Gemeinsamer Ministerrat, 18. 9. 1909
I. Fortsetzung der Beratung über die Gesetzentwürfe betreffend die Landesverfassung für Bosnien und die Herzegowina
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278 Nr. 12 Gemeinsamer Ministerrat, Wien, 18. 9. 1909 Bei Verhandlung des § 43 erklärt der gemeinsame Finanzmini¬ ster, der seitens der kgl. ung. Regierung gewünschten Ausscheidung des Ve¬ terinärwesens, des Bank- und Kreditwesens sowie des Post-, Telegraphen- und Telephonwesens zuzustimmen. Das Eisenbahnwesen betreffend, plädiert der Mi¬ nister für die Zulassung der Kompetenz des Landtages in Lokalbahnangelegen¬ heiten, da kein Grund vorhanden sei, die Lokalbahnen, an denen die beiden Re¬ gierungen kein Interesse haben und die von Bosnien und der Herzegowina selbst gezahlt werden, der Kompetenz des Landtages zu entziehen. Angesichts der vorgeschrittenen Zeit vertagt der Vorsitzende die Verhandlung auf Sonntag, den 19. September 1909.4 Aehrenthal Ah. E. Ich habe den Inhalt dieses Protokolles zur Kenntnis genommen. Wien, 28. Oktober 1909. Franz Joseph. Nr. 12 Gemeinsamer Ministerrat, Wien, 18. September 1909 RS. (und RK.) Gegenwärtige: der kgl. ung. Ministerpräsident Dr. Wekerle, der k. k. Ministerpräsident Freiherr v. Bienerth, der k. u. k. gemeinsame Finanzminister Freiherr v. Buriän, der k. u. k. gemeinsame Kriegsminister GdI. Freiherr v. Schönaich, der k. k. Finanzminister Dr. Ritter v. Bilihski (22. 10.). Protokollführer: Legationsrat Friedrich Graf Szapäry. Gegenstand: Fortsetzung der Beratung über die Gesetzentwürfe betreffend die Landesverfas¬ sung für Bosnien und die Herzegowina. KZ. 62 - GMCPZ. 476 Protokoll des zu Wien am 18. September 1909 abgehaltenen Ministerrates für gemeinsame Angelegenheiten unter dem Vorsitze des k. u. k. gemeinsamen Mini¬ sters des k. u. k. Hauses und des Äußern Grafen Aehrenthal. Der Vorsitzende eröffnet die Beratung und ersucht den gemeinsame Finanzminister mit der Erörterung der gegenständlichen Wünsche der beiden Re¬ gierungen fortzufahren.1 Der gemeinsame Finanzminister bittet den kgl. ung. Mini¬ sterpräsidenten, das von der kgl. ung. Regierung gestellte Verlangen, das gesamte Eisenbahnwesen der annektierten Länder, einschließlich des Lokalbahnwesens, der Kompetenz des bosnisch-herzegowinischen Landtages zu entziehen, fallen zu lassen und dem Landtage das Gesetzgebungsrecht in Lokalbahnangelegenhei¬ ten einzuräumen. 4 Fortsetzung des Gegenstandes in GMR. v. 18. 9. 1909, GMCPZ. 476. Fortsetzung des GMR. v. 15. 9. 1909, GMCPZ. 475. <pb/>Nr. 12 Gemeinsamer Ministerrat, Wien, 18. 9. 1909 219 Der kgl. ung. Ministerpräsident hält seine diesbezüglichen Bedenken aufrecht und verweist auf die Verhältnisse in Kroatien. Wenn der bos- nisch-herzegowinische Landtag solche Befugnisse erhalte, werde es unmöglich sein, dieselben dem kroatischen Landtage zu versagen. Der gemeinsame Finanzminister hält der letzteren Erwägung entgegen, daß Kroatien seine Vertreter im ungarischen Reichstage habe, welche in der Lage seien, die kroatischen Landesinteressen dort zu wahren. Auch würde es sich nur um Eisenbahnen von ausschließlich lokalem Interesse handeln. Der kgl. ung. Ministerpräsident gibt seiner Befürchtung Ausdruck, daß durch ein derartiges Gesetzgebungsrecht des bosnisch-herzegowini- schen Landtages die Verkehrspolitik Ungarns empfindlich gestört werden könnte. Der k. k. Finanzminister bemerkt, daß es der kgl. ung. Regie¬ rung unbenommen bleibe, ihre Zustimmung zur Einholung der Ah. Sanktion für einen Landtagsbeschluß zu verweigern, welcher verkehrspolitische Befürchtun¬ gen wachrufe. Der kgl. ung. Ministerpräsident verweist demgegenüber auf die Mißlichkeit eines solchen Vorgehens, welches bloß zur Folge haben würde, daß man bosnischerseits behaupten werde, Ungarn bereite dem Lande Hindernisse. Der Reichsrat werde sich der Sache annehmen und es würden Konflikte entste¬ hen, deren Vermeidung angestrebt werden müsse. Der Vorsitzende schlägt zur Ausgleichung dieser gegensätzlichen Auffassungen vor, dem bezüglichen Passus des Landesstatuts eine restringierte Fassung zu geben. An diese Proposition des Vorsitzenden anknüpfend, beantragt der kgl. ung. Ministerpräsident, die Kompetenz des Landtages in Eisen¬ bahnangelegenheiten auf die Verhandlung von Regierungssvorlagen zu beschrän¬ ken. Er verweist auf die Erschwerungen, welche schon jetzt den Verkehr zwi¬ schen Ungarn und Bosnien hemmen, und konkludiert aus dem Vorhandensein dieser Schwierigkeiten auf den geringen Einfluß, welchen die ungarische Regie- rung auf diese Verhältnisse zu nehmen in der Lage ist. Der gemeinsame Finanzminister hält dem entgegen, daß auf den bosnisch-herzegowinischen Bahnen ganz paritätisch vorgegangen werde. Den Vorwurf einer nachteiligen Behandlung Ungarns habe er bereits in frühe¬ ren Jahren in den Delegationen entkräftet. Es handle sich hiebei nur um die Be¬ günstigung in Bosnien und der Herzegowina erzeugter Produkte im Inlande. Nach längerer Debatte übernimmt es der kgl. ung. Minister¬ präsident, beim kgl. ung. Handelsminister Informationen einzuholen und auf Grund derselbe eine einschränkende Fassung vorzuschlagen. Die Einleitung des § 43 (Statut) betreffend, beschließt der Ministerrat, dem Anträge der k. k. Regierung entsprechend nach den Worten ,,erstreckt sich" die Einschaltung aufzunehmen, ,,unter den in dem vorstehenden Paragraphe vorgese¬ henen Beschränkungen". <pb/>280 Nr. 12 Gemeinsamer Ministerrat, Wien, 18. 9. 1909 Der gemeinsame Finanzminister bespricht sodann die weite¬ re Anregung der k. k. Regierung betreffend das Fehlen einer die allfallige Abän¬ derung des Landesstatutes regelnden Bestimmung. Der Minister bemerkt, daß diese Lücke im Gesetzentwürfe eine beabsichtigte sei, weil man keinem Forum die Kompetenz zur Abänderung des Landesstatuts zusprechen könne. Wenn die¬ ses Moment im Gesetze berührt werde, würden hiedurch unmittelbar auf die Ab¬ änderung gerichtete Versuche provoziert werden. Selbst unter den von der k. k. Regierung angeregten Kautelen würde er es vorziehen, dem Landtage jetzt noch kein Recht aufAbänderung des Landesstatutes zuzugestehen. Auch die zweite von der k. k. Regierung vorgeschlagene Modalität, daß Abän¬ derungen auf Antrag des Landesrates erfolgen könnten, hätte die mißliche Kon¬ sequenz, daß sich der Landesrat dieser Befugnis sofort bedienen würde, wobei noch als besonders nachteilig ins Gewicht fiele, daß die einschlägigen Vorstellun¬ gen direkt an Se. k. u. k. apost. Majestät gerichtet würden. Nach dem Wortlaute des Gesetzentwurfes sei es ja dem Landesrate unbenommen, zwecks Abänderung des Landesstatuts an die beiden Regierungen heranzutreten; doch müsse es abso¬ lut vermieden werden, daß Se. Majestät in derlei Fragen direkt hineingezogen werde. Der k. k. Ministerpräsident bemerkt hiezu, daß es einen son¬ derbaren Eindruck machen werde, wenn das Landesstatut keine Bestimmung über die Möglichkeit seiner Abänderung enthalte. Auch sei es mißlich, wenn die höchste Gewalt des Souveräns die einzige Quelle von Veränderungen bilde, zu¬ mal dies auch auf andere Gesetze, wie die Geschäftsordnung und Wahlordnung, Anwendung hätte. Der Ministerpräsident stelle aber nicht in Abrede, daß die Festlegung gewisser Kautelen wünschenswert sei. Der kgl. ung. Ministerpräsident bittet aus folgernden Erwä¬ gungen am Originaltexte festzuhalten: Im Landesstatute seien gewisse Grund¬ prinzipien aufgestellt (z. B. daß die Abgeordneten nach Konfessionen gewählt werden), welche nicht den wechselnden Majoritäten ausgeliefert werden dürfen, auch sei es in einem Lande, wo fremde Einflüsse wirksam sind, bedenklich, dem Landtage eine solche Machtvollkommenheit einzuräumen. Wenn man solchen Möglichkeiten Tür und Tor öffne, sei zu befurchten, daß der Landtag immer wei¬ tergehende Autonomieforderungen stellen werde. Der Vorsitzende schließt sich diesen Ausführungen an und betont auch seinerseits, daß eine solche Bestimmung wie eine förmliche Einladung zu immer weitgehenderen Forderungen wirken müsse. Der k. k. Finanzminister ist der Ansicht, daß gerade der Mangel einer bezüglichen gesetzlichen Verfügung eine Gefahr bilden würde, da der Land¬ tag sich auf den Standpunkt stellen könnte, daß solche Abänderungen mit einfa¬ cher Majorität beschlossen werden können. Es sei daher vorzuziehen, für die Be¬ schlußfassung über Abänderungsanträge eine hohe qualifizierte Majorität vorzuschreiben. <pb/>Nr. 12 Gemeinsamer Ministerrat, Wien, 18. 9. 1909 281 Auf die Anfrage des k. k. Finanzministers, wie sich der gemeinsame Finanz¬ minister den Vorgang für eine zukünftige Abänderung des Landesstatuts denke, erklärt Freiherr v. Buriän, daß dies nach seiner Ansicht im Wege einer Regierungsvorlage zu geschehen haben werde, über welche der Landtag mit einfacher Majorität zu beschließen habe. Der k. k. Ministerpräsident und der k. k. Finanzmi¬ nister bestreiten, daß der Landtag im Sinne des Landesstatutes die Kompe¬ tenz besitze, über eine solche Regierungsvorlage Beschluß zu fassen. Der kgl. ung. Ministerpräsident erklärt, daß nach seiner Auffassung die Landesverfassung, welche durch Se. Majestät oktroyiert sei, auch nur durch Se. Majestät abgeändert werden könne. Der k. k. Ministerpräsident führt aus, daß die k. k. Regierung mit ihrer Anregung vor allem auf den ungünstigen Effekt aufmerksam machen wollte, welchen das Fehlen einer bezüglichen Bestimmung hervorrufen werde. Auch habe sie sich verpflichtet gefühlt, die Frage aufzuwerfen, was zu geschehen hätte, wenn die Regierung selbst es für notwendig halten würde, die Landesver¬ fassung abzuändem. AufAnordnung des Vorsitzenden wird zu Protokoll genommen, daß die k. k. Regierung diese Frage aufgeworfen habe und daß der Ministerrat bei Erörterung derselben zu der Ansicht gelangt sei, eine Abänderung der Landesver¬ fassung könne nur durch Se. Majestät erfolgen. Zu § 46 beantragt der Reichskriegsminister folgende Fassung: ,,Die ordentlichen und außerordentlichen Auslagen für die bosnisch-herzegowi- nischen Truppen und Militäranstalten werden in das Landesbudget mit einem Betrage eingestellt, welcher jährlich nach denselben Grundsätzen zu berechnen ist, wie sie bei der Ermittlung der gleichartigen Auslagen für das k. u. k. Heer im allgemeinen Anwendimg finden. Der auf diese Weise eingestellte Voranschlag für die bosnisch-herzegowinischen Truppen und Militäranstalten kann vom Landta¬ ge nicht in Verhandlung gezogen werden." Der gemeinsame Finanzminister schießt sich dieser Textie¬ rung an, welche auch die Zustimmung des Ministerrates findet. Zu § 47 erklärt der k. k. Ministerpräsident, den Wunsch der k. k. Regierung nach Eliminierung dieses Paragraphes fallen zu lassen. Er ersucht jedoch, an denselben den gleichen Schlußsatz anzufügen, wie er in die vom Reichskriegsminister vorgeschlagene Textierung des § 46 aufgenommen er¬ scheint. Der Ministerrat stimmt dem zu. § 48 wird den Anträgen der k. k. Regierung entsprechend abgeändert. Der gemeinsame Finanzminister geht auf die Erörterung der Wahlordnung über. Zu § 4 derselben bemerkt der Minister, daß er seinen Entwurf selbst modifizie¬ re, indem er das passive Wahlrecht der Geistlichkeit in denselben aufhehme. Es sei inzwischen auf diesem Gebiete eine rege Agitation entfaltet worden. Auch sei <pb/>282 Nr. 12 Gemeinsamer Ministermt, Wien, 18. 9. 1909 es vorzuziehen, sich den Klerus, dessen agitatorische Tätigkeit ohnehin nicht ver¬ hindert werden könnte, nicht zu verfeinden. Weiters hätten die Serben zwar offen für, im geheimen aber gegen das passive Wahlrecht der Geistlichkeit Stellung genommen, um sich sämtliche Mandate für ihre Laienorganisationen zu reservie¬ ren, da die Geistlichen immerhin von Agitationen unabhängiger, vom Staate je¬ doch abhängiger sind. Auch habe sich der Klerus mit der Absicht getragen, sich in feierlicher Weise direkt an Se. Majestät zu wenden, was besser zu vermeiden wäre. Schließlich habe sich bei den Mohammedanern die Schwierigkeit ergeben, zu definieren, wer als Geistlicher zu betrachten und daher vom passiven Wahl¬ rechte auszuschließen sei. Es wäre daher aus dem § 4 der Wahlordnung der Pas¬ sus ,,... der Geistlichkeit aller Konfessionen" zu streichen. Der Ministerrat gibt diesem Anträge Folge. Auf die einzelnen Vorschläge der beiden Regierungen zur Wahlordnung über¬ gehend, wendet sich der gemeinsame Finanzminister gegen das Petit der k. k. Regierung, alle österreichischen und ungarischen Staatsbürger bezüglich der ak¬ tiven Wahlberechtigung den bosnisch-herzegowinischen Landesangehörigen grundsätzlich gleichzustellen. Er bittet den Ministerrat, die ursprüngliche Fas- sung beizubehalten. Der kgl. ung. Ministerpräsident wünscht, daß im Hinblicke auf den von ihm in Vorschlag gebrachten Entfall des Gesetzentwurfes über die Landesangehörigkeit in die Wahlordnung aufgenommen werde, daß alle, die im Lande geboren sind, wahlberechtigt seien. Hierüber entspinnt sich eine längere Debatte, worauf sich Dr. Wekerle vorbehält, später im Zusammenhänge mit der Frage der Landesangehörigkeit nochmals hierauf zurückzukommen. Als Dauer der erforderlichen Seßhaftigkeit beschließt der Ministerrat, den Zeitraum eines Jahres festzusetzen. Die k. k. Regierung läßt ihre Bedenken bezüglich der bei der Frage des Wohn¬ sitzes angewendeten Terminologie fallen. Der gemeinsame Finanzminister erklärt, daß er die erforder¬ liche Korrektur der Ausdrücke ,,Staatsbeamter etc." vornehmen werde. Die in Angelegenheit der Bevollmächtigung (letztes Alinea des § 1) erhobenen Einwendungen werden von der k. k. Regierung fallengelassen. Im § 2, Alinea 2, werden die Worte ,,einschließlich der Militärbeamten" gestri¬ chen. Die k. k. Regierung erklärt, auf ihren Bemerkungen betreffend Alinea 2 des § 5 nicht weiter zu bestehen. Auf die Anregung der k. k. Regierung auf Berücksichtigung der Kolonisten übergehend, bittet der gemeinsame Finanzminister, von der Gewährung von Mandaten an dieselben absehen zu wollen. Die Kolonisten seien ein nützliches Element, würden aber von den Landesbewohnem beneidet und mit scheelen Au¬ gen angesehen. Es sei in ihrem eigenen Interesse gelegen, sich nicht abzusondem, und es wäre nur wünschenswert, wenn sie je eher in der einheimischen Bevölke- <pb/>Nr. 12 Gemeinsamer Ministerrat, Wien, 18. 9. 1909 283 nmg aufgingen. Übrigens gehören die Kolonisten verschiedenen Konfessionen an, so daß durch die Bildung einer besonderen Kolonistenkurie das Prinzip des Gesetzentwurfes durchbrochen würde. Auf Antrag des Vorsitzenden schließt sich der Ministerrat den Aus¬ führungen des gemeinsame Finanzminister an. Bei § 6 verzichtet die k. k. Regierung auf Ermäßigung des Zensus. Die Absolventen der Hochschulen betreffend, schließt sich der gemein¬ same Finanzminister dem Vorschläge der k. k. Regierung an. Auf Antrag des kgl. ung. Ministerpräsident wird jedoch in dem bezüglichen Alinea nach ,,Lehranstalten" eingeschaltet: ,,der österreichisch¬ ungarischen Monarchie". Betreffend § 11 akzeptiert der gemeinsame Finanzminister die von der k. k. Regierung vorgeschlagene Amendierung. Zu Alinea 1 des § 12 bemerkt der Minister, er werde erwägen, ob man eine Definition des Begriffes ,,Wahlkörper" geben könnte. Was den Ausdruck ,,Be¬ zirk" anbelange, so stimme er zu, daß an dessen Stelle die Bezeichnung ,,politi¬ scher Bezirk" zu treten hätte. Bei § 14 nimmt der Minister die Stilisierung der k. k. Regierung an. Zu § 15 beschließt der Ministerrat im Sinne der Anregungen der k. k. Regie¬ rung, an Stelle des Ausdruckes ,,den Tag",jene Tage" und an Stelle der Wendung ,,in den durch diese Wahlordnung bestimmten Wahlorten" ,,in den nach Maßgabe dieser Wahlordnung zu bestimmenden Wahlorten" zu setzen. Die von der k. k. Regierung proponierte Fassung des Alinea 1 des § 18 nimmt der gemeinsame Finanzminister an und erklärt, den durch die Stilisierung des Ali¬ nea 2 dieses Paragraphes allenfalls hervorgerufenen Zweifel beheben zu wollen. Bei § 19 stellt der Minister eine Modifikation im vorgeschlagenen Sinne in Aussicht. Die von der k. k. Regierung zu § 21 gemachte Bemerkung erklärt der Minister für in den örtlichen Verhältnissen nicht begründet. Er fuhrt aus, daß die in Be¬ tracht kommenden Distanzen keineswegs so große seien und daß die Bevölke¬ rung im übrigen solchen Reisen durchaus nicht abgeneigt sei. § 23 ist der Minister bereit, in Entsprechung der österreichischen Anregung damit zu ergänzen, daß die Aufstellung der Wahlkommissionen und die Berufung in dieselben durch das Bezirksamt erfolgen wird. Die Anträge der k. k. Regierung zu den §§26 und 28 nimmt der Minister an. Mit Rücksicht auf die vorgeschrittene Zeit schlägt der Vorsitzende vor, daß die Besprechung der weiteren, mehr stilistische und redaktionelle De¬ tails betreffenden Bemerkungen der k. k. Regierung der direkten Verhandlung zwischen dem k. k. Ministerpräsidenten und dem k. u. k. gemeinsamen Finanz- minister Vorbehalten bleibe. Der gemeinsame Finanzminister erklärt, er sei bereit, den größten Teil der erhaltenen Anregungen zu berücksichtigen und beabsichtige, nach Durchführung der bezüglichen Korrekturen die Bürstenabzüge den beteilig- <pb/>284 Nr. 12 Gemeinsamer Ministerrat, Wien, 18. 9. 1909 ten Ressorts zukommen zu lassen, damit diese noch allfallige Bemerkungen Vor¬ bringen können. Der Minister geht nunmehr auf die Besprechung des Gesetzentwurfes über die Landesangehörigkeit über. Er verweist auf den vom kgl. ung. Ministerpräsiden¬ ten vorgebrachten Wunsch, zur Vermeidung von Schwierigkeiten im ungarischen Reichstage dieses Gesetz jetzt nicht gleichzeitig mit den anderen einzubringen. Freiherr v. Buriän schlägt vor, dasjenige aus dem Inhalte dieses Gesetzentwurfes, was nicht kontrovers ist, in eine Verordnung zusammenzufassen, da er der An¬ sicht sei, daß man auf diesem Gebiete noch geraume Zeit mit dem Verordnungs¬ wege auskommen könne. Er würde demnach den Gesetzentwurf einstweilen aus¬ schalten und seinerzeit dem Ministerrate den Entwurf einer entsprechenden Verordnung zur Genehmigung vorlegen. Der k. k. Ministerpräsident spricht sich entschieden dafür aus, daß die in Rede stehende Materie schon jetzt im Gesetzgebungswege geregelt werde. Er müsse umso mehr hierauf bestehen, als der kgl. ung. Ministerpräsident in diesem Zusammenhänge eine staatsrechtliche Auffassung kundgebe, welche die k. k. Regierung unter keinen Umständen akzeptieren könne. Aus dem Fortbe¬ stehen solcher Gegensätze könnten sich Schwierigkeiten ergeben, welche ver¬ mieden werden müßten. Es sei unmöglich, analog der ungarischen Auffassung die Bosnier in Österreich ohne weiters als Österreicher zu behandeln. Der kgl. ung. Ministerpräsident erklärt, daß er verpflichtet sei, die ungarischen Gesetze zu wahren, und daß er bestrebt sein müsse, Modali¬ täten zu finden, welche mit Bezug auf Bosnien die Wirkungen des ungarischen Gesetzes über die Staatsbürgerschaft paralysieren. Es könne nicht angehen, daß ein in Bosnien ansässiger ungarischer Staatsbürger nach zehnjährigem Aufent¬ halte in den annektierten Ländern seine ungarische Staatsbürgerschaft verliere. Der gemeinsame Finanzminister wiederholt, mit dem kgl. ung. Ministerpräsidenten dahin übereinzustimmen, daß die gesetzliche Regelung dieser Frage derzeit nicht dringlich sei. Der kgl. ung. Ministerpräsident spricht sich nachdrücklichst dahin aus, daß er nichts akzeptieren könne, was der staatsrechtlichen Frage prä- judiziere. Es liege ihm ferne, an dem Status quo rütteln zu wollen, doch könne er auch nicht über diesen hinausgehen. Aus diesen Gründen plädierte Dr. Wekerle neuerdings für das Beschreiten des Verordnungsweges. Der Vorsitzende verweist darauf, daß die beiderseitigen Ansprüche durch die beiden Annexionsgesetze fixiert seien, so daß man keineswegs von der Schaffung einer dritten Staatsbürgerschaft sprechen könne. Nach längerer Debatte ersucht der Vorsitzende mit Zustimmung des Minister¬ rates den gemeinsamen Finanzminister, den Versuch zu machen, aim Sinne der Anregung des k. k. Finanzministers3 das Notwendigste über die Frage der Lan¬ desangehörigkeit an passender Stelle in das Landesstatut aufzunehmen; das Üb- a-a Einfügung Bilinskis. <pb/>Nr. 12 Gemeinsamer Ministerrat, Wien, 18. 9. 1909 285 rige aber könnte im Verordnungswege geregelt werden. Hiebei betont der Vorsit¬ zende nochmals die Ah. Intention, daß die Landesverfassung bis zum Jahrestage der Annexion zu promulgieren sei. Er hoffe daher auf baldige Beseitigung der aufgetauchten Schwierigkeiten. Der gemeinsame Finanzminister geht auf die Erörterung des Gesetzentwurfes über das Vereins- und Versammlungsrecht über und bemerkt gegenüber den von der k. k. Regierung kundgegebenen Bedenken, daß er der Ansicht sei, es müsse in diesem Belange ein gewisses Maß von Freiheit gewährt werden. Er wolle jedoch, bevor er diese Frage vor den Ministerrat bringe, die ihm eben erst zugekommenen bezüglichen Informationen der k. k. Regierung studie¬ ren. Seine Konklusionen werde er später bekanntgeben. Betreffend den Gesetzentwurfüber die Bezirksverwaltungsräte fuhrt der Mini¬ ster gegenüber den von der k. k. Regierung ausgedrückten Zweifeln aus, daß es sich hier eigentlich um eine noch aus der Türkenzeit stammende Einrichtung handle, deren Reaktivierung von der Bevölkerung gewünscht werde und, nach seiner Ansicht, guten Erfolg verspreche. Der kgl. ung. Ministerpräsident bemerkt, auch er habe ver¬ schiedene redaktionelle und stilistische Vorschläge vorzubringen; da dieselben jedoch keine prinzipielle Bedeutung hätten, wolle er sie dem gemeinsamen Fi¬ nanzminister behufs beliebiger Berücksichtigung übergeben. Der Vorsitzende geht zur Beratung des vom gemeinsamen Finanzmini¬ ster ausgearbeiteten Gesetzentwurfes über die freiwillige Kmetenablösung über.2 Der kgl. ung. Ministerpräsident erklärt, gegen den Wortlaut des Gesetzentwurfes keine Einwendungen zu erheben. Er ist jedoch der Ansicht, daß § 14 entfallen könnte. Immerhin müsse er betonen, daß er die Annahme des Gesetzentwurfes seinerseits von dem zukünftigen Schicksale der Agrarbank ab¬ hängig mache. Man müsse der ungarischen Bank ermöglichen, weiter zu beste¬ hen. Es handle sich ihm vor allem um die Wahrung des Prinzipes der paritätischen Behandlung. Der Ministerpräsident erwähnt, daß ihm von Seiten der Agrarbank drei Briefe vorgewiesen worden seien, aus welchen hervorgeht, daß die Landes¬ regierang gegenüber der Agrarbank, zu Gunsten der Landesbank, nicht paritä¬ tisch verfahren sei. Die Agrarbank habe in einem Falle ein Offert eingereicht, welches seitens der Landesregierung mit der Motivierung abgewiesen worden sei, daß die Landesbank seither ein ähnliches Offert eingereicht habe und daß das Geschäft daher der Landesbank zugewiesen werde. Der k. k. Finanzminister wiederholt, daß, wenn im Sinne des neulichen Kompromisses vorgegangen werde und wenn insbesondere die von der k. k. Regierung perhorreszierte Forderung der Zweidrittelmajorität fallengelas¬ sen werde, er auch seinerseits zustimme, daß die Agrarbank eine entsprechende Entschädigung erhalte. Die Kmetenablösung war zuletzt zur Sprache gekommen in GMR. v. 14. 9. 1909, GMCPZ. 474. <pb/>286 Nr. 13 Gemeinsamer Ministerrat, Wien, 12. 2. 1910 Der k. k. Ministerpräsident betont, er müsse auch seinerseits darauf bestehen, daß die bevorstehende Einbringung eines Gesetzentwurfes über die Kmetenablösung in solenner Form kundgemacht werde. Weiters müsse er sich Vorbehalten, die Zustimmung des k. k. Ministerrates einzuholen. Der kgl. ung. Ministerpräsident erklärt, daß er den letzteren Vorbehalt für sich mit Bezug auf den ganzen Komplex der den Gegenstand der gegenwärtigen Beratungen bildenden Vorlagen machen müsse. Der k. k. Ministerpräsident gibt ferner noch dem Wunsche nach Aufnahme eines besonderen Passus Ausdruck, laut welchem mit dem Er¬ scheinen des vorliegenden Gesetzes sämtliche den Finanzinstituten gewährten Konzessionen erlöschen. Der Vorsitzende ladet den gemeinsame Finanzminister ein, die Frage einem Studium zu unterziehen, in welcher Weise die Entschädigung der Agrar¬ bank zu bewerkstelligen wäre. Zum Schlüsse der Beratungen schreitend, konstatiert der Vorsitzende mit Freu¬ den, daß der Ministerrat über die wesentlichsten Punkte der Vorlagen zu voller Einigkeit gelangt sei und daß, abgesehen von den stilistischen und redaktionellen Abänderungen, deren Durchführung der gemeinsame Finanzminister übernom¬ men habe, nur mehr eine wichtige Frage, die der Landesangehörigkeit, offen ge¬ blieben sei. Der gemeinsame Finanzminister habe bereits in Aussicht gestellt, daß er den neu redigierten Text der Gesetzentwürfe den kompetenten Ressorts im Bürsten¬ abzüge zusenden werde. Der Vorsitze ist der Ansicht, daß, falls sich keine grundsätzlichen Bedenken ergeben, die ganze Angelegenheit auf schriftlichem Wege finalisiert werden könnte.3 Aehrenthal Ah. E. Ich habe den Inhalt dieses Protokolles zur Kenntnis genommen. Wien, 28. Oktober 1909. Franz Joseph. Nr. 13 Gemeinsamer Ministerrat, Wien, 12. Februar 1910 RS. (und RK.) Gegenwärtige: der k. k. Ministerpräsident Freiherr v. Bienerth, der kgl. vmg. Ministerpräsident Graf Khuen-Hederväry, der k. u. k. gemeinsame Finanzminister Freiherr v. Buriän, der k. u. k. ge¬ meinsame Kriegsminister GdI. Freiherr v. Schönaich. Mit Schreiben v. 25. 9. 1909 teilte Buriän Aehrenthal die endgültig festgestellten Texte der bosnischen Verfassungsgesetze mit, HHStA., PA. I, CdM. VIII c 12/1, fol. 492r-546r. Fort¬ setzung der Beratung über die bosnischen Verfassungsgesetze und die Frage der Kmetenab- löse in GMR. v. 12. 2. 1910, GMCPZ. 477. <pb/>