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Gemeinsamer Ministerrat, 27. 2. 1906

I. Wiederaufnahme der Handelsvertragsverhandlungen mit Serbien, Verhandlungen mit Bulgarien und Rumänien sowie später mit Griechenland und Montenegro

Siehe PDF-Daten https://hw.oeaw.ac.at/ministerrat/serie-2/oe_hu_mrp_V/pdf/oe_hu_mrp_V_z69.pdf.

II. Die Frage der Mitteilung des restringierten gemeinsamen Voranschlages pro 1906 in einem Ausschusse des österreichischen Abgeordnetenhauses

Siehe PDF-Daten https://hw.oeaw.ac.at/ministerrat/serie-2/oe_hu_mrp_V/pdf/oe_hu_mrp_V_z69.pdf#page=6.

528 Nr. 69 Gemeinsamer Ministerrat, Wien, 27. 2.1906

            Nr. 69 Gemeinsamer Ministerrat, Wien, 27. Februar 1906

RS. (undRK.)

    Gegenwärtige; der k. k. Ministerpräsident Freiherr v. Gautsch (5.3.), der kgl. ung. Ministerpräsident
F2M. Freiherr v. Fejdrväiy (8.3.), der k. k. Minister des Inneren Graf Bylandt-Rheidt (10.3.), der k k

Ackerbauminister Graf [Longueval-]Buquoy, der k. k. Finanzminister Kosel, der kgl. ung. Handelsminister
v. Voros, der kgl. ung. Ackerbauminister Freiherr v. Feilitzsch, der Leiter des k. k. Handelsministeriums

Sektionschef GrafAuersperg, der Staatssekretär im kgl. ung. Finanzministerium Popovics, der Sektionschef
im k. k. Handelsministerium [Ritter] v. Roessler, der k. u. k. Hof- und Ministerialrat v. Mihalovich

    Protokollführer Legationsrat Freiherr v. Gagem.

Gegenstand: I. Wiederaufnahme der Handelsvertragsverhandlungen mit Serbien, Verhandlungen mit

Bulgarien und Rumänien sowie später mit Griechenland und Montenegro. II. Die Frage der Mitteilung des

restringierten gemeinsamen Voranschlages pro 1906 in einem Ausschüsse des österreichischen Abgeordne¬
tenhauses.                                                          °

   KZ. 20 - GMCZ. 458

   Protokoll des zu Wien am 27. Februar 1906 abgehaltenen Ministerrates für gemem-
same Angelegenheiten unter dem Vorsitze des k. u. k. gememsamen Ministers des
Äußern Grafen Gotuchowski.

    [I.] Der Vorsitzende eröffnet die Sitzung mit der Bemerkung, daß es sich mit
Rücksicht auf den am 1. März eintretenden handelspolitischen Verfallstag als notwen¬
dig herausgestellt habe, sich über gewisse Maßnahmen betreffend die provisorische
Regelung der wirtschaftlichen Beziehungen zu Serbien, zu Bulgarien1 und zur Schweiz,
mit welch letzterer die Monarchie in Vertragsverhandlungen stehe,2 zu einigen.

    Was zunächst Serbien betrifft, so führt Redner aus, daß der serbische Gesandte ihm
kürzlich eine Note überreicht habe, in welcher die Bereitwilligkeit der serbischen
Regierung bekanntgegeben wird, an dem Zollunionsvertrage mit Bulgarien im Falle des
Zustandekommens eines Handelsvertrages mit der Monarchie alle jene Modifikationen
vorzunehmen, welche österreichisch-ungarischerseits verlangt werden würden.3 Zu¬
gleich sei in dieser Note das Ersuchen um Aufhebung der Viehsperre gestellt worden.
Redner habe die Aufstellung eines Junktims zwischen der Erfüllung der österreichisch-
ungarischerseits erhobenen Forderungen und der seitens Serbiens gewünschten Auf¬
hebung der Viehsperre entschieden abgelehnt und den serbischen Gesandten erklärt,
daß die österreichisch-ungarischerseits aufgestellten Forderungen bedingungslos an¬
genommen werden müßten. Redner habe sodann in einer an den serbischen Gesandten
gerichteten Note von der serbischerseits bekundeten Bereitwilligkeit, den Zollunions¬
vertrag im Sinne der von Österreich-Ungarn erhobenen Forderungen abzuändem, Akt
genommen und die serbische Regierung eingeladen, ehestens Delegierte zur Wieder¬
aufnahme der Handelsvertragsverhandlungen nach Wien zu entsenden.4 Nachdem bis

1 Siehe GMR. v. 12.1906, GMCZ. 457.

2 DieMonarchie schloß den Handelsvertragmit derSchweiz am 9.3.1906ab, der am 12.3.1906, RGBl. Nr.
    57/1906, erstprovisorisch und am 1.8.1906, RGBl. Nr. 156/1906, bzw. am 30. 7.1906, GA. VII/1906, auch
    definitiv in Kraft trat

3 Vuii an Goiuchowski v. 24.11906, K. u. k. Ministerium des Äussern, Handelsvertrags-Verhand¬
     lungen mit Serbien 12-14.

4 Goiuchowski an Vuii v. 2611906 ebd., 14-15.
<pb/>Nr. 69 Gemeinsamer Ministerrat, Wien, 27. 2.1906                         529

zum Abschlüsse eines Vertrages mit Serbien immerhin eine gewisse Zeit verstreichen
werde, ergebe sich nunmehr die Notwendigkeit, für den zwischen dem 1. März und dem
Momente des Vertragsabschlusses liegenden Zeitraum gewisse provisorische Verfü¬
gungen in betreff der Regelung der wirtschaftlichen Beziehungen zu Serbien zu treffen.
Redner richtet hierauf an den k. u. k. Hof- und Ministerialrat Mihalovich die Auffor¬
derung, sich über seine mit dem serbischen Gesandten diesfalls gehabte Unterredung
sowie über die Vorschläge zu äußern, welche seitens der Zoll- und Handelskonferenz
in betreff der Gestaltung dieses Provisoriums erstattet worden sind.

   Der k.u. k. Hof- und Ministerialrat v. Mihalovich führt, dieser
Aufforderung Folge leistend, aus, daß der kgl. serbische Gesandte seinerseits mit
keinem bestimmten Vorschläge hervorgetreten sei, sondern gebeten habe, daß öster-
reichisch-ungarischerseits ein solcher gemacht werden möge. Dr. Vuic habe nur im
allgemeinen seiner Ansicht dahin Ausdruck geliehen, daß das Provisorium ein einfa¬
cher Meistbegünstigungsvertrag zu sein hätte, und habe neuerdings gebeten, daß die
Viehsperre schon jetzt aufgehoben werden möge, wogegen die serbische Regierung
ihrerseits die bekannten Gegenmaßnahmen gegen Provenienzen aus Österreich-
Ungarn aufzuheben bereit sein würde. Die Zoll- und Handelskonferenz habe hierauf
vorgeschlagen, mit Serbien ein Provisorium aufgrund gegenseitiger Einräumung der
Meistbegünstigung abzuschließen, die Viehsperre zwar nicht aufzuheben, jedoch die
Einfuhr von Vieh von Fall zu Fall, gegen Nachweisung eines entsprechenden sanitären
Zustandes, aufgrund von Erlaubnisscheinen unter der Voraussetzung zu gestatten, daß
Serbien seine Gegenmaßnahmen gegen Provenienzen aus Österreich-Ungarn aufhebe
und die an der Grenze lagernden Waren - ungefähr 200 Waggonladungen - nach den
Sätzen des alten Tarifs zur Verzollung zulasse.5

   Nachdem der kgl. ung. Ackerbauminister Freiherr v. Fei-
1 i t z s c h hervorgehoben hat, daß die Viehsperre schon aus dem Grunde nicht plötz¬
lich aufgehoben werden könne, weil deren Verhängung seinerseits mit veterinärpolizei¬
lichen Rücksichten begründet worden sei, und man sich hüten müsse, Serbien einen
Beweis dafür zu geben, daß die Viehsperre lediglich eine Retorsionsmaßnahme
gewesen sei, konstatiert der Vorsitzende, daß die Konferenz den Vorschlag der
Zoll- und Handelskonferenz hinsichtlich der provisorischen Regelung der wirtschaftli¬
chen Beziehungen zu Serbien annimmt.

   Redner bringt hierauf die gegenwärtig im Zuge befindlichen Handelsvertragsver¬
handlungen mit der Schweiz zur Sprache und bemerkt, daß dieselben bereits ziemlich
weit vorgeschritten seien, und nur mehr bei wenigen Zollsätzen wesentlichere Differen¬
zen bestehen. Redner ersucht den Sektionschef im k. k. Handelsministerium v. Roess-
ler, jene Positionen zu bezeichnen, bei welchen in den mit den Schweizer Delegierten
geführten Verhandlungen bisher keine Einigung erzielt werden konnte. Redner be¬
merkte weiters, daß vom 1. März ab bis zum Zustandekommen eines definitiven Ver¬
trages mit der Schweiz gewisse Übergangsbestimmungen würden getroffen werden
müssen.

5 Das Protokoll der Zoll- und Handelskonferenz war nicht auszuforschen.
<pb/>530 Nr. 69 Gemeinsamer Ministerrat, Wien, 27. 2.1906

   Der Sektionschef im kk. Handelsministerium v. Roessler
führt aus, daß bei den Vertragsverhandlungen mit der Schweiz bisher noch Differenzen
in betreff der Ganzseiden, der Teerfarben und der goldenen Ketten sowie hinsichtlich
des Veredlungsverkehres bei Stickereien bestehen. Was die vorläufige Regelung der
wirtschaftlichen Beziehungen zur Schweiz betrifft, so glaubt Redner, daß ein kurzes
Provisorium bis inklusive 11. März aufgrund der gegenseitigen Gewährung der Meist¬
begünstigung vereinbart werden solle, über welche hinaus von der Schweiz für die
Einfuhr aus der Monarchie die Gewährung des Status, wie er seit 1. Januar 1906 besteht,
zu verlangen sein würde, während österreichisch-ungarischerseits der Schweiz ein
Käsezoll von 12 Kr. zugestanden werden solle.

   Nachdem die Konferenzteilnehmer sich mit diesem Vorschläge einverstanden
erklärt haben, konstatiert der Vorsitzende, daß auch in betreff der provisori¬
schen Regelung der Handelsbeziehungen zur Schweiz in der Konferenz vollkommene
Übereinstimmung erzielt worden ist.

   Der Vorsitzende bringt hierauf die Regelung der Handelsbeziehungen zu Bulgarien
zur Sprache, indem er ausführt, daß ihm diesfalls kürzlich eine Note der kgl. ung.
Regierung zugekommen sei, worin der Ansicht Ausdruck geliehen wird, daß die
bulgarische Regierung sich nicht bereit erklärt, den ihr seinerzeit österreichisch-unga-
rischerseits mitgeteUten tarifarischen Forderungen Rechnung zu tragen, Bulgarien vom
1. März an in Österreich-Ungam nicht mehr die Meistbegünstigung einzuräumen wäre,
während für Importe aus der Monarchie nach Bulgarien die Meistbegünstigung auf
Grund des Artikel VHI des Berliner Vertrages auch nach diesem Termine in Anspruch
genommen werden solle.6

   Redner bemerkt demgegenüber, daß er die theoretische Richtigkeit des von der kgl.
ung. Regierung in der vorerwähnten Note zum Ausdruck gebrachten Standpunktes
keineswegs in Abrede stellen wolle, daß dieser Standpunkt in der Praxis aber undurch¬
führbar sei. Redner möchte nicht nochmals alle jene Argumente wiederholen, welche
er diesfalls in der am 2. Februar 1. J. stattgehabten gemeinsamen Ministerkonferenz
vorgebracht habe,7 und wolle sich nur erlauben, an das imbefriedigende Resultat der
Umfrage bei den Mächten in betreff der Geltendmachung des Artikel VHI des Berliner
Traktates sowie daran zu erinnern, daß die Handelsbilanz der Monarchie in bezug auf
Bulgarien mit 27 bis 30 Millionen gegen 7 bis 8 Millionen aktiv sei, so daß Österreich-
Ungarn im Falle eines Zollkrieges mit Bulgarien - und dieser wäre, wenn man auf dem
Standpunkt der imgarischen Regierung beharren wollte, unvermeidlich - jedenfalls
mehr verlieren würde als das Fürstentum. Von dieser Erwägung wirtschaftlicher Natur
abgesehen, müßte das Verhältnis der Monarchie zu Bulgarien aber auch vom politi-

6 Fejervdry an Gotuchowski v. 18. 2.1906, HHStA., AR., F. 37, Karton 43, Bulgarien 5, Nr. 840/ME.: In
    Ansehung dieser Sachlage also wäre nach Meinung der ungarischen Regierung zu verständigen, daß
    Bulgarien eine Behandlung aufgrund der Meistbegünstigung - insofern es sich nicht bereit erklärt,
    unseren seinerzeit mitgeteilten tarifarischen Forderungen Rechnung zu tragen - nur bis zu dem 28.2.
    1906 genießen wird, während wir die Behandlung aufgrund der Meistbegünstigung für unseren Import
    nach Bulgarien aufgrund der Bestimmung des Berliner Vertrages auch über diesen Termin hinaus
    beanspruchen werden.

7 GMR. V.2.Z 1906, GMCZ. 457.

                                                 I
<pb/>Nr. 69 Gemeinsamer Ministerrat, Wien, 27. 2.1906  531

sehen Gesichtspunkte aus ins Auge gefaßt werden, und könne Redner auch in dieser
Beziehung nur neuerdings darauf hinweisen, daß Bulgarien unter den Balkanstaaten
derjenige sei, welcher entschieden die größte Zukunft habe und welcher vielleicht schon
in absehbarer Zeit berufen sein dürfte, ein bedeutender Faktor auf dem Balkan zu
werden. Hiezu sei besonders in dem früher oder später zu gewärtigenden Falle Aussicht
vorhanden, daß es zwischen Bulgarien und der Türkei zu einer kriegerischen Kompli¬
kation kommen sollte, welch letztere nach dem Urteüe des k. u. k. Müitärattaches in
Sofia sowie anderer MUitärs infolge der besseren Organisation der numerisch zwar
inferioren bulgarischen Armee einen für das Fürstentum günstigen Ausgang haben
dürfte. Dazu komme noch der für Österreich-Ungarn sehr schätzenswerte Umstand,
daß Bulgarien auf dem Gebiete der Monarchie keine Stammesgenossen besitze, und
daher nicht wie Serbien in die Versuchung kommen könne, der Monarchie gegenüber
irredentistische Ziele zu verfolgen. Es empfehle sich daher sowohl vom wirtschaftlichen
als auch vom politischen Standpunkte, Bulgarien bereits jetzt durch wohlwollende
Behandlung in den Interessenkreis der Monarchie zu ziehen, weshalb Redner an die
kgl. ung. Regierung die dringende Bitte richten müsse, auf dem von ihr in der erwähnten
Note eingenommenen Standpunkte nicht weiter zu bestehen, zumal die Vertragsver-
handlungen mit Serbien jetzt in Fluß geraten werden. Redner spricht sich weiters dafür
aus, daß speziell im Hinblicke auf die Bulgarien in betreff des Viehverkehres zu
machenden Konzessionen die Verhandlungen mit Serbien, Bulgarien und Rumänien
gleichzeitig geführt werden mögen.

   Der kgl. ung. Ministerpräsident FZM. Freiherr v. Fejervä-
r y erklärt, sich den vom Vorsitzenden angeführten Erwägungen keineswegs zu ver¬
schließen, und mit Rücksicht auf dieselben nicht weiter auf dem in der mehrerwähnten
Note entwickelten Standpunkte beharren zu wollen. Redner stimmt daher namens der
kgl. ung. Regierung der vorläufigen stillschweigenden Aufrechterhaltung des gegenwär¬
tigen handelspolitischen Status quo mit dem Fürstentum zu.

   Der Ick. Ackerbauminister Graf Buquoy weist darauf hin, daß in
der letzten gemeinsamen Ministerkonferenz beschlossen worden sei, zu allererst mit
Rumänien in Handelsvertragsverhandlungen einzutreten, und glaubt, daß dementspre¬
chend die Verhandlungen mit Rumänien in den Vordergrund gestellt werden sollten,8
worauf der Vorsitzende bemerkt, daß dies aus dem Grunde nicht möglich sei,
weü die rumänischen Unterhändler erst in zehn Tagen in Wien eintreffen können.

   Der kgl. ung. Ackerba um inisterFreiherrv. Feilitzsch äußert
Bedenken gegen die gleichzeitig Führung der Handelsvertragsverhandlungen mit
Serbien und Bulgarien, da man in diesem Falle im Hinblick auf die in jüngster Zeit mit
diesen Staaten gemachten Erfahrungen nicht sicher sein könne, etwa abermals unlieb¬
samen Überraschungen seitens derselben ausgesetzt zu sein. Redner ist daher der
Ansicht, daß die Vertragsverhandlungen mit Bulgarien erst dann in Angriff genommen
werden soUten, nachdem man sich mit Serbien über die Hauptpunkte geeinigt haben
werde. Sobald die Verhandlungen soweit gediehen sein würden, sollten die Verhand¬
lungen mit Bulgarien begonnen werden. Wann dieser Moment als eingetreten zu

8 Ebd.
<pb/>532                                    Nr. 69 Gemeinsamer Ministerrat, Wien, 27. 2.1906

 betrachten sei, darüber solle die Entscheidung der Zoll- und Handelskonferenz an-
heimgestellt werden.

    Der Vorsitzende schließt sich im Prinzipe diesem Vorschläge des Vorredners
an, bemerkt jedoch, daß er großen Wert darauf lege, dem bulgarischen Vertreter
baldigst die Bereitwilligkeit der k. u. k. Regierung bekanntzugeben, in Vertragsver¬
handlungen mit dem Fürstentume einzutreten.

    Der k. k. Ministerpräsident Freiherr v. Gautsch glaubt,
daß bei dieser Frage zwei Momente zu unterscheiden seien, nämlich das technische
Moment der tatsächlichen Führung der Verhandlungen und das politische Moment der
an die betreffenden Regierungen diesfalls zu richtenden Einladungen. Vom politischen
Standpunkte sei es wünschenswert, daß die Einladungen zur Aufnahme der Vertrags¬
verhandlungen mit der Monarchie gleichzeitig an Serbien, Bulgarien und Rumänien
gerichtet werden. Dagegen solle es dem Ermessen der Zoll- und Handelskonferenz
überlassen bleiben zu bestimmen, ob und inwieweit eine mehr oder weniger simultane
Führung der Verhandlungen mit den genannten Staaten taktisch opportun und zulässig
erscheine.

    Der kgl. ung. Ackerbauminister Freiherr v. Feilitzsch
weist darauf hin, daß die wirtschaftlichen Beziehungen zwischen der Monarchie
und Bulgarien einstweüen durch ein zeitlich unbegrenztes Provisorium geregelt
seien, und schlägt vor, die Laufzeit dieses letzteren pro foro interno auf drei
Monate zu beschränken.

    Die Konferenz stimmt diesem Vorschläge zu und ermächtigt weiters den Vorsitzen¬
den, die bulgarische Regierung zur Wiederaufnahme der Vertragsverhandlungen ein¬
zuladen.

    Der Vorsitzende bringt hierauf die Notwendigkeit zur Sprache, in naher
Zukunft auch an den Abschluß von Handelsverträgen mit Griechenland und Montene¬
gro zu schreiten, und bemerkt, daß die griechische Regierung bereits in einer Note ihren
bezüglichen Wunsch zu erkennen gegeben habe.

   Die Konferenz beschließt hierauf im Prinzipe, daß der Abschluß von Tarifverträgen
mitGriechendland und Montenegro angestrebt werden solle, und bemerkt hiezu der
Sektionschef im kk. Handelsministerium v. Roessler, daß m
dem Vertrage mit Montenegro behufs Verproviantierung von Cattaro dem Fürstentu¬
me der zollfreie Grenzverkehr für eine beschränkte Anzahl von Ochsen zugestanden
werden müßte.

   Der kk Ministerpräsident Freiherr v. Gautsch urgierthierauf
der ungarischen Regierung gegenüber die Frage der Herstellung emer Eisenbahnver¬
bindung mit Dalmatien und betont nachdrücklich, wie schwer die Verantwortung für
das Nichtzustandekommen dieser nicht nur im Interesse Österreichs sondern auch der
Monarchie gelegenen Eisenbahnverbindung auf ihm laste.9

   Der kgl. ung. H andelsminister v. Vörös stellt die bezügliche Antwort
der kgl. ung. Regierung innerhalb von zwei Wochen mit dem Bemerken in Aussicht,

9 Siehe GMR v. 25.11.1905, GMCZ. 453.
<pb/>Nr. 69 Gemeinsamer Ministerrat, Wien, 27. 2.1906  533

daß die Vorarbeiten betreffend die Finanzierung dieser Eisenbahnverbindung bereits
fertiggestellt seien.10

    [II.] Der k.k. Ministerpräsident Freiherr v. Gautsch äußert
sodann im Hinblicke auf die bevorstehende Einbringung des Ermächtigungsgesetzes
im österreichischen Abgeordnetenhause den Wunsch, in den Besitz von Reindrucken
des sogenannten restringierten gemeinsamen Voranschlages, d. h. jenes Voranschlages
zu gelangen, welcher in der am 25. November v. J. stattgehabten gemeinsamen Mini-
sterkonferenz für den Fall des Nichtzustandekommens der Delegationen festgestellt
worden sei.11 Redner begründet diesen Wunsch mit dem Hinweise darauf, daß das
Abgeordnetenhaus, welches bereits Ausweise über die zur Bestreitung der gemeinsa¬
men Ausgaben abgeführten Beträge verlangt habe, aller Wahrscheinlichkeit den
Wunsch äußern werde, auch davon Kenntnis zu erlangen, wofür solche Beiträge gelei¬
stet worden sind.

   Der Staatssekretär im kgL ung. Finanzministerium^v. Popo-
v i c s bemerkt demgegenüber, daß die österreichische Regierung, im Falle sie einen
solchen Voranschlag selbst nur einem Ausschüsse vorzuweisen in die Lage kommen
sollte, jedenfalls entsprechend hervorheben müßte, daß diesem Voranschläge lediglich
die Bedeutung eines administrativen Befehls zukomme.

   Der Ick. Ministerpräsident Freiherr v. Gautsch reflektiert auf
diese Äußerung des Vorredners mit der Bemerkung, daß er die betreffende Vorlage
selbstverständlich nur als eine Anweisung für die Regierung, sich innerhalb bestimmter
Grenzen zu halten, betrachte und dieselbe vorkommenden Falles auch nur als solche
darsteüen werde. Die Mitteüung des Voranschlages bezwecke nur die Beruhigung des
Parlamentes.

   Der Staatssekretär im kgL ung. Finanzministerium v. Popovics
nimmt diese Darlegungen des Vorredners dankend zur Kenntnis, legt jedoch Wert
darauf, ausdrücklich zu konstatieren, daß, solange die 1867er Gesetzgebung besteht,
eine Substituierung der Willensäußerung der Delegationen durch keinen anderen
Faktor stattfinden könne. Wenn daher die österreichische Regierung bezüglich des
erwähnten gemeinsamen Voranschlages in der von dem k. k. Ministerpräsidenten
angedeuteten Weise vergehen sollte, so würde dies nur die Bedeutung einer rein
internen Verfügung haben, und könnten daraus für Ungarn keinerlei Konsequenzen
abgeleitet werden.

   Der Vorsitzende fragt, ob es nicht vorzuziehen wäre, bloß die Hauptsinnmen
des Voranschlages bekanntzugeben und erläuternd dazu zu bemerken, daß der Voran¬
schlag für das laufende Jahr sich von jenem für das vorangehende nur durch kleine
Erhöhungen unterscheide, welche sich sozusagen automatisch durch die EinsteUung
der zweiten Raten dort ergeben, wo früher halbjährige Tangenten eingesteüt waren.

10 Vgl. die Verhandlungen des ungarischen Ministerrates über den Ausbau der Eisenbahnlinie in Dalmatien
    am 26.3.1906, OL, Sektion K-27, Nr. 18/1906, und am 27. 7.1906, ebd., Nr. 41/1906. Der gemeinsame
    Kriegsminister an den kgL ung. Handelsminister v. 28.4.1906, OL, Sektion K-26, ME. Nr. 2322/1906.

11 GMR. v. 25.11.1905, GMCZ. 453.
<pb/>534  Nr. 70 Gemeinsamer Ministerrat, Wien, 29. 9.1906

   Der k.k. Ministerpräsident Freiherr v. Gautsch erwidert
hierauf, daß er gewiß versuchen werde, zunächst mit der Bekanntgabe der Hauptsum¬
men auszukommen. Nur in dem Falle, daß die Abgeordneten sich damit nicht begnügen
sollten, werde er sich entschließen müssen, den Voranschlag in einem Ausschüsse zu
zeigen. Von einer offizieüen Vorlage des Voranschlages könne aber überhaupt nicht
die Rede sein.

   Der Vorsitzende erklärt sich daraufhin bereit, den beiden Regierungen Rein¬
drucke des restringierten gemeinsamen Voranschlages pro 1906 zur Verfügung zu
stellen, und schließt, nachdem die Tagesordnung der Konferenz erschöpft ist, die
Sitzung.

                                                                                       Gotuchowski

Ah. E. Ich habe den Inhalt dieses Protokolles zur Kenntnis genommen.
Wien, 29. März 1906. Franz Joseph.

               Nr. 70 Gemeinsamer Ministerrat, Wen, 29. September 1906

     RS. (und RK.)
     Gegenwärtige: der kgl. ung. Ministerpräsident Wekerle, der k. k. Ministerpräsident Freiherrv. Beck, der
k. u. k. gemeinsame Kriegsminister FZM. Ritter v. Pitreich (8.10.), der k. u. k. gemeinsame Finanzminister
Freiherrv. Buriän, der k. k. Finanzminister Ritter v. Kotytowski, der Chef der Marinesektion Admiral Graf
Montecuccoli (17.10.), der Staatssekretär im kgl. ung. Finanzministerium Popovics.
     Protokollführer Hof- und Ministerialrat Edler v. Berger.
     Gegenstand: Der gemeinsame Voranschlag für das Jahr 1907 sowie Bestimmung des Termins der
Einberufung der Delegationen.

   KZ. 46 - GMCZ. 459
   Protokoll des zu Wien am 29. September 1906 abgehaltenen Ministerrates für
gemeinsame Angelegenheiten unter dem Vorsitze des k. u. k. gemeinsamen Ministers
des Äußern Grafen Gohichowski.

   Nachdem der Vorsitzende die Sitzung eröffnet hat, ergreift er das Wort und
bemerkt, daß er die Forderungen der einzelnen Budgets, ehe in die Detailberatung ihrer
Positionen eingegangen werde, mit einigen Worten einbegleiten wolle, die zu ihrer
Begründung und Erklärung dienen mögen. Die Budgets des Ministeriums des Äußern,
des gemeinsamen Finanzministeriums und des gemeinsamen Obersten Rechnungsho¬
fes bedürften keiner näheren Erörterung. Diesbezüglich habe er den vorliegenden und
den Herren Konferenzmitgliedem bekannten Begründungen nichts wesentlich Neues
hinzuzufügen.

   Anders läge aber die Sache bei den Budgets des Kriegsministeriums und der
Marineverwaltung, denen verschiedene Umstände ein weit aktuelleres Gepräge verlei¬
hen. Es sei dem Vorsitzenden daran gelegen darzutun, warum ganz speziell die Mari-
neleitung mit höheren Erfordernissen herangetreten sei. Hiefür seien nicht nur Gründe
des nautischen Bedürfnisses einer erhöhten Leistungsfähigkeit maßgebend gewesen,
<pb/>