Gemeinsamer Ministerrat, 3. 4. 1902
I. Endgiltige Feststellung des gemeinsamen Voranschlages pro 1903
Siehe PDF-Daten https://hw.oeaw.ac.at/ministerrat/serie-2/oe_hu_mrp_V/pdf/oe_hu_mrp_V_z49.pdf.
II. Die Frage der Heranziehung der Ersatzreserve zum Präsenzdienste
Siehe PDF-Daten https://hw.oeaw.ac.at/ministerrat/serie-2/oe_hu_mrp_V/pdf/oe_hu_mrp_V_z49.pdf#page=3.
III. Die Frage der Heeresvermehrung
Siehe PDF-Daten https://hw.oeaw.ac.at/ministerrat/serie-2/oe_hu_mrp_V/pdf/oe_hu_mrp_V_z49.pdf#page=7.
Nr. 49 Gemeinsamer Ministerrat, Wien, 3. 4.1902 305 Nr. 49 Gemeinsamer Ministerrat, Wien, 3. April 1902 RS. (und RK.) Gegenwärtige: der k. u. k. gemeinsame Minister des Äußern Graf Gotuchowski, der kgl. ung. Minister¬ präsident v. Szell, der k. k. Ministerpräsident v. Koerber, der k. u. .k. gemeinsame Finanzminister v. Källay (24. 4.), der k. u. k. gemeinsame Kriegsminister GdK. Freiherr v. Krieghammer (27. 4.), der kgl. ung. Landesverteidigungsminister FZM. Baron Fejirväry, der k. k. Landesverteidigungsminister FZM. Graf Welsersheimb, der kgl. ung. Finanzminister v. Lukäcs, der k. k. Finanzminister Ritter Böhm [v. Bawerk], der k. u. k. Chef des Generalstabes FZM. Freiherr v. Beck (27. 4.), der k. u. k. Chef der Marinesektion Admiral Freiherr v. Spaun (30.4.). Protokollführer Sektionsrat Freiherr v. Gagern. Gegenstand: I. Endgiltige Feststellung des gemeinsamen Voranschlages pro 1903. II. Die Frage der Heranziehung der Ersatzreserve zum Präsenzdienste. III. Die Frage der Heeresvermehrung. KZ. 33 - GMCZ. 438 Protokoll des zu Wien am 3. April 1902 abgehaltenen Ministerrates für gemeinsame Angelegenheiten unter dem Vorsitze Sr. Majestät des Kaisers und Königs. [I.] Se. k. u. k. apost Majestät geruhen die Sitzung zu eröffnenund Sich bei dem k. u. k. gemeinsamen Minister des Äußern nach dem Ergebnisse der behufs Feststellung des gemeinsamen Voranschlages pro 1903 stattgehabten Ministerkonfe- renz zu erkundigen. Der k.u.k. gemeinsame Minister des Äußern Graf Golu- c h o w s k i gestattet sich daraufhin, Sr. k. u.k. apost. Majestät zu melden, daß bezüg¬ lich des gemeinsamen Voranschlages für das nächste Jahr in den beiden vorangegan¬ genen Konferenzen vollkommene Übereinstimmung erzielt worden sei,1 und zwar sei zunächst das Präliminare des seiner Leitung anvertrauten Ministeriums nach Vornah¬ me eines Abstriches von 20 000 Kr. mit einem Mehrerfordemisse von 122 000 Kr. angenommen worden. Weiters habe die Konferenz für Heer und Marine zusammen pro 1903 eine Steige- mng von 8 1/2 Millionen bewilligt, welche sich in der Weise aufdie betreffenden beiden Ressorts verteilen, daß davon 6 1/4 Millionen auf den Voranschlag der Kriegsverwal¬ tung und 21/4 Millionen auf jenen der Marine entfallen. Von der Streichung des gesamten Mehrerfordemisses im Extraordinarium des Heeres im Betrage von 5 470 415 Kr. abgesehen, seien an dem Mehrerfordemisse des Ordinariums desselben sowie des Okkupationskredites im Gesamtbeträge von rund 8 Mülionen Kronen Abstriche in der Höhe von 1 3/4 Millionen vorgenommen worden, und zwar 3/4 Millionen bei dem mit 5 244 000 Kr. veranschlagten fortlaufenden Erfor¬ dernisse aus Anlaß der Aufstellung der Feldhaubitzbatteriedivisionen und der Reorga¬ nisation der Gebirgsartillerie, 3/4 Millionen bei dem mit 1550 300 Kr. präliminierten Mehrerfordemisse aus Anlaß der Erweiterung der Nachtmahlgebühr für die Mann¬ schaft und 1/4 Mülion bei dem mit 966000 Kr. angesetzten Mehrerfordemisse des Okkupationskredites. An dem Voranschläge für die Marine seien, hauptsächlich bei den Schiffsbauraten, Abstriche von 3 230 000 Kr. vorgenommen worden, welche der k. u. k. Chef der Mari- 1 GMR. v. 1. 4.1902, GMCZ. 436; GMR. v. 2.4.1902, GMCZ. 437. <pb/>306 Nr. 49 Gemeinsamer Ministerrat, Wien, 3. 4.1902 nesektion auf Wunsch der beiden Regierungen durch die Streichung von noch 75 000 Kr. auf 3 305 000 Kr. zu erhöhen in Aussicht gestellt habe, wodurch es möglich geworden sei, das ursprüngliche Mehrerfordemis der Marine von 5 555 000 Kr. auf die vorerwähnte Summe von 2 1/4 Millionen herabzumindem. Der k.u.k. gemeinsame Kriegsminister GdK. Freiherr v. Krieghammer erbittet sich hierauf das Wort um auszuführen, daß er an den von dem Vorredner mitgeteüten, sein Ressort betreffenden Abstrichen insofeme eine Abänderung vorzunehmen beabsichtige, als er bei Post 13 das um 3/4 Mülionen Kronen reduzierte Mehrerfordemis im Titel XXIII ,,Mannschaftskost" ungeschmälert zu er¬ halten wünsche und sich Vorbehalte, anstatt dessen an anderen Positionen Abstriche in der gleichen Höhe vorzunehmen. Redner möchte weiters die von dem k. u. k. gemeinsamen Minister des Äußern bezüglich des Voranschlages der Kriegsverwaltung gegebenen Aufschlüsse noch dahin ergänzen dürfen, daß ihm von der gemeinsamen Ministerkonferenz für das Jahr 1902 ein besonderer Kredit zur Deckung der Auslagen aus Anlaß der Reorganisation der Artillerie im Betrage von 38 Millionen sowie ein Nachtragskredit von rund 1 552 000 Kr. aus Anlaß der schon mit 1. Oktober 1 J. durchzuführenden Aufstellung der Feld¬ haubitzbatteriedivisionen, der Reorganisation der Gebirgsartillerie und der vorzuneh¬ menden Versuche im Geschützwesen bewilligt worden sei. Se. k. u. k. apost Majestät geruhen sodann an den k. u. k. Chef der Mari¬ nesektion die Anfrage zu richten, auf welche Positionen seines Ressorts die in den gemeinsamen Ministerkonferenzen beschlossenen Abstriche sich beziehen, wobei Al- lerhöchstdieselben bemerken, es müsse darauf gesehen werden, daß nicht durch allzu¬ weitgehende Reduktionen an den Bauraten die Fertigstellung der Schiffe gar zu sehr hinausgeschoben werde. Der k.u.k. Chef der Marinesektion Admiral Freiherr v. Spaun gestattet sich zunächst auszuführen, daß er, um den am Schlüsse der vorhergegangenen Konferenz in Aussicht gestellten Abstrich von 75 000 Kr. durch¬ führen zu können, sich genötigt gesehen habe, die bei den Titeln n, HI und IV zugestandenen Abstriche von 300000 Kr. auf rund 385000 Kr. zu erhöhen, was dadurch habe ermöglicht werden können, daß die bewilligte Erhöhung des Prä¬ senzstandes des Matrosenkorps um 4500 Mann statt auf vier Jahre auf sechs Jahre verteüt werden solle, indem jährlich statt 1125 nur 750 Mann eingestellt werden. Übrigens bedeute schon diese letztere Ziffer für die Marine eine wesentliche Er¬ leichterung. Die übrigen Posten genau anzugeben, durch deren Reduktion das Mehrerfordemis der Marine auf die von den beiden Regierungen konzedierte Steigerungssumme von 2 1/4 Millionen Kronen herabgemindert werden konnte, ist Redner im Augenblicke nicht imstande, da es einer nochmaligen gründlichen Re¬ vision seines Voranschlages bedürfen werde, um hierüber endgütig schlüssig zu werden. Hierauferlaubt sich der k. u. k. gemeinsame Finanzminister v. Kal¬ la y Sr. Majestät zu melden, daß der Voranschlag des k. u. k. gemeinsamen Finanzmi¬ nisteriums, sowie jener des gemeinsamen Obersten Rechnungshofes in den vorange-' gangenen Ministerkonferenzen unverändert angenommen worden sind. <pb/>Nr. 49 Gemeinsamer Ministerrat, Wien, 3. 4.1902 307 Se. k. u. k. apost. Majestät geruhen sodann, Sich nach dem Termine für den Zusammentritt der Delegationen zu erkundigen, für welchen der k. u. k. gemein¬ same Minister des Äußern Graf Goluchowski den 6. Mai in Vor¬ schlag zu bringen sich gestattet. [II.] Nachdem Se. k. u. k. apost. Majestät noch an die beiden Ministerprä¬ sidenten die Aufforderung gerichtet haben, daß die beiden Regierungen mit Nachdruck auf die Annahme des von der gemeinsamen Ministerkonferenz festgestellten gemein¬ samen Voranschlages pro 1903 seitens der Delegationen hinwirken mögen, geruhen Allerhöchstdieselben, die Frage der durch die Artilleriereorganisation erforderlich gewordenen Heranziehung der drei jüngsten Jahrgänge der Ersatzreserve zur Präsenz¬ dienstleistung zur Sprache zu bringen, wobei Se. Majestät bemerken, Allerhöchstdie¬ selben seien aufgrund von früheren Informationen bis in die letzte Zeit der Ansicht gewesen, daß die beiden Regierungen diese Maßnahme einfach aufgrund der Anwen¬ dung des § 1 des Gesetzes vom 31. Mai 1888 durchzuführen gedächten, womit Se. Majestät vollkommen einverstanden gewesen wären.2 Nunmehr hätten Se. Majestät jedoch Kenntnis erhalten, daß die Absicht bestehe, zu dem erwähnten Zwecke in den Parlamenten eine eigene Gesetzesvorlage einzubringen, was, wie Allerhöchstdieselben gleich hervorheben wollten, dann allerdings ehestens und jedenfalls noch vor Zusam¬ mentritt der Delegationen zu geschehen hätte. Der k. k. Landesverteidigungsminister FZ M. GrafWelsers- h e i m b erbittet sich hierauf das Wort, indem er daran zu erinnern sich gestattet, daß er bereits in der unter dem Ah. Vorsitze Sr. k. u. k. apost. Majestät am 29. November v. J. stattgehabten gemeinsamen Ministerkonferenz einen Entwurf vorgelegt habe, durch welchen im Zusammenhänge mit der Bewüligung des Rekrutenkontingentes schon für dieses Jahr die Ermächtigung zur Heranziehung der Ersatzreserve zum Präsenzdienste zu erlangen, andererseits eine Berücksichtigung gewisser präsenzdienstpflichtigen Mannschaften durch Beurlaubungen im dritten Jahre ermöglicht gewesen wäre.3 Letz¬ teres würde allseitig dringend geäußerten und insofern nicht ganz ungerechtfertigten Wünschen entsprechen, als derartige Begünstigungen, welche übrigens teilweise fakul¬ tativ im Wehrgesetz enthalten seien, wegen der ungenügenden Rekrutenkontingente auch dann nicht gewährt werden könnten, wenn selbst noch so rücksichtswürdige Umstände zu deren Gunsten sprechen. Würde dagegen die Heeresverwaltung erst einmal in der Lage sein, die als überzählig in die Ersatzreserve eingereihten Mannschaf¬ ten zum Präsenzdienste heranzuziehen, so würde dieselbe Standesüberschüsse erhal¬ ten, welche sie ohnedies beurlauben müßte. Eine derartige, den beiderseitigen Interessen Rechnung tragende Gesetzesbestim¬ mung wäre anläßlich der letzten Rekrutenbewilligung zu erreichen gewesen. Jetzt aber scheine es keineswegs opportun und auch nicht nötig, auf das damals Versäumte zurückzukommen. Nachdem die Regierungen ihre Zustimmung erteilt hätten, daß das Gesetz vom 31. Mai 1888 nach Maßgabe des Erfordernisses für den von den nächsten 2 Siehe GMRProt. v. 29.11.1901, GMCZ. 434. Anm. 15. 3 GMR. v. 29.11.1901, GMCZ. 434. <pb/>308 Nr. 49 Gemeinsamer Ministerrat, Wien, 3. 4.1902 Delegationen zu bewilligenden Voranschlag angewendet werde, sei die Kriegsverwal¬ tung in den Stand gesetzt, aufgrund des übrigens für alle Eventualitäten aufrechtzuer¬ haltenden Gesetzes vom Jahre 1888 jene Anzahl präsenzdienstpflichtiger Rekruten sich zu verschaffen, deren sie für diesmal bedürfe.4 Für die weitere Zukunft erscheine jedoch die fortgesetzte Einbringung eines durch die vorerwähnte Maßnahme erwiesenermaßen imzureichenden Rekrutengesetzes nicht tunlich, und müsse für die nächste Rekrutenvorlage eine ergänzende Gesetzesbestim¬ mung von der Art der vom Redner angeregten, oder die definitive Festsetzung der erhöhten Rekrutenkontingente ins Auge gefaßt werden. Die Aufnahme der vom Redner angedeuteten Begünstigungen in einen den Parlamenten diesfalls vorzulegen¬ den Gesetzentwurf sei aber, wenigstens insoweit die im Reichsrate vertretenen König¬ reiche und Länder in Betracht kämen, aus dem Grunde dringend geboten, weü man in entgegengesetztem Falle mit Bestimmtheit darauf rechnen könne, daß der Ruf nach der zweijährigen Dienstzeit werde erhoben werden. Der kgl. ung. Landesverteidigungsminister FZ M. Baron Fejerväry gestattet sich, seiner Ansicht dahin Ausdruck zu geben, daß der Her¬ anziehung der Ersatzreserve aufgrund des § 1 des Gesetzes vom Jahre 1888 für das laufende Jahr allerdings nichts im Wege stehe. Nachdem man jedoch den Zeitpunkt, in welchem die geplante Erhöhung des Rekrutenkontingentes von den beiden Parlamen¬ ten werde verlangt werden können, dermalen noch nicht bestimmen könne, andererseits aber die vorerwähnte gesetzliche Bestimmung eigentlich mehr für exzeptionelle Fälle berechnet sei, würde es sich nach Ansicht des Redners empfehlen, mit einem kurzen Gesetzentwürfe an die beiden Parlamente heranzutreten, mittelst welchem die Ermäch- tigung zu erbitten wäre, angesichts der Unzulänglichkeit des gesetzlich bewilligten Rekrutenkontingentes und bis zu dessen dauernder Festsetzung nach Maßgabe der von den Delegationen votierten Mittel die Ersatzreserve zum dreijährigen Präsenzdienste heranzuziehen. Gegen die Aufnahme der von dem k. k. Landesverteidigungsminister ins Auge gefaßten Begünstigungen in dieses Gesetz möchte Redner sich aus dem Grunde aussprechen, weil nach denselben in Ungarn bisher noch kein Verlangen laut geworden sei, und man dortselbst möglicherweise Bedenken tragen könnte, der Regie¬ rung solche Machtbefugnisse, wie sie eben in der fakultativen Gewährung von Begün¬ stigungen gelegen wären, in die Hand zu geben. Was den Zeitpunkt für die Einbringung des betreffenden Gesetzentwurfes in den Parlamenten anlange, so möchte Redner sich dahin aussprechen dürfen, daß dieselbe nicht schon vor Zusammentritt der Delegatio¬ nen stattzufinden brauchte, da den Regierungen ja jedenfalls die Möglichkeit offenstün¬ de, die erforderliche Anzahl von Ersatzreservisten der drei jüngsten Jahrgänge aufgrund der Anwendung der Bestimmung des Gesetzes vom Jahre 1888 zur dreijähri¬ gen Präsenzdienstleistung heranzuziehen. 4 Aufgrund des Beschlusses der GMR. v. 29.11.1901, GMCZ. 434, ersuchte Krieghammer am 23.1.1902 die beidenLandesverteidigungsministerum dieEinberufungderErsatzreservisten zum Präsenzdienst, KA., KM., Präs. 26-1/2/1902. Die beiden Landesverteidigungsminister gaben ihre Zustimmung: Fejervdry an Krieg¬ hammer v. 2. 2.1902, ebd., Präs. 26-1/2-2/1902; Welsersheimb an Krieghammer v. 6. 2.1902, ebd., Präs. 26-1/2-4/1902. <pb/>Nr. 49 Gemeinsamer Ministerrat, Wien, 3.4.1902 309 Se. k.u.k. apost. Majestät geruhen sodann dem Ick Ministerprä¬ sidenten v. Koerber das Wort zu erteilen, welcher sich auszuführen erlaubt, daß die Regierungen zwar den Standpunkt eingenommen hatten, daß eine legis¬ lative Vorsorge bezüglich der in Rede stehenden Angelegenheit nicht notwendig sei, obgleich Redner niemals die großen Schwierigkeiten verkannt habe, welche sich ergeben würden, wenn die Heranziehung der Ersatzreserve zum dreijährigen Präsenzdienste lediglich aufgrund der Anwendung des § 1 des mehrerwähnten Gesetzes erfolgen würde. Von diesem Gesichtspunkte aus würde es sich nach Ansicht des Redners allerdings empfehlen, im Sinne der von den beiden Landes¬ verteidigungsministern gegebenen Anregung mit einer das Vorgehen nach § 1 des Gesetzes vom 31. Mai 1888 sanktionierenden Vorlage an die beiden Parlamente heranzutreten. Der Zeitpunkt, wann die Einbringung einer solchen Vorlage in den beiden Parlamenten zu erfolgen hätte, müsse sehr wohl erwogen werden, und möchte Redner der Ansicht Ausdruck geben dürfen, daß dies nicht eher gesche¬ hen sollte, als bis die nächsten Delegationen die aus Anlaß der Artilleriereorga¬ nisation in dem gemeinsamen Voranschläge verlangten Mittel bewüligt haben würden. Seien einmal die Mittel votiert, so würden sich die Parlamente viel eher dazu entschließen, die erforderlichen Mannschaften ebenfalls zu bewilligen. In den Delegationen könnte seitens des gemeinsamen Kriegsministers darauf hingewiesen werden, daß die Einbringung einer auf die Heranziehung der Ersatzreserve zur aktiven Dienstleistung bezüglichen Vorlage in Aussicht genommen sei. Im Inter¬ esse der Annahme einer derartigen Gesetzesvorlage sei es allerdings dringend wünschenswert, daß in dieselbe die von dem k. k. Landesverteidigungsminister ins Auge gefaßten Begünstigungen aufgenommen werden, da diese letzteren ein nicht leicht zurückzuweisendes Postulat der Vertreter aus dem Bauernstände seien. Sollte es sich im Laufe der Zeit zeigen, daß die Kriegsverwaltung mit der erwähn¬ ten Gesetzvorlage nicht das Auslangen finden könne, so stehe derselben noch immer die Möglichkeit offen, in einem hiezu geeigneten Zeitpunkte eine Vorlage, betreffend die Erhöhung des Rekrutenkontingentes, in den Parlamenten einzubrin¬ gen. Der kgl. ung. Ministerpräsident v. Szell bittet um die Erlaub¬ nis, sich auch seinerseits zum Gegenstände äußern zu dürfen, und gestattet sich darauf hinzuweisen, daß er bereits im November v. J. gewisse Bedenken bezüglich der Anwendbarkeit der Bestimmungen des § 1 des Gesetzes vom Jahre 1888 auf den vorliegenden Fall geäußert und der Ansicht Ausdruck gegeben habe, daß es nur in Fällen urgenter Notwendigkeit gestattet ist, im Sinne des erwähnten Geset¬ zes die Ersatzreserve zur aktiven Dienstleistung heranzuziehen. Redner sei nach reiflicher Überlegung zu der Überzeugung gekommen, daß die Einbringung einer Vorlage im Sinne der Anregung der beiden Landesverteidigungsminister geboten und im Interesse der Armeeorganisation gelegen sei, da es sich bei der Deckung des infolge der Artilleriereorganisation erhöhten Bedarfes an Mannschaften nicht um eine vorübergehende Notwendigkeit, sondern um eine organisatorische Ma߬ nahme handle. Redner nimmt sich daher die Freiheit, Se. Majestät zu bitten, Al- lerhöchstdieselben mögen geruhen, die Einbringung einer die Heranziehung der <pb/>310 Nr. 49 Gemeinsamer Ministemu, Wien, 3. 4.1902 Ersatzreserve azur Deckung des Bedarfes bei der Artillerie3 zum Präsenzdienste aufgrund des mehrerwähnten Gesetzes sanktionierenden Vorlage zu genehmigen. Die von den österreichischen Ministem gewünschten Begünstigungen möchte Redner aus taktischen Gründen für die seinerzeit einzubringende Vorlage betref¬ fend die Erhöhung des Rekrutenkontingentes aufbewahren. In den Delegationen hätte bereits die Einbringung der in Rede stehenden Vorlage mit der Begründung angekündigt zu werden, daß die Artilleriereorganisation erhöhte Stände notwendig mache, weshalb die Regierungen sich Vorbehalten, von den Parlamenten die ge¬ setzliche Ermächtigung zur Heranziehung der Ersatzreserve zum Präsenzdienste zu verlangen. Se. k. u. k. apost Majestät geruhen Sich im H inblicke aufdiese Ausführun¬ gen des kgl. ung. Ministerpräsidenten dahin zu äußern, daß gegebenenfaües bei der Textierung der betreffenden Gesetzvorlage jedenfalls mit der größten Vorsicht werde vorgegangen werden müssen, damit durch dieselbe nicht etwa das Gesetz vom 31. Mai 1888 abrogiert werde, welches man eventuell in künftigen Fällen notwendig würde brauchen können, und welches eine Bestimmung enthalte, die nicht leichthin aus der Hand gegeben werden dürfe. Es entspinnt sich hierauf noch eine übrigens zu keinem positiven Resultate führende Diskussion über die Frage, ob dem Gesetzentwürfe, betreffend die Heranziehung der Ersatzreserve zur Präsenzdienstleistung, eine mehr allgemeine oder eine lediglich den Bedürfnissen der Artillerie Rechnung tragende Fassung gegeben werden solle, und gestatten sich bei dieser Gelegenheit sowohl der k. u. k. gemeinsame Kriegs¬ minister GdK. Freiherr v. Krieghammer als auch der k. u. k. Chef des Generalstabes FZM. Freiherr v. Beck ihrer Ansicht dahin Aus¬ druck zu geben, daß es am wünschenswertesten und besten wäre, wenn die beiden Regierungen sich entschließen könnten, sobald als möglich mit der Vorlage betreffend die Erhöhung des Rekrutenkontingentes an die Parlamente heranzutreten. Nachdem Se. k.u.k.apostMajestät derAnsicht sind, daß die Einbringung eines Gesetzentwurfes über die Erhöhung des Rekrutenkontingentes im Herbste kaum möglich sein dürfte, geruhen Allerhöchstdieselben auf die Frage der die Heranziehung der Ersatzreserve betreffenden Vorlage zurückzukommen und anzuordnen, daß die beiden Landesverteidigungsminister über die angeregte Gesetzvorlage das Einverneh¬ men pflegen und sonach den Regierungen berichten. Se. Majestät geruhen bei diesem Anlasse übrigens nochmals zu erklären, daß Allerhöchstdieselben mit dem ursprüng¬ lich beabsichtigten Vorgehen, die Ersatzreserve aufgrund der einfachen Anwendung des mehrerwähnten Gesetzes vom Jahre 1888 zum Präsenzdienste heranzuziehen, vollkommen einverstanden gewesen seien. Se. k. u. k. apost Majestät genihen hierauf die Frage des Ausbaues der Wehrmacht zur Diskussion zu stellen und Sich danach zu erkundigen, inwieweit die beiden Regie¬ rungen den diesfälligen Plänen der Kriegsverwaltung entgegenzukommen für möglich halten, wobei Allerhöchstdieselben es als dringend wünschenswert bezeichnen, daß in dieser Richtung seit der letzten, diesem Gegenstände gewidmeten Ministerkonferenz a-a Einfilgung Szills. <pb/>Nr. 49 Gemeinsamer Ministerrat, Wien, 3.4.1902 311 im November vorigen Jahres ein Schritt nach vorwärts geschehen sei, da die Heeres- verwaltung sonst nicht in der Lage sei, mit den erforderlichen Arbeiten vorzugehen.5 Der kgl. ung. Ministerpräsident v. Szell gestattet sich, diesfalls auf den von den beiden Regierungen dem k. u. k. gemeinsamen Kriegsminister bekanntge¬ gebenen Standpunkt hinzuweisen, demzufolge sich dieselben der Kriegsverwaltung gegenüber bereit erklärt haben, derselben unter Einrechnung des Zinsenerfordemisses für eine zur Bestreitung der einmaligen Auslagen aufzunehmende Anleihe eine dau¬ ernde, auf zehn Jahre verteüte Krediterhöhung von 80 Millionen zur Verfügung zu stellen. Über diese jährliche Steigerung von 8 Millionen hinauszugehen, seien die beiden Finanzminister mit Rücksicht auf die schlechte finanzieüe Lage bund die Lei¬ stungsfähigkeit der beiden Staaten6nicht imstande. Nur wenn die Kriegsverwaltung sich innerhalb des Rahmens dieser von den beiden Regierungen bewilligten Summe halten wolle, könne die Heeresreorganisation durchgeführt werden. Redner möchte übrigens auf das große, von den beiden Regierungen der Kriegsverwaltung bewiesene Entgegen¬ kommen hinweisen, welches darin seinen Ausdruck gefunden habe, daß dieselben ja eigentlich schon im Prinzipe der einen Kostenaufwand von 178 Miüionen verursachen¬ den Reorganisation und Neubewaffnung der Feld- und Gebirgsartillerie zugestimmt haben. [III.] Nach Entgegennahme dieser Aufklärungen geruhen Se. k.u. k. apost. Majestät nach der letzten Kostenberechnung für den Ausbau des Heeres zu fragen, welche Anfrage der Icu. k. gemeinsame Kriegsminister GdK. Frei¬ herr v. Krieghammer dahin zu beantworten sich gestattet, daß die Artillerie¬ reorganisation einen einmaligen Aufwand von 178 Mülionen und ein fortlaufendes Mehrerfordemis von 22 l/2Mülionen, die Heeresreorganisation aufgrund eines erhöh¬ ten Rekrutenkontingentes aber einen einmaligen Aufwand von 207 Mülionen und ein fortlaufendes Mehrerfordemis von 68 1/2 Mülionen verarsachen werde. Zusammen werde also der einmaligeAufwand 385 Miüionen und dasfortlaufende Mehrerfordemis 91 Mülionen ausmachen. Wenn nun Redner genötigt wäre, von den seitens der beiden Regierungen konzedierten 80 Miüionen Kronen die Zinsen für die zur Deckung des einmaligen Aufwandes aufzunehmende Anleihe im Betrage von 16 Mülionen zu bestrei¬ ten, so würde ihm bei ungeschmälerter Durchführung der Reorganisation und Neube- waffnung der Artülerie zur Realisierung des für die eigentliche Heeresvermehrung in Aussicht genommenen Programmes zu geringe Mittel übrigbleiben. Der k. u. k. Chef der Mari ne Sektion Admiral Freiherr v. S p a u n gestattet sich, anknüpfend an die Ausführangen des Vorredners zu bemerken, daß die Marine für ihre Ausgestaltungszwecke im ganzen 200 MUlionen Kronen benö¬ tige, wovon übrigens schon über 100 MUlionen Kronen für Schiffsbauten verausgabt worden seien, und glaubt Redner, daß an der noch erübrigenden Summe sich nicht imbeträchtliche Ersparnisse würden erzielen lassen. b-b Einfügung Szells. 5 Siehe Anm. 3. <pb/>312 Nr. 49 Gemeinsamer Ministenat, Wien, 3. 4.1902 Se. k. u. k. apost Majestät geruhen Sichdahinzuäußem, daß es sichdarum handle, daß die Regierungen das Verlangen auf Einrechnung der Zinsen in die von ihnen ins Auge gefaßte Steigerungssumme fallenlassen, und bezeichnen Allerhöchst- dieselben es als dringend wünschenswert, daß die Regierungen in dieser Beziehung das möglichste Entgegenkommen bezeigen. Der k.u.k. gemeinsame Kriegsminister GdK Freiherr v. Krieghammer gestattet sich hierauf, an Se. Majestät die au. Bitte zu richten, Allerhöchstdieselben mögen geruhen, die beiden Finanzminister zur Äußerung darüber aufzufordem, auf welche Steigerung des Kriegsbudgets dieselben einzugehen in der Lage wären, ohne daß das letztere mit den Zinsen für die einmaligen Ausgaben belastet würde. Se. k.u. k. apost Majestät geruhen infolgedessen dem k g 1. u n g. F i - nanzminister v. Lukäcs das Wort zu erteflen, welcher unter Hinweis auf die große wirtschaftliche Depression sowie auf die der Kriegsverwaltung in dem gemein¬ samen Voranschläge pro 1903 bewilligten großen Summen sich auszuführen erlaubt, daß er unbedingt daran festhalten müsse, eine Steigerung von 8 Millionen als das Maximum dessen anzusehen, was der Kriegsverwaltung zugestanden werden könnte. In zehn Jahren mache dies 80 Millionen aus, welcher Betrag der Verzinsung eines Kapitals von 2 Milliarden entspreche. Redner müsse es daher als unerläßlich bezeich¬ nen, daß der k. u. k. gemeinsame Kriegsminister seine letzte in der heutigen Konferenz dargelegte Aufstellung betreffend die Durchführung des Heeresausgestaltungspro¬ grammes nochmals einer Revision unterziehe. Der k.k. Finanzminister Ritter v. Böhm möchte, ohne auch sei¬ nerseits des näheren auf die leider so ungünstige wirtschaftliche Lage einzugehen, hervorheben, daß die k. k. Regierung, um das große Werk der Heeresreorganisa¬ tion sichern zu helfen, bereit ist, innerhalb der Grenzen der finanzieUen Möglich¬ keit den Anforderungen der Kriegsverwaltung das weitestgehende Entgegenkom¬ men zu beweisen. Redner gestattet sich, der Überzeugung Ausdruck zu leihen, daß der Unterschied zwischen dem, was die Kriegsverwaltung fordere, und dem, was die beiden Regierungen zu bewilligen bereit seien, nicht mehr so groß sei, als daß derselbe nicht ausgeglichen werden könnte. Das einmalige Erfordernis der Kriegsverwaltung von 207 Millionen für die eigentliche Heeresvermehrung könnte, nach Ansicht des Redners, gewiß eine Reduktion erfahren, und ebenso könnte wohl auch bei dem einmaligen Erfordernisse der Marine eine Herabminderung eintreten, zumal ja der k. u. k. Chef der Marinesektion selbst erklärt habe, daß er an der für die Marine noch benötigten Summe im ungefähren Betrage von 100 Millionen größere Reduktionen werde vornehmen können. Wenn eine solche Re¬ duktion der einmaligen Erfordernisse stattfinde, werde die Kriegsverwaltung viel¬ leicht auch in der Lage sein, wenigstens einen Teü der Verzinsung der zur Be¬ deckung dieser Erfordernisse aufzunehmenden Anlehen zu übernehmen. Se. k.u. k. apost. Majestät geruhen hieraufanzuordnen, daß sowohl seitens der Heeres- als auch der Marineverwaltung eine neue Berechnung bezüglich der von denselben benötigten einmaligen Erfordernisse aufzustellen sei, und geben im übrigen der Überzeugung Ausdruck, daß die Forderungen dieser beiden Ressorte soweit <pb/>Nr. 49 Gemeinsamer Ministerrat, Wien, 3. 4.1902 313 herabgedrückt werden könnten, daß den letzteren die von den beiden Regierungen bewilligte jährliche Steigerung von 8 MUlionen rein cohne Abzug der Zinsen0 erhalten bliebe. Das Resultat der in der heutigen Konferenz durchgeführten Beratung nochmals resümierend, geruhen Se. k. u. k. apost Majestät hierauf zu konstatieren, daß der gemeinsame Voranschlag pro 1903 endgütig festgestellt sei. Ferner konstatieren Se. Majestät, daß Allerhöchstdieselben die Ausarbeitung und Einbringung eines die Her¬ anziehung der Ersatzreserve zur Präsenzdienstleistung sanktionierenden Gesetzent¬ wurfes zu genehmigen befunden haben, obgleich Se. Majestät, wie Allerhöchstdiesel¬ ben nochmals ausdrücklich zu betonen wünschen, mit der Durchführung der gedachten Maßnahme aufgrund der Anwendung des § 1 des Gesetzes vom'31. Mai 1888 durchaus einverstanden gewesen seien. Se. Majestät geruhen bei dieser Gelegenheit neuerdings zu betonen, daß die betreffende Gesetzvorlage in einer Weise abgefaßt zu werden hätte, daß das bestehende Gesetz hiedurch nicht alteriert werde.6 Nachdem Se. IcuJc apost. Majestät endlich noch festgesteüt haben, daß die beiden Regierungen ihre Zustimmung zu einer jährlichen Steigerung des Erfordernisses des Heeres und der Marine um 8 MUlionen Kronen durch zehn Jahre erteüt haben, geruhen Allerhöchstdieselben die Sitzung mit dem Ausdrucke der Befriedigung darüber zu schließen, daß im Hinblicke auf das von den Regierungen prinzipieü akzeptierte Artüleriereorganisationsprogramm bezüglich der Frage der Ausgestaltung der Wehr¬ macht der Monarchie immerhin schon manches Schätzenswerte erreicht worden sei. Ah. E. Ich habe den Inhalt dieses Protokolles zur Kenntnis genommen. Wien, 2. Mai 1902. Franz Joseph. c~c Einfügung Sr. Majestät 6 Ober die Frage der Einberufung der Ersatzreservisten zum Präsenzdienst findet im Laufe des Jahres eine Reihevon Verhandlungen statt. Siehe KA., MKSM. 82-1/1,2,3,4,5,6,7,8,9/1902. Die Geschehnisse sind in einem Aktenstück v. 1.11.1902 zusammengefaßt. Verlauf der Verhandlungen über das eingereichte Gesetz betreffend die Heranziehung von 20 000 Mann der Ersatzreserve zur dreijährigen präsenten Dienstleistung, 1.11.1902, ebd. 82-1/8/1902. Sieheauch den Vortragdesk k Landesverteidigungsministers v. 3. 11. 1902 betreffend die Verlängerung des bestehenden Rekrutenkontingents im Jahre 1903 und die Einberufung der Ersatzreservisten zum außerordentlichen Dienst, ebd., 82-1/5-2/1902, sowie den Vortrag des kgl. ung. Landesverteidigungsministers v. 3. 11. 1902, ebd., 82-1/6-3/1902. Angesichts der sich im ungarischen Parlament entfaltenden Obstruktion kehrt aber die Kriegsverwaltung bald zu ihrem Plan über dieErhöhung des Rekrutenkondngentszurück, und derkgl. ung. Izindesverteidigungsminister legte am 6.11. 1902 im Parlament einen derartigen Plan vor. Siehe Dolmänyos, A magyar parlamenti ellenzdk törtd- vnet<5b611901-1904166. <pb/>