenpolitik und zu den außenpolitischen Komplikationen mit Ru߬ land in den letzten Jahren vor dem Ersten Weltkrieg siehe Bachmann, Kriegsgrund Galizien 48-64. <pb/>462 Nr. 30 Gemeinsamer Ministerrat, Wien, 8. und 9. 7. J912 Was die russische Balkanpolitik anbelange, könne man allerdings momentan in dem Gedanken einige Beruhigung finden, daß Rußland eine Komplikation ebenso perhorresziere wie Österreich-Ungarn. Im Falle jedoch eine solche gegen den Willen Österreich-Ungams eintreten sollte, würde Rußland - darüber dürfe man sich keiner Illusion hingeben - in erster Linie die eigenen traditionellen In¬ teressen zum Leitstern seines Handelns nehmen, die mit jenen der Monarchie bekanntlich nicht parallel liefen. Das Gesagte möchte Graf Berchtold dahin resümieren, daß auf dem Horizonte der auswärtigen Politik Österreich-Ungams mehrere schwarze Punkte wahrzu¬ nehmen seien, vor denen das Auge zu verschließen Leichtfertigkeit und Gewis¬ senlosigkeit wäre. Es seien dies namentlich: 1. der weitere Verlauf des italo-türkischen Krieges; 2. die deutsch-englische Rivalität, verschärft durch den Antagonismus: Frank¬ reich gegen Deutschland; 3. die innen- und außenpolitischen Hindernisse, die einer Annähemng Öster¬ reich-Ungarns an Rußland im Wege stehen. Ein jedes dieser Momente könne die Monarchie im gegebenen Augenblick vor die Notwendigkeit stellen, zur ultima ratio greifen zu müssen, sei es um die eige¬ nen vitalen Interessen zu schützen, sei es um ihren Allianzpflichten nachzukom¬ men. Aufgabe der Diplomatie werde es natürlich sein, tunlichst zu verhüten, daß es zu einem solchen Unheile komme. Die Diplomatie sei aber zur Ohnmacht verur¬ teilt, wenn sie keinen Rückhalt habe in einer adäquaten Wehrmacht, einem schlag¬ fertigen Heere und einer kriegsbereiten Marine. Es könnte dann die Monarchie leicht vor die peinliche Alternative gestellt werden: entweder die Stime zu bieten mit dem Risiko, sich einem Konflikte auszusetzen, der zu einem Kataklysma fuhren kann, oder zurückzuweichen mit der Gewißheit, damit als selbständiger Machtfaktor zu abdizieren und im Wettbewerbe der Großmächte unterzugehen. Er müsse daher den dringenden Appell an die beiden Regierungen richten: die von der Kriegsverwaltung und dem Marinekommando angesprochenen Kredite möglichst vollinhaltlich gutheißen zu wollen. Auf den Gegenstand der Tagesordnung übergehend nimmt die Konferenz die Voranschläge des Ministeriums des Äußern und des gemeinsamen Finanzmini¬ steriums an, wobei zur Kenntnis genommen wird, daß in dem ersteren ein Ab¬ strich von rund 117 000 Kronen vorgenommen wurde, wogegen der Aufwand für das Missionspalais im Haag per 315 500 Kronen unter den Nachtragskrediten erscheint. Die Konferenz nimmt ferner zur Kenntnis, daß von der Aufhebung der Gesandtschaft in Tanger beziehungsweise von der Effektivierung eines General¬ konsulates daselbst derzeit noch abgesehen wird. Die sich hieraus ergebende ge¬ ringfügige Differenz wurde ausgeglichen, so daß sich eine Mehranforderang nicht ergibt. <pb/>Nr. 30 Gemeinsamer Ministerrat, Wien, 8. und 9. 7. 1912 463 Was die Dispositionsfondserhöhung betrifft, so hat das Kriegsministerium be¬ reits seit Jahren darauf hingewiesen, daß es für geheime Auslagen einen Beitrag von jährlich 500 000 Kronen an Stelle des bisherigen geringeren benötige. Da bekanntlich die beiden Regierungen nicht wünschen, daß der Kriegsminister ei¬ nen eigenen geheimen Fonds von den Delegationen verlange, so wird ihm der bezifferte Betrag aus dem Dispositionsfonds des Ministeriums des Äußern zur Verfügung gestellt, was jedoch angesichts des bei der unausgesetzt kritischen Lage stets wachsenden Bedarfes des Dispositionsfonds des Ministeriums des Äu¬ ßern nur durch eine Erhöhung dieses Fonds auf 2 Millionen Kronen in die Wege geleitet werden kann. Bei dem Voranschläge des gemeinsamen Obersten Rechnungshofes, der im übrigen akzeptiert wird, beantragt der gemeinsame Finanzmini¬ ster eine Erhöhung der Zulage des Präsidenten um 10 000 Kronen. Nach einer kurzen Diskussion wird beschlossen, die Post 17 dieses Budgets um den gedach¬ ten Betrag zu erhöhen, wobei die Zuwendung an den gegenwärtigen Präsidenten sei es in Form einer Amtswohnung, sei es einer Wohnungszulage als ad personam bewilligt zu betrachten ist, vorbehaltlich einer neuen Schlußfassung im Falle des Wechsels in der Person des Präsidenten. Nachdem noch der k g 1. u n g . Finanzminister das Ersuchen stellt, der gemeinsame Finanzminister möge in Hinkunft bei der Verbesserung der Avancementsverhältnisse im gemein¬ samen Finanzministerium darauf Rücksicht nehmen, daß eine im Verhältnisse zu dem kleinen Status allzu günstige Regelung im Hinblicke auf die anderen Zen¬ tralstellen vermieden werde, wird die Beschlußfassung über das Zollgefällspräli- minare, welche jetzt erfolgen sollte, in suspenso belassen. Es ergreift hierauf der Kriegsminister das Wort und erläutert zu¬ nächst an der Hand des Summars die Anforderungen seines Normalbudgets.7 Er fügt dem hinzu, er müsse pflichtgemäß erklären, daß jetzt nach Annahme der Wehrreform der deplorable Zustand des gemeinsamen Heeres in personeller Hin¬ sicht eine Remedur erfahren werde,8 daß aber der materielle Zustand ein derart bedenklicher geworden sei, daß es ganz unverantwortlich wäre, ihn noch länger belassen zu wollen. Er habe auf diesen Umstand in seinem, im Dezember vorigen Jahres gehaltenen Expose mit voller Deutlichkeit hingewiesen9 und die bestehen¬ den Zustände noch relativ in einem günstigen Lichte dargestellt. Hier aber, in engem Kreise, der zu voller Verschwiegenheit verpflichtet sei, werde er die voll¬ ste Wahrheit sagen. In Anbetracht der hohen Persönlichkeiten, zu denen er spreche, gebe er sich der Überzeugung hin, daß selbst unerwünschte Mitteilungen volle Würdigung Das Summar mit dem detaillierten Voranschlag des Kriegsministeriums siehe u. a. in Fa., FM., Präs. 1333/1912. Auffenberg bezieht sich auf das neue Wehrgesetz, in Cisleithanien Gesetz v. 5. 7. 1912, RGBl. Nr. 128/1912, in Ungarn GA. XXX/1912. Das Expose Aujfenbergs, das er in des ungarischen Delegation am 28. 12. 1911 gehalten hatte, Fester Lloyd (MB.) v. 29. 12. 1911 1 f. <pb/>464 Nr. 30 Gemeinsamer Ministerrat, Wien, 8. und 9. 7. 1912 erfahren werden. Zunächst wolle er eine kurze Orientierung über die allgemeine militärpolitische Lage geben. Man müsse mit Gegnern rechnen, die an unserer Südwestfront und mit sol¬ chen, die an unserer Nordostffont auftreten können. In beiden Fällen sei aber mit nahezu apodiktischer Sicherheit anzunehmen, daß an unserer Südfront Serbien und Montenegro sich unseren Hauptgegnem anschließen, ja diese Aktion wahr¬ scheinlich schon früher als diese eröffnen werden, um möglichst viele Kräfte von jenen Räumen abzuziehen, in denen die großen Entscheidungen fallen werden. Nun werde es der Monarchie ja hoffentlich erspart bleiben, daß die Gefahr von Südwest und Nordost gleichzeitig auftritt, denn dies wäre ein Fall, der mit unse¬ ren militärischen Mitteln überhaupt nicht zu lösen wäre, denn, wie sich die Ver¬ hältnisse im Laufe der letzten drei Jahre entwickelt haben, könnte uns hiebei Deutschland nur im geringen Grade eine wirkliche Hilfe bringen. Redner führt dies des näheren an der Hand der Karte aus und sagt, er nehme - was eigentlich nicht sein sollte - für seine weiteren Kalküle den relativ günstigen Fall an, daß wir es nur mit einem unserer Hauptgegner zu tun hätten. Gdl. v. Auffenberg erklärt nun im allgemeinen das Kräfteverhältnis, wobei er zu dem Schlüsse kommt, daß wir in beiden Fällen erheblich in der Minderheit seien und erwähnt, daß insbesondere Serbien und Montenegro seit der Annexi¬ onskrise die gewaltigsten Anstrengungen gemacht haben. Im Oktober 1908 konn¬ te Serbien eine, höchstens zwei Divisionen wirklich feldmäßig ausrüsten. Seither müssen wir mit zehn ganz entsprechend ausgerüsteten Divisionen rechnen. Was nun die organisatorischen und materiellen Seiten betreffe, so sehe es in dieser Richtung bei uns recht ungünstig aus, und zwar sei es namentlich die Ar¬ tillerie, die nach Zahl, speziell aber auch nach Qualität der Bewaffnung als unzu¬ reichend bezeichnet werden müsse. Der Kriegsminister weist dies an der Hand einer Tabelle nach. In seiner Rede fortfahrend, erklärt der Kriegsminister, daß ein Normalmaß an Geschützen nicht gut anzugeben sei, da die Verhältnisse des betreffenden Kriegs¬ schauplatzes zu sehr mitsprechen, doch könne man immerhin als Mindestmaß per Division die Zahl 48 bezeichnen, wobei die schwere Artillerie des Feldheeres noch nicht eingerechnet sei. Von diesen 48 Geschützen sollen nach den dermali- gen taktischen Anschauungen zirka die Hälfte aus Kanonen, die andere Hälfte aus Haubitzen bestehen. Bei uns seien von den tatsächlich vorhandenen 36 Ge¬ schützen 24 Feldkanonen, 12 Haubitzen. Nur erstere sind wirklich moderne Schnellfeuergeschütze. Um vollwertig oder wenigstens annähernd vollwertig da¬ zustehen, müßten wir also 12 Haubitzen per Division durch neue ersetzen, das heißt die bestehenden zwei Haubitzbatterien umbewaffhen und zwei andere Bat¬ terien neu aufstellen. Diese Forderung habe sein Amtsvorgänger gekannt und ge¬ würdigt, aber leider nicht geltend gemacht. Hinsichtlich der Landwehrartillerie sollten in Österreich mindestens 48, in Un¬ garn mindestens 42 Batterien bestehen. Nun existieren aber in Österreich nur 16 Batterien, in Ungarn auch nicht ein Geschütz. <pb/>Nr. 30 Gemeinsamer Ministerrat, Wien, 8. und 9. 7. 1912 465 Dies seien ganz gewaltige Rückständigkeiten, deren man sich ganz bewußt schuldig macht und wenn sich in absehbarer Zeit daraus die natürlichen Konse¬ quenzen ergeben sollten, so dürfe man dann niemand anderen als sich selbst die Schuld zuschreiben. Damit seien aber unsere artilleristischen Rückständigkeiten noch lange nicht erschöpft. Wir haben noch solche in der Gebirgsartillerie, in der schweren Artil¬ lerie des Feldheeres und in der Angriffsartillerie gegen moderne Panzerforts. Der Kriegsminister legt nun die diesbezüglichen Details vor und kommt dann auf ei¬ nen erforderlichen Fortifikationskredit zu sprechen. Ein solcher sei in der Höhe von 155 Millionen vom früheren Chef des Generalstabes angesprochen, allein a limine abgelehnt worden.10 In dem Ausgestaltungskredite wurden relativ ganz kleine Posten, pro Jahr zirka 5 Millionen Kronen, eingestellt. Die Folge davon sei, daß die Nordostfront gänzlich außer Betracht gestellt erscheint und nur an der Südwestfront, dann an der montenegrinischen Grenze einiges begonnen wurde. Der Kriegsminister begründet die bezüglichen Anforderungen, welche er mit 55 Millionen beziffert, in ausführlicher Weise. Er bespricht dann die Schaffung einer Luftflotte mit einem Kostenaufwande von 25 Millionen, so daß einschließlich der Kosten für die Artillerie per 170 Millionen eine Gesamtsumme von 250 Millio¬ nen resultiere. Er habe überall nur Mindestmaße eingestellt und müsse betonen, daß wir in Bewaffhungsfragen und organisatorischen Ausgestaltungen gewisser¬ maßen nie vorangehen sondern den anderen nur folgen, wenn es direkt ganz un¬ ausweichlich geworden ist. In Serbien habe man soeben 21,5 Millionen für Rü¬ stungszwecke bewilligt. Im Verhältnisse hiezu müßten wir 500 Millionen anfordem. Rußland habe ein Flottenprogramm mit einem Aufwande von 1200 Millionen aufgestellt. Er könne hier nur wiederholen, was er in den Delegationen im Monat Dezem¬ ber v. J. sagte, daß wir nämlich seit dem Jahre 1867 relativ noch nie so schlecht standen wie jetzt, da selbst die aus der Wehrreform resultierenden Vorteile sich frühestens in zirka drei Jahren geltend machen werden. Er müsse in aller Aufrich¬ tigkeit sagen, daß, wenn ihn der Ah. Herr oder der verantwortliche Leiter der äußeren Politik dezidiert fragen sollten, ob wir gegebenen Falles im Stande wä¬ ren, einen großen Krieg zu führen, er es nur zu verneinen vermöchte. Würde uns der Krieg aufgezwungen werden, so könne er die Chancen desselben für uns kaum höher als 2 : 3 stellen. Es wäre daher ganz und gar imverantwortlich, die Dinge so zu belassen wie sie sind. Der Kriegsminister bespricht sodann das Projekt zur Lösung der Unteroffi¬ ziersfrage.11 10 Siehe dazu GMR. v. 26. 2. 1911, GMKPZ. 486. ii Mit Schreiben (Kopie) v. 1. 6. 1912 hatte Auffenberg beiden Ministerpräsidenten das Projekt zur Lösung der Unteroffiziersfrage übermittelt, die Mehrausgaben im Jahr 1913 von drei Millionen K vorsahen, Ka., KM., Präs. 5102/1912,26-12/11/1912. Die entsprechende Studie <pb/>466 Nr. 30 Gemeinsamer Ministerrat, Wien, 8. und 9. 7. 1912 Der k. k. Finanzminister befaßt sich mit diesem Projekte und erläutert dasselbe in der Richtung, daß es aus zwei Gruppen besteht, auf welchen Gruppen 50 Vorschläge basiert seien. Einer Reihe derselben könne zugestimmt werden, gegen eine andere lägen starke Bedenken vor und zur dritten würden Gegenvorschläge gemacht werden. Die Sache sei also sehr kompliziert und er heute nicht in der Lage, sich meritorisch zu äußern. Er schlage daher vor, daß ein Komitee bestehend aus den Vertretern der beiden Finanzministerien, der beiden Landesverteidigungsministerien und des Kriegsministeriums sofort einbemfen werde, welches ein Elaborat auszuarbeiten und den Ministem zur Genehmigung zu unterbreiten habe. Der kgl. ung. Finanzminister schließt sich den Erklämngen seines österreichischen Kollegen an, wonach auch er gegenwärtig nicht in der Lage sei, sich meritorisch zu äußern. Man müsse auch die Rückwirkung auf die Gendarmerie, die Finanzwache und so weiter in Betracht ziehen. Das vorliegende Programm gehe viel weiter, als im Motivenberichte des Wehrgesetzes vorgese¬ hen. Vor 1 Vi Jahren habe man von 13 Millionen gesprochen, jetzt von 23. Man müsse der Kommission in dieser Richtung bestimmte Direktiven erteilen, die auf dem ursprünglichen Programme basieren. Er wirft ferner die Frage auf, ob nicht Unteroffiziere die Agenden von Subaltemoffizieren versehen könnten, so daß die Zahl dieser letzteren herabgesetzt zu werden vermöchte, was ihm anstrebenswert erschiene, nachdem wir die Kosten einer Verbesserung der Avancementverhält¬ nisse der Subaltemoffiziere und einer entsprechenden sozialen und finanziellen Hebung des Unteroffizierstandes sonst nicht bestreiten könnten. Mit einer Besse¬ rung der Avancementverhältnisse der Offiziere sei er ganz einverstanden, aber nur, wenn man den Stand der Offiziere verringere. Dies könne aber nicht in der Weise erfolgen, wie dies jetzt geschehen, wo man wohl die Zahl der Subaltemof¬ fiziere verringert, dafür aber neue Stabsoffiziersposten kreiert habe. Nach einer längeren Diskussion, in welcher der Kriegsminister darauf verwies, daß jetzt die Plätze an den Militärschulen um ungefähr 40 % verringert wurden, daß in diesem Jahre nur ungefähr die Hälfte jener Zahl an Offizieren und Kadet¬ ten ausgemustert werde wie früher, daß die Avancementverhältnisse bis zur ach¬ ten Rangsklasse sehr ungünstig seien, wird über Antrag Dr. v. Bilihskis beschlossen, in das Budget einen Betrag von zwei Millionen für die Unteroffizie¬ re des Heeres und eine Million für jene der Marine einzustellen, ohne daß hie¬ durch der künftigen Präliminierung präjudiziert werde. Der K r i e g s m i n i - ster wird die Einberufung des Komitees veranlassen.12 Die Sitzung wird hierauf um !4 2 Uhr unterbrochen. in ebd., Präs. 5103/1912, 26-12/12/1912. Mit Schreiben v. 3. 7. 1912 hatte Lukäcs mitgeteilt, die Stellungnahme der ungarischen Regierung in diesem Ministerrat mündlich bekanntzuge¬ ben, ebd., Präs. 6082/1912, 26-12/16/1912. Mit Schreiben (K.) v. 25. 3. 1912 an die gemeinsamen Minister und beide Ministerpräsiden¬ ten teilte Montecuccoli die Mehranforderungen der Marine zur Lösung der Unteroffiziersfra¬ ge in Höhe von 1,5 Millionen Kfür das Jahr 1913 mit, Ka., KM, MS., PK. IX-3/6-1347/1912. <pb/>Nr. 30 Gemeinsamer Ministerrat, Wien, 8. und 9. 7. 1912 467 Nach Wiederaufnahme der Sitzung um 4 Uhr ergreift der Chef des Ge¬ neralstabes das Wort und gibt Details über die allgemeine militärpoliti¬ sche Lage. Er schildert die militärischen Vorkehrungen der anderen Staaten und weist dar¬ auf hin, daß die Monarchie seit fast einem halben Jahrhundert in dieser Bezie¬ hung stillgestanden sei. Wohl seien die beiden Landwehren zu wertvollen Be¬ standteilen der Wehrmacht entwickelt worden,13 aber dabei sei dem Reiche das verloren gegangen, was in anderen Staaten mit Mühe und mit großen Kosten geschaffen und erhalten wird: Eine Reservearmee, die bei anfänglichem Mißer¬ folg, bei feindlicher Übermacht eine aussichtsvolle Fortsetzung des Kampfes ge¬ statten würde. Umso notwendiger sei deshalb bei uns die intensive Vervollständi¬ gung der 1. Linie, wie sie im allerbescheidensten Maße mit der Wehrreform angestrebt wurde. Was aber die Wehrreform der Armee nicht geben kann, das seien die teils fehlenden und unzureichenden, teils veralteten, rückständigen Kriegsmittel, für deren Ergänzung und Ersatz im notwendigsten Umfange die angeforderten Beträge dienen sollen. Es fehle uns an den notwendigsten Befesti¬ gungen in den Grenzräumen, um die Chancen des Erfolges gleich mit Kriegsbe¬ ginn zu bessern. Er verweist daraufhin, daß speziell Italien sich im Ausbau seiner Befestigungen einen großen Vorsprung gesichert habe. Er betont ferner, daß man heutzutage mit einem überraschenden Kriegsbeginn zu rechnen habe, daher hohe Stände und ein gut entwickeltes Eisenbahnnetz haben müsse, während wir niede¬ re Stände und zum Beispiel in Südtirol nur eine eingeleisige Bahn haben. Man müsse rasche Anfangserfolge erzielen und den Krieg in Feindesland tragen. Der Chef des Generalstabes hebt hervor, daß die Mängel und Rückständigkeiten un¬ serer Wehrmacht im Auslande weit besser bekannt seien als in den meisten nicht¬ militärischen Kreisen der Monarchie. FML. Schemua gibt noch einen histori¬ schen Rückblick auf unsere Rüstungsverhältnisse, erklärt, daß wir 1908 nicht bereit waren, aber sechs Monate Zeit hatten, während wir jetzt für eine plötzliche Eventualität versorgen sollten. Er schließt mit einem warmen Appell, die ange¬ forderten Mittel zu bewilligen. Es gelangt hierauf der Marinekommandant zum Wort, welcher zu¬ nächst auseinandersetzt, daß seine ursprüngliche Forderung pro 1911 das Verlan¬ gen nach einer Erhöhung um 6 V2 Millionen gewesen sei. Dies habe man ihm zu Das Komitee aus Vertretern des Kriegsministeriums, der Marinesektion, beider Landesver¬ teidigungsministerien und beider Finanzministerien beriet über die Unteroffiziersfrage in den Sitzungen v. 7. und 11. 9. 1912; die Kommissionsprotokolle in ebd., PK. K-3/6- 4625/1912. Am 20. 9. 1912 tagte zusätzlich eine Kommission von Vertretern der Marinesek¬ tion und beider Finanzministerien für spezielle Fragen der Marine, dies Protokoll in ebd., PK. IX-3/6--4286/1912. Bei der Ausgestaltung der Landwehren zu vollwertigen Bestandteilen der Wehrmacht ist be¬ sonders ihre Dotierung mit Artillerie zu erwähnen. Siehe dazu die GMR. v. 24. 4. 1904 III, Gmr. V, Nr. 55/2 und GMR. v. 5. 5. 1904 /////, ebd., Nr. 56/2 sowie ebd., Somogyi Eva, Ein¬ leitung GMR. V XLVII ff. <pb/>468 Nr. 30 Gemeinsamer Ministerrat, Wien, 8. und 9. 7. 1912 Beginn auch zugestanden. Er habe sich schließlich auf 4 V2 Millionen geeinigt. Dann sei eine Kommission zusammengetreten und er hätte nur 1 14 Millionen bekommen. Pro 1912 habe ihm der Kriegsminister noch 2 Millionen abgetreten,14 jetzt wolle er auch das nicht tun. Mit 4 14 Millionen wäre es bis jetzt gegangen, nun ginge aber auch dies nicht mehr. Er könne sich den Ausführungen des Kriegs¬ ministers und des Chefs des Generalstabes über die materiellen Verhältnisse nur anschließen, da bei der Marine die gleichen Verhältnisse bestünden. Graf Monte- cuccoli bespricht sodann die einzelnen Positionen seines Budgets und gibt aus¬ führliche Details über die Kosten und Beschaffung von Kohle und Naphta sowie über die Steigerung aller Preise. Er verweist ferner auf die Notwendigkeit eines entsprechenden Kohlenvorrates, welcher umso notwendiger sei, als er im Falle einer Mobilisierung gewiß nicht einmal auf eine Achse bei unseren Bahnen rech¬ nen könne, da alles für das Heer in Anspruch genommen werden wird. Schlie߬ lich erbittet er sich noch die Ermächtigung, die Zulagen für den neukreierten Flotteninspektor und seinen Stab zusammen per 11 932 Kronen in das Budget einstellen zu dürfen. Die Gagen werde er aus dem Virement decken. Der kgl. ung. Ministerpräsident möchte zunächst darauf aufmerksam machen, daß man bis jetzt ausschließlich vom militärischen Stand¬ punkte gesprochen habe, nicht aber vom innenpolitischen und finanziellen. Er glaube, daß auch darauf Rücksicht genommen werden müsse. Was die politische Lage betreffe, so verhalte sich die Sache folgendermaßen: Vor 2 Jahren habe man eine Vereinbarung getroffen und sich für 5 Jahre zu sehr hohen Summen verpflich¬ tet.15 Es habe kolossaler Anstrengungen bedurft, um die Legislative beziehungs¬ weise die Delegation zur Zustimmung zu bewegen. Diesen Körperschaften sowie dem großen Publikum seien alle Details mitgeteilt worden und man habe die Zu¬ stimmung nur erhalten, nachdem man feierlich erklärte, das fünfjährige Programm aufrechtzuerhalten und keine neuen Verpflichtungen zu übernehmen. Die Situati¬ on in Ungarn sei zwar keine glänzende, aber immerhin erträglich, wenn die Regie¬ rung keinen Fehler begeht. Es wäre aber ein sehr großer Fehler, wenn man der Opposition Gelegenheit gebe, den Vorwurf zu erheben, daß man seine Verspre¬ chungen nicht einhalte und neue Forderungen stelle. Was die finanzielle Seite be¬ treffe, so werde der Finanzminister sich darüber äußern, er müsse aber betonen, daß es nur mit äußerster Anstrengung möglich war, das Gleichgewicht aufrecht zu erhalten und die ungarische Regierung kaum in der Lage sein werde, neue Sum¬ men zur Verfügung zu stellen, wenn das Gleichgewicht erhalten bleiben soll. Geht dies verloren, so ist dies einer verlorenen Schlacht gleichzuhalten. Die Vereinbarungen seien in manchen Punkten nicht gehalten worden. Man habe neue Stellen kreiert, die Sanierungen nicht so vorgenommen, wie die Ver¬ pflichtungen lauten und dergleichen. Es sei kaum möglich, daß ein Ministerpräsi¬ dent, der als Finanzminister sich verpflichtet hat, ein fünfjähriges Programm ein- 14 Siehe dazuAnm. 12 des GMR. v. 6. 12. 1911, GMKPZ. 490. 15 Zum sogenannten Schönaichschen Pakt siehe GMR. v. 6. 1. 1911, GMKPZ. 484. <pb/>Nr. 30 Gemeinsamer Ministerrat, Wien, 8. und 9. 7. 1912 469 zuhalten, nach zwei Jahren davon absehe. Möglicherweise könne dies ein anderer tun, der sich nicht verpflichtet habe. Er sei gerne bereit, seinen Posten zu verlas¬ sen und einem anderen zu übergeben, der nicht engagiert sei, wobei er dahinge¬ stellt sein lassen wolle, welche Konsequenzen dies für die ganze Situation nach sich ziehen könnte. Freiherr v. Heinold bemerkt, man könne nicht leugnen, daß die neuen Forderungen eine Durchbrechung des in feierlicher Weise zustandegekom¬ menen Paktes bedeuten, wobei er die bezügliche Erklärung des Freiherm v. Bie- nerth in der Delegationssitzung vom 1. März 1911 verliest.16 Werden nun Lasten übernommen, die über dieses Faktum hinausgehen, so ergäben sich fürjede öster¬ reichische Regierung große Schwierigkeiten, zunächst den Delegationen gegen¬ über und dann später, wenn es sich um die Vorsorge für die Bedeckung des quo¬ tenmäßigen Mehraufwandes handeln werde, im österreichischen Reichsrate. Er weist ferner daraufhin, daß die Abgeordneten jetzt nach Hause zurückkehren und ihren Wählern nur die Wehrvorlage mitbringen, aber keine Gesetze über die Lo¬ kalbahnen, die soziale Versicherung und in der Beamtenffage etc. Sie werden einen schweren Standpunkt haben gegenüber den Radikalen. Wenn sie wieder ins Parlament kommen, sollen sie neue militärische Lasten vorfinden! Andererseits müsse man die bedeutsamen Erklärangen berücksichtigen, wel¬ che der Minister des Äußern, der Kriegsminister, der Marinekommandant und der Chef des Generalstabes abgegeben haben. Man müsse die Frage stellen, ob die politische Situation die Bewilligung der neuen Forderungen als unbedingt nötig erscheinen läßt und ob durch ein Unterlassen der projektierten militärischen Maßnahmen tatsächlich unsere Großmachtstellung gefährdet und somit eine kri¬ tische Situation für die Monarchie geschaffen werden könnte. Diese Frage erlau¬ be er sich daher an den Vorsitzenden und an den Kriegsminister zu richten. Er bitte um ein Ja oder Nein. In ersterem Falle glaube er, daß die österreichische Regierung dieses Abgehen vom Programme und somit die Übernahme neuer La¬ sten aus Rücksichten für die Monarchie werde vertreten müssen. Der Vorsitzende erwidert, die Situation sei heute anders als vor einem Jahr, die politische Lage müsse als eine prekäre bezeichnet werden, denn man könne, ohne es zu wollen, in den italo-türkischen Krieg hineingerissen werden. Für diesen Fall müsse man die Sicherheit haben, daß die Armee schlagfertig sei, was nicht der Fall zu sein scheine. Er wiederhole daher seinen dringenden Appell und glaube, man müsse den Parteien klaren Wein darüber einschenken, wie die Sache stehe, daß es sich um den Schutz des Lebens und des Eigentums handle. Der Kriegsminister verweist auf seine schon abgegebenen Erklä¬ rungen, wonach er die Frage, ob wir eintretenden Falles einen großen Krieg er¬ folgreich zu führen in Stande seien, entschieden verneinen müsse. 16 Gemeint ist die Erklärung Bienerths in der Beratung des Heeresausschusses v. 1. 3. 1911, Stenographische Sitzungsprotokolle der Delegation des Reichsrates 1911 584. <pb/>470 Nr. 30 Gemeinsamer Ministerrat, Wien, 8. und 9. 7. 1912 Freiherr v. Heinold zieht aus der Beantwortung seiner Frage den Schluß, daß die österreichische Regierung unter dem Drucke der auswärtigen Situation bereit sein müsse, die Forderungen zu bewilligen. Hiebei setze er aber voraus, daß der Minister des Äußern in der Delegation die Führer der Parteien vertraulich in gleichem Sinne informieren werde, da nur dann die Mehrfordemn- gen durchführbar wären. Hierauf ergreift der k . k . F i n a n z m i n i s t e r das Wort, um in länge¬ rer Rede seinen Standpunkt zu kennzeichnen. Ob man die Forderungen bewillige oder nicht, in jedem Falle übernehme man eine ungeheuere Verantwortung. Ver¬ weigere man die Forderungen, so trage man eine große Verantwortung, falls eine Komplikation eintrete; bewillige man sie, so trüge man eine große Verantwortung vom Standpunkte der Staatsfinanzen, denn die finanzielle Lage habe sich seit zwei Jahren nicht zum besseren gewendet. Man müsse sich für die Zeiten der Gefahr nicht nur militärisch, sondern auch finanziell rüsten. Es sei die Frage, ob bei einer so raschen Entwicklung der militärischen Auslagen, bei dem schnellen Tempo, das man einschlage, nicht die finanzielle Schlagfertigkeit gefährdet sei. Sicher sei, daß wir heute finanziell nicht derart gerüstet sind, um auswärtigen Komplikationen Stand zu halten. Die Geldverhältnisse haben sich in ganz Europa sehr verschlechtert. Jede Ausgabe auf Kredit stelle sich höher als man sich vor zwei Jahren gedacht habe. Wir leben in einer Periode des steigenden Zinsfußes. Dies wolle er zur Rechtfertigung seines Standpunktes im allgemeinen voraus¬ schicken, wenn er sich auch sonst der Erklärung des Freiherm v. Heinold an¬ schließe, wonach die österreichische Regierung unter dem Drucke der auswärti¬ gen Situation bereit wäre, die Verantwortung für größere Mehrauslagen zu übernehmen. Die Kriegsverwaltung verlange für die Artillerie, für Befestigungen und für eine Luftflotte einen außerordentlichen Kredit von 250 Millionen. Man könne diesbezüglich eine neue Vereinbarung abschließen, man dürfe aber das bestehende Abkommen nicht durchbrechen. Es sei daher alles zu vermeiden, was in direktem Widerspruche zu den Vereinbarungen steht. Man müsse die Sache als etwas darstellen, was nicht voraussehbar war, demnach als ein vollkommenes Novum. In die Details eingehend, erklärt Ritter v. Zaleski, daß gegenüber der vereinbarten Steigerung von 19 Millionen die Kriegsverwaltung eine Erhöhung von 42 Vz Millionen, daher um 23 Vi Millionen mehr verlange, darunter 4 Millio¬ nen für gewisse Sanierungen. Dies könnte er nicht vertreten, denn hiefur wäre in den Ausführungen des Ministers des Äußern keine Rechtfertigung zu finden. Vielleicht werde man für die Gründe des 250 Millionenkredites Glauben finden, den Standpunkt des Ministers des Äußern könne man aber nicht für die direkte Verletzung der Vereinbarungen heranziehen. In allen Zweigen der Verwaltung müsse man auf Steigerungen Bedacht nehmen beziehungsweise für dieselben versorgen und dies war auch bei dem Abschlüsse der Vereinbarungen vorausge¬ sehen. Wenn trotzdem zwingende Verhältnisse eine Überschreitung hervorrufen, so gehöre diese in die Schlußrechnung, aber nicht in das Budget. Es sei ein fünf- <pb/>Nr. 30 Gemeinsamer Ministerrat, Wien, 8. und 9. 7. 1912 471 jähriges Programm für die Sanierungsaktion aufgestellt worden, man scheine dasselbe aber nicht durchgetuhrt, sondern namentlich im ersten Jahre einen zu großen Schritt in der Richtung der Heeresreform gemacht zu haben, daher kämen jetzt die Diffikultäten. Was die Marine anbelangt, so begreife er, daß der Marine¬ kommandant nachzuweisen versuche, die Schlagfertigkeit der Flotte sei nicht auf jener Höhe wie wir es wünschen. Man werde uns aber den Vorwurf machen, daß die Ausführung des 312 Millionenprogrammes nicht nach Treu und Glauben vor sich gehe, daß man sich nicht mit der zugestandenen Globalsumme begnüge, sondern über dieses Programm hinaus noch als Ersatz eines Schiffes der Mon¬ arch-Klasse einen weiteren Dreadnought bauen wolle. Es sei eine politische Notwendigkeit, sich im Normalbudget an die Vereinba- mngen zu halten und deshalb müsse er sich gegen die Einstellung der Kosten ei¬ nes Dreadnoughts in das Normalbudget aussprechen. Diese Anforderung müßte im Wege eines außerordentlichen Kredites analog wie die 250 Millionen Kronen zur Geltung kommen. Hiebei sehe er vorläufig von der Frage ab, ob wir in der Lage seien, dieser Anforderung im Prinzipe zuzustimmen, nachdem erst vor kur¬ zem für Heereszwecke nahezu 800 Millionen bewilligt worden seien. Der Kriegsminister erwidert hierauf, daß er sich vollkommen im Rahmen des kontingentierten Budgets gehalten habe; da aber alles teurer gewor¬ den sei und der Bedarf für die Versorgungsgenüsse gewachsen ist, so mußten Sanierungen im Betrage von vier Millionen eingestellt werden. Das sei eine force majeure. Er könne doch nicht bestehende Abteilungen auflösen, nur um sein Bud¬ get einzuhalten. Der kgl. ung. Finanzminister verweist darauf, daß aus den im Jahre 1910 bewilligten Mehrkrediten nicht nur die budgetären Sanierungen von damals nicht ausreichend dotierten Präliainarposten zu bestreiten waren, sondern auch die Verpflichtung für die Zukunft übernommen wurde, für weitere Preisstei- gerungen vorzusorgen; deshalb könne er sich dem österreichischen Finanzmini¬ ster hinsichtlich der eventuellen Indemnisierung im Wege der Schlußrechnung seinerseits nicht anschließen. Aber selbst wenn man die einschlägige Bestim¬ mung so interpretieren wollte, daß es sich nur um jene Sanierungen im Budget gehandelt habe, welche man schon damals kannte, so müsse er leider konstatie¬ ren, daß dem nicht einmal entsprochen wurde, wie man aus dem Vergleiche der Schlußrechnungen pro 1909 und den Voranschlägen pro 1912 und 1913 ersehen könne. Schon das Budget 1912 entspricht nicht dem Programm, es sei wohl zif¬ fermäßig richtig, nicht aber inhaltlich. Die Endsummen des Kriegs- und des Ma¬ rinebudgets klappen wohl, es sei aber nichts gestrichen worden, im Gegensätze zu den Intentionen der betreffenden gemeinsamen Ministerkonferenz. Sanierun¬ gen seien entweder gar nicht oder nur mit geringen Quoten eingestellt. Dagegen wurde das Jahr 1913 schon im voraus mit hohen Quoten belastet. Hiedurch ent¬ standen Schwierigkeiten. Die Finanzminister konnten nichts machen, da ihnen im Widerspruche zu der Bestimmung des Punktes 11 der Vereinbarungen die <pb/>472 Nr. 30 Gemeinsamer Ministerrat, Wien, 8. und 9. 7. 1912 Budgetvorlagen erst im letzten Momente zugingen.17 Im Marinebudget pro 1912 sei nicht einmal für die Rekrutenerhöhung vorgesorgt und wolle sich der Marine¬ kommandant die bezüglichen Kosten im Wege eines Nachtragskredites beschaf¬ fen, was ebenfalls gegen die Vereinbarungen sei. Die Ursache der jetzigen Schwierigkeiten liege in der fehlerhaften Budgetierung des Vorjahres. Redner führt weiters an, daß die Marine schon vom Jahre 1914 an 2000 Rekruten bean¬ spruche, während ihr nur 1500 zugestanden seien und die erhöhte Zahl erst für später vorgesehen sei. Ebenso gehe die Marine beim Baue der Schiffe über das Programm hinaus insofeme, als die Bauten in einem schnelleren Tempo, wie vor¬ gesehen, durchgeführt werden. Die wirtschaftliche Situation einer Großmacht sei ebenso wichtig wie die Kriegsbereitschaft und werde letztere zu weit geführt, so werde auch die wirtschaftliche Situation gefährdet. Die ungarische Regierang bedürfe jetzt 250 Millionen - die mittelst Kreditoperation beschafft werden müs¬ sen - zur Bedeckung von bereits übernommenen Verpflichtungen. Hiezu kom¬ men noch die Bedürfnisse Österreichs und Bosniens. Diese Anforderungen wer¬ den den Effektenmarkt derart belasten, daß er weitere Engagements nicht übernehmen könne, zumal er heute nicht wisse, ob er auch nur die 250 Millionen bekommen werde. So lange die politische Situation der jetzigen gleiche, wisse man nicht, wie man die Kreditbedürfhisse decken soll. Deutschland brauche sein Geld für die eigene Industrie und Armee und das genüge kaum. Aus Frankreich und anderen kapitalsreichen Ländern sei nichts zu bekommen und diese schlech¬ te Situation würde durch weitere Rüstungen nur verschärft werden. So sei zum Beispiel vom Momente des Bekanntwerdens unseres Marineprogrammes der französische Markt nicht nur unseren Staatspapieren sondern auch anderen unse¬ rer Werte verschlossen worden. Wenn man die uns zur Verfügung stehenden oh¬ nehin geringen Kapitalien zu Rüstungszwecken benütze, so werden dieselben volkswirtschaftlichen Investitionen entzogen und wir werden dadurch für spätere Rüstungen geschwächt. Der Chef des Generalstabes habe unter anderem auf den schlechten Zustand unserer Straßen hingewiesen. Dieser sei jedoch durch den Mangel an Geld verursacht, ebenso wenig Geld habe die ungarische Regierung für die Beamten und Lehrer, welche noch immer weitaus schlechter gestellt seien als in Österreich. Höhere Kredite zu gewähren, als im Programme vorgesehen, halte er wirtschaftlich für ausgeschlossen. Es liege dies aber auch nicht im Inter¬ esse der Großmachtstellung. Der Chef des Generalstabes habe sich darauf beru¬ fen, daß wir 1908 nicht gerüstet gewesen seien; dies sei aber finanziell noch we¬ niger der Fall gewesen, wie ihm Dr. von Billftski bestätigen werde. Wo es sich doch nur um einen Krieg gegen Serbien gehandelt hätte, wären wir schon im er- Mit Schreiben v. 31. 5.1912 hatte Auffenberg Teleszky und Zaleski ein knappes Voranschlags- summar des Kriegsministeriums pro 1913 zukommen lassen. In seiner Antwort (K.) v. 24. 6. 1912 forderte Zaleski von Auffenberg einen detaillierten Budgetentwurfein, Fa., FA., Präs. 1116/1912. Diesen übersandte Auffenberg Zaleski und Teleszky mit Schreiben v. 27. 6.1912, ebd., Präs. 1333/1912. <pb/>Nr. 30 Gemeinsamer Ministerrat, Wien, 8. und 9. 7. 1912 473 sten Monate gezwungen gewesen, die österreichisch-ungarische Bank zu verhal¬ ten, Wechsel der Großbanken ohne Deckung zu übernehmen, da eine andere Art der Geldbeschaffung für die Mobilisierung uns nicht zur Verfügung stand. Es sei charakteristisch, daß die Hauptstadt Budapest, um sich Geld zu beschaffen, keine fundierte Anleihe plazieren konnte und einjährige Schatzscheine ausgeben mu߬ te, deren Valuta aus Amerika kam, da man in Europa kein Geld fand. Nach den Worten des Vorsitzenden sei die Situation jetzt eine prekäre. Da aber die Durchführung der projektierten Maßnahmen zwei bis drei Jahre erheische, während welcher Zeit die jetzige Situation sich entspannen kann, können die ge¬ planten Maßnahmen auf die gegenwärtige Situation nicht von Einfluß sein und daher noch verschoben werden. Dr. v. Bilihski reflektiert auf die Ausführungen des Vorredners, wel¬ cher in lichtvoller Weise seinen Standpunkt zum Ausdruck gebracht habe und dem er sich im allgemeinen anschließt; nur wolle er nicht denselben Schluß zie¬ hen wie jener. Es herrsche allerdings eine Versteifung der Märkte, was wohl unter anderem auf das wahnsinnige Börsespiel zurückzuführen sei. Wenn der ungari¬ sche Finanzminister jetzt 250 Millionen emittieren müsse, so könne er ihm nicht glauben - er bitte diesbezüglich um Entschuldigung -, daß er nicht auch noch 30 bis 40 Millionen beziehungsweise 2 Millionen Zinsen aufbringen könne. Zugege¬ ben, daß die Gefahr imminent, die Durchführung der Maßnahmen aber erst in zwei bis drei Jahren vollendet sein könne, so sei doch zu bedenken, daß man ir¬ gend einmal doch anfangen müsse und je später wir anfangen, desto später wer¬ den wir fertig. Wenn wir schlecht bewaffnet sind, wird es uns schlecht gehen, das läßt sich nicht leugnen. Man habe ungezählte Millionen hinausgeworfen; er wol¬ le sich diesbezüglich nicht weiter auslassen, aber sicher sei doch, daß man jetzt auch Geld für so eminente Notwendigkeiten aufbringen müsse. Redner sei gleich¬ falls der Meinung, daß man am Normalbudget keine Steigerung vornehmen dür¬ fe. Der 250-Millionenkredit entspreche aber nur der Tatsache, daß wir unbewaff¬ net sindund niemand die Verantwortung für eine weitere Unterlassung übernehmen könne. Er richte daher die dringende Bitte an beide Regierungen, diesem Kredite zuzustimmen. Der Kriegsminister sagt, daß die Gesamtauslagen der Armee nie mehr als 12% des Gesamtbudgets betragen haben. Man verlange nichts Personel¬ les, sondern nur die Mittel für die Kriegführung. Für andere Zwecke, Gehaltser¬ höhungen usw. haben die Parlamente die Gelder anstandslos bewilligt. Der kgl. ung. Finanzminister bittet von Vergleichen abzuse¬ hen. Auch aus den Perzentverhältnissen dürfen keine Schlüsse gezogen werden. Was die Bemerkung des Kriegsministers betreffe, daß Gelder zu anderen Zwek- ken bewilligt worden seien, so wären in Ungarn Gehaltsaufbesserungen nur in allerletzter Zeit und hauptsächlich deshalb vorgenommen worden, um die Anne¬ xionsauslagen beziehungsweise die Wehrvorlagen durchsetzen zu können. Die ungarischen Beamten stehen materiell noch immer schlechter als die österreichi¬ schen oder die Gleichgestellten im Heere. <pb/>474 Nr. 30 Gemeinsamer Ministerrat, Wien, 8. und 9. 7. 1912 Der k. k. Finanzminister möchte nur bemerken, die Auslagen, auf welche der Kriegsminister angespielt habe, seien, was Österreich betreffe, noch nicht gemacht worden, es handle sich da ja nur um Projekte, welche die Regierung durchzuführen nur dann in der Lage wäre, wenn die Steuerreform vo¬ tiert wird. Bis dahin bleibt alles, Lokalbahnen, Wasserstraßen, Beamtengehaltser¬ höhungen, in suspenso. Der Vorsitzende will auf eine Bemerkung hinweisen, die er im Proto¬ kolle vom 6. Dezember 1911 gefunden. Damals habe sein Amtsvorgänger erklärt, die Gefahr sei keine imminente. Es wurden sonach die Forderungen der Kriegs¬ verwaltung abgelehnt. Jetzt werden sie wieder abgelehnt, weil die Situation eine prekäre sei und man glaube, nicht rechtzeitig fertig zu werden. Hätte man aber damals die Konsequenzen gezogen, so wäre man heute schon ein tüchtiges Stück vorwärts gekommen und könnte mit mehr Zutrauen der bedrohlichen Zukunft entgegensehen. Er müsse konstatieren, daß er auf die Gefahr aufmerksam ge¬ macht habe und ihn sonach keine Verantwortung treffen könne. Der k. k. Finanzminister bittet zur Kenntnis zu nehmen, daß die österreichische Regierung im Dezember v. J. nicht gesagt habe, daß sie die ver¬ langten Summen nicht bewillige, weil die Gefahr nicht imminent sei; sie habe sich ausschließlich durch die politische Lage beeinflußen lassen und sich an die Worte des damaligen Ministers des Äußern gehalten. Heute nimmt der gegenwär¬ tige Minister des Äußern einen anderen Standpunkt ein, deshalb glaube die öster¬ reichische Regierung genügende Motivierung zu haben, um zu versuchen, die Sache zu vertreten. Der kgl. ung. Finanzminister gibt seiner Meinung dahin Aus¬ druck, daß, wenn die beantragten Maßnahmen sofort getroffen werden könnten, die Sache anders liegen würde. Die Situation habe sich allerdings verschlechtert, es bestehe die Gefahr, daß wir jetzt hineingezogen werden; das rechtfertige aber nicht die Notwendigkeit von Auslagen für Kanonen, die erst in zwei bis drei Jah¬ ren fertig werden. Der Vorsitzende gibt zu bedenken, daß der russisch-türkische Krieg, wo sich die beiden Gegner anpacken konnten, zwei Jahre gedauert habe. Der jetzige Krieg, wo dies nicht zutreffe, könne sich umso länger hinausziehen und die Großmächte könnten auch in einem späteren Termine hineingezogen werden. Warm und ob eine Gefahr akut werde, lasse sich natürlich nicht voraus bestim¬ men, deshalb bitte er dringend, die Anträge der Kriegsverwaltung anzunehmen. Der gemeinsame Finanzminister schließt sich dem mit den Worten an: ,,Wir sind in Gefahr. Wir haben erfahren, daß wir keine Artillerie ha¬ ben, daher müssen wir Kanonen anschafifen." Der kgl. ung. Ministerpräsident verkennt nicht die Richtig¬ keit der vorgebrachten Argumente, erklärt aber, aus innerpolitischen Gründen außer Stande zu sein, seinen Standpunkt aufzugeben. Schluß der Sitzung Vt 9 Uhr. <pb/>Nr. 30 Gemeinsamer Ministerrat, Wien, 8. und 9. 7. 1912 475 Fortsetzung der Sitzung am 9. Juli 1912. 10 Uhr 45 Minuten vormittags. Der kgl. ung. Ministerpräsident, welcher die ungeheuere Wichtigkeit der An¬ gelegenheit nicht verkennt, kann aus Rücksichten auf die innere politische Lage seinen gestern eingenommenen Standpunkt nicht aufgeben. Er gibt namens der kgl. ung. Regierung folgende Erklärung ab: ,,I. Das normale Budget muß den Bedingungen des 1910er Übereinkommens entsprechend zusammengestellt werden. Eine Abweichung hievon kann nur in¬ folge erwiesener nach dem Jahre 1912 eingetretener Preiserhöhungen zugestan¬ den werden. II. Die kgl. ung. Regierung hat prinzipiell keine Einwendung gegen die Lösung der Unteroffiziersfrage auf Grund des mitgeteilten und noch durchzuberatenden Elaborates, hält jedoch eine bedeutende Restriktion der geplanten Kosten (Heere- sordinarium 23,3 Millionen, Marineordinarium 3 Millionen) für notwendig. III. Betreffend die außerordentlichen Artillerie- und Fortifikationskredite konnte die ungarische Regierung die Überzeugung von der unaufschiebbaren Dringlichkeit und Zweckmäßigkeit der geplanten Verfügungen nicht gewinnen; da sie dagegen von deren gefährlicher Konsequenz aufdie innere Politik Ungarns vollkommen überzeugt ist und nicht hoffen kann, daß die parlamentarische Ord¬ nung in Ungarn hergestellt werden könne, wenn neue Rüstungen beschlossen würden, im Gegenteil von einer solchen Maßnahme auch eine ungünstige Rück¬ wirkung auf die Regierungspartei zu befürchten wäre, ist sie derzeit nicht in der Lage, die Verantwortung für diese Maßnahme zu übernehmen und sie in den De¬ legationen und im Parlamente zu vertreten." Freiherr v. Heinold gibt seinerseits die Erklärung ab, daß die öster¬ reichische Regierung, wie er bereits gestern gesagt hat, angesichts der Erklärun¬ gen des Ministers des Äußern und des Kriegsministers trotz aller Schwierigkeiten in der Frage der Neubewaffhung der Artillerie und der Befestigungsbauten etc. etc. bereit wäre, vorbehaltlich der Prüfung einzelner Posten die Sache zu vertre¬ ten. Was das Normalbudget betreffe, müsse jedoch dem Wesen nach am Faktum festgehalten werden. In der Unterofifiziersfrage bestehen prinzipiell keine Schwie¬ rigkeiten. Der kgl. ung. Finanzminister konstatiert, daß im Normalbud¬ get des Heeres für die Naturalverpflegung pro 1913 rund nur 50 Millionen präli- miniert sind, während dieselbe 1909 laut den Schlußrechnungen 58 'A Millionen, 1910 nach den Gebahrungsrechnungen 57 Millionen gekostet habe. Es müsse daher noch ein Betrag von ungefähr 7 V2 Millionen aus dem Budget zu Sanie¬ rungszwecken herangezogen werden. Was die Marine betreffe, so sei zu bemer¬ ken, daß dieselbe eine bedeutende Erhöhung der laufenden Auslagen vorgenom¬ men habe, das heißt sich in größerem Maße entwickle, als im Sinne des Programmes gelegen sei. Wenn man, um ziffermäßig die Vereinbarungen einzu¬ halten, den Titel 7 durch Herausnahme der Kosten des Dreadnought auf 6 Millio- <pb/>476 Nr. 30 Gemeinsamer Ministerrat, Wien, 8. und 9. 7. 1912 nen restringiere, das Präliminare der laufenden Auslagen jedoch unberührt lasse, so bedeute dies: 1. die Erhöhung der laufenden Auslagen über das Programmäßige und 2. die voraussichtliche Inanspruchnahme eines außerordentlichen Kredites für Ersatzbauten oder eine Krediterhöhung in der Zukunft. Trotzdem sehe er ein, daß quoad Marine etwas geschehen müsse. Wenn man einerseits der Marine 4 Dread¬ noughts bewillige und ihr andererseits nur eine jährliche Erhöhung des Budgets y2von 1 Millionen zugestehe, so könne letzteres unbedingt nicht genügen. Dem stehe aber entgegen, daß wir durch das fünfjährige Programm gebunden sind. Die Schwierigkeit stammt hier auch daraus, daß das Budget pro 1912 nicht den Ver¬ einbarungen entsprach. Vor Beendigung des Dreadnought-Programmes können keine neuen außerordentlichen Kredite für Schiffsbauten bewilligt werden. Ande¬ rerseits muß betont werden, daß, wenn mit so großen Einheiten gerechnet werden müsse, wie der Marinekommandant in Aussicht nimmt, 10 oder 20 Millionen jährlich dann nicht genügen, da der Ersatz einer Dreadnought-Division erst in zwölf Jahren erfolgen würde und ein Schlachtschiff bei dem heutigen Stande der Technik in zehn Jahren nicht mehr viel taugen wird. Er sei der Meinung, daß man für neue Dreadnoughts vor 1916 keine Kredite bewilligen könne. Dies müsse er betonen, wenn man bei Titel 7 Streichungen vornehmen will. Da jedoch kein anderer Ausweg offen steht, beantragt er 1. im Kriegsbudget 7 Millionen zu streichen und Sanierungszwecken zuzu¬ führen, 2. im Marinebudget den Dreadnought zu streichen und dafür 4 Millionen für Vergrößerung des Kohlenvorrates oder für das schwere Dock zu verwenden. Der Marinekommandant hat ein Programm für einen außerordent¬ lichen Kredit von 113 Millionen zusammengestellt, wovon er die erste Rate mit 29 Millionen in Anspruch nehmen würde; er glaube jedoch, daß ein solcher Kre¬ dit nach außenhin unangenehm berühren würde und für die politische Lage je¬ denfalls gefährlich sei. Dem ungarischen Finanzminister müsse er erwidern, daß Bauten mit großen Unterbrechungen nicht geführt werden können, auch gingen die meisten beteiligten Etablissements zugrunde, namentlich der ,,Danubius". Wenn er jährlich eine Steigerung von 6 54 Millionen bekomme, könne er sich zufriedengeben. Was aber die Streichung der Auslagen für den Dreadnought betreffe, so müsse er an Ah. Stelle melden, daß er dem nicht zustimmen könne. Sollte Se. Majestät dem Beschlüsse der Ministerkonferenz die Ah. Genehmigung erteilen, so werde er sich natürlich fügen.18 Mit Schreiben (K.) v. 10. 7. 1912 bat Montecuccoli Berchtold eine diesbezügliche Allerhöch¬ ste Willensäußerung (...) gelegentlich der Vorlage des betreffenden Protokolles gefälligst hervorrufen zu wollen. Berchtold antwortete mit Schreiben v. 23. 7. 1912 Montecuccoli, daß er von einer Bitte um die Ah. Willensäußerung wegen des Marinebudgets vorderhand abse- hen zu müssen glaubte, beide Schreiben Ka., KM., MS., PK. XV-7/8/1912. <pb/>Nr. 30 Gemeinsamer Ministerrat, Wien, 8. und 9. 7. 1912 All Der k. k. Finanzminister fährt aus, daß nach seiner Meinung der Abschluß der Vereinbarungen vielleicht damals recht günstig war, um die außer¬ ordentlichen Anforderungen und das Wehrgesetz zu erhalten, es unterliege aber keinem Zweifel, daß das Abkommen für beide Teile eine schwere Kette bedeutet. Er für seine Person wäre übrigens geneigt, die 11 Bestimmungen des Paktes im liberalsten Sinne zu interpretieren. Auf eine Frage des Vorsitzenden erklärt Ritter v. Zaleski, daß auch er für die Streichung des 5. Dreadnoughts und des dazugehörigen Schwimmdocks im Nor¬ malbudget eintreten müsse, aber nur mit Rücksicht darauf, daß bei unserer finan¬ ziellen Lage derartige hohe Investitionen schwer im Wege des Ordinariums be¬ stritten werden können. Er sei daher der Ansicht, daß, wie er schon früher in Anregung gebracht habe, dieses Erfordernis analog mit den Ansprüchen des Kriegsministers betreffend die Artillerie, die Befestigungen und die Luftflotte zu behandeln sei. Der Kriegsminister, die Erklärung des kgl. ung. Ministerpräsiden¬ ten besprechend, erklärt sich damit vollkommen einverstanden, daß die Konse¬ quenzen der eingetretenen Preiserhöhungen ab 1912 nachträglich indemnisiert werden. Hinsichtlich der Unteroffiziersfrage nehme er den Wunsch nach Erspa¬ rungen zur Kenntnis, werde sich auch bemühen, in dieser Richtung das möglich¬ ste zu tun, glaube aber nicht an einen Erfolg. Was die Ablehnung des außeror¬ dentlichen Kredites betrifft, so müsse er konstatieren, daß in den von ihm erwähnten Belangen die Armee als nicht schlagfertig bezeichnet werden muß. Dr. v. Bilihski führt aus, daß über den außerordentlichen Kredit an¬ gesichts der Erklärung des kgl. ung. Ministerpräsidenten, aus innerpolitischen Gründen nicht zustimmen zu können, schwer zu debattieren sei. Was aber die Behauptung betreffe, daß die ungarische Regierung die Überzeugung von der unaufschiebbaren Dringlichkeit und Zweckmäßigkeit der geplanten Verfügungen nicht gewinnen konnte, so müsse er dem entgegenhalten, daß sowohl der Mini¬ ster des Äußern als der Kriegsminister die Situation als recht kritisch darstellten und daß, was den eventuellen Zeitpunkt des Beginnes der Anschaffungen betref¬ fe, unbedingt ein Fehlschluß vorliege, weil wir auf diese Weise nie eine Artillerie bekämen. Er möchte daher nochmals zu bedenken geben, ob wir unseren Ver¬ pflichtungen der Monarchie gegenüber nachkommen, wenn wir hören, daß wir keine Artillerie haben und nun resultatlos auseinandergehen. Zu den ungezählten Opfern, welche Dr. v. Lukäcs gebracht habe, möge er noch dieses eine bringen. Der kgl. ung. Ministerpräsident möchte zur Interpretation der Dringlichkeit nur sagen, daß nach dem Vörgebrachten die Gefahr eine immi¬ nente sei, während wir die neue Artillerie und die Befestigungen im besten Falle in zwei bis drei Jahren, also schon verspätet erhielten. Anläßlich des Abschlusses der Vereinbarungen war auch die Rede von Befestigungen und Artillerie und die Fachleute haben die bezüglichen Anforderungen fallen lassen. Schließlich müsse er auch seinen persönlichen Standpunkt kennzeichnen. Herr v. Bilinski sei gegen¬ wärtig als gemeinsamer Finanzminister in einer anderen Situation als wie damals <pb/>478 Nr. 30 Gemeinsamer Ministerrat, Wien, 8. und 9. 7. 1912 und stehe jedenfalls ganz anders der Delegation gegenüber wie Redner als Mini¬ sterpräsident und früherer Finanzminister. Auch Baron Heinold und Herr v. Zale- ski seien nicht exponiert, sie haben nicht geschworen, wie er dies habe tun müs¬ sen. Er persönlich habe sich für die strikte Einhaltung der Vereinbarungen verpflichtet und ungezählte Male deklariert, daß innerhalb der fünf Jahre keine neuen Anforderungen kommen werden. Handle er jetzt anders, so werde man ihn mit Recht des Wortbruches beschuldigen, er komme in eine schiefe Position und seine Stellung sei unhaltbar. Die Annahme des neuen Kredites würde auch einen furchtbaren Rückschlag auf die Majorität ausüben. Unter keinen Umständen sei er geeignet, die Sache zu vertreten. Der Vorsitzende will ein offenbares Mißverständnis bereinigen. Er habe nie gesagt, die Gefahr sei imminent. Wann und ob wir hineingezogen wer¬ den, könne man nicht wissen. Dies hänge ganz von der Dauer des Krieges ab. Der k. k. Finanzminister erklärt, daß die österreichische Regie¬ rung die Sache auffasse wie folgt: Die Vereinbarungen seien in Geltung und wir an dieselben gebunden. Nach österreichischer Auffassung verlange die öffentli¬ che Meinung eine entschiedene Politik und würde eine volle Passivität verurtei¬ len, in der wir verharren müßten, weil das Kriegswesen nicht auf der entspre¬ chenden Höhe sei. Der Minister des Äußern habe mitgeteilt, daß sich die Situation verschlechtert habe und deshalb haben wir zugestimmt. Wenn die Kriegsverwaltung heute nicht über die erforderliche Artillerie verfüge, so wäre sie doch in zwei Jahren in der Lage, darüber zu verfügen, und es erscheine ihm deshalb nicht unlogisch, Maßnahmen zuzustimmen, deren volle Wirkung wohl nicht momentan, aber doch in verhältnismäßig kurzer Frist zur Geltung komme. Der kgl. ung. Ministerpräsident begreift die Stellungnahme des österreichischen Ministeriums. Anders als in Österreich fasse man die Sache in Ungarn auf, wo ein großer Teil der Bevölkerung der Gemeinsamkeit nicht freundschaftlich gesinnt sei. Man habe das Wehrgesetz nur mit Gewalt durchge¬ bracht und herrsche jetzt noch große Aufregung. Darum müsse man abwarten, bis die Wogen sich geglättet hätten. Dann werde man vielleicht über die Sache reden können, heute aber sei seine innerste Überzeugung, daß man sie nicht durchfüh¬ ren könne. Freiherr v. Heinold verkennt nicht die schwere Lage der ungari¬ schen Regierung, aber auch in Österreich sei man nicht auf Rosen gebettet. Wenn wir uns trotzdem, sagte der Minister, zur Vertretung der außerordentlichen Kredi¬ te entschlossen haben, so liegt der Grund darin, daß wir, wie wir eben erfahren haben - mit einer gewissen Übertreibung gesprochen -, eine ,,Armee ohne Artil¬ lerie" haben. Nun stehen wir infolgedessen vor der Frage, ob wir als Großmacht kapitulieren sollen oder nicht. Sicher sei jedenfalls, daß, je länger wir ohne Artil¬ lerie bleiben, desto schlechter unsere Situation als Großmacht sein wird. Der kgl. ung. Finanzminister möchte noch darauf aufmerk¬ sam machen, daß man die extensive Ausbildung der Armee nicht forcieren solle, insolange deren intensive soweit zurück sei. <pb/>Nr. 30 Gemeinsamer Ministerrat, Wien, 8. und 9. 7. 1912 479 Der Kriegsminister widerspricht dem und tritt auch der Behauptung entgegen, daß wir ganz ohne Artillerie dastehen. Das habe er nie behauptet. Nur die Zahl und Qualität sei unzureichend. Es entspinnt sich nun eine lebhafte Diskussion, in deren Verlaufe Herr v. B i 1 i h s k i erwähnt, daß in den Jahren 1909 und 1910 von der Artillerie keine Rede gewesen sei und Graf Berchtold auf den deplorablen Eindruck verweist, den die Verweigerung dieser Kredite im Auslande hervorrufen müsse. Vielleicht, meint der Vorsitzende, könnte man sich vorläufig auf die Ausgestal¬ tung der Artillerie beschränken. Der kgl. ung. Finanzminister stellt sich vor, daß die Situation später eine bessere sein werde. Die Delegationen zur Beratung des gemeinsamen Voranschlages für das Jahr 1914 könnten im Frühjahr 1913 einberufen werden und ließe sich vielleicht da etwas machen. Es sei dann zwar ein halbes Jahr ver¬ loren, doch könnte man die Durchführung beschleunigen. Selbstverständlich gebe er kein Versprechen, sondern er wolle nur die Möglichkeit andeuten. Er bittet ferner, die Gebahrung nicht anders als die Budgetierung einzurichten. Es gehe nicht an, daß die Heeres-, beziehungsweise die Marineverwaltung eigene Anleihen abschließe und ohne parlamentarische Bewilligung wirtschaftliche Kräfte zu Staatszwecken heranziehe und auf diese Weise anderen wirtschaftli¬ chen Zwecke entziehe. Der Kriegsminister bezeichnet eine seinerzeitige raschere Durch¬ führung als technisch schwer durchführbar. Der Chef des Generalstabes richtet nochmals einen Appell an die Konferenz, die Forderungen zu bewilligen, denn das Kriegführen liege heut¬ zutage nicht mehr in der Hand der Monarchen und der Krieg werde kommen wie ein Strom. Der kgl. ung. Finanzminister legt Wert daraufzu konstatieren, daß wenn man nach Streichung des Dreadnoughts die zwischen den Anforderun¬ gen der Marineverwaltung und der normalen Steigerung resultierende Differenz für Vermehrung des Kohlenvorrates verwende, dies einer bedeutenden Erleichte¬ rung für das nächste Jahr gleichkomme. Es sei ja richtig, daß das Marinebudget verschlechtert werde, aber den Titel 7 um jährlich 10 Millionen zu vermehren, sei nie in Aussicht genommen worden und vermöchte nicht durchgesetzt zu werden. Er mache aufmerksam, daß der Marinekommandant schon jetzt 2000 neue Re¬ kruten eingestellt habe, während im Sinne des Programmes jetzt nur 1500 Mann einzustellen gewesen wären. Der Marinekommandant führt aus, daß der frühere Kriegsminister ihm 4 Vi Millionen jährliche Steigerung versprochen habe, dann sei ihm jedoch bloß eine jährliche Steigerung von 1,5 Millionen überwiesen worden, ein Betrag, welcher unbedingt zu wenig ist, wenn man bedenkt, daß die Erhöhung des Mann¬ schaftsstandes um 2000 Mann allein Mehrauslagen von 1 643 000 Kronen verur¬ sacht. Es soll aber noch die Bedeckung der Standeserhöhung des Stabes und jene der Auslagen für die Indienststellung der größeren Einheiten gefunden werden. <pb/>480 Nr. 30 Gemeinsamer Ministerrat, Wien, 8. und 9. 7. 1912 Die ,,Erzherzog"-Klasse zum Beispiel hat jährlich einen Bedarf per Schiff von rund 1 138 000, die ,,Radetzky"-Klasse von 1 411 000, für die ,,Viribus unitis"- Klasse jedoch steigen die Kosten der Indiensthaltung auf 2 040 000 Kronen per Jahr und Schiff. In Voraussicht dessen habe er seine Forderungen mit einer jährlichen Steige¬ rung von 6,5 Millionen angegeben, welche ihm aber, wie vorerwähnt, trotz seiner entschiedenen Einsprache auf 1,5 Millionen reduziert wurden. Er wolle nicht alle seine Bemühungen anführen, die er seit jener Zeit machte, um eine gerechtere, den unabweislichen Bedürfnissen der Kriegsmarine entspre¬ chende Verteilung des Betrages zu erwirken - sie waren umsonst. Es kamen nun die Verhandlungen des Budgets pro 1913. Auch diesmal stellte man sich auf den Standpunkt der 1,5 Millionen und strich die mit 24 Millionen in das Budget eingestellte Baurate eines Schlachtschiffes im Titel 7. Die statt dessen erfolgte Einstellung von zwei Kohlenschiffen, welche aller¬ dings auch eine Notwendigkeit sind, jedoch gegen das Schlachtschiff, das eine Stärkung der operativen Flotte gewesen wäre, im Voranschläge einstweilen zu¬ rückgestellt waren, gleiche nicht die schwere Schädigung des Budgets aus, wel¬ che diesem durch Kürzung des Titels 7 und hiedurch der k. u. k. Kriegsmarine zugefügt wurde. Weil erwiesenermaßen der Betrag von 1,5 Millionen für die gesteigerten Be¬ dürfnisse der Kriegsmarine zu klein ist, habe man die anderen Titel in der Weise gestärkt, indem man die hiezu unbedingt erforderlichen Summen dem Titel 7 entnahm. Man habe diesen Titel, der das Leben und die Kraft einer Marine bilde, verschnitten. Die Finanzminister geben selbst zu, daß dieser Vorgang eine Schwä¬ chung des Budgets sei, aber die Antwort auf die Frage, was in Hinkunft zu ge¬ schehen hätte, blieb man ihm schuldig. Er bitte daher, seine Einsprache gegen dieses Budget mit dem Beifügen zu Protokoll geben zu dürfen, daß er diesen Voranschlag nur auf Befehl Se. Majestät in den Delegationen vertreten könne. Schluß der Sitzung 1 Uhr. Nach Wiederaufnahme der Sitzung 4 Uhr nachmittags führte der k g 1. ung. Finanzminister den Nachweis, daß im Budget des Kriegsmini¬ steriums noch ein Betrag von 7 V2 Millionen für Sanierungszwecke bei gleichzei¬ tiger Restringierung anderer Posten eingestellt werden müßte, um den Vereinba¬ rungen zu entsprechen. Nach längerer Debatte, in welcher insbesondere hervorgehoben wurde, daß die Auslagen für Bauten zu hoch sind und man viel billiger bauen könnte, erklärt sich der Kriegsminister bereit, einen Betrag von 1 Vi Millionen aus den übrigen Posi¬ tionen herauszunehmen und für Sanierungszwecke zu verwenden und wird fol¬ gender Beschluß gefaßt: a) im Kriegsbudget sind von den Kosten der effektiv geplanten Maßnahmen 1 Vi Millionen zu streichen und der Naturalverpflegung zuzuschlagen, <pb/>Nr. 30 Gemeinsamer Ministerrat, Wien, 8. und 9. 7. 1912 481 b) 4 Millionen sind beim Militärsanitätswesen, bei dem Versorgungswesen und den Unterkunftsauslagen zu streichen, wobei die Konferenz zur Kenntnis nimmt, daß wahrscheinlich zwingende Umstände eine adäquate Überschreitung veranlassen werden, c) über Wunsch des kgl. ung. Finanzministers wird der reine Zollgefällsüber- schuß um 4 Millionen niedriger als vom gemeinsamen Finanzminister vorge¬ schlagen eingestellt. (Der Zweck dieser Bestimmung ist eine rein budgetäre Ma߬ regel. Da nämlich der Zollgefällsüberschuß faktisch um 4 Millionen höher sein dürfte, so erscheint für die Bedeckung der ad b) erwähnten Überschreitung vorgesorgt.)19 Ferner: Im Marinebudget werden bei Titel 7 24,271 Millionen für Bau und Armierung des Schlachtschiffes VIII gestrichen, dagegen wird als erste Rate für zwei neue Kohlentransportschiffe ein Betrag von 4,6 Millionen eingestellt. Bei Titel 6, Post 5, des außerordentlichen Erfordernisses werden 300 000 Kro¬ nen für das zweite Dock gestrichen, dagegen die Post 1 um dieselbe Summe er¬ höht. Hiedurch erscheint das Budget des Heeres und jenes der Kriegsmarine erle¬ digt. Ersteres weist eine Steigerung (inklusive der 2 Millionen für die Unteroffiziere) von 19 Vi Millionen, letzteres (einschließlich einer Million für Unteroffiziere) eine solche von 2 Vi Millionen aus.20 Der Vorsitzende will ausdrücklich feststellen, daß es ein unhaltbarer Zustand für unsere Marine sei, mit vier Dreadnoughts ihr Auskommen finden zu müssen. In zwei Jahren gehe der Dreibund zu Ende. Wie sich dann die politische Situation stellen werde, lasse sich nicht voraussehen. Angesichts der raschen Aus¬ gestaltung der italienischen Marine, welche uns jetzt schon numerisch überlegen sei, müssen wir besorgt der Zukunft entgegensehen. Es könne der Moment eintre- ten, wo wir in der Adria zur Ohnmacht verurteilt sein werden. Wenn sich schon die Aufnahme der Dreadnoughtrate in das Normalbudget nicht durchführen lasse, könnte doch im Wege eines Extraordinariuins Abhilfe geschaffen werden. Der kgl. ung. Finanzminister verweist auf seine früher ausge¬ sprochenen Bedenken, welche ihm die Zustimmung hiezu unmöglich machen. Es wird noch beschlossen, die Einberufung der ungarischen Delegation für den 23. September dieses Jahres an Ah. Stelle in Antrag zu bringen.21 Nachdem der Vorsitzende die Ergebnisse der Konferenz in einem Re- sume zum Ausdrucke bringt, schließt er um !4 7 Uhr die Sitzung mit der Erklä- Mit Schreiben Bilihskis an Berchtold v. 2. 9.1912 teilte er die korrigierten, um vier Millionen reduzierten, präliminierten Zollgefällseinnahmen mit, HHStA., PA. I, CdM. III/17, Fasz. Voranschlag pro 1913, Karton 627, Z. 540/1912. 20 Der abgeänderte Marinevoranschlag, dem Zaleski mit Schreiben (K.) v. 24. 8. 1912 an Bilihski zustimmte in Fa., FM., allg., Z. 60634/1912. Mit Schreiben Teleszkys an Zaleski v. 23. 8. 1912 teilte der ungarische Finanzminister seine Zustimmung zum Marinebudget mit, ebd., Z. 66218/1912. 21 Fortsetzung zum Budgetfür 1912 des GMR. v. 14. 4. 1912, GMKPZ. 492. Fortsetzung über die Delegationssitzung in GMR. v. 14. 9. 1912, GMKPZ. 495. <pb/>482 Nr. 30a Immediatvortrag 11. 7. 1912 rung, daß er die Lage wahrheitsgetreu geschildert habe und ihm in keinem Falle eine Schuld zugeschrieben werden könne, wenn es sich in der Zukunft dämm handeln sollte, die Verantwortlichkeiten festzustellen.22 Berchtold Ah. E. Ich habe den Inhalt dieses Protokolles zur Kenntnis genommen. Bad Ischl, am 7. September 1912. Franz Joseph. Nr. 30a Immediatvortrag 11. Juli 1912 Geheim Immediatvortag ad MR. Prot. No. 494 v. 8/9. 7. 1912. Wien, 11. Juli 1912 In Verfolge meines au. Telegramms vom 9. d. M. nehme ich mir die ehrerbie¬ tigste Freiheit E. M. gehorsamst Meldung zu erstatten, daß die Ministerkonferenz über das gemeinsame Budget pro 1913 zwei volle Tage in Anspruch genommen, im wesentlichen zu nachfolgendem Endresultat geführt hat: Ergebnisse der gemeinsamen Ministerkonferenz vom 8. beziehungsweise 9. Juli 1912. a) Das Heeresbudget, welches der Konferenz mit einer Erhöhung von 21 xh Millionen Kronen vorgelegt worden war aund zwar 17 `A Millionen laut Schö- neichischer Vereinbarung und 4 Millionen sub Titolo Sanierungen für gegenwär¬ tige Preissteigerung usw., in Summe 21 'A Millionen,3 weist nunmehr - nach Streichung derb 4 Millionen für Sanierungen der gegenwärtigen Preissteigerang - die ihm nach den Vereinbarungen zukommende Steigerung von 17 'A Millionen Einfügung. b_b Korrektur aus von 22 Auf Vortrag Berchtolds v. 20. 10. 1912 wurden mit den Handschreiben an Berchtold, Stiirgkh und Lukdcs v. 20. 10. 1912 die Delegationen zur Beratung des Budgets pro 1913 för den 5. 11. 1912 nach Budapest einberufen, HHStA., Kab. Kanzlei, KZ. 2529/1912. Der Voran¬ schlag pro 1913 der gemeinsamen Ministerien in Ka., MKSM., Karton 1086, Fasz. Voran¬ schlag pro 1913. Über Vortrag des gemeinsamen Ministeriums v. 27. 9. 1912 wurde mit Ah. E. v. 7.10.1912 das den Delegationen vorzulegende gemeinsame Budget resolviert, HHStA., Kab. Kanzlei, KZ. 2421/1912. Auf Vortrag Berchtolds v. 29. 11. 1912 resolvierte Franz Joseph mit Ah. E. v. 2. 12. 1912 das von den Delegationen angenommene Budget pro 1913, ebd., KZ. 2856/1912. Im Vortrag v. 5. 8. 1912 über den gemeinsamen Ministerrat, betreffend die Anforderung eines 250 Millionenkredites durch die Heeresleitung, der mit Ah. E. v. 10. 8. 1912 zur Kenntnis genommen wurde, erklärte Aujfenberg, er werde jede neue Gelegenheit benützen, um mit seinen Forderungen wieder hervorzutreten, Ka., KM., Präs. 37-9/4/1912. Der 250-Millionenkredit kam erneut zur Sprache in GMR. v. 3. 10. 1912, GMKPZ. 496. <pb/>Nr. 30a Immediatvortrag 11. 7. 1912 483 auf, wozu noch eine zur Regelung der Unteroffiziersfrage bewilligte Summe von 2 Millionen kommt, so daß die faktische Steigerung 19 Zi Millionen beträgt. Es wurde zur Kenntnis genommen, daß ein der vorgenommenen Streichung gleich- kommender Betrag von 4 Millionen voraussichtlich im Wege der Schlußrech¬ nung czu indemnisieren sein wirdc, wodurch die Streichung eigentlich aufgeho¬ ben erscheint. Die Verteilung auf die einzelnen Titeln wurde im Sinne der Anträge des Kriegsministers mit der einzigen Modifikation genehmigt, daß ein Betrag von 1 Z^ Millionen auf die Sanierung früherer Preissteigerungen verwen¬ det zu werden hat. b) Das Marinebudget, welches mit einer Erhöhung von 21,1 Millionen vorge¬ legt worden ist, wurde mit der den Vereinbarungen entsprechenden Steigerung von 1 `/z Millionen, dnur einer zur die Regelung der Unteroffiziersfraged bestimm¬ ten Summe von 1 Million festgelegt, so daß die Erhöhung 2 Zi Millionen beträgt. Da aber gleichzeitig die 1. Rate für den Bau des fünften Dreadnoughts per 24,2 Millionen als gegen das Abkommend verstoßend nicht konzediert, dagegen der Aufwand für den Bau von zwei Kohlentransportschiffen neu eingestellt wurde, stellt sich die Steigerung wie folgt dar: Vorschlag des Marinekonmandanten + 21.1 Millionen, hiezu für die Unteroffiziere 1 Million und die 1. Rate für 2 neue Kohlentransportschiffe 4,6 Millionen, Summa 26,7 Millionen, hievon ab 1. Rate für den fünften Dreadnought 24,2 Millionen verbleibt Steigerung von 2,5 Millio¬ nen. Der Marinekommandant erklärte, das so restringierte, nunmehr aber aller¬ dings den Vereinbarungen entsprechende Budget nur auf Befehl Se. Majestät vor den Delegationen vertreten zu können. c) Der außerordentliche Kredit für die Artillerie, die fortifikatorischen Ma߬ nahmen und die Luftflotte wurde derzeit nicht zur Verfügung gestellt. In bezug auf diesen außerordentlichen Kredit vertrat die kais. österr. Reg. den Standpunkt, daß es ihr sehr schwer fallen würde, denselben parlamentarisch zu vertreten, nachdem es eine flagrante Verletzung der feierlich festgelegten Verein- barung vom 6. Jänner 1911 bedeute, daß sie jedoch die Last dieser Verantwortung aufsich nehmen müßte, ,,falls dem Minister des Äußern die Situation der äußeren Politik für kritisch und der Kriegsminister den Stand der Armee für nicht schlag¬ bereit bezeichnen würde". Auf meine und General v. Auffenbergs diesfällig abgegebenen Äußerungen hin erklärte Minister Freiherr v. Heinold im Namen der kais. österr. Reg. dem angesprochenen außerordentlichen Kredite zuzustimmen. Ministerpräsident Lukäcs resümierte dagegen die Stellungnahme der kgl. ung. Reg. dahin, daß dieselbe aus parlamentarischen Rücksichten absolut nicht in der Lage sei, von den Vereinbarungen des Jahres 1911 abzugehen und die fraglichen Forderungen zu akzeptieren. Korrektur aus wird indemnisiert sein werden müssen. Korrektur aus mehr einer für die Unteroffiziere. <pb/>484 Nr. 30a Immediatvortrag 11. 7. 1912 Es wäre dies eine Überbürdung des Budgets, der das Land nicht gewachsen sei und ein Bruch des gegebenen Wortes, den er nicht verantworten könnte. Wenn dies schon in normalen Zeiten die ablehnende Stellung der Regierung motivieren würde, so wäre gegenwärtig, wo sich die gesamte öffentliche Meinung im Zu¬ stande höchster Erregung befinde, keine Reg. gewachsen, dem dadurch provo¬ zierten Sturme Stand zu halten. In einem nachher unter vier Augen geführten Gespräch, wiederholte mir Mi¬ nisterpräsident Lukäcs die Versicherung, daß es eine absolute Unmöglichkeit wäre, unter den gegenwärtigen parlamentarischen Verhältnissen eine Verlet¬ zung der Vereinbarungen vertreten zu können. Er wolle dies mir gegenüber aber nicht in der Form aussprechen, daß die ung. Reg. diese Angelegenheit damit definitiv fallen lasse, wie es zur Beruhigung der öffentlichen Meinung momentan darzustellen notwendig scheine. Es sei immerhin denkbar, daß in der Zukunft eventuell noch im Herbste, die Gemüter sich einigermaßen beruhigt haben werden, namentlich wenn bis dahin ein Schritt des Entgegenkommens von hier aus - beispielsweise in der Wappen- und Emblemenfrage - geschehen würde. Ich erwiderte dem Ministerpräsidenten, daß, was letztere Angelegenheit anbe¬ lange, ich mich, wie ihm bekannt, über Ah. Befehl ohnehin bereits seit einiger Zeit mit Vorstudien dieser komplexen Frage beschäftige, daß es aber schwer sein werde, eine der historischen Entwicklung der Monarchie Rechnung tragende und die gegenwärtige Staatsform zum Ausdruck bringende, dabei beiden Reichshälf¬ ten befriedigende Lösung zu finden. Der kgl. ung. Ministerpräsident meinte hierauf, daß es schon von Werte wäre, wenn vorbereitende Schritte, etwa in der Form der Einberufung einer Kommissi¬ on, erfolgen würde. Er kenne sich übrigens in der Angelegenheit nicht aus und wisse nicht, welcher Weg der Geeignetste wäre. Daß eine Lösung der Wappen- und Emblemfrage, bei welcher die Rücksicht¬ nahme auf die Versinnlichung der Einheit des Gesamtstaates nicht umgangen werden könnte, die führenden ungarischen Parlamentarier in einer Weise zufrie¬ denzustellen vermöchte, daß dadurch der Boden für die außerordentlichen Kredi¬ te aufnahmefähig würde, scheint mir sehr zweifelhaft. Wenn die bloße Tatsache der Einleitung vorbereitender Schritte den gewünsch¬ ten Wandel herbeiführen könnte, wäre dies allerdings freudig zu begrüßen. Doch muß angesichts der zunehmenden Mißstimmung im Lande gegenüber der Mög¬ lichkeit einer solchen einfachen Lösung insolange, als die Lage keine Klärung erfahrt, einer gewissen Skepsis Raum gegeben werden.23 Das Protokoll über den Verlauf der zweitägigen Ministerkonferenz wird Ew. Majestät am 14. d. Mts. unterbreitet werden In tiefster Ehrfurcht 23 Am 12. 9. 1912 trat eine konstituierende Kommission zur Klärung der Wappenfrage zusam¬ men. Deren Protokoll siehe Ka., KM., Präs. 42-25/1/1912. <pb/>