Gemeinsamer Ministerrat, 6. 10. 1910
I. Fortsetzung der am 22. September 1910 begonnenen Beratungen, betreffend das Marineprogramm und die Wehrgesetzreform
Siehe PDF-Daten https://hw.oeaw.ac.at/ministerrat/serie-2/oe_hu_mrp_VI/pdf/oe_hu_mrp_VI_z18.pdf.
Nr. 18 Gemeinsamer Ministerrat, Wien, 6. 10. 1910 337 Der Vorsitzende beleuchtet noch die Notwendigkeit, die Frage der Militärju- stizreform zu bereinigen12 und richtet einen warmen Appell an beide Regierun¬ gen, soweit als möglich und trotz der Geldnot dem Heere und der Flotte zu geben, was sie brauchen. Er weist auf das Beispiel Rumäniens hin, das bei einer Einwoh¬ nerzahl von sechs Millionen jüngst ein Rahmengesetz mit einem Aufwande von 80 Millionen Lei erhalten, das eigentlich den Zweck habe, seine Armee in der Weise auszugestalten, wie wir es beabsichtigen. Nachdem noch der kgl. ung. Ministerpräsident die Frage ge¬ stellt, ob bei Bewilligung der Vorlage die jährliche Steigerung des Kriegsbudgets verschwinden werde6 und der Kriegsminister dies mit Ausschluß der etwa durch die Agrarier hervorgerufenen Preissteigerungen bejaht,13 schließt der Vo r sit¬ ze n d e um funfUhr 40 Minuten nachmittags die Sitzung. Aehrenthal Ah. E. Ich habe den Inhalt dieses Protokolles zur Kenntnis genommen. Wien, am 18. März 1911. Franz Joseph. Nr. 18 Gemeinsamer Ministerrat, Wien, 6. Oktober 1910 RS. (und RK.) Gegenwärtige: der k. k. Ministerpräsident Dr. Freiherr v. Bienerth, der kgl. ung. Ministerpräsi¬ dent GrafKhuen-Hederväry, der k. u. k. gemeinsame Finanzminister Freiherr v. Buriän, der k. u. k. gemeinsame Kriegsminister GdI. Freiherr v. Schönaich, der k. k. Finanzminister Dr. Ritter v. Bilinski (17. 11.), der kgl. ung. Finanzminister Dr. v. Lukäcs, der k. u. k. Marinekommandant und Chef des gemeinsamen Kriegsministeriums, Marinesektion, Admiral Graf Montecuccoli. Protokollführer: Hof- und Ministerialrat Ritter v. Günther. Gegenstand: Fortsetzung der am 22. September 1910 begonnenen Beratungen, betreffend das Marineprogramm und die Wehrgesetzreform. Anmerkung Schönaichs Zur letzten Seite: Die Frage des kgl. ung. Ministerpräsidenten habe ich so verstanden: ,,ob bei Bewilligung der Vorlage auf die Dauer der Durch¬ führung des Programmes die jährliche Steigerung des Kriegsbudgets ver¬ schwinden werde". Meine Bejahung bezieht sich auf die so gefaßte Frage. Wenn Se. Exzel¬ lenz zustimmen, wäre diese Ergänzung im Texte seiner Frage anzunehmen. Schönaich 3. 10. Mit Vortrag Georgis v. 2. 7. 1912 wurde in Cisleithanien die Militärstrajprozeßordnungfiir die gemeinsame Armee mit Ah. E. v. 5. 7. 1912 eingeßhrt - Ka., MKSM. 57-3/2-1/1912, publiziert als Gesetz v. 5. 7. 1912, RGBl. 130/1912, in Ungarn über Vortrag Hazais v. 28. 6. 1912 mitAh. E. v. 5. 7.1912, - Ka., MKSM. 51-212-21X912,publiziert als GA. XXXII/1912. Zur Entstehungsgeschichte siehe Hetzer, Franz v. Schönaich 40-43, 64-67, 91 f, 131 ff, 166,172-176. Fortsetzung zum gemeinsamen Budgetßr 1911 in GMR. v. 6. 10. 1910, GMCPZ. 482. <pb/>338 Nr. 18 Gemeinsamer Ministerrat, Wien, 6. 10. 1910 KZ. 14/1911-GMCPZ. 482 Protokoll des zu Wien am 6. Oktober 1910 abgehaltenen Ministerrates für ge¬ meinsame Angelegenheiten unter dem Vorsitze des k. u. k. gemeinsamen Mini¬ sters des k. u. k. Hauses und des Äußern Grafen Aehrenthal. Der Vorsitzende eröffnet die Konferenz um 10 Uhr. In der einleiten¬ den Rede bezeichnet er es als seine Pflicht, vor Eingehen in die Tagesordnung davon Mitteilung zu machen, was er Sr. Majestät über die Eindrücke gemeldet habe, die er bei seinem Aufenthalte in Turin und Racconigi empfing.1 Die Aufnahme, die er bei dem Könige von Italien gefunden, habe sich durch den herzlichen und offenen Ton wesentlich von jener unterschieden, die ihm vor drei Jahren zuteil geworden sei. Der König, der sonst nicht von gerade sehr lie¬ benswürdigen Natur sei, war sichtlich bestrebt, ihm als dem Vertreter unseres Allergnädigsten Herrn liebenswürdig und herzlich entgegenzukommen. Man kann daraus den Einfluß der letzten zwei Jahre ersehen und den Wunsch Italiens, sich an uns und Deutschland zu halten. Man wolle dort den Frieden gewahrt wis¬ sen und die Erfüllung dessen, was man sich vielleicht ersehne, hinausschieben. Daß Italien als große Nation manches noch zu erreichen wünsche, könne man ihm nicht übelnehmen. Jedenfalls wolle es für die nächste Zukunft an unserer Seite bleiben. Voraussetzung sei allerdings, daß das jetzige harmonische Zusam¬ menwirken beider Staaten der Monarchie sich aufrecht erhalte und wir bezüglich der Armee und Flotte nicht hinter anderen Großmächten zurückstehen. Es wird hierauf beschlossen, den gemeinsamen Voranschlag für das Jahr 1911 dermalen noch nicht durchzuberaten,2 sondern sich zunächst mit dem Marinepro¬ gramm und den Kosten der Wehrgesetzreform zu befassen. Hinsichtlich der letz¬ teren betont der kgl. ung. Ministerpräsident, daß zunächst das bezügliche Gesetz in den Parlamenten eingebracht und angenommen werden müsse, bevor man wegen der hiedurch bedingten Mehranforderungen an die De- legeationen herantreten könne, weil diese nur auf der Basis parlamentarisch ge¬ schaffener Gesetze die Kosten bewilligen dürfen. Die Stärkung der Wehrkraft und der Sicherheit der Monarchie sei ein Programmpunkt der gegenwärtigen un¬ garischen Regierung und ergebe sich aus der ganzen politischen Situation. Doch könne man detaillierte Beschlüsse noch nicht fassen, weil man sich zunächst über die finanziellen Folgen Klarheit schaffen müsse. Diese werden auf eine lange Reihe von Jahren ihre Wirkung üben. Sobald man also diesbezüglich klar sehen werde und andere Vorbedingungen gelöst sind, könne man erst ungarischerseits vor das Parlament mit der Sicherheit eines Erfolges treten. Der Wille und der Emst sind vorhanden, die Frage zu lösen und zwar bald zu lösen, schon aus dem Grunde, um die Gewißheit zu haben, daß auf längere Zeit hinaus neue Forderun- 1 Zu diesem Besuch siehe das Communique über den Besuch Aehrenthals in Racconigi und Turin, 1. 10. 1910, publiziert in Österreich-Ungarns Aussenpolitik, Bd. 3, Nr. 2264. Fortsetzung des GMR. v. 22. 9. 1910, GMCPZ. 481. <pb/>Nr. 18 Gemeinsamer Ministerrat, Wien, 6. 10. 1910 339 gen nicht zu gewärtigen seien. Es müsse aber gründlichst erwogen werden, wie weit man sich einlassen dürfe, um nicht die Finanzen zu erschüttern, denn, wenn man noch so sehr den Wunsch hege, das Heer zu stärken, so sei doch darauf Be¬ dacht zu nehmen, die finanzielle Leistungskrafi: nicht zu sehr zu schwächen. Hier müsse ein logischer Zusammenhang bestehen. Auch dürfe er nicht verhehlen, daß seine Situation im Parlamente erschwert würde, wenn vorher in den Delegationen durch Auftauchen der Kostenfrage diesbezüglich schon ein Bild derselben gege¬ ben und eventuell die Auffassung einer Weisung an das Parlament und eines Ein¬ griffes in die Rechte desselben Platz greife, was einen Sturm in der Öffentlichkeit hervormfen würde. Dagegen unterliege es keinem Anstande, den Marineplan vor den Delegationen zu entwickeln, weil derselbe von keinem vorherigen gesetzge¬ benden Akte abhängig ist. Freiherr v. Schönaich erklärtnun, daß in seinem Budget pro 1911 nichts enthalten sei, was mit der zweijährigen Dienstzeit Zusammenhänge. Dieses Budget sehe abermals einen Notbehelf vor. Er bespricht die bezüglichen Ansätze des Budgets, die zusammen 19 Millionen betragen, welche Summe bei Annahme einer seiner beiden Vorlagen betreffend die Kosten der Wehrreform von diesen Auslagen abgezogen werden könne. Die Kriegsverwaltung bitte aber dringend, ihr endlich zu sagen, was sie bekommen werde. Der kgl. ung. Ministerpräsident bringt nun in Vorschlag, daß eine Konferenz der Vertreter des Kriegsministers und der beiderseitigen Fi¬ nanzverwaltungen bezüglich des ganzen Komplexes von Mehranforderungen einschließlich jener des Kriegs- und Marinebudgets pro 1911 zusammentrete und über die Details berate, welcher Vorschlag angenommen wird. Der k. k. Ministerpräsident fuhrt aus, daß man die gemeinsa¬ me Regierung in die Lage versetzen müsse, über die Ausgestaltung der Flotte und die Heeresreform präzise Antworten in den Delegationen geben zu können. Hin¬ sichtlich der Marine seien nur mehr Einzelheiten festzustellen. Was die Heeresre- form betreffe, so werde der Kriegsminister die Frage hinsichtlich der voraussicht¬ lichen Type vom militärischen Standpunkte aus in den Delegationen beantworten müssen. Die Behandlung der Sache vom volkswirtschaftlichen Standpunkte aus wird im Parlamente erfolgen. In der ersteren Körperschaft werde man wohl anzu¬ deuten haben, auf welche Type überzugehen man die Absicht habe. Er stimme dem zu, daß die betreffenden Mehrkosten nicht in dem Voranschläge pro 1911 erscheinen sollen, man könne ja mit einem Nachtragskredit die Deckung finden, aber intern müsse man sich über den Aufwand Klarheit schaffen. Der k. k. Finanzminister bespricht nun in ausführlicher Weise die beiden Anforderungen für Marine und Heer. Nach Ausscheidung der Kosten für die Monitore, den Schutzdamm und die Annäherungshindemisse per zusammen 17,6 Millionen verbleiben 312,4 Millio¬ nen von den beanspruchten 330. Mit dieser letzteren Summe werde man aber rechnen müssen, nachdem Verzugszinsen, Materialpreissteigerungen und der¬ gleichen zu berücksichtigen sind. Er beantragt nun, die 55 Millionen pro 1911 zu <pb/>340 Nr. 18 Gemeinsamer Ministermt, Wien, 6. 10. 1910 bewilligen, sonst aber Verschiebungen der Bauzeiten vorzunehmen, so die der Kreuzer für die Periode 1912-1915, jene der sechs Fahrzeuge, dann der Hoch- und Unterseeboote für 1913-1916. Im normalen Budget pro 1911 könnte die Steigerung von 6V2 Millionen viel¬ leicht auf 1 bis IV2 Millionen reduziert werden. Diesbezüglich werde ja die über Vorschlag des Grafen Khuen-Hederväry einzusetzende Kommission beraten. Was das Heer betreffe, seien aus dem Programme die 155 Millionen für die Befestigungen auszuscheiden. Die normalen Auslagen per 120 Millionen seien auf eine Reihe von 10-12 Jahren und zwar möglichst auf 12 Jahre zu verteilen. Von den 200 Millionen werde ein bedeutender Teil zu streichen sein. Der kgl. ung. Finanzminister erklärt, sich im allgemeinen den Ausführungen seines österreichischen Kollegen hinsichtlich des Marineprogram¬ mes anschließen zu können. Ob die Sache aber auch praktisch durchführbar sei, werde sich erst erweisen, sobald die übrigen Kosten, nämlich jene der Heeresre¬ form und der Konsequenzen für die Landwehr festgestellt seien. Um seinen Standpunkt möglichst präzise zum Ausdruck zu bringen, verliest Dr. v. Lukäcs folgendes Memoire: ,,Bezüglich der beiden Vorlagen über die verkürzte Präsenzdienstzeit respekti¬ ve die Erhöhung des Rekrutenkontingentes bin ich derzeit noch nicht in der Lage, eine positive Erklärung abzugeben. Beide Vorschläge sind nämlich, was die fi¬ nanziellen Anforderungen betrifft, viel zu allgemein gehalten, als daß sich dies¬ bezüglich eine positive Meinung fassen ließe. Vor allem müssen wir in den De¬ tails klar sehen, um auch die einzelnen Posten einer Beurteilung unterziehen zu können, und diesbezüglich muß ich hauptsächlich auf die in den Beilagen ,E` respektive ,D` enthaltene Post IV hinweisen, wo ganz enorme Beträge eingestellt sind unter der sehr allgemeinen Benennung: ,Für die Behebung von Rückständigkeiten und für sonstige in der nächsten Zeit zu gewährtigende Maßnahmen, Beschaffungen, Bauten etc.` Es müßte deshalb seitens der Heeresverwaltung vor allem ein in finanzieller Hinsicht möglichst detailliertes Programm gegeben werden. Im allgemeinen muß ich jedoch schon jetzt zwei Bemerkungen machen, und zwar: 1. daß die als Folge der verkürzten Präsenzdienstpflicht sowie der Erhöhung der Rekrutenkontingentes jetzt gestellten finanziellen Anforderungen mit jenen des im Jahre 1904 ausgearbeiteten Programmes sozusagen in keinem Verhältnis¬ se stehen. Die Anforderungen waren nämlich im Jahre 1904 um vieles geringer als die jetzigen, und zwar ist die sich ergebende Differenz so beträchtlich, daß derselben unzweifelhaft auch andere Ursachen zugrunde liegen müssen als nur die während dieser Jahre eingetretene allgemeine Verteuerung. Am 23. April 1904 sagte Kriegsminister Ritter von Pitreich, daß zur Einführung der zweijährigen <pb/>Nr. 18 Gemeinsamer Ministerrat, Wien, 6. 10. 1910 341 Dienstzeit 10 Jahre hindurch jährlich 7 000 000 K als fortlaufende Ausgaben not¬ wendig wären.3 Als einmalige waren damals 55 Millionen in dem 449 Millionen Erfordernisse des Heeres und der Marine enthalten. Insgesamt also 70 _55 125 Millionen, wo hingegen jetzt insgesamt 200 120 320 Millionen angefordert werden! Diese Voraussetzung scheint auch durch die in der Beila¬ ge ,B` enthaltenen Angaben bestätigt, indem aus diesen Angaben ersichtlich ist, daß außer den unmittelbaren Konsequenzen der verkürzten Präsenzdienstpflicht und der Erhöhung des Rekrutenkontingentes noch weitere ,Standesneuerungen1 und,Neuaufstellungen1 geplant sind, 2. muß ich bemerken, daß die jetzt gestellten finanziellen Anforderungen im allgemeinen enorm zu nennen sind. So zwar, daß, wenn wir - ganz abgesehen von den zu fortifikatorischen Maßnahmen angeforderten 155 Millionen - noch den Schiffsbaubedarfder Marine sowie auch die jährlichen budgetmäßigen Mehr¬ erfordemisse hinzurechnen, sich bei den gemeinsamen Ausgaben für das erste Jahr ein Zuwachs von 133 respektive 115,5 Millionen Kronen ergeben würde, wovon auf die Länder der heiligen ungarischen Krone 48,4 respektive 42 Millio¬ nen Kronen entfallen. Wenn wir mm noch den gleichartigen Anforderungen der Landwehr genüge leisten wollten, was allerdings geschehen müßte und zwar im Verhältnisse wie das Rekrutenkontingent bei dem gemeinsamen Heere erhöht wurde, so wären nochjährliche 17 Millionen hinzuzufugen, so daß sich der Mehr¬ bedarfim ersten Jahre für Ungarn auf 65,5 respektive 59 Millionen stellen würde. Solchen Anfordemngen zu entsprechen, istjedoch die finanzielle Leistungsfähig¬ keit Ungarns nicht im Stande! Auf Grand dieser beiden Umstände glaube ich weiterhin bemerken zu müssen, daß die Anforderungen für die Erhöhung des Rekrutenkontingentes (ob mit oder ohne Verkürzung der Präsenzdienstzeit) beträchtlich herabgesetzt werden mü߬ ten, wenn man sich dem nicht aussetzen wollte, daß die betreffenden Vorlagen schon aus finanziellen Beweggründen gänzlich scheitern sollten. Die Herabset¬ zung der Anforderungen könnte meiner Meinung nach eventuell in Verbindung mit einer geringeren Erhöhung des Rekrutenkontingentes wie auch durch Vertei¬ lung der Durchführung auf eine längere Zeitdauer (eventuell auf 12 Jahre wie in Deutschland), allenfalls aber auch dadurch erreicht werden, daß sämtliche in Aussicht genommenen weiteren Standessanierungen und Neuaufstellungen vor- 3 GMR. v. 23. 4. 1904, Gmr. V, Nr. 54. <pb/>342 Nr. 18 Gemeinsamer Ministerrat, Wien, 6. 10. 1910 derhand ausgeschaltet und auf spätere Jahre hinausgeschoben werden, oder aber in erster Linie bloß der Bedarf der Truppenformationen gedeckt, hingegen der Ausbau der übrigen Zweige auf spätere Zeit verschoben werde. Auch glaube ich daraufhinweisen zu müssen, daß eine Vorlage bezüglich Er¬ höhung des Rekrutenkontingentes ohne gleichzeitige Verkürzung der Dienstzeit aus politischen Gründen weniger Aussicht auf Erfolg hätte, als wenn gleichzeitig die Verkürzung der Dienstzeit geboten würde, weil im ersteren Falle trotz der namhaften Lasten die Frage der zweijährigen Dienstzeit immer noch eine offene bliebe. Es wäre demnach meiner Ansicht nach besonders auf die Verkürzung der Präsenzdienstzeit Rücksicht zu nehmen und hiebei muß ich nochmals auf die unter Post IV der Beilage ,E` angeforderten 52,8 respektive 118,4 Millionen Kro¬ nen zurückkommen. Dieser Posten scheint nämlich besonders für die Vornahme der nötigen Reduktion geeignet zu sein und zwar schon aus dem Grunde, weil eine sehr bedeutende Disproportion zwischen den Posten IV der zu den beiden Vorlagen gehörigen Beilagen besteht und zwar zu Ungunsten der zweijährigen Dienstzeit, so daß hier eine spezielle Aufklärung in erster Reihe notwendig er¬ scheint. Endlich kann ich nur noch wiederholen, daß ich erst dann in der Lage sein werde, eine bindende Erklärung abzugeben, wenn die Heeresverwaltung die er¬ betenen Aufklärungen und ein möglichst detailliertes finanzielles Programm ge¬ geben haben wird." Der Vorsitzende resümiert nunmehr die Ausführungen der beiden Mi¬ nisterpräsidenten, konstatiert, daß der österreichische Finanzminister bestimmte Anträge bezüglich des Flottenprogrammes gestellt habe, denen sich der ungari¬ sche Finanzminister unter gewissen Reserven angeschlossen, und ersucht den Marinekommandanten, sich nunmehr zu äußern. Graf Montecuccoli stellt zunächst fest, daß er schon in der letzten Konferenz erklärt habe, seine Forderungen bilden ein Minimum. Was die Monitore betreffe, so seien sie schon eher als Flöße zu bezeichnen und nicht mehr tauglich. Er verweist auf das, was andere Ufermächte in dieser Hin¬ sicht geschaffen und speziell auf das Beispiel Rumäniens, deren Flotille stärker sei als die unsere. Was die Annäherungshindemisse beziehungsweise den Schutzdamm anbelan¬ ge, so könne er darauf nicht verzichten, allerdings bleibe es für ihn gleich, ob die einschlägigen Auslagen in dem außerordentlichen Kredit oder im Budget erschei¬ nen, nur bewilligen müsse man sie, ohne die übrigen Ausgaben zu verringern. Einer Verschiebung in den Bauzeiten könne er nicht zustimmen, man brauche die anderen Schiffe ebenso notwendig wie die Schlachtschiffe. Eventuell möge man eine höhere militärische Kommission einberufen, die ihr Urteil abgeben sol¬ le. Seine Vorschläge seien nach reiflicher Überlegung erstattet worden. Ein gro¬ ßes Haus erfordere einen großen Aufwand. Auch in seinem Budget müsse das zum Ausdrucke kommen. Graf Montecuccoli führt einzelne Beispiele an, so den Aufwand für das Scheibenschießen. Die großen Schiffe brauchen mehr Offiziere, <pb/>Nr. 18 Gemeinsamer Ministerrat, Wien, 6. 10. 1910 343 mehr Mannschaft, die Kohlen- und Petroleumvorräte bedingen große Kapitalien. Die 20 Millionen der Post 7 benötige er vorerst für die Franz Ferdinand-Klasse, für welche noch 11Vi Millionen zu zahlen seien. Diese Post müsse daher intakt bleiben. Er habe früher viel mehr gehabt als jetzt, wo er Stapel und Werkstätten bauen müsse, wie er schon bei Begründung des vorigen Budgets gesagt. Das voraussichtliche Mehrerfordemis für die Marine bezeichne er steigend bis 1914 mit 84 Millionen. Auf den italienischen Werften werde außerordentlich fleißig gearbeitet, spezi¬ ell in Genua zeige man große Eile. Der ,,Giulio Cesare" werde bedeutend früher fertig werden, als beabsichtigt gewesen. Auch in Frankreich und in England stehe man nicht zurück, er hoffe das Glei¬ che bei uns. Er könne die gemachten Vorschläge nicht akzeptieren und nicht zu¬ geben, daß für die Marine nur gegeben, was übrig bleibe. Der k. k. Ministerpräsident bemerkt dem gegenüber, daß den Vorschlägen die Bedachtnahme auf die finanzielle Leistungsfähigkeit zugrunde läge und daher der Erwägung unterzogen werden müsse. Die Bedenken des Ma¬ rinekommandanten sind nicht so schwerwiegend, daß man über die Anregungen einfach hinausgehe. Eine eventuelle frühere Inangriffnahme, wie dies auch mit den Schlachtschiffen geschehen, sei ja keinesfalls ausgeschlossen; die effektiven Kosten werden ja ohnehin höher sein als die präliminierten. Wenn es tatsächlich nötig sein wird, könne man mit dem Bau früher beginnen, es handle sich haupt¬ sächlich um die spätere Bezahlung. Für die österreichische Regierung sei der springende Punkt die Verteilung der Kredite auf mehrere Jahre. Im österreichi¬ schen Budget sei jedweder Ausbau zurückgestellt trotz der Dringlichkeit und Notwendigkeit, so der Aufwand für Schulen, ja selbst der für produktive Ausga¬ ben wie die Beschaffüng von Verkehrsmitteln. Er glaube also, daß, wenn man trotzdem diese bedeutenden Ausgaben konzediere, der seitens der Marineverwal¬ tung erhobene Vorwurf imberechtigt sei. Manches, was im Programme enthalten, gehöre gar nicht in ein Flottenpro¬ gramm. Man stimmte zunächst dem Baue der großen Schiffe und nach den späte¬ ren Aufklärungen dem der Beigabe, das ist der Begleitschiffe zu. Man habe sich auch dem gefügt, daß zu letzteren die Torpedoboote kamen, obwohl dem Laien vorkomme, daß das keine Begleitschiffe seien. Aber die Verteidigungsmaßnah- men und der Bau der Monitore gehöre nicht in den Rahmen dieses Programmes. Die Monitore entsprechen gewiß nicht den modernen Anforderungen und der Wunsch nach neuen sei selbstverständlich. Eine andere Frage ist es, ob die Not¬ wendigkeit des Austausches eine so eminente sei. Wenn der Marinekommandant berücksichtige, was ihm alles in Aussicht ge¬ stellt werde, wobei man nur eine gewisse weitergehende Echelonienmg verlange, könnte er wohl auf die Vorschläge eingehen. Man müsse sich das Sprichwort vor Augen halten, daß man eine Kuh, die man melken wolle, nicht erschlagen dürfe. Der Vorsitzende unterstützt die Ausführungen des Freiherm v. Bie- nerth, indem er speziell darauf verweist, daß - nachdem die Marine die Möglich- <pb/>344 Nr. 18 Gemeinsamer Ministerrat, Wien, 6. 10. 1910 keit besitze, gegebenen Falles rascher zu bauen - es ihm von seinem Standpunk¬ te aus wünschenswert erscheine, das Jahr 1914 nicht zu markieren und er daher einer weiteren Echelonierung das Wort reden müsse. Der Marinekommandant möchte nur nochmals bemerken, daß er in das Programm aufgenommen habe, was er aufhehmen mußte. Auch Deutsch¬ land habe in seinem Marineprogramm 36 Millionen für Befestigungen (Helgo¬ land, Cuxhaven etc.). Sie gehören zur Marine, die einen geschützten äußeren Ha¬ fen besitzen müsse. Und daß die Monitore zur Marine gehören, unterliege doch keinem Zweifel. Er könne also von seinen Forderungen nicht abgehen. Auf einen Einwurf des k. k. Finanzministers, ob nicht der Ma¬ rinekommandant aus den für die großen Schiffe pro 1911 zu bewilligenden 55 Millionen etwas für die Kreuzer verwenden könnte, erwidert Graf Monte- c u c c o 1 i, er habe ähnliches schon einmal getan, das sei aber eine sehr unan¬ genehme Sache. Der dritte ,,Dreadnought" hinge auf dem Stapel in Pola, der vier¬ te werde gleich nach Vollendung des ersten angefangen werden. Wenn nun der ,,Danubius" Arbeit bekommen solle, so müsse er ihn Kreuzer bauen lassen. Dem kgl. ung. Finanzminister, welcher darauf hinweist, daß die ungarische Delegation unbedingt verlangen werde, daß eines der großen Schiffe in Ungarn gebaut werden, entgegnet der Marinekommandant, daß dies nicht angehe, weil der ,,Danubius" 1911 ja vielleicht nicht einmal 1912 bauen könne, indem sich auf den bezüglichen Plätzen heute noch Wald bezie¬ hungsweise Wasser befinde. Im Geldbeträge werde der ,,Danubius" nicht zu kurz kommen. Den Panzer, die Geschütze und die Maschinen könne er nicht fabrizie¬ ren, daher sei es für ihn dasselbe, wenn er Kreuzer zum Baue bekomme. Graf Montecuccoli bezeichnet sein Budget als zu niedrig. 150 Millionen wäre das richtige Erfordernis. Er verweise aufItalien, das 1917 ein Marinebudget von über 200 Millionen haben werde. Der k. k. Ministerpräsident ersucht den Marinekommandan¬ ten, in ähnlicher Weise nur ja mit keinem Abgeordneten zu sprechen, sonst sei die ganze Sache kompromittiert. Freiherr v. Bienerth schließt sich Graf Aehrenthal an, indem er sagt, daß Italien eine ganz andere Küstenentwicklung habe. Der gute Wille beider Regierungen müsse anerkannt werden, was die Marine nach Durch¬ führung dieses Programmes, also ab 1915 noch brauche, sei eine cura posterior. Hinsichtlich des Schutzdammes könne man vielleicht einen Nachtragskredit ein- bringen. Das jetzige Ergebnis der Beratung sei ein befriedigendes. Da die beiden Regierungen ihr prinzipielles Einverständnis kundgegeben, könne man den Dele¬ gationen sagen, die Ministerkonferenz habe das Marineprogramm angenommen, die Einzelheiten würden den pro 1911 tagenden Delegationen mitgeteilt werden. Nachdem nunmehr beschlossen wird, der Marinekommandant solle eine neue Verteilung zusammenstellen, nach außen hin und wegen der finanzgesetzlichen Ermächtigung, während die praktische Handhabung eine rein interne Sache blei- <pb/>Nr. 18 Gemeinsamer Ministerrat, Wien, 6. 10. 1910 345 be, verliest Graf Montecuccoli das nachfolgende Expose, das er in den Delegationen halten wird. ,,Schon in den Sitzungen Ende 1908 hatte ich die Ehre, den hohen Delegatio¬ nen mitzuteilen, daß auch wir in dem Baue von großen Schlachtschiffen nicht zurückstehen dürfen und daß ich in der nächsten Tagung einen diesbezüglichen Antrag einzubringen genötigt sein werde. Bedauerlicherweise traten im Mai 1909 die Delegationen nicht zusammen. Das Programm, welches ich vorzulegen beabsichtigte, war ein kurzfristiges. Ich möchte gleich hier erwähnen, daß ich langfristige Programme bei den riesi¬ gen Fortschritten der Schiffsbautechnik nicht für richtig erachte. Solche Program¬ me müssen erfahrungsgemäß immer geändert werden. Ich hatte demnach in meinem nur für die nächsten Jahre berechneten Program¬ me, welches ich im Herbst 1909 der gemeinsamen Ministerkonferenz vorlegte, Schiffsbauten und Anschaffungen in Aussicht genommen, welche in runder Sum¬ me einen Betrag von 300 Millionen beansprucht hätten. Während jedoch das Zusammentreten der Delegationen in weite Feme gerückt schien, waren Mitte 1909 bei uns zwei Stapel frei geworden und das ,,Stabilimen- to tecnico" sah sich nach Bestellungen um, welche ich natürlich nicht geben konnte, obwohl wir Schlachtschiffe dringend nötig hatten. Dies erkennend, stellte obige Gesellschaft, um einer teilweisen Einstellung ihres Betriebes und den damit verbundenen Arbeiterentlassungen vorzubeugen, mir den Antrag, zwei Schlachtschiffe nach von der Marinesektion zu genehmi¬ genden Plänen auf eigene Rechnung zu bauen. Bei der fieberhaften Tätigkeit in den Marinearsenalen der europäischen Gro߬ mächte, denen sich auch Spanien und die Türkei angeschlossen hatten, konnte, ja durfte Österreich-Ungarn, ohne auf Jahre hinaus aufjede Seegeltung zu verzich¬ ten, nicht Zurückbleiben. Hohe Delegationen! Ich bitte zu bedenken, daß diese Schiffe 30 Monate Bau¬ zeit haben, daß sie dann noch immer einer mindestens sechsmonatlichen Indienst¬ stellung bedürfen, um vollwertig zu werden. Verantwortlich für die Schlagkraft: der Marine, trat ich nach reiflicher Überle¬ gung an die gemeinsamen Minister bei Darlegung aller Umstände mit dem Ansu¬ chen heran, dem Vorschläge des ,,Stabilimento" zuzustimmen. Die gemeinsamen Minister und ich haben nach eingehender Besprechung und reiflicher Erwägung der Verhältnisse, welche mit Rücksicht auf die Schlagfertig¬ keit der Flotte ein weiteres Zuwarten nicht mehr ratsam erscheinen ließen, das Offert des ,,Stabilimento tecnico" angenommen. Es ist nun selbstverständlich, daß das ,,Stabilimento" darauf rechnet, die Marineverwaltung werde die Schiffe seinerzeit nach verfassungsmäßiger Bewilligung der Mittel übernehmen. Immer¬ hin könnten die Schiffe auch anderwärts und zwar bei der großen Nachfrage nach diesem Artikel rasch und gut verwertet werden. Die beiden Regierungen haben bisher weder den vereinbarten Preis dieser Schiffsbauten zur Verfügung gestellt noch Vorschüsse darauf gegeben, so daß das den hohen Delegationen zustehende <pb/>346 Nr. 18 Gemeinsamer Ministerrat, Wien, 6. 10. 1910 Bewilligungsrecht seitens aller verantwortlichen Faktoren pflichtgemäß voll ge¬ wahrt wurde. Aus den eingangs gemachten Darlegungen werden Sie ersehen haben, in welch peinlicher Lage die Marineleitung sich im Jahre 1909 befand. In allen Marinearsenalen und Werften Europas wurde gebaut und gerüstet; bei uns war keine Aussicht, daß die Delegationen bald zusammentreten würden, da¬ her auch keine Möglichkeit, vorwärts zu kommen. Es war eine außergewöhnliche Lage und in solcher sind gewiß auch außerge¬ wöhnliche Mittel gestattet. Wir glaubten hiedurch unserer Pflicht in betreff des entsprechenden Schutzes der Monarchie zu genügen, ohne den Entschlüssen der hiezu berufenen Vertre¬ tungskörper zu präjudizieren. Das Programm, welches mit Rücksicht auf die Fi¬ nanzlage bis zum Jahre 1915 oder 1916 erstreckt wurde und im Hinblicke auf die inzwischen eingetretene allgemeine Preissteigerung eine gewisse Erhöhung er¬ fahren musste, hat seither die Billigung der gemeinsamen Ministerkonferenz ge¬ funden. Es wird in der Tagung der Delegationen pro 1911 unterbreitet werden und ich alsdann in die Lage kommen, dasselbe in allen Einzelheiten zu vertre¬ ten." Nach der Verlesung dieses Exposes, gegen welches von keiner Seite eine Ein¬ wendung erhoben wird, wurde die Konferenz um 3A1 bis 3 Uhr unterbrochen. In der Nachmittagssitzung verliest Freiherr v. Schönaich den Text eines von ihm im Heeresausschusse zu haltenden Exposes, welches zur Kenntnis genommen wird. Nachdem der kgl. ung. Ministerpräsi¬ dent darauf aufmerksam gemacht, daß das Detailprogramm nur zur Orientie¬ rung besprochen werden könne und es zu einem definitiven Beschlüsse erst nach der Beratung der Referenten kommen könne, gibt der Kriegsminister die Erklärung ab, daß er die Forderungen für die Fortifikationen aals besondere Posta fallen lasse. Wenn derartige Kosten notwendig werden würden, wolle er sie im Extraordinarium unterbringen, das über die Höhe der letzten fünf Jahre nicht gebracht werden soll. Der k. k. Ministerpräsident gibt der Überzeugung Ausdmck, daß trotz der höheren Kosten der Übergang zur zweijährigen Dienstzeit der ande¬ ren Type vorzuziehen sei, wobei er glaube, sich mit der Anschauung der ungari¬ schen Regierung zu begegnen. Wenn für längere Zeit das Ausmaß der Anforde¬ rungen fixiert werde, sei dies entschieden besser, als momentan geringer belastet zu werden und dabei neuen Bestrebungen ausgesetzt zu sein. Bei beiden Typen werden höhere Kosten als bisher und eine höhere Individuenanzahl verlangt und da scheine es klar, daß etwas geboten werden müsse, um für die parlamentarische Erledigung günstige Chancen zu schaffen, was durch die Einführung der zwei¬ jährigen Dienstzeit geschehe. Allerdings dürfe man sich keiner Täuschung dar- a-a Einfügung Schönaichs. <pb/>Nr. 18 Gemeinsamer Ministerrat, Wien, 6. 10. 1910 347 über hingeben, daß diese zunächst nur ein Schlagwort war und man sich den In¬ halt ganz anders dargestellt habe. Nach einer Rekapitulation der Ausführungen des Kriegsministers hinsichtlich der Ausfüllung des Mankos bei den vorhande¬ nen Ständen, der Unteroffiziersfrage und der Neuformationen schildert Freiherr v. Bienerth den Wandel in der Anschauung des Parlamentes und der Öffentlich¬ keit über die zweijährige Dienstzeit. Wenn diese auch gegenwärtig im Vorder¬ gründe stehe, sei es doch nicht unmöglich, daß bei näherer Prüfüng die Meinung sich wieder ändere, man dürfe sich also den Rückzug auf die zweite Type nicht vollständig verlegen. Die interministerielle Kommission hätte sich aber vorerst nur mit den Konsequenzen der Einführung der zweijährigen Dienstzeit zu be¬ schäftigen. Der kgl. ung. Ministerpräsident legt gleichfalls den größten Wert auf eine ruhige Zukunft und darauf, daß man sich mit einer solchen Frage nicht sobald wieder zu befassen habe. In allen Staaten sei die Angelegenheit einer Wehrgesetzreform eine schwierige und schwer durchzubringen, weil sich hiebei stets naturgemäß eine Erhöhung der Lasten an Menschenmaterial und Kosten ergebe. Die hieran geknüpften Erörterungen seien der Konsolidierung gewiß nicht förderlich und er betrachte die zweijährige Dienstzeit als ein entsprechen¬ des Mittel, den Schwierigkeiten zu begegnen. Er stimme daher dem zu, daß die kommissionelle Prüfüng sich in erster Reihe auf die Type der zweijährigen Dienstzeit einzulassen habe. Sollte die Gesetzgebung anderer Ansicht sein, so werde man sich durchaus nicht mit Enthusiasmus für die zweijährige Dienstzeit einsetzen, aber er glaube, daß die Situation erleichtert werde, wenn man durch Ablassen eines Jahres an Dienstpflicht eine Kompensation für die hohen Kosten biete. Das wichtigste Moment bleibe aber, für längere Zeit Ruhe zu haben. Sollte nach dem Ergebnisse der kommissionellen Beratungen die Belastung zu groß erscheinen oder das Parlament sich scheuen, dieselbe auf sich zu nehmen, dann müsse man auf die zweite Vorlage greifen. Die kommissionellen Beratungen hät¬ ten je eher zu beginnen und abgeschlossen zu werden. Man müsse sich darüber klar werden, wie hoch die Kosten seien, 1) für die Marine, 2) für die Einführung der zweijährigen Dienstzeit, 3) an damit verbundenen einmaligen Ausgaben, 4) für die Landwehr, um daraus zu ersehen, ob sie in Einklang gebracht werden können mit der finanziellen Leistungsfähigkeit. Der k. k. Finanzminister warnt davor, große mit dem Gegen¬ stände nicht zusammenhängende Summen in die Programme aufzunehmen, weil dies taktisch unrichtig sei. Die Bedingung, die der Kriegsminister an das Fallen¬ lassen der 155 Millionen für Befestigungen geknüpft habe, könne nicht so ohne weiteres akzeptiert werden. Ob diese 155 Millionen im Plane enthalten seien oder man sich zu deren Aufbringung nur intern verpflichte, bliebe sich im Effekte gleich. Ausgaben für solche Zwecke müßten in jedem Jahre motiviert und geneh¬ migt werden. Was speziell die 80 Millionen für Fortifikationen gegenüber Italien betreffe, so sei vielleicht in zwei Jahren eine andere Situation gegeben und kön¬ nen dieselben nicht mehr notwendig sein. Die Befestigungsffage müsse demnach <pb/>348 Nr. 19 Gemeinsamer Ministerrat, Wien, 20. 11. 1910 ganz ausgeschaltet bleiben. Er richte an den Kriegsminister das Ersuchen, in der Kommission über die Notwendigkeit der eingestellten Beträge ziffermäßige Nachweisungen geben und für die notwendig erkannten Summen so weit als möglich größere Echelonierungen aufstellen zu lassen. Freiherr v. Schönaich sagt dies zu und stellt ferner über Wunsch des k. k. Ministerpräsidenten in Aussicht, die noch ausstehenden Aufklärungen darüber zu geben, weshalb die Zifferansätze für die Beseitigung von Rückstän¬ digkeiten in den beiden Programmen differieren.4 Es wird hierauf festgesetzt, daß die nächste gemeinsame Ministerkonferenz am 24. Oktober 1. J., 10 Uhr vormittags abgehalten werden wird, um definitive Beschlüsse über die Gesamtheit der in Beratung stehenden Fragen einschließlich des Voranschlages pro 1911 zu fassen.5 Hierauf schließt der Vorsitzende um 5 Uhr die Sitzung. Aehrenthal Ah. E. Ich habe den Inhalt dieses Protokolles zur Kenntnis genommen. Wien, am 16. März 1911. Franz Joseph Nr. 19 Gemeinsamer Ministerrat, Wien, 20. November 1910 RS. (und RK.) Gegenwärtige: der k. k. Ministerpräsident Dr. Freiherr v. Bienerth, der kgl. ung. Ministerpräsi¬ dent Graf Khuen-Hederväry, der k. u. k. gemeinsame Finanzminister Freiherr v. Buriän, der k. u. k. gemeinsame Kriegsminister GdI. Freiherr v. Schönaich, der k. k. Finanzminister Dr. Ritter v. Bilihski (11. 12.) , der kgl. ung. Finanzminister Dr. v. Lukäcs, der k. u. k. Marinekommandant und Chef des gemeinsamen Kriegsministeriums, Marinesektion, Admiral Graf Montecuccoli (13. 12.). Protokollführer: Hof- und Ministerialrat Ritter v. Günther. Gegenstand: Fortsetzung der Beratung über das gemeinsame Budget pro 1911. KZ. 66 - GMCPZ. 483 Protokoll des zu Wien am 20. November 1910 abgehaltenen Ministerrates für gemeinsame Angelegenheiten unter dem Vorsitze des k. u. k. gemeinsamen Mini¬ sters des Äußern Grafen Aehrenthal. Mit Schreiben (K.) v. 11. 10. 1910 teilte Schönaich beiden Finanzministem das Detailpro¬ gramm der Wehrreform mit und informierte sie darüber, daß er in der Referentenkonferenz keine Reduzierung des Heeresbudgets hatte zugestehen können, Ka., KM., Präs. 37- 2/10/1910. Das Detailprogramm liegt dem Akt nicht bei. Fortsetzung des Gegenstandes in GMR. v. 20. 11. 1910, GMCPZ. 483. <pb/>