MRP-2-0-06-0-19100212-P-0013.xml

|

Gemeinsamer Ministerrat, 12. 2. 1910

I. Beratung einiger Abänderungsanträge der kgl. ung. Regierung zum Texte der Gesetzentwürfe betreffend die Landesverfassung von Bosnien und der Herzegowina

Siehe PDF-Daten https://hw.oeaw.ac.at/ministerrat/serie-2/oe_hu_mrp_VI/pdf/oe_hu_mrp_VI_z13.pdf.

286 Nr. 13 Gemeinsamer Ministerrat, Wien, 12. 2. 1910

Der k. k. Ministerpräsident betont, er müsse auch seinerseits

darauf bestehen, daß die bevorstehende Einbringung eines Gesetzentwurfes über

die Kmetenablösung in solenner Form kundgemacht werde. Weiters müsse er

sich Vorbehalten, die Zustimmung des k. k. Ministerrates einzuholen.

Der kgl. ung. Ministerpräsident erklärt, daß er den letzteren

Vorbehalt für sich mit Bezug auf den ganzen Komplex der den Gegenstand der

gegenwärtigen Beratungen bildenden Vorlagen machen müsse.

Der k. k. Ministerpräsident gibt ferner noch dem Wunsche

nach Aufnahme eines besonderen Passus Ausdruck, laut welchem mit dem Er¬

scheinen des vorliegenden Gesetzes sämtliche den Finanzinstituten gewährten

Konzessionen erlöschen.

Der Vorsitzende ladet den gemeinsame Finanzminister ein, die Frage

einem Studium zu unterziehen, in welcher Weise die Entschädigung der Agrar¬

bank zu bewerkstelligen wäre.

Zum Schlüsse der Beratungen schreitend, konstatiert der Vorsitzende mit Freu¬

den, daß der Ministerrat über die wesentlichsten Punkte der Vorlagen zu voller

Einigkeit gelangt sei und daß, abgesehen von den stilistischen und redaktionellen

Abänderungen, deren Durchführung der gemeinsame Finanzminister übernom¬

men habe, nur mehr eine wichtige Frage, die der Landesangehörigkeit, offen ge¬

blieben sei.

Der gemeinsame Finanzminister habe bereits in Aussicht gestellt, daß er den

neu redigierten Text der Gesetzentwürfe den kompetenten Ressorts im Bürsten¬

abzüge zusenden werde.

Der Vorsitze ist der Ansicht, daß, falls sich keine grundsätzlichen Bedenken

ergeben, die ganze Angelegenheit auf schriftlichem Wege finalisiert werden

könnte.3

                                                                      Aehrenthal

Ah. E. Ich habe den Inhalt dieses Protokolles zur Kenntnis genommen.
Wien, 28. Oktober 1909. Franz Joseph.

       Nr. 13 Gemeinsamer Ministerrat, Wien, 12. Februar 1910

    RS. (und RK.)
    Gegenwärtige: der k. k. Ministerpräsident Freiherr v. Bienerth, der kgl. ung. Ministerpräsident
Graf Khuen-Hederväry, der k. u. k. gemeinsame Finanzminister Freiherr v. Buriän, der k. u. k. ge¬
meinsame Kriegsminister GdI. Freiherr v. Schönaich.

Mit Schreiben v. 25. 9. 1909 teilte Buriän Aehrenthal die endgültig festgestellten Texte der
bosnischen Verfassungsgesetze mit, HHStA., PA. I, CdM. VIII c 12/1, fol. 492r-546r. Fort¬
setzung der Beratung über die bosnischen Verfassungsgesetze und die Frage der Kmetenab-
löse in GMR. v. 12. 2. 1910, GMCPZ. 477.
<pb/>Nr. 13 Gemeinsamer Ministerrat, Wien, 12. 2. 1910  287

    Schriftführer: Legationsrat Friedrich Graf Szapary.
   Gegenstand: Beratung einiger Abänderungsanträge der kgl. ung. Regierung zum Texte der Ge¬
setzentwürfe betreffend die Landesverfassung von Bosnien und der Herzegowina.

   KZ. 13-GMCPZ. 477
   Protokoll des zu Wien am 12. Februar 1910, 11 h a.m., abgehaltenen Minister¬
rates für gemeinsame Angelegenheiten unter dem Vorsitze des k. u. k. gemeinsa¬
men Ministers des k. u. k. Hauses und des Äußern Grafen Aehrenthal.

   Der Vorsitzende eröffnet die Beratung, indem er den auf Grund einer
vertraulichen Vorberatung gefaßten Beschluß der Konferenz enunziert, daß der
Text der Ah. Kundmachung, mit welcher die Landesverfassung für Bosnien und
die Herzegowina promulgiert wird, folgendermaßen zu lauten habe:1

   ,,Mit Unseren Verfügungen vom 5. Oktober 1908 haben Wir den Entschluß
kundgegeben, Bosnien und der Herzegowina, um ihnen die volle gesetzliche Si¬
cherung ihres Rechtszustandes und eine befriedigende Ordnung ihrer inneren An¬
gelegenheiten zu bieten, verfassungsmäßige Einrichtungen zu gewähren. Gleich¬
zeitig haben Wir die Grundsätze vorgezeichnet, wonach den Angehörigen
Bosniens und der Herzegowina der volle Genuß der bürgerlichen Rechte gewähr¬
leistet und eine angemessene Teilnahme an der Besorgung der Landesangelegen¬
heiten durch eine Landesvertretung gesichert werden soll.

   In Ausführung dieser Unserer Absichten haben Wir unter Bedacht darauf, daß
die durch das Gesetz vom 22. Februar 1880, RGBl. Nr. 18, ungarischer Gesetzar¬
tikel VI: 1880, für die Verwaltung Bosniens und der Herzegowina festgelegten
Grundlagen bis zur verfassungsmäßigen Abänderung dieser Gesetze ungeschmä¬
lert aufrecht bleiben müssen und daß durch die verfassungsmäßigen Einrichtun¬
gen Bosniens und der Herzegowina in keiner Weise die durch die Gesetze beider
Staaten der Monarchie festgestellten Beziehungen Bosniens und der Herzegowi¬
na zu diesen Staaten berührt werden können, das nachfolgende Landesstatut für
Bosnien und die Herzegowina nebst einer Wahlordnung und einer Geschäftsord¬
nung für den Landtag, einem Vereins- und Versammlungsgesetz sowie einem Ge¬
setz über die Bezirksräte zu erlassen, zu genehmigen und ihm Unsere Sanktion zu
erteilen befunden und verordnen hiermit wie folgt:&quot;

   Der Vorsitzende fordert sodann den kgl. ung. Ministerpräsidenten auf, die von
ihm beantragten Abänderungen der Gesetzestexte vorzutragen.2

   Der kgl. ung. Ministerpräsident proponiert, die Schlußwor¬
te des Alinea 5 des § 1 des Landesstatuts: ,,bilden einen organischen Teil der

Fortsetzung des GMR. v. 18. 9. 1909, GMCPZ. 476.
Der ungarische Ministerrat befaßte sich in MR. v. 9. 2.1910/74 mit dem bosnischen Landes¬
statut. Buridn informierte Aehrenthal mündlich am 11. 2. 1910 von den Beschlüssen der un¬
garischen Regierung; siehe dazu den Tagesbericht v. 11. 2. 1910, HHStA., PA. I, CdM. VIII
c 12/1, Karton 638.
<pb/>288 Nr. 13 Gemeinsamer Ministerrat, Wien, 12. 2. 1910

k. u. k. gemeinsamen Wehrmacht der Monarchie&quot; durch ,,bilden einen organi¬
schen Teil der Wehrmacht der Monarchie&quot; oder ,,beider Staaten der Monarchie&quot;
zu ersetzen. Es entspinnt sich eine längere Debatte über die Bedeutung der voran-
gefuhrten Bezeichnungen. Die Konferenz entscheidet sich für die Wahl der For¬
mulierung: ,,bilden einen organischen Teil der Wehrmacht der Monarchie&quot;.

   Zu § 25 des Landesstatuts beantragt der kgl. ung. Ministerpräsident, zur Vermei¬
dung von in betreff der Virilisten etwa möglichen Mißverständnissen an Stelle der
Worte: ,,Die in den Landtag gewählten Abgeordneten&quot; die Worte: ,,Die Mitglieder
des Landtages&quot; zu setzen. Dieser Antrag wird vom Ministerrate akzeptiert.

   Zu § 41 des Landesstatuts schlägt der kgl. ung. Ministerpräsident vor, im Punkt
1 an Stelle des Passus: ,,sowie die Angelegenheiten, die zwar nicht gemeinsam zu
verwalten, jedoch nach gleichen, von Zeit zu Zeit zu vereinbarenden Grundsätzen
zu behandeln sind&quot; die Formulierung: ,,sowie jene Angelegenheiten, welche zwi¬
schen den beiden Staaten der Monarchie im Sinne der zitierten Gesetze im ge¬
meinsamen Einvernehmen festgestellt werden&quot; zu setzen. Durch letztere Fassung
würde nach Ansicht der kgl. ung. Regierung dem abweichenden Wortlaute der
Gesetzgebung beider Staaten der Monarchie Rechnung getragen. Der Ministerrat
beschließt in diesem Sinne.

   Bei § 42 des Landesstatuts beantragt Graf Khuen-Hederväry die Streichung
des durch Zitierung des § 41 im zweiten Alinea des § 42 hergestellten Bezuges
mit Rücksicht auf den Inhalt des ersten Alineas des letzteren Paragraphen, wel¬
cher einen solchen Bezug überflüssig erscheinen lässt. Dieser Antrag findet die
Billigung der Konferenz.

   Zu § 46 des Landesstatuts schlägt der kgl. ung. Ministerpräsident vor, an Stel¬
le der einleitenden Worte: ,,Das Gleiche gilt&quot; die Wendung: ,,Die Bestimmung
des Alinea 2 des vorstehenden Paragraphen gilt auch&quot; zu setzen. Der Ministerrat
schließt sich diesem Vorschläge an.

   Zu § 49 der Geschäftsordnung für den Landtag wünscht der kgl. ung. Minister¬
präsident, daß im ersten Alinea dieses Paragraphen an Stelle des Ausdruckes
,,Abgeordneten&quot; die Bezeichnung ,,Mitglieder desselben&quot; angewendet werde.
Dieser Wunsch findet die Zustimmung der Konferenz.

   Da hiemit die von der kgl. ung. Regierung ins Auge gefaßten Abänderungsanträ¬
ge erschöpft erscheinen und auch seitens der übrigen Teilnehmer am Ministerrate
keine weitere Bemerkung erfolgt, konstatiert der Vorsitzende, daß zu seiner
Befriedigung nunmehr eine volle Übereinstimmung sämtlicher kompetenter Fak¬
toren erzielt sei, weshalb er den gemeinsamen Finanzminister ersucht, unter Zu¬
grundelegung des nunmehr beschlossenen definitiven Textes der Entwürfe die Ah.
Sanktion der Landesverfassung für Bosnien und die Herzegowina zu erwirken.

    Der kgl. ung. Ministerpräsident spricht für die Annahme
des größten Teiles der von ihm angeregten Amendements, durch welche ihm die
Stellungnahme gegenüber etwaigen Angriffen erleichtert werden wird, seinen
Dank aus.
<pb/>Nr. 13 Gemeinsamer Ministerrat, Wien, 12. 2. 1910  289

   Der k. k. Ministerpräsident erinnert an die seinerzeit getroffe¬
ne Vereinbarung, daß alsbald nach dem Inslebentreten der Landesverfassung dem
Landtage ein Gesetzentwurf über die Kmetenablösung vorzulegen sei, und er¬
wähnt auch der Abmachung, laut welcher die Einbringung des in Rede stehenden
Gesetzentwurfes in solenner Weise zu erfolgen habe.3

   Der Vorsitzende bemerkt, daß der frühere kgl. ung. Ministerpräsident
Dr. Wekerle den obigen Vereinbarungen unter der Bedingung zugestimmt habe,
daß eine entsprechende Schadloshaltung der bosnischen Agrarbank platzgreife.

   Der k. u. k. gemeinsame Finanzminister verweist dar¬
auf, daß zu einer Entschädigung im Sinne der genannten Bank erteilten Konzes¬
sion keine rechtliche, sondern höchstens eine moralische Verpflichtung bestehe.
Er habe deshalb das Konzept eines Schreibens an Direktor Länczy vorgelegt, in
welchem der bosnischen Agrarbank die paritätische Behandlung zugesagt und
ausgesprochen wird, daß die Landesverwaltung auf ihre Betätigung im Interesse
der bosnisch-herzegowinischen Kreditverhältnisse Wert lege, und in welchem
weiters der Bank für ihre Wirksamkeit - welche in der Tat eine für das Land sein-
nützliche gewesen sei - volle Anerkennung gezollt wird.

   Der kgl. ung. Ministerpräsident erinnert daran, daß Dr. We¬
kerle ein Junktim zwischen der Einbringung des Kmetengesetzes und der Ent¬
schädigung der bosnischen Agrarbank aufgestellt habe, worauf Baron Bu-
r i ä n darauf verweist, daß die letztere Angelegenheit bis zur Einbringung des
Kmetengesetzentwurfes geregelt sein werde.

   Der k. k. Ministerpräsident fragt den gemeinsamen Finanzmi¬
nister, ob diese Einbringung unmittelbar bevorstehe.

   Baron Buriän gibt der Anschauung Ausdruck, daß man in betreff des
Termines, in welchem das Kmetengesetz dem Landtage vorgelegt werde soll, die
Proportion wahren müsse, welche sich aus der relativen Wichtigkeit der Kmeten-
ablösungsfrage im Verhältnis zum Faktum der Einführung einer Landesverfassung
in Bosnien und der Herzegowina ergebe. Die Aufregung über die Angelegenheit
scheine heute schon wesentlich abgenommen zu haben, während man in Bosnien
und der Herzegowina selbst nie ein Verständnis für dieselbe gehabt habe. Es wür¬
de sich daher nach seiner Auffassung empfehlen, nach dem Inslebentreten der
Landesverfassung eine gewisse Zeit verlaufen zu lassen. Auch spreche nach seiner
Ansicht der Umstand für die in Aussicht genommene Erlassung eines auf diesen
Gegenstand bezüglichen Ah. Handschreibens, daß hiedurch eine spätere Behand¬
lung und Publizierung des in Rede stehenden Gesetzentwurfes ermöglicht werde.

   Der k. k. Ministerpräsident bringt in Erinnerung, daß die k. k.
Regierung ihre Zustimmung zur Proklamierung der Landesverfassung ausdrück¬
lich von der solennen Ankündigung einer landesgesetzlichen Regelung der Ablö¬
sungsfrage abhängig gemacht habe. Sie lege nunmehr Wert darauf, daß letzteres

Die Kmetenablöse war zuletzt zur Sprache gekommen in GMR. v. 18. 9. 1909, GMCPZ.
476.
<pb/>290 Nr. 14 Gemeinsamer Ministerrat, Wien, 28. 2. 19101

möglichst bald erfolge, damit den auf diesem Gebiete versuchten Quertreibereien
ein Ende gemacht werde. Die k. k. Regierung habe ursprünglich die Aufnahme
eines bezüglichen Passus ins Statut gewünscht und habe dies nur unter der Bedin¬
gung fallen lassen, daß zur Beruhigung der interessierten politischen Kreise eine
Ankündigung in solenner Form erfolge.

   Hiezu bemerkt der gemeinsame Finanzminister, daß die kgl.
ung. Regierung den zwischen der feierlichen Ankündigung und der Einbringung
des Kmetengesetzes im Landtage sich ergebenden Zeitraum dazu werde benützen
können, um zu einem Einverständnis mit der bosnischen Agrarbank zu gelangen.

   Auf die Frage des Vorsitzenden, wann der Zusammentritt des bosnisch-herze-
gowinischen Landtages zu gewärtigen sei, erwidert Baron Buriän, daß die Eröff¬
nung des Landtages in drei, kürzestens aber in zwei und einem halben Monate
werde erfolgen können.4

   Der Vorsitzende schlägt nunmehr die Abhaltung einer gemeinsamen
Ministerkonferenz behufs Schlußfassung in betreff der Aktivierung des rumäni¬
schen Handelsvertrages sowie anderer handelspolitischer Fragen für Montag den
28. Februar 1910 vor. Bei dieser Gelegenheit könnte sodann, falls die Zeit es er¬
laubt, auch die Angelegenheit des Ausbaues des bosnisch-herzegowinischen Ei¬
senbahnnetzes erörtert werden.5 Dieser Antrag findet die Zustimmung der Konfe¬
renz, worauf der Vorsitzende die Beratung für geschlossen erklärt.

                                                                                           Aehrenthal

Ah. E. Ich habe den Inhalt dieses Protokolles zur Kenntnis genommen.
Wien, 21. März 1910. Franz Joseph.

      Nr. 14 Gemeinsamer Ministerrat, Wien, 28. Februar 1910 I

    RS. (und RK.)
    Gegenwärtige: der k. k. Ministerpräsident Freiherr v. Bienerth, der kgl. ung. Ministerpräsident
GrafKhuen-Hederväry, der k. u. k. gemeinsame Finanzminister Freiherr v. Buriän, der k. k. Finanz¬
minister Ritter v. Bilinski (13. 3.), der kgl. ung. Finanzminister Dr. v. Lukäcs.

        Der Vortrag Buriäns v. 15. 2. 1910 betreffend die Einführung von verfassungsmäßigen Ein¬
        richtungenfür Bosnien und die Herzegowina, bestehend aus dem Landesstatut, der Wahlord¬
        nung, der Geschäftsordnung für den Landtag, dem Vereins- und dem Versammlungsgesetz
        sowie dem Gesetz über die Bezirksräte wurde mit Ah. E. v. 17. 2. 1910 resolviert, HHStA.,
        Kab. Kanzlei, KZ. 507/1910; publiziert als Gesetz- und Verordnungsblatt für Bosnien und
        die Hercegovina Nr. 19/1910. Zur Geschichte der Entstehung dieses Statutes und zu den
        staatsrechtlichen Diskussionen über die Stellung Bosnien-Herzegowinas in der Monarchie
        siehe JuzbaSic, Das österreichisch-ungarische ,,gemeinsame Ministerium&quot;. In GMR. v. 28. 2.
         19101, GMCPZ. 478, wurde die Angelegenheit der Kmetenablösung verhandelt.
        Die angesprochenen handelspolitischen Fragen und die bosnischen Einsenbahnfragen ka¬
        men in GMR. v. 28. 2. 1910II, GMCPZ. 479, zur Sprache.
<pb/>