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[Tagesordnungspunkte]

Gemeinsamer Ministerrat, 28. 2. 1909

230 Nr. 6 Gemeinsamer Ministerrat, Wien, 28. 2. 1909

te der k. k. österreichische Ministerpräsident, daß
österreichischerseits keine Veranlassung bestehe, ein solches Verbot zu erlassen.
Es herrsche in Österreich keine Futtermittelnot und es müßte daher die Erlassung
des Verbotes ein Sinken der Futtermittelpreise zur Folge haben, was vom agrari¬
schen Standpunkte nicht wünschenswert sei. Sollten jedoch höhere militärische
Gründe für diese Maßregel sprechen, so werde sich die k. k. österreichische Re¬
gierung selbstverständlich diesen Gründen unterwerfen.

   Die beiden Regierungen einigen sich hierauf dahin, es dem k. u. k. Reichs¬
kriegsminister zu überlassen, die Anregung zur Erlassung des Futtermittelaus¬
fuhrverbots gegenüber Serbien zu geben.19

   Der Vorsitzende erklärt sohin die Beratungen für abgeschlossen.

                                                                                           Aehrenthal

Ah. E. Ich habe den Inhalt dieses Protokolles zur Kenntnis genommen.
Wien, 25. September 1909. Franz Joseph.

        Nr. 6 Gemeinsamer Ministerrat, Wien, 28. Februar 1909

    RS. (und RK.)
    Gegenwärtige: der kgl. ung. Ministerpräsident Dr. Wekerle, der k. k. österreichische Minister¬
präsident Freiherr v. Bienerth, der kgl. ung. Ackerbauminister v. Daränyi, der k. k. Finanzminister
Dr. Ritter v. Bilinski (15.3.), der k. k. Ackerbauminister Dr. Bräf (16. 3.), der k. k. Handelsminister
Dr. Weiskirchner (17. 3.), der Staatssekretär im kgl. ung. Handelsministerium v. Szterenyi (in Ver¬
tretung des kgl. ung. Handelsministers v. Kossuth), der Sektionschef im k. u. k. Ministerium des k.
u. k. Hauses und des Äußern Ritter v. Roessler, der Sektionschef im k. u. k. Ministerium des k. u. k.
Hauses und des Äußern v. Mihalovich.
    Protokollführer: k. u. k. Sektionsrat Dr. v. Demelic.
    Gegenstand: [Handelsvertrag mit Rumänien.]

   KZ. 51-GMCPZ. 470
   Protokoll des zu Wien am 28. Februar 1909 abgehaltenen Ministerrates für
gemeinsame Angelegenheiten unter dem Vorsitze des k. u. k. Ministers des k. u. k.
Hauses und des Äußern Freiherm v. Aehrenthal.

   Der Vorsitzende eröffnet die Sitzung und legt unter Berufung auf sein
an die beiden Ministerpräsidenten am 23. Februar 1. J. gerichtetes Schreiben den

19 Mit Schreiben (K.) Schönaichs an Aehrenthal v. 10. 3. 1909 wurde ein Ausfuhrverbot von
        Brotfrüchten und Futter gegen Serbien und Montenegro beantragt, ebd., Präs. 51-7/65-
         2/1909. Das Schreiben blieb unbeantwortet.
<pb/>Nr. 6 Gemeinsamer Ministerrat, Wien, 28. 2. 1909  231

gegenwärtigen Stand der Handelsvertragsverhandlungen mit Rumänien in kur¬
zem neuerlich wie folgt dar:1

   Auf Grund der Beschlüsse, die bei der letzten in dieser Angelegenheit statt¬
gehabten gemeinsamen Ministerratskonferenz gefaßt wurden, sind die Verhand¬
lungen mit Rumänien einerseits im diplomatischen Wege in Bukarest wieder
aufgenommen worden, während andererseits der Vorsitzende selbst mit dem hie¬
sigen rumänischen Gesandten in steter Verbindung blieb. Hiebei glaubte der Vor¬
sitzende erwarten zu können, daß unser Anbot hinsichtlich der Kontingente für
den rumänischen Viehimport nach der Monarchie von 25 000 Rindern, 70 000
Schweinen und 50 000 bis 60 000 Schafen rumänischerseits angenommen wer¬
den würde. Dies umsomehr, als mit Ah. Ermächtigung Sr. k. u. k. apost. Majestät
seitens des k. u. k. Gesandten in Bukarest bei Sr. Majestät König Carol auch dar¬
aufhingewiesen worden war, daß im Hinblicke auf die innerpolitischen Verhält¬
nisse der Monarchie über diese Rumänien angebotenen Kontingente nicht mehr
hinausgegangen werden könnte,2 und daß daher der Hoffnung Raum gegeben
werden dürfe, daß Se. Majestät König Carol seinen ganzen Einfluß aufbieten
werde, damit durch die Annahme unserer Propositionen eine wenn auch nur vor¬
übergehende Störung des politischen Verhältnisses der Monarchie zu Rumänien
vermieden werde.

   Diese Eröffnungen erzielten jedoch bedauerlicherweise nicht die gewünschte
Wirkung. Aus der vom Vorsitzenden zur Verlesung gebrachten telegraphischen
Berichterstattung des Prinzen Schönburg über das Ergebnis seiner Audienzen bei
König Carol in dieser Angelegenheit geht vielmehr hervor, daß die rumänische
Regierung den Meistbegünstigungsvertrag mit Österreich-Ungarn zu kündigen
beabsichtige, falls bis zum 14. März eine Einigung hinsichtlich eines neuen Han¬
delsvertrages nicht erreicht werden sollte, und daß die rumänische Regierung
unsere bisherigen Propositionen als Basis für die Wiederaufnahme der Handels¬
vertragsverhandlungen nicht akzeptiere.3

   Se. Majestät König Carol betonte, da selbst ein für Rumänien günstiger Ver¬
trag daselbst einer scharfen Kritik begegnen werde, daß er sich über dieselbe je¬
doch hinwegsetzen würde, falls einmal eine Verständigung von Regierung zu
Regierung zustande gekommen wäre.

   Se. Majestät wies ferner auf die hohen Kosten hin, die Rumänien auf Grund
des neuen Regimes durch die Errichtung von Schlachthäusern, durch die Einfüh¬
rung des verstärkten veterinären Dienstes usw. erwüchsen, so daß diese Ausgaben
durch die erhaltenen Vorteile aufgewogen werden müßten, falls nicht eine abfal-

Der Handelsvertrag mit Rumänien war zuletzt zur Sprache gekommen in GMR. v. 22. 11.
1908/11, GMCPZ. 469. Schreiben (K.) Aehrenthals an beide Ministerpräsidenten v. 23. 2.
1909, HHStA., Admin. Reg., F 37 Rumänien 4, Karton 82, Nr. 34a.
Schreiben Schönburgs an Aehrenthal v. 17. 1. 1909, ebd., Karton 82, Nr. 10.
Telegramm Schönburgs an Aehrenthal v. 17. 2. 1909, ebd., Karton 82, Nr. 23, sowie sechs
weitere Telegramme v. 23. und 24. 2. 1909, ebd., Karton 82, Nr. 32 I und 11, sowie 33 und
34.
<pb/>232 Nr. 6 Gemeinsamer Ministerrat, Wien, 28. 2. 1909

lige Kritik der öffentlichen Meinung in Rumänien geradezu herausgefordert wer¬
den solle. Auch betrage die Vertragsdauer, welche Rumänien zur Ausnützung des
neuen Regimes zur Verfügung stehen werde, nur vier bis fünf Jahre, wobei die
ersten Jahre wegen Viehmangels sogar ganz unbenützt verstreichen würden.

   Die Großgrundbesitzer in der Moldau würden nach Ansicht König Carols auch
unter dem neuen Vertragsregime es noch immer vorziehen, ihr lebendes Vieh
billig nach Rußland zu verkaufen, statt das Fleisch nach Österreich-Ungarn zu
exportieren.

   Übrigens sei es Sr. Majestät bekannt, daß man in Ungarn für den Absatz land¬
wirtschaftlicher Maschinen den Verlust des rumänischen Absatzgebietes sehr be¬
sorge. Der Gewinn hieraus würde dann England und Amerika zufallen.

   Was die Entziehung des Weideverkehres anlange, so habe man, wie Se. Maje¬
stät bemerkte, hiedurch eine ,,Industrie zerstört, die niemandem schadete&quot; und
die auch zahlreichen ungarischen Interessenten zugute kam. Es sei auch unlängst
eine Deputation der ungarischen Grenzkomitate nach Budapest entsendet wor¬
den, um in diesem Sinne vorstellig zu werden. Wir würden nach Anschauung
König Carols selbst mit der Zulassung von 140 000 Schafen nicht viel riskieren,
da die Schafzucht in Rumänien infolge der Entziehung des Weideverkehres sich
im Rückgänge befinde.

   Se. Majestät der König erklärte schließlich, daß er es mit der allergrößten
Freude begrüßen würde, wenn Österreich-Ungarn durch einen neuen Vertrag die
Meistbegünstigung gesichert werden könnte, doch brauche er hiezu eine gute
Stimmung im Lande, die hinwieder durch die Gewährung eines entsprechenden
Kontingentes hervorgerufen werden müsse. Se. Majestät könne nicht einfach be¬
fehlen, da dies in einem konstitutionellen Lande nicht möglich sei.

   ,,Im Jahre 1884&quot; - so führ der König fort - ,,waren wir auch mit Deutschland
nahe an der Kündigung. Ich sagte damals dem Fürsten Bismarck: Bei Handels¬
verträgen existiert der Unterschied zwischen Großmacht und kleinem Staate
nicht. Wenn sie wollen, daß wir Wächter des Friedens sein sollen, so verschaffen
sie uns durch gute Verträge auch die Möglichkeit, Geld zu machen und eine star¬
ke Armee zu unterhalten.&quot;

   Aus diesen Berichten gehe, wie der Vorsitzende bemerkt, hervor, eine wie
deutliche Sprache König Carol geführt habe, da er sich in einer günstigen Positi¬
on befinde.

   Es herrsche, wie man sehe, in Rumänien eine politisch uns unfreundliche
Stimmung vor.

   Nunmehr bringt der Vorsitzende Mitteilungen zur Kenntnis, die ihm der hiesi¬
ge rumänische Gesandte auf Grund einer demselben von seiner Regierung erteil¬
ten Instruktion am 26. Februar 1. J. gemacht hat.4 Dieselben lauten folgenderma¬
ßen:

       Mitteilung des rumänischen Gesandten an Aehrenthal v. 26. 2. 1909, ebd., Karton 82, Nr. 32
       III.
<pb/>Nr. 6 Gemeinsamer Ministerrat, Wien, 28. 2. 1909  233

   Zunächst kann sich Herr Brätianu die Verwunderung nicht erklären, welche
der österreichisch-ungarische Minister des Äußern bei Entgegennahme der Mit¬
teilung von der rumänischerseits beabsichtigten Kündigung des gegenwärtigen
Handelsvertrages zwischen Österreich-Ungarn und Rumänien an den Tag gelegt
hat, da ja diese Maßregel gerade durch die jüngste Erklärung des Freiherm v.
Aehrenthal, welche Rumänien die Aussicht benommen hat, zu einer Verständi¬
gung in betreff eines neuen Handelsvertrages zu gelangen, provoziert worden
ist.

   Während des ganzen Laufes der Verhandlungen hat Rumänien stets den leb¬
haften Wunsch zu erkennen gegeben, gute handelspolitische Beziehungen mit der
Monarchie zu unterhalten, und sind deshalb alle Forderungen, die zur Wahrung
der ökonomischen Interessen Rumäniens nicht für unbedingt notwendig erachtet
wurden, im vorhinein ausgeschaltet worden.

   Zwei Punkte jedoch sind für Rumänien von entscheidender Bedeutung und
kann von denselben unter keiner Bedingung abgegangen werden:

   1. Die rumänische Regierung wird niemals einen Vertrag unterzeichnen, wel¬
cher Rumänien nicht im Verhältnis die gleiche Situation einräumt, welche wir
Serbien zugestanden haben.

   2. Im Falle der Unmöglichkeit, zu einem Einverständnisse zu gelangen, wäre
die rumänische Regierung nicht in der Lage, den gegenwärtigen Zustand Fortbe¬
stehen zu lassen.

   Diesem doppelten Gesichtspunkte scheint man aber hier nicht Rechnung tra¬
gen zu wollen, da das von Österreich-Ungarn angebotene Kontingent seinem
Werte nach nicht einmal an die Serbien gemachten Konzessionen heranreicht.

   Die k. u. k. Regierung scheint hiebei zu übersehen, daß das von Rumänien fi¬
xierte Minimalkontingent nicht nur der Entwicklung entspricht, welche die Vieh¬
produktion in Rumänien genommen hat, sondern daß dasselbe auch als das Äqui¬
valent anzusehen ist für den österreichisch-ungarischen Export nach Rumänien.
Nun steht aber der Wert der Einfuhr aus Österreich-Ungarn nach Rumänien und
nach Serbien im Verhältnisse von 3 14 : 1.

   Ferner ist nicht außer Acht zu lassen, daß die Notwendigkeit, das Vieh vor der
Einfuhr in die Monarchie schlachten zu müssen, Rumänien nicht unbedeutende
Schwierigkeiten und Auslagen verursacht. Während der Übergangsperiode, das
heißt, bis die rumänische Viehproduktion sich den Forderungen der österreichi¬
schen und der ungarischen Märkte angepaßt hat, wird die Viehausfuhr Rumäniens
eine sehr geringe sein, weshalb die von den österreichisch-ungarischen Unter¬
händlern ausgegangene Anregung, anstatt eines fixen Jahreskontingentes ein suk¬
zessiv steigendes Quantum festzusetzen, rumänischerseits akzeptiert worden ist.

   Das letzte österreichisch-ungarische Angebot beträgt 25 000 Ochsen, 70 000
Schweine, 60 000 Schafe. Die Frage der Schafeinfuhr bildet jedoch eine separat
zu behandelnde Angelegenheit.

   Bekanntlich wurden bisher zahlreiche ungarische Schafherden auf die rumäni¬
schen Gebirgsweideplätze getrieben, doch ist infolge der im letzten Jahre von der
<pb/>234 Nr. 6 Gemeinsamer Ministerrat, Wien, 28. 2. 1909

ungarischen Regierung getroffenen veterinärpolizeilichen Maßregeln dieser Ver¬
kehr gänzlich unterbunden worden. Um den für die rumänische Landwirtschaft
hieraus erwachsenen Schaden zu kompensieren, ist die Forderung eines Export¬
kontingentes von 100 000 Schafen aufgestellt worden, doch ist die rumänische
Regierung bereit, darauf zu verzichten, wenn ungarischerseits Garantien geboten
werden, daß der Status quo ante bezüglich des Weideverkehres der Schafe herge¬
stellt wird. Unter diesen Verhältnissen kann das Schafkontingent bei der Berech¬
nung des Gesamtviehkontingentes nicht mit in Betracht gezogen werden.

   Was das Ochsenkontingent anbelangt, so hat die rumänische Regierung die
Totalsumme, welche aus den von Österreich-Ungarn angebotenen Jahreskontin¬
genten resultiert, unter der Bedingung akzeptiert, daß die in einem Jahre nicht
zum Exporte gelangte Menge auf die späteren Jahre übertragen werden könne.
Bei einem gegenüber dem serbischen um 10 000 Stück geringer bemessenen
Ochsenkontingente ist das Schweinekontingent von 70 000 Stück durchaus unzu¬
reichend und werden bekanntlich rumänischerseits für die ersten drei Jahre
70 000, für die nächsten drei Jahre 100 000 und für den Rest der Zeitdauer der
Konvention 140 000 Stück gefordert. Dabei stehen diese Zahlen noch in keinem
Verhältnisse zur Bedeutung des rumänischen Handelsverkehres im Vergleiche
mit jenem von Serbien, so daß diese Ansätze eigentlich kaum als genügend ange¬
sehen werden können, um die Vorlage des Handelsvertrages im Parlamente zu
ermöglichen.

   Die Situation stellt sich nun in folgender Weise dar: Akzeptiert Österreich-
Ungarn unsere Propositionen, so sind wir bereit, die neue Konvention abzuschlie¬
ßen und die Verhandlungen so zu beschleunigen, daß der Vertrag noch in der ge¬
genwärtigen Session dem Parlamente vorgelegt werden kann, anderenfalls
würden wir uns gezwungen sehen, entsprechend den von uns von allem Anfang
an bekanntgegebenen Erklärungen den gegenwärtigen Handelsvertrag zu kündi¬
gen.

   Es ist nicht anzunehmen, daß das rumänische Parlament trotz Intervention der
Regierung sich bestimmen lassen würde, einem Vertrage die Zustimmung zu ge¬
ben, welcher der rumänischen Viehausfuhr nicht im Verhältnisse die gleichen
Begünstigungen gewähren würde, wie die dem serbischen Viehexporte gewähr¬
ten Vorteile.

    Selbst in dem ganz unwahrscheinlichen Falle, daß ein derartiger Vertrag die
Kammer passieren könnte, würde derselbe in der Öffentlichkeit eine große Mi߬
stimmung gegen Österreich-Ungarn hervorrufen.

   Wie immer die Entscheidung fallen mag, so kann die Kündigung des Vertrages
auf gar keine Weise als unfreundlicher Akt aufgefaßt werden, da dieselbe in das
Aktionsprogramm der liberalen Regierung aufgenommen war, nachdem letztere
sich entschlossen hatte, nach Votierung des autonomen Tarifes und Abschluß des
Handelsvertrages mit Deutschland alle Handelsverträge zu kündigen.

    In der Tat sind auch sämtliche Handelsverträge bis auf jenen mit Österreich-
Ungarn erneuert worden und ist die Verschiebung der Kündigung nur erfolgt, um
<pb/>Nr. 6 Gemeinsamer Ministerrat, Wien, 28. 2. 1909                             235

 dem Drängen der k. u. k. Regierung auf Vertagung stattzugeben, obschon der
 gegenwärtige Zustand mit den wirtschaftlichen Interessen Rumäniens schwer in
 Einklang zu bringen ist.

    Es ist der rumänischen Regierung bekannt, daß die Bemühungen des Freiherm
v. Aehrenthal, um das Zustandekommen des neuen Vertrages zu erleichtern, an
den agrarischen Bestrebungen zu scheitern drohen.

    Die Kündigung des Vertrages wird es der österreichischen und der ungarischen
Regierung im Vereine mit den Interessen der Industrie erleichtern, das gestörte
Gleichgewicht herzustellen, und wird daher einen günstigeren Boden für die neu¬
en Verhandlungen vorbereiten.

   Da der rumänische Gesandte im Gespräche auch erwähnte, daß seine Regie-
rung gleichfalls mit der in den rumänischen Kammern herrschenden Strömung
rechnen müsse, unterließ es der Vorsitzende nicht, Herrn Mi§u darauf aufmerk¬
sam zu machen, daß die k. u. k. Regierung in einer noch schwierigeren Lage sei,
da sie sogar mit zwei Parlamenten zu rechnen habe.

   In Rumänien sei es, wie der Vorsitzende bemerkt, auch bekannt, daß die Land¬
bevölkerung Siebenbürgens sich durch die Einstellung des Weideverkehres ge¬
schädigt fühle; ja, dem rumänischen Gesandten sei in Interessentenkreisen versi¬
chert worden, daß Rumänien darüber beruhigt sein könne, denn es werde gewiß
zum Abschlüsse des Vertrages mit Österreich-Ungarn kommen, da dies auch im
eminenten Interesse dieses Staates gelegen sei.

   Schließlich betont der Vorsitzende, daß auch er vom politischen Standpunkte
größten Wert darauf legen müsse, daß die Kündigung des Vertrages mit Rumäni¬
en vermieden werde. Auch sei zu befürchten, daß die Vertragsbedingungen in
späterer Zeit unter dem Drucke der gekündigten Meistbegünstigung ungünstige
werden würden. Die gegenwärtige äußere Lage, das ungeklärte Verhalten Serbi¬
ens der Monarchie gegenüber erheische es dringend, daß wir ehetunlichst mit
Rumänien zu einer Verständigung in handelspolitischer Beziehung gelangen.

   Der Vorsitzende bittet die beiden Regierungen daher neuerlich, diese Angele¬
genheit in die ernsteste Erwägung ziehen zu wollen, und betont schließlich, daß
auf das eingangs erwähnte Schreiben an die beiden Regierungen die Antwort der
österreichischen eingelangt sei,5 in der

   1. bei Rindern die Übertragung der Kontingente von einem Jahre aufdas ande¬
re und

   2. bei Schweinen eine Erhöhung des Kontingentes von 70 000 auf 80 000
Stücke zugestanden werde.

   Bezüglich des Weideverkehres habe die österreichische Regierung den Anträ¬
gen der an demselben in erster Linie interessierten ungarischen Regierung nicht
vorgreifen zu wollen erklärt.

   Die ungarische Regierung hat den Wunsch geäußert, daß die Angelegenheit
zum Gegenstände einer gemeinsamen Ministerkonferenz gemacht werde, wel-

5 Schreiben Bienerts an Aehrenthal v. 25. 2. 1909, ebd., Karton 82, Nr. 36.
<pb/>236 Nr. 6 Gemeinsamer Ministerrat, Wien, 28. 2. 1909

chem Wunsche entsprechend die Anwesenden zur heutigen Sitzung eingeladen
wurden.

   Es ergreift hierauf der kgl. ung. Ackerbauminister das Wort
und verweist vor allem auf die in der Ministerkonferenz vom 22. November v. J.
zwischen den beiden Regierungen getroffenen Vereinbarung, die auch protokol¬
larisch fixiert wurde, nach welcher

    1. der Handelsvertrag mit Serbien zurückzuziehen sei. Hiefur liege auch schon
die Ah. Bewilligung vor;6 nur sei der Zeitpunkt, wann dies zu geschehen habe,
noch im Einvernehmen mit dem k. u. k. Ministerium des Äußern festzustellen.

   2. eine Erhöhung des an Rumänien zuzugestehenden Kontingentes solle nur
im Rahmen des Gesamtbalkankontingentes vorgenommen werden.

   3. Sobald der Handelsvertrag mit Rumänien finalisiert sein werde, soll die
Höhe des Gesamtkontingentes bekanntgegeben werden.

   In diesem Belange stimmt die ungarische Regierung der Anschauung des Mi¬
nisters des Äußern zu, daß diese Kontingentszahlen nur den Parlamentsausschüs¬
sen und den Führern der Agrarier vertraulich mitzuteilen sein werden.

   4. Was die Frage des Weideverkehres anlangt, so bemerkt der Redner, daß sich
die ungarische Regierung dem Schafimporte aus Rumänien gegenüber sehr ent¬
gegenkommend gezeigt habe. Sie sei auch bereit, der hinsichtlich des Schafkon¬
tingentes von Rumänien aufgestellten Forderung von 100 000 Stücken zu ent¬
sprechen. Auf die Wiederzulassung des Weideverkehres könne die ungarische
Regierung jedoch nicht eingehen, da der Weideverkehr zu einem enormen
Schmuggel mißbraucht wurde. Die Leute hätten sich bereichert, doch sei konsta¬
tiert, daß während des Weideverkehres sich Zolleinnahmen aus dem Schafimpor¬
te überhaupt nicht ergeben haben.

   Auch hätten die heimischen Agrarier es als Axiom aufgestellt, daß lebendes
Vieh aus Rumänien überhaupt nicht in die Monarchie einzulassen sei. Aus Rumä¬
nien hauptsächlich sei die Maul- und Klauenseuche eingeschleppt worden, und es
sei eine Errungenschaft der ungarischen Regierung - der hiefur auch die öster¬
reichische Regierung zu Dank verpflichtet sei - diese Seuche gänzlich ausgerottet
zu haben.

    Auch sei den Agrariern zu ihrer Beruhigung, als man während der Verhandlun¬
gen mit Rumänien Schritt für Schritt zurückweichen mußte, stets gesagt worden,
daß dafür gesorgt werde, daß die Maul- und Klauenseuche nicht wiederkommen
könne. Mit Rücksicht auf alle diese wichtigen Umstände glaube die ungarische
Regierung daher auch, auf die Zustimmung des österreichischen Ackerbaumini¬
steriums rechnen zu können, wenn sie sich gegen die Wiedereinführung des Wei¬
deverkehres ausspreche.

    Der Erhöhung des Schweinekontingentes von 70 auf 80 000 Stücke stimme
die ungarische Regierung bei.

         Der Handelsvertrag mit Serbien war zuletzt zur Sprache gekommen in GMR. v. 22.11.1908/1,
         GMCPZ. 469.
<pb/>Nr. 6 Gemeinsamer Ministerrat, Wien, 28. 2. 1909  237

   Die von Rumänien gewünschte Übertragung des Rinderkontingentes aus den
Jahren, in welchen dasselbe nicht ausgenützt werden könnte, auf spätere Jahre
hält Redner für gefährlich.

   Dem hält der Vorsitzende entgegen, daß es ihm noch gefährlicher
erschiene, wenn wir auf die von uns verlangte Zusicherung der Meistbegünsti¬
gung seitens Rumäniens verzichten müßten.

   Auch sei Rumänien in den nächsten Jahren gar nicht in der Lage, Rinder in
einer dem Kontingente entsprechenden Anzahl zu exportieren.

   Der kgl. ung. Ackerbauminister führt für die Richtigkeit sei¬
ner Anschauung an, daß aus Serbien nur 27 % des ihm zugestandenen Rinderkon¬
tingentes bisher importiert wurden. Wenn Serbien nun das Recht zur Übertragung
des nicht ausgenützten Kontingentsrestes hätte, so könnte es heuer Rinder fast in
der doppelten Höhe des Kontingentes einführen. Auch sei es, im Hinblicke auf
die mit anderen Staaten noch abzuschließenden Handelsverträge gefährlich, in
diesem Punkte einen Präzedenzfall zu schaffen. Man müsse mit bestimmten Im¬
portzahlen rechnen können, sonst könnte z. B. nach einer Futtemot im nächsten
Jahre das zwei- bis dreifache importiert werden.

   Aus diesen Gründen könnte sich Redner eher zu einer Erhöhung des Kontin¬
gentes als zu der von Rumänien angeregten Staffelung und Übertragung des Kon¬
tingentes verstehen. Auch im Vertrage mit Deutschland sei die Übertragbarkeit
des Kontingentes auf drei Monate beschränkt.

   Nach Ansicht des Redners wäre daher ein Ausweg zu suchen, auf welchem
Rumänien eine Erhöhung des Kontingentes um einige tausend Rinder geboten
würde, dagegen könnte das Übertragungsrecht pro Jahr aufhöchstens 5000 Stück
gewährt werden.

   Der kgl. ung. Ministerpräsident erklärt, auf die Höhe der
Einfuhr von seinem Standpunkte keinen Wert zu legen, und stimmt den diesbe¬
züglichen Anträgen des kgl. ung. Ackerbauministers zu. In der Frage des Weide¬
verkehres sei es auch nach Ansicht des Redners schwer nachzugeben, da derselbe
den Schmuggel so begünstige. Die Schafe würden bei Zulassung des Weidever¬
kehres für zwei Jahre aus dem Lande getrieben und kämen sohin mit ihrer angeb¬
lichen Nachkommenschaft wieder zurück. Es sei aber eben nicht die Nachkom¬
menschaft, sondern es werden andere Schafe importiert, mit denen gleichzeitig
auch leicht die Maul- und Klauenseuche wieder eingeschleppt werden könnte.

   Ungarn habe auch schon mit Rücksicht auf die den heimischen Interessenten
gegebenen Entschädigungen ein Hauptinteresse daran, daß die Wiedereinführung
des Weideverkehres nicht zugestanden werde.

   Der k. k. Ministerpräsident bemerkt hierauf, daß die Erhöhung
des Schafkontingentes auch in Österreich nicht unbemerkt bleiben würde und
daß sie auf die Höhe der Fleischpreise von Einfluß werden könnte. An der Frage
des Weideverkehres sei Österreich nur vom Standpunkte der Einschleppung der
Maul- und Klauenseuche interessiert. Hinsichtlich der Erhöhung des Schweine-
<pb/>238 Nr. 6 Gemeinsamer Ministerrat, Wien, 28. 2. 1909

kontingentes konstatiert Redner die Übereinstimmung in den Anschauungen bei¬
der Regierungen.

   Beim Rinderkontingente könnte man nach Ansicht Freiherm v. Bienerths eine
Übertragung von einem Jahre auf das andere zugeben, da in diesem Falle die
Fehlergrenze nicht groß sein könnte.

   Der Vorsitzende spricht seine Anschauung dahin aus, daß die Erhö¬
hung des Rinderkontingentes um 5000 Stück Rumänien nicht genügen dürfte,
und schlägt daher eine Erhöhung auf 30 000 Stücke nebst der Konzedierung der
Übertragung von jährlich 5000 Stücken vor.

   Der k. k. Ackerbauminister knüpft seine Zustimmung zur Er¬
höhung der Kontingente an die Voraussetzung, daß dadurch das festgesetzte Ge¬
samtbalkankontingent nicht tangiert werde. Er spricht die Befürchtung aus, daß
dieses ins Wanken kommen könnte, falls unsere politischen Verhältnisse zu Ser¬
bien sich wieder günstiger gestalten würden und man Serbien wirtschaftlich ent-
gegenkommen müßte. Dann wäre die Regierung in einer schweren Stellung, da
sie mit dem Parlamente rechnen müsse. Dieser Umstand wäre daher bei den Ver¬
handlungen mit Rumänien zu unterstreichen.

   Redner spricht sich schließlich für die Erhöhung des Rinderkontingentes auf
30 000 Stücke oder auf 25 000 Stücke, aber in diesem Falle mit gleichzeitiger
Konzedierung des Übertragungsrechtes von 5000 Stücken von einem auf das an¬
dere Jahr aus. Bei der Übertragung werde auch Rumänien durch das aleatorische
Moment getroffen, daher sei diese Konzession für beide vertragschließenden Tei¬
le mißlich.

   Redner ersucht daher, den österreichischen Vorschlag in ernste Erwägung zu
ziehen und ihn nicht unbedingt abzuweisen.

   Es wäre sonach ein Kontingent von 30 000 Stück Rindern ohne ein Übertra¬
gungsrecht oder von 25 000 Stücken mit einem eingeschränkten Virement bis auf
5000 Stücke für jedes nächste Jahr anzubieten.

   Nachdem sich auch der k. k. Finanzminister gegen die Konze¬
dierung des Übertragungsrechtes unausgenützter Kontingentsreste ausgespro¬
chen hat, die es Rumänien ermöglichen würde, Ochsen quasi zu thesaurieren,
ersucht der Vorsitzende, sich nunmehr auf einen Beschluß zu einigen,
wobei dem Ministerium des Äußern eine entsprechende Latitüde für die Verhand¬
lungen einzuräumen wäre.

   Der k. k. Handelsminister wäre geneigt, den Intentionen des Mi¬
nisters des Äußern zu entsprechen, doch könne Rumänien nicht isoliert behandelt
werden. Mit Serbien bestehe der Handelsvertrag noch aufrecht und der Abschluß
eines Vertrages mit Bulgarien sei in Aussicht genommen. Wenn der kgl. ung. Ak-
kerbauminister erklärt habe, Rumänien das Kontingent bei Festhaltung an dem
Balkankontingente geben zu wollen, so werfe sich die Frage auf, wieviel für die
anderen Staaten noch übrig bleibe. Es sei dies eine schwierige Sache! Die öster¬
reichische Regierung sei von der Voraussetzung ausgegangen, daß der Handelsver¬
trag mit Serbien fallen werde, da wir dann wenigstens momentan in dieser Rich¬
tung frei wären. Wir müssenjedoch schließlich auch mit Serbien ins Reine kommen,
<pb/>Nr. 6 Gemeinsamer Ministerrat, Wien, 28. 2. 1909  239

und Serbien werde sich mit einem Kontingente von 20 000 Schweinen nicht zufrie¬
denstellen lassen. Redner möchte daher eine Aufklärung über die Anschauungen
der Konferenz hinsichtlich des Handelsvertrages mit Serbien erhalten.

   Der Vertreter des kgl. ung. Handelsministeriums
stimmt den Ausführungen des Vorredners zu. Er hält das Zustandekommen eines
Handelsvertrages mit Rumänien für äußerst wünschenswert und ist der Anschau¬
ung, daß der Handelsvertrag mit Serbien zurückzuziehen sei, zumal hiefur auch
schon die Ah. Ermächtigung vorliege und nur mehr der Zeitpunkt für die Zurückzie¬
hung dieses Vertrages im Einvernehmen mit dem Ministerium des Äußern zu be¬
stimmen sei.

   Dieser Ansicht wird auch seitens des Vorsitzenden zugestimmt. Er sei mit den
beiden Regierungen übereingekommen, mit Rumänien zu verhandeln und den
serbischen Vertrag umso mehr fallen zu lassen, als die Serben ja selbst behaupten,
daß sie keine wirtschaftlichen Vorteile von uns wollen.

   Hinsichtlich des Zeitpunktes, in welchem der Vertrag mit Serbien fallen zu
lassen wäre, ist der k . k. H a n d e 1 s m i n i s t e r der Anschauung, daß
dies vor der Bekanntgabe der Rumänien eingeräumten Kontingente zu geschehen
hätte.

   Hiezu bemerkt der Vorsitzende, daß für den Zeitpunkt des Fallenlassens des
Vertrages mit Serbien zwei Daten gegeben seien: der 14. März, bis zu welchem
seitens Rumäniens eine Verständigung über den mit ihm abzuschließenden Ver¬
trag verlangt wird, und der bevorstehende Zusammentritt des österreichischen
Parlamentes, dem der Vertrag mit Serbien nicht wieder vorgelegt würde.

   Der Vertreter des kgl. ung. Handelsministeriums
stellt hierauf zur Erwägung, ob gegen die Zurückziehung des Vertrages keine
Bedenken im Hinblicke darauf vorliegen, daß die europäische Presse derzeit sich
so ausführlich mit der Intervention der Mächte beschäftige und von Österreich-
Ungarn erwarte, daß es sich über die wirtschaftlichen Vorteile erkläre, die es ge¬
sonnen sei, Serbien einzuräumen.

   Hierauf erwidert der Vorsitzende, daß dies eben nur Enunziationen
der Presse seien. Zunächst müsse die politische Haltung Serbiens geklärt werden.
Wenn Serbien uns eine friedliche Politik zusichert, müssen auch wir ihm wirt¬
schaftlich entgegenkommen. Wenn die Serben sich uns gegenüber korrekt beneh¬
men, müssen wir auch sie sich wirtschaftlich entwickeln lassen.

   Die Festlegung eines Gesamtkontingentes für alle Balkanstaaten sei von den
beiden Regierungen ausgegangen und habe das Ministerium des Äußern wieder¬
holt Gelegenheit gehabt, dagegen Stellung zu nehmen.

   Uber den Inhalt einer mit Serbien eventuell zustande zu bringenden Verständi¬
gung lasse sich heute ein Urteil schwer bilden, weil die serbische Regierung in
ihrer Haltung noch nicht erkennen lasse, ob sie sich auf die Plattform eines öko¬
nomischen Akkords mit uns stellen wolle. Jedenfalls kann aber als sicher ange¬
nommen werden, daß für den Fall einer Auseinandersetzung auf wirtschaftlicher
Grundlage wir mit der Gewährung entsprechender und wirkungsvoller ökonomi¬
scher Vorteile nicht zurückhalten könnten. Es sei dies heute wohl noch eine cura
<pb/>240 Nr. 6 Gemeinsamer Ministerrat, Wien, 28. 2. 1909

posterior, doch sei es gewiß wünschenswert, daß die beiden Regierungen diese
Frage auch ihrerseits in ernste Erwägung ziehen.

   Der kgl. ung. Ackerbauminister weist darauf hin, daß die
ungarische Regierung Gewicht darauf lege, daß der Handelsvertrag mit Serbien
im Parlamente ehestens falle, da eine große agrarische Agitation entstehen würde,
falls der Vertrag mit Rumänien finalisiert und die in demselben zugestandenen
Kontingente bekannt würden.

   Die Festsetzung des Balkankontingentes sei notwendig gewesen, denn
Deutschland gibt uns trotz seiner sonstigen idealen Bundestreue volkswirtschaft¬
lich nichts und allmonatlich tauchen auf diesem Gebiete neue Streitfragen auf.
Wir konnten daher gegenüber den Balkanstaaten keinen größeren Verkehr einräu¬
men. Unser Export sei auf die Hälfte gesunken, und der Import sollte derselbe
bleiben? An dem Serbien eingeräumten Kontingente sei wohl das Ministerium
des Äußern schuld, da wir kein so großes Kontingent konzedieren wollten. Wir
wurden damit beruhigt, daß Rumänien sich mit einem kleineren Kontingente und
mit der prinzipiellen Zulassung seines Viehimportes begnügen dürfte.

   Der Vertreter des kgl. ung. Handelsministers sieht
die Schuld an der Schwierigkeit der gegenwärtigen Verhandlungen mit Rumäni¬
en auch in dem Umstande, daß nicht, der seinerzeitigen Anregung des Ministers
des Äußern entsprechend, mit diesem Staate zuerst verhandelt worden sei.

   Hierauf bemerkt der Vorsitzende, daß es in unserem Interesse gele¬
gen gewesen wäre, wenn wir schon vor mehr als Jahresfrist zu einer Verständi¬
gung mit Rumänien gelangt wären, zumal es sich jetzt ganz deutlich zeige, daß
durch das Ausscheiden Sturdzas und durch den Eintritt Brätianus in das rumäni¬
sche Kabinett die Dispositionen Rumäniens sich nicht zu unserem Vorteile geän¬
dert haben.

   Redner hebt jedoch hervor, daß für diese Verzögerung, die ganz gegen sein
Programm eingetreten sei, die bekannten Verhältnisse verantwortlich gemacht
werden müssen.

   Auf die Frage des Fallenlassens des Vertrages mit Serbien zurückkommend,
bemerkt der Vorsitzende, daß die österreichische Regierung den Vertrag dem Par¬
lamente am 10. März nicht wieder vorlegen werde, wodurch auch gleichzeitig
manifestiert werde, daß dieser Vertrag der parlamentarischen Behandlung nicht
unterzogen wird. Es könnte daher auch die ungarische Regierung um diese Zeit
eine Enunziation im Reichstage machen.

   Der k. k. Ministerpräsident pflichtet dieser Anregung bei und
bemerkt, daß sich der Zeitpunkt hiefür von selbst ergäbe, da er bei den Verhand¬
lungen über die Feststellung des Arbeitsprogrammes für den österreichischen
Reichsrat des Vertrages mit Serbien nicht Erwähnung tun werde.

   Dagegen hebt der Vertreter des kgl. ung. Handelsmini¬
sters hervor, daß die beiden Regierungen in dieser Angelegenheit d&#39;accord
vergehen müßten. Er bitte daher die österreichische Regierung, der ungarischen
eine Erklärung zukommen zu lassen, daß sie den fraglichen Vertrag nicht dem
<pb/>Nr. 6 Gemeinsamer Ministerrat, Wien, 28. 2. 1909  241

Reichsrate vorlegen werde. Die ungarische Regierung werde dann diesen Vertrag
gleichfalls am 10. März zurückziehen. Übrigens müsse die österreichische Regie¬
rung das Ermächtigungsgesetz im Hinblicke auf die anderen Staaten, auf welche
sich das Gesetz bezieht, einbringen und könnte bei dieser Gelegenheit eine ent¬
sprechende Erklärung hinsichtlich des Vertrages mit Serbien abgeben.

   Dagegen ist der k. k. Handelsminister aus juristischen Gründen
der Anschauung, daß eine derartige direkte Erklärung nicht erforderlich sei.

   Der Vorsitzende spricht sich dahin aus, daß auch der serbischen Re¬
gierung unzweideutig bekanntzugeben sein wird, daß wir angesichts ihrer gegen¬
wärtigen Haltung den Vertrag zurückziehen, daß wir uns jedoch bereit finden
würden, falls sie diese Haltung entsprechend ändern würde, über einen anderen
Handelsvertrag auf einer neuen Basis mit ihr in Verhandlung zu treten.

   Nachdem auch der k. k. Ministerpräsident die Abgabe einer
direkten Erklärung wegen Nichteinbringung des Vertrages für unnötig hält und
seiner Ansicht nach eine solche den Anschein eines feindseligen Aktes erwecken
könnte, bemerkt der Vorsitzende, daß ja das Fallenlassen dieses Vertra¬
ges der serbischen Regierung bis 10. März ohnehin wird notifiziert werden müs¬
sen, so daß dann ein offiziöses Kommunique in dieser Angelegenheit hinausge¬

gebenwerdenkönnteundjede derbeidenRegierungennachihrerGeschäftsordnung
Vorgehen könnte. Dieser Auffassung wird allseits zugestimmt.7

   Sodann ergreift Sektionschef v. Roessler das Wort und lenkt
die Aufinerksamkeit der beiden Regierungen darauf, daß vor der endgiltigen Fas¬
sung des Beschlusses über das Rinderkontingent, das Rumänien zu gewähren sei,
vielleicht doch auch der Umstand in Erwägung gezogen werden müsse, ob nicht
der ursprüngliche rumänische Antrag auf Staffelung dieses Kontingentes für uns
günstiger sei, zumal dessen Ziffern für die ersten sechs Jahre viel tiefer liegen als
der den Gegenstand der heutigen Konferenz bildende Antrag auf 30 000 Stücke
plus einer im Detail noch zu beratenden Übertragungsziffer. Es würde sich daher,
nach des Redners Erachten, empfehlen, für die Instruktion an unseren Gesandten
in Bukarest einen alternativen Vorschlag in Aussicht zu nehmen.

   Die Alternative A ginge dahin: Auf den rumänischen Vorschlag der Staffelung
zurückzukommen und für die ersten sechs Vertragsjahre die von Rumänien pro-
ponierten 10,12,15,20,22 und 25 000 Stücke zu akzeptieren. Für die letzten drei
Vertragsjahre, für die Rumänien 40 000 forderte, ist man bereit, 30 000 anzuneh¬
men und gleichzeitig einzuräumen, daß aus früheren unausgenützten Kontingen¬
ten je 5000 Stück jährlich maximal dazugegeben werden, so daß für diese letzten
drei Vertragsjahre unter der Voraussetzung vorhandener Reserven früherer Jahre
maximal 35 000 konzediert erscheinen würden.

Über Vortrag Wekerles v. 25. 1. 1909 hatte Franz Joseph mit Ah. E. v. 8. 2. 1909 den Antrag
resolviert, den in den Reichstag eingebrachten, aber noch nicht verhandelten serbischen
Handelsvertrag einvemehmlich mit Aehrenthal wieder zurückzuziehen und mit Ende März
1909 auslaufenzu lassen, HHSxA., Kab. Kanzlei, KZ. 326/1909. Fortsertzung der Beratung
über den serbischen Handelsvertrag in GMR. v. 16. 3. 1909, GMCPZ. 471.
<pb/>242 Nr 7 Gemeinsamer Ministerrat, Wien, 16. 3. 1909

   Die Alternative B würde lauten: Für alle Vertragsjahre je 30 000 Stück und aus
dem nicht ausgenützten Kontingente des unmittelbar vorhergehenden Jahres ma¬

ximal noch 5000 Stück dazu.
   Nach kurzer Diskussion, aus der hervorgeht, daß die Alternative A für die gan¬

ze Vertragszeit ein geringeres Kontingent darstellen würde als die Alternative B,
beschließt die Konferenz, diesen Altematiworschlag zu akzeptieren.

   Sektionschefv. Roessler weist noch daraufhin, daß die Erhöhung des Kontin¬
gentes für Schafe auf 100 000 Stücke keine besondre Konzession darstelle, da die
Schafe im Weideverkehre zollfrei eingelassen wurden, während sie jetzt verzollt

werden müssen.
   Mit Rücksicht darauf, daß der Zoll 2 Kronen 50 Heller per Stück betrage, also

verhältnismäßig hoch sei und den Import geschlachteter Schafe aus Rumänien
wesentlich erschwere, stellt Redner zur Erwägung der Konferenz, ob nicht die
Erniedrigung dieses Zolles Rumänien gegenüber eventuell in Erwägung gezogen

werden könnte.
   Es wird hierauf Staatssekretär v. Ottlik der Konferenz beige¬

zogen, welcher mit Rücksicht darauf, daß diese Anregung ein novum bilde, den
Antrag stellt, daß dieselbe vorerst einem Studium zu unterziehen sei.

   Der Vorsitzende ersucht daher die beiden Regierungen, diese Frage in
ernste Erwägung ziehen und ihm sohin ihre Anschauungen hierüber mitteilen zu

wollen.8

Nachdem Sektionschef v. Roessler noch das über die heutige

Ministerkonferenz an die Presse hinauszugebende Kommunique zur Vorlesung

bringt, welchem allseits zugestimmt wird, schließt der Vorsitzende nach

halb ein Uhr nachmittags die Sitzung.

                                       Aehrenthal

Ah. E. Ich habe den Inhalt dieses Protokolles zur Kenntnis genommen.
Wien, 25. September 1909. Franz Joseph.

         Nr. 7 Gemeinsamer Ministerrat, Wien, 16. März 1909

    RS. (und RK.)
    Gegenwärtige: der kgl. ung. Ministerpräsident Dr. Wekerle, der k. k. österreichische Minister¬
präsident Freiherr v. Bienerth, der kgl. ung. Ackerbauminister v. Daränyi, der k. k. Ackerbaumini¬
ster Dr. Bräf, der k. k. Handelsminister Dr. Weiskirchner, der Staatssekretär im kgl. ung. Handels-

Mit Schreiben v. 3. 3. 1909 an Aehrenthal lehnte Wekerle den Vorschlag zur Reduzierung des
Schafzolls für Rumänien ab, HHStA., Admin. Reg., F 37 Rumänien 4, Karton 82, Nr. 38.
Fortsetzung der Beratung über den rumänischen Handelsvertrag in GMR. v. 16. 3. 1909,
GMCPZ. 471.
<pb/>