Gemeinsamer Ministerrat, 26. 2. 1911
I. Ausgestaltung des bosnisch-herzegowinischen Bahnnetzes
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366 Nr. 21 Gemeinsamer Ministerrat, Budapest, 26. 2. 1911 über das Separatabkommen mit Rußland betreffend Persien in Aussicht gestellt.7 Unsere Interessen werden übrigens hiedurch nicht berührt. Was die Türkei betreffe, so herrsche wohl dort Uneinigkeit in der Regierang, im Parlamente und im Komitee. Der k. u. k. Botschafter in Konstantinopel schät¬ ze aber wohl die Lage richtig ein, wenn er berichte, daß man nichts anderes habe erwarten können, daß diese Dinge eben den eigentümlichen Verhältnissen im Oriente entsprechen.8 Grund zu Besorgnissen sei derzeit keiner vorhanden trotz der Unruhen an den Peripherien des ottomanischen Reiches, namentlich solange Mahmud Schefket, der großes Ansehen und bedeutende Macht im Volke und in der Armee habe, an der Spitze stehe. Nach diesem Expose schließt der Vorsitzende um % 1 Uhr nachmittags die Sitzung. Aehrenthal Ah. E. Ich habe den Inhalt dieses Protokolles zur Kenntnis genommen. Budapest, am 17. Februar 1911. Franz Joseph. Nr. 21 Gemeinsamer Ministerrat, Budapest, 26. Februar 1911 RS. (und RK.) Gegenwärtige: der kgl. ung. Ministerpräsident Graf Khuen-Hederväry, der k. k. Ministerpräsi¬ dent Freiherr v. Bienerth, der k. u. k. gemeinsame Finanzminister Freiherr v. Buriän, der k. u. k. Reichskriegsminister Freiherr v. Schönaich, der kgl. ung. Finanzminister v. Lukdcs, der kgl. ung. Handelsminister v. Hieronymi, der k. k. Finanzminister Dr. Meyer, der k. k. Eisenbahnminister Dr. Glabihski. Protokollführer: Generalkonsul Freiherr v. Ferstel. Gegenstand: Ausgestaltung des bosnisch-herzegowinischen Bahnnetzes. keine KZ. - GMKPZ. 485 Protokoll des zu Budapest am 26. Februar 1911 abgehaltenen Ministerrates für gemeinsame Angelegenheiten unter dem Vorsitze des k. u. k. gemeinsamen Mini¬ sters des Äußern Grafen Aehrenthal. Der Vorsitzende eröffnet die Sitzung, erinnert daran, daß die Frage der Ausgestaltung des bosnisch-herzegowinischen Bahnnetzes schon im März v. J. den Gegenstand mehrerer Konferenzen der gemeinsamen Minister und einer Re- Schreiben Bethmann Hollwegs an Aehrenthal v. 14. 11. 1910, publiziert in Österreich-Un¬ garns Aussenpolitik, Bd. 3, Nr. 2313. Im Schreiben (Auszüge) v. 27. 12. 1910 an Aehrenthal stellte Pallavicini die Lage in der Türkei wesentlich negativer dar, publiziert in Österreich-Ungarns Aussenpolitik, Bd. 3, Nr. 2396. <pb/>Nr. 21 Gemeinsamer Ministerrat, Budapest, 26. 2. 1911 367 ferentenbesprechung gebildet habe1 und ersucht den k. u. k. gemeinsamen Fi¬ nanzminister, anknüpfend an das von diesem verfaßte und den Konferenzteilneh¬ mern am gestrigen Tage überreichte Promemoria, betreffend die Bahnbauten in Bosnien, um erläuternde Ausführungen über den derzeitigen Stand dieser Ange¬ legenheit.2 Der k. u. k. gemeinsame Finanzminister hebt zunächst hervor, daß die bisher über die bosnischen Bahnen geführten Besprechungen und Korrespondenzen zu bestimmten Entschließungen zwar noch nicht geführt ha¬ ben, wohl aber eine genaue Klärung der von allen interessierten Seiten vorge¬ brachten Wünsche und Forderungen ergaben, aus denen sich schon deutlich die Umrisse des aufzustellenden Programmes erkennen lassen. Allgemeines Einver¬ ständnis aller beteiligten Faktoren wurde bezüglich jener Linien erzielt, deren eine Gruppe die Herstellung von Bahnen aus wirtschaftlichen Bedürfnissen von Bosnien und der Herzegowina ableitet, während die andere Gruppe den drin¬ gendsten Wünschen der Heeresverwaltung Rechnung trägt. Hieran reihen sich zwei Bahnlinien (Doboj-Samac und Bugojno-Arzano), bei welchen das Interes¬ se der beiden Staaten der Monarchie in Betracht kommt und deren Bau durch das Gesetz vom 8. Juni 1902, RGBl. Nr. 118 (ungarischer Gesetzartikel XIII ex 1902) bereits vorgesehen ist. Der ganze Komplex der zu erörternden Fragen gliedert sich also in drei ganz selbständige Gruppen, wozu nur noch eine später zu erwäh¬ nende Alternative käme, die einen billigen und sehr erwägenswerten Kompro¬ mißvorschlag zwischen den wirtschaftlichen Bedürfnissen des Landes und den Forderungen der Heeresverwaltung darstellt. Was die erste Gruppe anbelangt, so braucht Bosnien aus wirtschaftlichen und kulturellen Gründen vor allem eine Verbindung des Zentrums mit dem Osten und eine mit dem Westen. Der Nord¬ osten Bosniens, die Posavina, gehört zu den fruchtbarsten, wirtschaftlich und kul¬ turell am weitesten vorgeschrittenen Teilen des Landes, der aber zur Verwertung seiner landwirtschaftlichen Produkte bisher nur Straßenverbindungen besitzt. Zur Hebung des Wohlstandes und der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit dieser Ge¬ genden ist es daher dringend notwendig, im Anschlüsse an die bosnisch-herzego- winischen Landesbahnen von Tuzla aus eine in nordöstlicher Richtung3 gehende, Bjelina berührende schmalspurige Eisenbahnlinie bis zum Saveumschlagplatz in Raca herzustellen. Da aber auch ein berechtigter Wunsch der Bevölkerung dieser Korrektur aus Linie. Die bosnischen Bahnen waren zuletzt in bezug auf eine Bahnverbindung mit Dalmatien in GMR. v. 25. 11. 1905 I, Gmr., Bd. V, Nr. 64 behandelt worden. Die Referentenkonferenzen fanden am 12., 19. und 30. 3. sowie am 18. 4. 1910 statt; Resümee der Konferenz v. 12. 3. 1910 und Schreiben (K.) Aehrenthals an Buridn, Schönaich und an beide Ministerpräsiden¬ ten v. 27. 4. 1910 über das Ergebnis der Konferenzen, Aktenzahl 25071/1910, hinterlegt unter HHStA., Admin. Reg. F 19, Karton 28, Fasz. Bahnbau Österreich-Ungarn. Buriäns Promemoria betreffend die Bahnbauten in Bosnien in HHStA., Admin. Reg. F 19, Karton 28, Fasz. Bahnbauten Österreich-Ungarn 12. <pb/>368 Nr. 21 Gemeinsamer Ministermt, Budapest, 26. 2. 1911 Gebiete dahin geht, zwischen der Kreisstadt Tuzla und der wichtigen Handels¬ stadt Brcka eine direkte Eisenbahnverbindung herzustellen, andererseits für die militärischen Bedürfnisse der Monarchie im nordöstlichen Bosnien in erster Linie die Ausführung einer normalspurigen, an die ungarische Linie anschließenden Bahn von Brcka über Brezovopolje und Bjelina nach Janja an der Drina und even¬ tuell bis Zvomik verlangt wird, könnte durch eine unbedeutende Änderung in der Trassenführung dieser beiden Linien und ohne Beeinträchtigung ihrer Zwecke auch eine direkte Bahnverbindung von Tuzla nach Brcka erreicht werden. Diese Änderung bestünde darin, daß die militärischerseits geforderte Linie Brcka- Bjelina-Janja nicht über Brezovopolje, sondern über Celic-Ugljevik direkt nach Janja und eventuell Zvomik geführt würde. Als Ergänzung wären dann noch zwei Flügel erforderlich, von denen der eine Celic mit Tuzla, der andere Ugljevik, über Bjelina führend, mit Raca verbinden würde. Eine selbstverständliche Folge dieser Linienführung wäre sowohl im Interesse der militärischen Leistungsfähigkeit als zur Vermeidung der kostspieligen Umschlagplätze für den Warenverkehr die nor- malspurige Ausführung aller dieser nordöstlichen Bahnen. Eine approximative Berechnung der aus dieser Trassenführung erwachsenden Baukosten hat ergeben, daß dieser vermittelnde Vorschlag nur eine Mehrlänge von 12 km und einen Mehrkostenbetrag von K 700 000 gegenüber den beiden ursprünglichen Projek¬ ten verursachen würde, welche Summe bei den in die Augen springenden außer¬ ordentlichen Vorteilen dieser Alternative nicht in Betracht käme. Was den Westen Bosniens betrifft, so komme hier vorerst der Kreis Bihac in Betracht, der heute weder eine Verbindung mit den bosnisch-herzegowinischen Landesbahnen noch mit dem Bahnnetz der Monarchie besitzt und zu seiner wirt¬ schaftlichen Erschließung dringend einer Verbindung nach beiden Richtungen hin bedarf. Dieser Forderung könnte dadurch entsprochen werden, daß von Bihac aus im Unatal über Krupa eine Linie nach Novi zum Anschlüsse an die k. u. k. Militärbahn Banjaluka-Doberlin gebaut werde, die mit Rücksicht darauf, daß sie nur an ein normalspuriges Bahnnetz Anschluß fände, ebenfalls normalspurig aus¬ zuführen wäre. Wird durch die Strecke Bihac-Novi eine direkte normalspurige Verbindung dieses in kultureller Beziehung bisher am weitesten zurückgebliebe¬ nen Kreises mit der Monarchie hergestellt, so erfordert anderseits die engere Ver¬ bindung von Bihac mit dem Zentrum Sarajewo den Ausbau der noch fehlenden Teilstrecke Banjaluka-Jajce. Hier begegnen auch spezifisch bosnische Interessen mit solchen der Monarchie, da seitens der Heeresverwaltung vom Standpunkte der Schlagfertigkeit das Postulat nach Herstellung einer zweiten Aufmarschlinie ausgesprochen wurde, die von Banjaluka durch das Vrbas- und Ramatal nach Rama führen und dort in die bestehende Linie Sarajewo-Mostar einmünden soll. Ein wesentliches Erfordernis dieser von der Kriegsverwaltung geforderten zwei Aufmarschlinien besteht darin, daß wenigstens eine derselben normalspurig sei. Diesbezüglich seien nun zwei Möglichkeiten gegeben, indem man entweder die Vrbas- und Ramalinie normalisiert, oder aber diese Linie schmalspurig ausbaut und dafür die von der Kriegsverwaltung verlangte normalspurige Aufmarschlinie <pb/>Nr. 21 Gemeinsamer Ministerrat, Budapest, 26. 2. 1911 369 von Samac beziehungsweise Bosnisch-Brod über Doboj nach Sarajewo herstellt. Die Normalspur Banjaluka-Jajce-Bugojno-Rama hätte zwar den Vorteil billiger zu sein, läßt sich aber vom ökonomischen Standpunkte kaum rechtfertigen, da die Teilstrecke Bugojno-Rama wirtschaftlich für Bosnien und die Herzegowina gar kein Interesse besitzt und für die wirtschaftlich wichtige Linie Banjaluka-Bug- ojno die Schmalspur vollkommen genügt. Die bosnisch-herzegowinische Ver¬ waltung wäre daher bereit, die Strecken Banjaluka-Jajce und Bugojno-Rama schmalspurig zu Lasten des Landes zu bauen, während die Differenz aufNormal¬ spur unbedingt zu Lasten der Monarchie zu übernehmen wäre, wobei aber zu erwägen sei, daß die Linie von Banjaluka bis Rama ziemlich ihrer ganzen Länge nach in technischer Beziehung in die Kategorie der schwierigen Gebirgsbahn¬ bauten gehört und auch in strategischer Beziehung mit Rücksicht auf die Lage von Rama im engen Narentadefile sich als normalspurige Aufmarschlinie we¬ sentlich weniger eigne, als die Linie Samac-Sarajewo. Sarajewo als Zentrum des Landes und Knotenpunkt dreier von dort ausgehender Bahnlinien biete in strate¬ gischer Beziehung unvergleichlich größere Vorteile als Rama und eine Normali¬ sierung dieser Strecke finde auch in politischer, wirtschaftlicher und verkehrs¬ technischer Beziehung ihre Begründung, da sie den großen Vorteil biete, unter Vermeidung des kostspieligen und zeitraubenden Umschlagverkehres die beste und kürzeste Verbindung der Monarchie mit dem Zentrum des Landes herzustel¬ len. Auch dürfe die Normalisierung der Linie Bosnisch-Brod-Doboj nur mehr als eine Frage der Zeit angesehen werden, so daß dann nach Ausbau der normalspu- rigen Posavinabahnen im Nordosten von Bosnien und der Herzegowina ein ein¬ heitlicher Komplex normulspuriger Bahnen mit drei Anschlußpunkten an das Bahnnetz der Monarchie zur Verfügung stünde, was in wirtschaftlicher und mili¬ tärischer Beziehung von größter Bedeutung sei und welche Vorteile von einer Normalspur Banjaluka-Rama auch nicht annähernd erreicht werden könnten. Was die Kosten der geplanten Bahnbauten betrifft, ergeben sich nach den mög¬ lichen Alternativen drei in der dem Memorandum beigeschlossenen tabellari¬ schen Zusammenstellung genau spezifizierte Gruppen, deren erste ein Gesamter- fordemis von Millionen Kronen 141,2 aufweist, wovon Millionen Kronen 37,7 von Bosnien und der Herzegowina zu tragen wären; nach der zweiten Alternative betragen die Gesamtkosten Millionen Kronen 143,1; (hievon 39,8 auf Bosnien und die Herzegowina) die dritte Alternative beläuft sich auf Millionen Kronen 174,2 (hievon 57,8 auf Bosnien und die Herzegowina.) Bei der vorgeschlagenen Aufteilung der Kosten mußte aufdie wirtschaftlichen Bedürfnisse und die finanzielle Leistungsfähigkeit von Bosnien und der Herzego¬ wina Rücksicht genommen werden. Das bosnisch-herzegowinische Budget be¬ findet sich in einem Zustand großer Spannung und die künftigen Bedürfnisse des Landes werden nur bnach Maßgabe13 eines Finanzprogrammes befriedigt werden können, das gegenwärtig in Ausarbeitung begriffen ist. Doch läßt sich schon jetzt b-b Korrektur aus durch Aufstellung. <pb/>370 Nr. 21 Gemeinsamer Ministerrat, Budapest, 26. 2. 1911 sagen, daß die Mehrforderungen größer sein werden als die Mehreinnahmen. Ganz bedeutende Mehrkosten wird zunächst die Durchführung der Wehrreform verursachen. Hiezu kämen die wirtschaftlichen und kulturellen Bedürfnisse aus dem Titel der Bahnbauten und Vermehrung des Fahrparkes, das Straßenbaupro¬ gramm, Schulbauten und sanitäre Maßregeln. Um allen diesen Anforderungen zu genügen, wird Bosnien und die Herzegowina mit Zustimmung der beiden Regie¬ rungen eine Investitionsanleihe aufnehmen müssen und es ist nun die Frage, ob und unter welchen Modalitäten die beiden Regierungen geneigt sind, die Auf¬ bringung der zur Durchführung des oben skizzierten Arbeitsprogrammes nochc erforderlichen Mittel zu bewilligen. Das spezifische bosnisch-herzegowinische Eisenbahnbauprogramm kann nicht gleichzeitig in allen Teilen in Angriff genom¬ men und durchgefuhrt werden. Es besteht die Absicht, mit der nordöstlichen Gruppe und dem Bau der Linie Banjaluka-Jajce zu beginnen. Daran hätte sich die Strecke Bugojno-Rama zu schließen, in letzter Reihe käme dann Novi-Bihac. Da die Bevölkerung der Bahnbauffage das allergrößte Interesse entgegenbringt, wäre es wünschenswert, dem Landtage schon in der kommenden Herbstsession einen diesbezüglichen Gesetzentwurf vorlegen zu können. Der k. k. Ministerpräsident ist nach den bisherigen Ausführun¬ gen der Ansicht, daß die Diskussion in zwei Teile zu zerlegen sei. Zunächst müs¬ se man über die Führung der in Aussicht zu nehmenden Linien schlüssig werden und erst dann könne man an die Aufstellung eines Bauprogrammes, die Vertei- lung und Aufbringung der Kosten und die Fixierung der Inangriffnahme und Bauzeiten schreiten. Der k. k. Eisenbahnminister bemerkt zu den vom k. u. k. ge¬ meinsamen Finanzminister erörterten drei Gruppen, daß gegen die Lokalbahnen, die im wirtschaftlichen Interesse Bosniens und der Herzegowina gebaut werden sollen, nichts einzuwenden sei, sofern dadurch keine Belastung des Staatsschat¬ zes entstehe. Was die in Gruppe drei genannten Linien Bugojno-Arzano und Doboj-Samac betreffe, sei durch das Gesetz vom 8. Juni 1902 RGBl. Nr. 118 bereits eine Entscheidung getroffen worden und diesbezüglich erübrigten nur noch nähere Vereinbarungen hinsichtlich der Verkehrsleitung, Betriebsfuhrung und Tariferstellung. Was jedoch die zweite Gruppe anlange, die im Interesse der Reichsverteidigung und Schlagfertigkeit die Herstellung zweier Aufmarschlinien verlange, von denen die eine normalspurig zu sein hätte, so stelle sich diese For¬ derung als eine rein militärische dar und müsse als neuer Zuwachs zu den in den Delegationen eben in Verhandlung stehenden erheblichen Mehrforderungen der Heeresverwaltung aufgefaßt werden. Diese Gruppe würde daher parlamentarisch den größten Schwierigkeiten begegnen und eine diesbezügliche Vorlage könne im Reichsrate kaum eingebracht werden, solange nicht die Frage der kroatisch¬ dalmatinischen Linien eine befriedigende Lösung gefunden habe. Hinsichtlich der Frage der Normalisierung vertrete die k. k. Eisenbahnverwaltung den Stand- Einfiigung. <pb/>Nr. 21 Gemeinsamer Ministerrat, Budapest, 26. 2. 1911 371 punkt, daß hier die westlichen Teile des bosnisch-herzegowinischen Bahnnetzes in Betracht zu kommen hätten; eine Stellungnahme sei aber bei dem Fehlen ver¬ läßlicher Kostenvoranschläge derzeit noch unmöglich. Der kgl. ung. Handelsminister erklärt in Übereinstimmung mit dem k. k. Ministerpräsidenten, daß man sich vorerst über die Wahl der Linien und deren Trassenführung einigen müsse. In den nachfolgenden Auslassungen kennzeichne er nicht seine persönliche Auffassung, sondern den Standpunkt der kgl. ung. Regierung in der vorliegenden Frage, die nicht durch die wirtschaftli¬ chen Bedürfnisse Bosniens und der Herzegowina, sondern durch die eindringli¬ chen Forderungen der Heeresverwaltung zur Diskussion gestellt wurde, welche ursprünglich zwei normalspurige Auftnarschlinien verlangte, sich aber mit Rück¬ sicht auf die Kostenfrage nunmehr mit einer normalspurigen und einer schmal¬ spurigen begnügen will. Über die Wahl, welche der beiden Aufmarschlienien als normalspurig herzustellen sei, schließe er sich vollständig den Ausführungen des k. u. k. gemeinsamen Finanzministers an, der in überzeugender Weise die ökono¬ mischen, technischen und militärischen Vorteile hervorgehoben habe, die eine Normalisierung von Samac-Sarajewo als richtiger erscheinen lassen. Dafür sprä¬ che überdies auch die Kostenffage, in welcher Beziehung er von den Anschauun¬ gen Baron Buriäns abweiche. Nach den vom kgl. ung. Handelsministerium auf Grund fachmännischer an Ort und Stelle vorgenommener Studien angestellten Berechnungen ergebe sich nämlich eine zirka 40%ige Differenz zwischen den Ansätzen des kgl. ung. Handelsministeriums undjenen des gemeinsamen Finanz¬ ministeriums, und merkwürdigerweise stellen sich die Berechnungen des ungari¬ schen Handelsministeriums für die östliche Gruppe um diesen Perzentsatz nied¬ riger, die der westlichen Gruppe aber im gleichen Verhältnis höher als die Ziffern des gemeinsamen Finanzministeriums. Es erhelle indessen schon aus der ganzen Konfiguration des Terrains, daß die Baukosten der östlichen Linien wesentlich niedriger sein müssen, als jene der westlichen, von denen Baron Buriän selbst gesagt habe, daß sie in die Kategorie der schwierigen Gebirgsbahnen gehörten. Es werde daher erforderlich sein, vorerst diese Widersprüche aufzuklären, wobei man sicherlich zu einem Einvernehmen in der Richtung gelangen werde, die öst¬ liche Gruppe zu normalisieren und die westliche schmalspurig zu bauen. Für die¬ se Lösung spreche, abgesehen von der Kostenffage und den Erleichterungen, die sich für Erdbewegung und Materialbeforderung aus dem Vorhandensein schon bestehender Linien ergeben, noch der vom Standpunkt der Kriegsverwaltung wichtige Umstand, daß sich die Normalisierung dieser östlichen Gruppe in viel kürzerer Zeit durchführen lasse als der Neu-, beziehungsweise Umbau der west¬ lichen Linien. Hinsichtlich der Linie Ogulin-Knin bemerkt der kgl. ung. Handelsminister, daß sich die derzeitige Regierung zur Ausführung dieses Projektes durch die von ihrer Vorgängerin eingegangene vertragsmäßige Verpflichtung für gebunden er¬ achte und dieselbe auch baldigst in Angriffnehmen werde. Die bisher eingetrete¬ ne Verzögerung hätte sich nur aus Schwierigkeiten wegen der mit dem Bankkon- <pb/>372 Nr. 21 Gemeinsamer Ministerrat, Budapest, 26. 2. 1911 sortium getroffenen Abmachungen ergeben; um diese auszuschalten und auch aus ökonomischen, technischen und wirtschaftlichen Erwägungen habe die Re¬ gierung eine Zeitlang daran gedacht, statt der Lika die Unatalbahn zu bauen, die statt zweier Wasserscheiden nur eine zu überwinden hätte, im übrigen aber als Talbahn technisch ungleich geringere Schwierigkeiten biete, wirtschaftlich ent¬ wicklungsfähigere Gegenden erschließe und betriebstechnisch auch den Vorteil besitze, keinen Borastürmen und Schneeverwehungen ausgesetzt zu sein und be¬ züglich der Wasserversorgung keine Schwierigkeiten zu bieten. Der frühere k. k. Eisenbahnminister Wrba sei dem Projekte, daß statt der Likabahn die Unatallinie von Ungarn gebaut und betrieben werde, bereitwilligst entgegengekommen, doch sei der Plan an dem Widerstand Baron Buriäns gescheitert, der den Betrieb einer auf bosnischem Gebiet gebauten Bahn durch Ungarn als unmöglich bezeichnet habe. Die kgl. ung. Regierung habe diese Einwendung allerdings akzeptiert, müs¬ se aber der Parität wegen die Forderung aufstellen, daß die gleichen Grundsätze auch für die Betriebsleitung und Tariferstellung bezüglich der Linie Bugojno- Arzano Anwendung fanden. Besondere, nur für Österreich geltende Vereinbarun¬ gen in dieser Beziehung seien unzulässig. Bezüglich der vom k. u. k. gemeinsamen Finanzminister aufgestellten Eintei¬ lung des Ausbaues der bosnisch-herzegowinischen Landesbahnen in drei Katego¬ rien, je nachdem sie den wirtschaftlichen Interessen Bosniens und der Herzego¬ wina, den militärischen oder verkehrspolitischen Interessen der Monarchie oder den speziellen Interessen eines der beiden Staaten zugute kämen, sei zu bemer¬ ken, daß eine solche Kategorisierung mit dem Wortlaut des Gesetzartikels VI aus dem Jahre 1880 in Widerspruch stehe.3 § 2 statuiert, daß die Anlage von Eisen¬ bahnen im Einvernehmen mit den Regierungen der beiden Ländergebiete der österreichisch-ungarischen Monarchie zu erfolgen habe. Laut § 3 ist die Verwal¬ tung von Bosnien und der Herzegowina so einzurichten, daß die Kosten dersel¬ ben durch die eigenen Einkünfte gedeckt werden. Falls aber für bleibende Inve¬ stitionen wie Eisenbahnen und dergleichen finanzielle Leistungen der Monarchie in Anspruch genommen werden, dürfen solche Leistungen nur auf Grund von in beiden Teilen der Monarchie übereinstimmend zustande gekommenen Gesetzen gewährt werden. Es muß auch für Bosnien und die Herzegowina der Grundsatz zum Ausdruck kommen, daß das Land die auf seinem Territorium zu bauenden Bahnen durchzu¬ setzen hat. Das präjudiziere nicht die Bedeckungsffage; kann Bosnien und die Herzegowina für den Bau der als notwendig erkannten Linien nicht aufkommen, werde es zur Beitragsleistung eben nur nach Maßgabe seiner Finanzkraft heran¬ gezogen werden, während das Plus von der Monarchie getragen werden müsse. Es hätte also prinzipiell vorerst der allgemeine Beschluß darüber gefaßt zu wer¬ den, welche Bahnen aus wirtschaftlichen oder strategischen Gründen in Bosnien und der Herzegowina gebaut werden müssen. Für Cisleithanien Gesetz v. 22. 2. 1880, RGBl. Nr. 18/1880. <pb/>Nr. 21 Gemeinsamer Ministerrat, Budapest, 26. 2. 1911 373 Im Zusammenhänge damit sei auch die Frage der in letzter Zeit häufiger vor¬ gekommenen Konzessionserteilungen zu erörtern. Bisher sind alle Bahnen (mit Ausnahme der k. u. k. Militärbahn Banjaluka-Doberlin) Landesbahnen. Durch Erteilung einer Vorkonzession an Privatuntemehmungen zur Vornahme von Tras- senstudien werde immer ein gewisses Präjudiz für den etwaigen Ausbau dieser Linie geschaffen. Derartige Vorkonzessionen müßten daher eigentlich den beiden Regierungen zu ihrer Orientierung mitgeteilt werden. Seine vorstehenden Ausführungen resümierend erklärt der kgl. ung. Handels- minister, daß man in der heutigen Konferenz prinzipiell darüber schlüssig zu wer¬ den hätte, welche Bahnen gebaut werden sollen und zwar auch darüber, welche Linien normal- und welche schmalspurig; auch solle der Grundsatz ausgespro¬ chen werden, daß nach den bestehenden Gesetzen die Einteilung der Kostentra¬ gung nach Interessengruppen nicht richtig sei. Was aber die Frage der Kostenbe¬ deckung selbst betreffe, empfehle es sich mit Rücksicht auf die in der Delegation derzeit in Verhandlung stehenden Forderungen der Heeresverwaltung und der Marine eine Entscheidung darüber einem günstigeren Zeitpunkte vorzubehalten. Der Vorsitzende meint, daß die vom Vorredner kritisierte Kategorisie- rung seitens des k. u. k. gemeinsamen Finanzministers, ohne den staatsrechtli¬ chen Erwägungen vorzugreifen, nur der Überlegung entsprungen sei, bei Aufstel¬ lung des Eisenbahnbauprogrammes auf die Grenzen der finanziellen Leistungsfähigkeit Bosniens und der Herzegowina aufmerksam zu machen, wozu ihn auch wohl die gebotene Rücksichtnahme auf den Landtag veranlaßt habe, dem die diesbezüglichen Gesetzentwürfe zu unterbreiten sein werden und der bei seinen daran anknüpfenden Beratungen naturgemäß in erster Linie auf die aus diesem Programme dem Lande erwachsenden wirtschaftlichen Vorteile und fi¬ nanziellen Lasten, nicht aber auf dessen strategische Motivierung Rücksicht neh¬ men werde. Der k. k. Eisenbahnminister verweist auf die Note des k. k. Ministerratspräsidiums vom 27. September 1910, Nr. 3740 MP.,4 derzufolge sich die frühere Regierung für die Normalisierung der Linie Banjaluka-Jajce-Bug- ojno-Rama ausgesprochen habe. Der heute vom k. u. k. gemeinsamen Finanzmi¬ nister und der kgl. ung. Regierung befürwortete Normalisierung der Linie Samac- Doboj-Sarajewo könnte also nur nach Einholung eines neuerlichen Ministerratsbeschlusses zugestimmt werden. Der k. k. Ministerprä¬ sident gibt zu bedenken, daß die Frage der von der Kriegsverwaltung gefor¬ derten einen normalspurigen Aufmarschlinie logischerweise unter Berücksichti¬ gung des Umstandes zu beurteilen sei, daß es sich bei der Linie Banjaluka-Rama, mit Ausnahme der kurzen Teilstrecke Jajce-Bogojno um einen Neubau handle, der a priori normalspurig durchzuführen sei während der Vorschlag der ungari¬ schen Regierung und des gemeinsamen Finanzministers dahin gehe, die beste¬ hende Sarajewoer Linie zu normalisieren, Banjaluka-Rama aber vorerst nur Schreiben (Abschrift) Bienerths an Aehtenthal v. 27. 9. 1910, Ka., KM., Präs. 81/11-3/1911. <pb/>374 Nr. 21 Gemeinsamer Ministerrat, Budapest, 26. 2. 1911 schmalspurig zu bauen, obwohl vorauszusehen sei, daß im Laufe einiger Jahr¬ zehnte die bosnisch-herzegowinischen Landesbahnen sukzessive zur Normalspur werden übergehen müssen. Es scheine daher entschieden rationeller sich zu dem Grundsatz zu bekennen, Neubauten normalspurig anzulegen, wodurch wenigsten die nachträglichen Kosten des Umbaues erspart bleiben. Aber ganz abgesehen davon müsse die österreichische Regierung aus verkehrspolitischen Gründen auf dem Standpunkte der Normalspur Banjaluka-Rama stehen; die Strecke Dober- lin-Banjaluka stelle den während der Okkupationszeit aus dringenden militäri¬ schen Verkehrsbedürfhissen unausgeführt gebliebenen Anfang einer aus Öster¬ reich nach dem Orient führenden wirtschaftlich wichtigen Bahnlinie dar. Der Vorsitzende konstatiert, daß, in der Frage, welche der beiden Auf¬ marschlinien zu normalisieren wäre, die österreichische und ungarische Auffas¬ sung einander direkt gegenüberstehen. Da es sich hiebei aber um eine eminent militärische Angelegenheit handle, wäre es wichtig zu erfahren, welcher der bei¬ den Linien die Heeresverwaltung den Vorzug gibt. Der k. u. k. Reichskriegsminister erklärt, daß es vom Standpunkte der Kriegsverwaltung ganz gleichgiltig sei, welche der beiden Lini¬ en normalisiert werde; Hauptsache sei nur, daß überhaupt eine zweite Aufmarsch¬ linie hergestellt werde, eine davon normalspurig sei und daß dies möglichst bald geschehe. Das Fehlen dieser strategisch wichtigen Bedingungen mache seit Jah¬ ren die Erhaltung von 25 Bataillons auf erhöhtem0 Stand erforderlich, was Sum¬ men verschlingt, für die man schon viele Kilometer Bahnen hätte bauen können. Persönlich teile er aber die Anschauung des k. k. Ministerpräsidenten, daß es ra¬ tioneller sei Neubauten normalspurig zu bauen und nicht Schmalspuren zu nor¬ malisieren. Der k. u. k. gemeinsame Finanzminister wünscht auf die Ausführungen des kgl. ung. Handelsministers zurückzukommen und erklärt, daß die von ihm vorgenommene Einteilung in die drei Interessengruppen ledig¬ lich auf praktischen Erwägungen beruhe. Der Landtag sei nunmehr ein Faktor mit dem in solchen Fragen ernstlich gerechnet werden müßte. Es sei unmöglich, dem Landtage die Summe aller in Erwägung stehenden Projekte, die mit einem zwischen 141 und 174 Millionen Kronen schwankenden Kostenaufwand verbun¬ den sind, vorzulegen. Verständnis würden nur die den spezifisch bosnischen In¬ teressen dienenden Bahnen finden, für deren Kosten das Land aufkommen könne und wolle. Damit soll aber der grundsätzlichen Lösung der Bedeckungsfrage kei¬ neswegs vorgegriffen werden, und es bleibt den beiden Regierungen unbenom¬ men, die Art der Beitragsleistung der Monarchie, (ob perzentuell oder nach Lini¬ en, ob in Form eines Kapitalzuschusses, einer Zinsengarantie oder einer Subvention) im gegenseitigen Einvernehmen zu bestimmen. Was die Frage der Vorkonzessionen betreffe, so bilde die Erteilung einer sol¬ chen Konzession durchaus kein Präjudiz, da aus der Vornahme von Trassenstudi- d Ausbesserung aus normalem. <pb/>Nr. 21 Gemeinsamer Ministerrat, Budapest, 26. 2. 1911 375 en und dergleichen Vorarbeiten noch kein Anspruch auf seinerzeitige Erteilung der Baukonzessionen abgeleitet werden könne. Im Laufe der letzten Jahre sind derlei Vorkonzessionen wiederholt an Bauuntemehmungen erteilt worden und zwar aus dem Grunde, weil die Landesverwaltung es für vorteilhafter hält, die Bahnbauten künftig nicht mehr in eigener Regie auszuführen. Die Frage ob in Bosnien und der Herzegowina auch Privatbahnen gebaut werden dürften, sei nach Ansicht des Redners prinzipiell zu bejahen. Was die Frage der Unatalbahn anlange, sei er erstaunt zu erfahren, daß seine Erklärung, Bosnien und die Herzegowina könne auf seinem Territorium keine fremde Betriebsführung zulassen, einen so unerwartet starken Eindruck hervor- gemfen habe. Seine Erklärung sei dahin zu verstehen, daß das ganze bosnische Bahnnetz, mit Ausnahme der k. u. k. Militärbahn Banjaluka-Doberlin, einheitlich betrieben werde und es daher der bosnisch-herzegowinischen Verwaltung nicht erwünscht sein könne, daß in Bosnien und der Herzegowina verschiedene Bahn¬ betriebe existieren. Das von der ungarischen Regierung bezüglich der Unatal¬ bahn angestrebte Ziel könnte ja schließlich auch in Form eines Peagevertrages erreicht werden. Der kgl. ung. Ministerpräsident ist derAnsicht, daß die Fra¬ ge der Unatalbahn aus der Diskussion auszuscheiden sei, daß man sich aber end¬ lich über die Wahl der Linien und über die Art der Beitragsleistung einigen müs¬ se. Die vom gemeinsamen Finanzminister gemachte Einteilung in drei Gruppen sei für interne Beratungen im Interesse einer größeren Übersichtlichkeit ganz zweckmäßig, dürfte aber in den bezüglichen Gesetzesvorlagen mit Rücksicht auf §§ 2 und 3 des Gesetzartikels VI aus dem Jahre 1880 nicht zum Ausdruck kom¬ men. In der Frage der Normalisierung können nur Erwägungen der größeren Lei¬ stungsfähigkeit maßgebend sein und da sei es doch evident, daß der Flußlauf der Bosna gegenüber der schwierigen, durch das Vrbas- und Ramatal führenden Ge¬ birgsbahn den Vorzug verdiene. Die ungarische Regierung denke nicht daran, gegen die verkehrspolitischen Interessen Österreichs Stellung zu nehmen, aber es dürfte trotzdem nicht verkannt werden, daß die wirtschaftlichen Verhältnisse des Ramatales den Bau einer normalspurigen Bahn nicht rechtfertigen. Der k. k. Finanzminister erklärt, erst im Laufe der Verhandlun¬ gen erfahren zu haben, daß die formale Frage der Beitragsleistung wie sie sich aus §§ 2 und 3 des Gesetzes vom 22. Februar 1880 RGBl. Nr. 18 (ungarischer Gesetzartikel VI aus dem Jahre 1880) ergebe, zur Diskussion gestellt wurde. Wenn über diese Dinge verhandelt werden solle, müsse er sich eine Meinungsäu¬ ßerung auf einen späteren Zeitpunkt Vorbehalten, um vorerst die Tragweite dieser Frage zu studieren. Der kgl. ung. Handelsminister ist der Anschauung, daß be¬ züglich der im wirtschaftlichen Interesse Bosniens und der Herzegowina zu bau¬ enden Linien eine Divergenz eigentlich nicht besteht. Ungeklärt sei nur die Hauptfrage, nämlich die aus strategischen Rücksichten zu bauenden Bahnen. In der Diskussion sei die Frage der Kosten und der Zeitdauer, die die Herstellung <pb/>376 Nr. 21 Gemeinsamer Ministerrat, Budapest, 26. 2. 1911 dieser strategischen Bahnen beanspruchen werden, viel zu wenig erörtert wor¬ den. Bezüglich der Kosten bestehen zwischen den ungarischen und den bosnisch- herzegowinischen Ziffern größere Differenzen, die sich nicht aus der in den letz¬ ten Jahren eingetretenen allgemeinen Preissteigerung erklären lassen. Wichtiger sei noch die Zeitffage und er sei erstaunt, daß der Kriegsminister, der das Haupt¬ gewicht auf die baldigste Herstellung einer normalspurigen Aufmarschlinie legt, nicht a priori den Standpunkt der ungarischen Regierung teilt. Die Bosnalinie kann, weil alle notwendigen Behelfe zur Hand sind, in einem Jahre normalisiert sein, während die Herstellung der Vrbas-Ramastrecke, wo es noch an den nötig¬ sten Vorarbeiten fehlt, mindestens fünf Jahre beanspruchen wird. Für eine nor- malspurige Strecke im Laufe der Bosna sprächen also politische militärische und wirtschaftliche Momente und die Frage der Zeitdauer. Der k. k. Ministerpräsident schlägt vor, in der heutigen Konfe¬ renz noch keine definitive Entscheidung in der vorliegenden Frage zu treffen, da sowohl bezüglich der Kosten noch ungeklärte Widersprüche bestünden und auch die über die Trassenführung im Laufe der Diskussion vorgebrachten Anschauun¬ gen es wünschenswert erscheinen lassen, daß der österreichische Ministerrat alle diese Fragen neuerlich in Erwägung ziehe.5 Der Vorsitzende resümiert die Hauptmomente der eben abgeschlosse¬ nen Diskussion und hebt dabei folgende Punkte hervor: 1. Da die heutigen Beratungen in einzelnen wichtigen Punkten noch zu keiner Einigung geführt haben, wird das Protokoll über diese Ministerkonferenz allen beteiligten Ministem übermittelt werden, um auf Grund der geführten Erörterun¬ gen zu den strittig gebliebenen Punkten neuerlich Stellung nehmen zu können. 2. Es besteht Einverständnis darüber, daß zur Aufklärung der in den einzelnen Kostenberechnungen konstatierten Divergenzen die österreichische und ungari¬ sche Regierung und die bosnisch-herzegowinische Landesverwaltung so bald als möglich Delegierte entsenden werden, die kommissionaliter sich mit der Frage der Kosten, eventuell auch auf Grund einer Trassenbewegung zu befassen haben werden. 3. Es besteht ferner Einverständnis darüber, daß der gemeinsame Finanzmini¬ ster ersucht werden soll, den beiden Regierungen Gesetzesvorlagen über den Bau jener Bahnen zu unterbreiten, hinsichtlich deren keine Meinungsdifferenzen be¬ stehen. Einer späteren Beratung bleibt die Entscheidung darüber Vorbehalten, in welcher Weise diese Vorlagen mit Rücksicht auf die sich aus §§ 2 und 3 des Ge¬ setzes vom 11. Febmar 1880 ergebenden Erwägungen im bosnisch-herzegowini- schen Landtag einzubringen sein werden, ob in Form zweier gleichzeitig einzu¬ bringender Gesetzentwürfe von denen der eine nurjene Bahnen umfaßt, für deren Bau Bosnien und die Herzegowina auch die Mittel aufbringen wird, oder in Form 5 Der cisleithanische Ministerrat beschäftigte sich am 19. 9. 1911/VIII, MRZ. 43, mit den Bosnischen Bahnen. Das Protokoll liegt nicht mehr ein. <pb/>Nr. 21 Gemeinsamer Ministerrat, Budapest, 26. 2. 1911 377 eines einzigen Entwurfes mit einer entsprechenden Erläuterung der Frage der Kostenbedeckung. Vom Standpunkte der auswärtigen Lage fügt der Vorsitzende noch bei, daß die Verhältnisse in der Türkei voraussichtlich längere Zeit noch labil bleiben dürften und daß es sich daher mit Rücksicht auf die unruhigen Nachbarn empfehlen wür¬ de, in der Frage der Ausgestaltung des bosnisch-herzegowinischen Bahnnetzes keine Zeit zu verlieren.6 Vor Schluß der Sitzung bringt der k. u. k. gemeinsame Fi¬ nanzminister noch die Frage der Erhöhung des bosnischen Zollaversums zur Sprache, die er mit Note vom 10. September 1910, Nr. 4694/BH. bei den beiden Regierungen und dem k. u. k. Ministerium des Äußern angeregt habe.7 Seitens des k. k. österreichischen Ministerpräsidenten sei eine Äußerung bisher nicht erfolgt, der kgl. ung. Ministerpräsident habe aber in seiner Note vom 28. Januar 1911, Nr. 466/I/ME. den Antrag des k. u. k. gemeinsamen Finanzministe¬ riums formell und materiell abgelehnt.8 Der gemeinsame Finanzminister ersucht die beiden Ministerpräsidenten dringend, ihre Entscheidung im Sinne seiner An¬ träge zu treffen. Der Landtag habe sich der Frage des bosnischen Zollaversums sofort bemächtigt und es sei ein Gebot der Gerechtigkeit und der politischen Klugheit die Erhöhung des Zollaversums nicht a limine abzuweisen sondern sie im Sinne der gestellten Anträge, deren Begründung er auch vom gesetzlichen Standpunkte aufrecht erhalte, zu erledigen. Der k. k. Ministerpräsident erklärt, daß er in einer an das k. u. k. Ministerium des Äußern gerichteten Note vom 13. Jänner 1911, Nr. 22/ MR sich bereit erklärt habe, die Frage der Erhöhung des bosnischen Zollaver¬ sums vor der Zoll- und Handelskonferenz einer Erörterung unterziehen zu lassen und daß auch bereits die erforderliche Verfügung wegen Beschaffung des not¬ wendigen Materials getroffen wurde.9 Da diese Erhebungen aber einige Zeit in Anspruch nehmen werden, habe er das k. u. k. Ministerium des Äußern ersucht, sich vor Einberufung der Zoll- und Handelskonferenz nochmals mit ihm ins Ein¬ vernehmen zu setzen. Der k. u. k. gemeinsame Finanzmini¬ ster nimmt diese Erklärung dankend zur Kenntnis und bemerkt, daß die for¬ melle Einwendung des kgl. ung. Ministerpräsidenten dahin gehe, daß die Frage des bosnischen Zollaversums nicht vor das Forum der Zoll- und Handelskonfe¬ renz gehöre. Dieses Bedenken könne leicht dadurch behoben werden, daß man keine Zollkonferenz einberufe, sondern eine Referentenbesprechung veranstalte. Fortsetzung des Gegenstandes in GMR. v. 28. und 29. 10. 1911, GMKPZ. 488. Das Schreiben Buriäns an Aehrenthal v. 10. 9. 1910 konnte in den Beständen des HHStA., PA. I, CdM. nicht gefimden werden. Das Schreiben Khuens an Buriän v. 28. 1. 1911 konnte in Fa., FM. sowie HHStA., PA. I, CdM. nicht gefunden werden. Schreiben (K.) Bienerths an Aehrenthal v. 13. 1. 1911, Ava., Ministerratspräsidium, Präs. 22/1911, Karton 112, Brandakt. <pb/>378 Nr. 21a Referentenprotokoll der Konferenz zur Eliminierung etc. Jedenfalls bitte er aber die beiden Regierungen dringenst, diese wichtige Frage zu rekonsiderieren.10 Nachdem der Vorsitzende dieses Ansuchen des gemeinsamen Finanz¬ ministers den beiden Ministerpräsidenten zur wohlwollenden Berücksichtigung wärmstens empfohlen hat, wird die Sitzung geschlossen. Aehrenthal Ah. E. fehlt. Nr. 21a Referentenprotokoll der Konferenz zur Eliminierung der Differenzen bezüglich der approximativen Baukosten etc. Protokoll über die im k. u. k. gemeinsamen Finanzministerium am 20. März 1911 unter dem Vorsitze Sr. Exzellenz des Hr. Sektionschefs Eduard R. v. Horowitz abgehaltene Konferenz zur Eliminierung der Differenzen bezüglich der approximativen Baukosten der in der Ministerkonfe¬ renz vom 26. Februar 1. J. zur Sprache gebrachten Bahnbauten beziehungsweise Umbauten, Samac- Doboj-Sarajewo und Banjaluka-Jajce-Bugojno-Rama, hinsichtlich welcher Bahnbauten sich in den vom k. u. k. gemeinsamen Finanzministerium und vom kgl. ung. Handelsministerium aufge¬ stellten Kostenberechnungen wesentliche Differenzen ergeben haben. Gegenwärtig: Seitens des kgl. ung. Handelsministeriums: Herr Ministerialrat Dionisius v. Kelety, Herr Ingeni¬ eur Paul v. Vasdinnyey. Seitens des k. k. Eisenbahnministeriums: Herr Ministerialrat Alfred Ressig, Herr Ministerialrat Dr. Otto Müller, Herr Oberbaurat Ferdinand Wessnitzer. Seitens des k. u. k. gemeinsamen Finanzministeriums: Herr Hofrat Josef Kalmann, Herr Baurat Richard Agazzi. Seitens der bosnisch-herzegowinischen Landesbahnen: Herr Hofrat Karl Schnack. Vor allem wird von allen Seiten festgestellt, daß für die Berechnung der Ko¬ sten der vorbezeichneten Linien keinerlei, auch nicht generelle Projekte vorlie¬ gen, sondern die Kosten nur schätzungsweise ermittelt wurden. Hieraufwurde in die Besprechung der Kosten der einzelnen Bahnlinien im Detail eingegangen und gelangte die Kommission zu folgendem Ergebnisse: I/A. Neubau Samac-Doboj: Die Länge dieser Linie beträgt 66 km. Die Vertre¬ ter des kgl. ung. Handelsministeriums haben die Baukosten dieser Linie unter der Annahme einer Baulänge von 63 km mit 11 000 000 K präliminiert, wogegen seitens der Vertreter des k. u. k. gemeinsamen Finanzministeriums die Baukosten für diese 66 km lange Linie mit 21 520 000 K veranschlagt wurden. Einvemehm- Die Referentenbesprechung v. 22. 5. 1911 lehnte eine Erhöhung des bosnisch-herzegowini¬ schen Zollaversums ab, Resume in HHStA., PA. I, CdM. VIII-c 13, Karton 637, fol. 4. <pb/>Nr. 21a Referentenprotokoll der Konferenz zur Eliminierung etc. 379 lieh wurden von der Kommission die Baukosten der vorerwähnten Strecke mit 17 000 000 K angenommen. Seitens der Vertreter des kgl. ung. Handelsministeriums wird hiezu folgendes bemerkt: Nach den vom Direktor der bh. Landesbahnen Hofrat Schnack angege¬ benen Daten muß die Grundeinlösung mit mindestens 1 K per 1 m2 angenommen werden, wodurch diese Post per 1 Bahnkilometer auf 31 000 K zu stehen kommt. Hiezu kommen die verhältnismäßig hohen Kosten der Hochbauten, da die Stati¬ onsintervalle konform der Strecke Doboj-Sarajewo mit 9 km angenommen wer¬ den mußten. Des weiteren wurde der Fahrpark mit 2 800 000 K kotiert, was dem heutigen Verkehre entspricht. I/B. Umbau Doboj-Sarajewo auf Normalspur (Hauptbahn 2. Ranges): Die Länge beträgt 184 Km. Die approximativen Baukosten dieses Umbaues wurden seitens der ungarischen Vertreter bei Annahme einer Länge von 190 km mit 51 000 000 K, seitens der Vertreter des k. u. k. gemeinsamen Finanzministeriums bei Annahme einer Länge von 184 km mit 59 720 000 K angegeben. Nach eingehender Besprechung aller Details wurden die Baukosten einver¬ nehmlich mit 55 400 000 K angenommen. Somit stellen sich die Gesamtkosten für den Neu- und Umbau der 250 km langen Linie Samac-Doboj-Sarajewo auf Normalspur als Hauptbahn 2. Ranges auf 72 400 000 K wobei ausdrücklich darauf hingewiesen wird, daß eigentliche Projektsbehelfe nicht vorliegen und dieser Betrag nur schätzungsweise ermittelt wurde. II/A. Neubau der Linie Banjaluka-Jajce und Bugojno-Rama als Schmalspur¬ bahnen nach den Normalien der bh. Landesbahnen: Zu diesem Zwecke sind sei¬ tens der Vertreter des k. u. k. gemeinsamen Finanzministeriums 38 400 000 K, seitens der Vertreter des kgl. ung. Handelsministeriums 48 800 000 K als erfor¬ derlich bezeichnet worden. Nachdem von keiner Seite die veranschlagten Bau¬ summen durch Projektsbehelfe erhärtet werden konnten, so wurden die Kosten dieser Linie als Schmalspurbahn mit 43 600 000 K veranschlagt. II/B. Neubau der Linie Banjaluka-Jajce und Bugojno-Rama als Hauptbahn 2. Ranges und Umbau der schmalspurigen Linie Jajce-Bugojno auf Normalspur: Zu diesem Zwecke haben die Vertreter des k. u. k. gemeinsamen Finanzministe¬ riums 67 300 000 K, dagegen die Vertreter des kgl. ung. Handelsministeriums 101 300 000 K als erforderlich bezeichnet. Bei vollständigem Mangel irgendwel¬ cher Projektsbehelfe unterliegt das schätzungsweise Vorgehen bei einer Haupt¬ bahn mit großen Radien unter den bestehenden äußerst schwierigen Terrainver¬ hältnissen erheblichen Fehlergrenzen. Nach eingehender Besprechung aller einschlägigen Momente hat sich die Kommission unter den oben stehenden Vor¬ behalten auf eine approximative Bausumme von 84 000 000 K geeinigt. Schlie߬ lich wurde seitens der Vertreter des kgl. ung. Handelsministeriums die Anfrage gestellt, innerhalb welchen Termines die Bauausführung dieser Linien in Aus¬ sicht genommen wird. <pb/>380 Nr. 22 Gemeinsamer Ministerrat, Budapest, 5. 3. 1911 Der Vorsitzende der Kommission bemerkt hierauf, daß laut Note des kgl. ung. Handelsministeriums vom 4. März 1. J. Z. 1953/eln. diese Angelegenheit nicht als Gegenstand der heutigen Konferenz bezeichnet ist, worauf in eine weitere Dis¬ kussion dieser Frage nicht eingegangen wurde. Dieses Protokoll wurde in drei gleichlautenden Parien ausgefertigt, wovon je 1 Exemplar den Vertretern der eingangs genannten Ministerien ausgefolgt wurde. Geschlossen, gelesen, gefertigt. Horowitz m.p., Ressig m.p., Müller m.p., Wessnitzer m.p., Kalmann m.p., Karl Schnack m.p., Agazzi m.p. Nr. 22 Gemeinsamer Ministerrat, Budapest, 5. März 1911 RS. (und RK.) Gegenwärtige: der kgl. ung. Ministerpräsident Graf Khuen-Hederväry, der k. k. Ministerpräsi¬ dent Freiherr v. Bienerth, der k. u. k. gemeinsame Finanzminister Freiherr v. Buriän, der k. u. k. Reichskriegsminister GdI. Freiherr v. Schönaich, der k. k. Minister für Landesverteidigung FML. v. Georgi, der kgl. ung. Landesverteidigungsminister FML. Hazai, der k. u. k. Chef des Generalstabes GdI. Freiherr Conrad v. Hötzendorf. [Auszugsweise publiziert in: Conrad Freiherr v. Hötzendorf Franz, Aus meiner Dienstzeit 1906-1918, Band 2: 1910-1912 134--139] Protokollführer: Legationsrat Friedrich Graf Szapäry. Gegenstand: Darlegungen des Chefs des Generalstabes betreffend die Notwendigkeit weiterer Kredite zur Ausgestaltung der Wehrmacht. KZ. 57 - GMKPZ. 486 Protokoll des zu Budapest am 5. März 1911 abgehaltenen Ministerrates für gemeinsame Angelegenheiten unter dem Vorsitze des Ministers des k. u. k. Hau¬ ses und des Äußern Grafen Aehrenthal. Der Vorsitzende eröffnet die Konferenz, indem er einleitend bemerkt, er habe dieselbe in Entsprechung eines Allerhöchsten Auftrages einberufen, laut welchem dem k. u. k. Chef des Generalstabes Gelegenheit zu bieten sei, seine Anschauungen betreffend jene noch über den Rahmen der eben von den Delega¬ tionen bewilligten Kreditforderungen hinausgehenden militärischen Maßnahmen darzulegen, welche nach seiner Auffassung für die Wehrfähigkeit der Monarchie notwendig seien.1 Er fugt hinzu, daß die heutigen Beratungen auf Allerhöchsten Fortsetzung des GMR. v. 6. 1. 1911, GMKPZ. 484. Den Vortrag v. 13. 2. 1911, mit dem Con¬ rad um die Annahme des von ihm als notwendig bezeichneten Wehrkredites oder um die Enthebung von seinem Posten bat, resolvierte Franz Joseph mit Ah. E. v. 15. 2. 1911, indem er weder dem Kredit zustimmte, noch den Rücktritt annahm. Er gabjedoch Conrad die Mög¬ lichkeit, seine Forderungen in einem gemeinsamen Ministerrat vorzutragen, Ka., General¬ stab, Operationsbüro, Karton 739, Gstb. Res. Nr. 510/1911. Zur Vorgeschichte dieses Mini¬ sterrates aus Sicht Conrads siehe Conrad, Aus meiner Dienstzeit, Band 2: 1910-1912 111-134. <pb/>