Gemeinsamer Ministerrat, 30. 1. 1897
I. Die Modalitäten der Angliederung Bosniens und der Hercegovina an die Monarchie im Falle der Annexion jener Länder
Siehe PDF-Daten https://hw.oeaw.ac.at/ministerrat/serie-2/oe_hu_mrp_V/pdf/oe_hu_mrp_V_z10.pdf.
Nr. 10 Gemeinsamer Ministerrat, Wien, 30.1.1897 - Protokoll II 73 7. Einwirkung aufdie Südbahn, damit die Leistungsfähigkeit der Strecke Grammat- neusiedel-Wiener Neustadt erhöht werde. 8. Sukzessive entsprechende Vermehrung des Fahrparkes. Ferner konstatiert der Vorsitzende, daß bezüglich der Donaubrücken zwar kein Beschluß gefaßt, der sukzessive Bau derselben aber als wünschenswert anerkannt worden sei. Hinsichtlich der Bahn Gabela-Bocche richtet der Vorsitzende, nachdem die Vertreter der kgl. ung. Regierung darüber noch nicht meritorisch diskutieren zu können erklärten, an dieselben die Aufforderung, sich darüber ehestens im Korrespon¬ denzwege zu äußern.10 Der k.k. Finanzminister Ritter v. B ilinski wünscht noch zu konsta¬ tieren, daß er den Aufwand für die auf österreichischem Gebiete auszuführenden Bahnbauten auf circa 27 Millionen veranschlage, jedoch nicht in der Lage wäre, in den nächsten 4 Jahren mehr als circa 7 Millionen jährlich zu leisten. Der k.k. Ministerpräsident Graf Badeni erklärt sich bereit, dem Wunsche der Heeresleitung entsprechend für die Bestellung einiger Dampfbarkassen in der Bocche vorzusorgen. Hierauf wird die Sitzung geschlossen. Goluchowski Ah. E. Ich habe den Inhalt dieses Protokoll!» zur Kenntnis genommen. Wien, 24. Februar 1987. Franz Joseph. Nr. 10 Gemeinsamer Ministerrat, Wien, 30. Jänner 1897 - Protokoll II RS. (undRK) Gegenwärtige: der kgl. ung. Ministerpräsident Baron Bänffy, der k. k. Ministerpräsident Graf Badeni, der k. u. k. gemeinsame Finanzminister v. Källay, der k. vi. k. gemeinsame Kriegsminister GdK. Edler v. Krieghammer, der k. u. k. Chef des Generalstabes FZM. Freiherr v. Beck (10.2.). Protokollführer Sektionsrat v. Mdrey. Gegenstand: Die Modalitäten der Angliederung Bosniens und der Hercegovina an die Monarchie im Falle der Annexion jener Länder. KZ. 9 - GMCZ. 399 Protokoll des zu Wien am 30. Jänner 1897 allgehaltenen Ministerrates für gemein¬ same Angelegenheiten unter dem Vorsitze des k. u. k. gemeinsamen Ministers des Äußern Grafen Gohichowski. Der Vorsitzende leitet die Beratung mit dem Hinweise auf jene Beschlüsse ein, welche die am 30. August v. J. unter Ah. Vorsitze stattgehabte gemeinsame Ministerkonferenz hinsichtlich der Modalitäten der Angliederung Bosniens und der 10 Siehe GMRProtv. 31.1.1897, GMCZ. 401, Anm. 2. <pb/>74 Nr. 10 Gemeins amer Ministerrat, Wien, 30.1.1897 - Protokoll II Hercegovina an die Monarchie im Falle der Annexion jener Länder gefaßt habe.1 Der kgl. ung. Ministerpräsident habe seither eine Note an den k. u. k. gemeinsamen Finanz- minister gerichtet, worin er für den gedachten Fall einerseits jene gesetzlichen Verfü¬ gungen bezeichnet, die seiner Ansicht nach dann getroffen werden müßten, andererseits in Abänderung eines von der erwähnten Konferenz gefaßten Beschlusses den Antrag stellt, daß als Leitung jener Länder zu den gemeinsamen Ausgaben eine dem tatsächlichen Bedarfe für die Erhaltung und Ausrüstung der bosnisch-hercegovi- nischen Truppen entspechende Summe vorweggenommen und das Budget Bosniens und der Hercegovina auf Basis des verbleibenden Restes der Landeseinnahmen einzu¬ richten wäre.2 Statt nur diese Frage bis zum Eintritte jener Eventualität in suspenso zu lassen, erscheine es zweckmäßiger, schon jetzt darüber schlüssig zu werden, zu welchem Ende zunächst der k. u. k. gemeinsame Finanzminister eingeladen wird, sich im Ge¬ genstände zu äußern. Der k.u. k. gemeinsame Finanzminister v. Källay konstatiert zu¬ nächst, daß er allerdings selbst ursprünglich den Altemativantrag gestellt habe, daß der zur Erhaltung und Ausrüstung der bosnisch-hercegovinischen Truppen dienende Aufwand der beiden Länder, dem tatsächlichen Bedarfe entsprechend, alljährlich bestimmt werde. Hiegegen sei aber seinerzeit, speziell seitens des k. u. k. gemeinsamen Kriegsministers geltend gemacht worden, daß die bosnisch-hercegovinischen Truppen in dem gemeinsamen Heere aufzugehen haben werden, und daher ein Beitrag aus den bosnisch-hercegovinischen Landesmitteln, welcher ausdrücklich als zur Bedeckung der Kosten jener Truppen bestimmt bezeichnet wäre, den letzteren trotz ihrer Einverlei¬ bung in die Armee einen spezifischen Charakter verleihen würde. Von diesem auch von dem Redner anerkannten Gesichtspunkte ausgehend, habe die gemeinsame Minister¬ konferenz im vorigen Jahre beschlossen, daß keine spezieüe Verbindung zwischen dem bosnisch-hercegovinischen Beitrage und dem Armeebudget herzustellen, sondern der jeweilige Überschuß des bosnisch-hercegovinischen Budgets an die gemeinsamen Ein¬ nahmen abzuführen sein werde. Wenn der kgl. ung. Ministerpräsident besorge, daß infolge einer solchen Bestimmung die in Rede stehenden Budgets so entworfen werden könnten, daß sich keine oder nur minimale Überschüsse ergeben, so müsse Redner darauf hinweisen, daß den beiden Regierungen durch die vorgängige MitteUung des Budgets und gelegentlich der Beratung desselben im gemeinsamen Ministerrate die Möglichkeit geboten sei, eine Kontrolle auszuüben. Redner sehe also keinen Anlaß, von dem einmal gefaßten Beschlüsse abzugehen. Der kgl. ung. Ministerpräsident Baron Bänffy möchte darauf aufmerksam machen, daß, wenn nach der bisheringen Übung der mit der Verwaltung Bosniens und der Hercegovina betraute Minister bezüglich der Aufstellung des Budgets ziemlich freie Hand habe, sich dies in dem in Rede stehenden Falle ändere, und die beiden Regierungen sich speziell gegenüber einer so allgemeinen Bestimmung über den bosnisch-hercegovinischen Beitrag zu den gemeinsamen Einnahmen veranlaßt sehen dürften, eine strengere Kontrolle zu üben, schon zu dem Zwecke, um jenen Beitrag 1 GMR. v. 30. & 1896, GMCZ. 394. 2 Siehe GMRProt. v. 30.8.1896 GMCZ. 394, Anm. 4. <pb/>Nr. 10 Gemeinsamer Ministerrat, Wien, 30.1.1897 - Protokoll II 75 möglichst zu steigern. Dies könnte in weiterer Folge zu Differenzen zwischen den beiden Regierungen einerseits und der gemeinsamen Regierung andererseits führen, die besser vermieden würden. Dagegen hätte, im Falle der Annahme des von dem Redner in seiner Note gestellten Antrages, der Leiter der Verwaltung Bosniens und der Hercegovina alljährlich nach erfolgter Feststellung des Beitrages dieser Länder zu den gemeinsamen Auslagen bezüglich der Aufstellung des Budgets voraussichtlich ebenso freie Hand wie dermalen. Der k. u. k. gemeinsame Finanzminister v. Källay führt aus, daß eine solche Kontrolle, die überdies auch von der k. k. Regierung mit gleichem Rechte wie von der kgl. ung. in Anspruch genommen werden könnte und die somit in weiterer T im'p. zu einer von zwei Seiten geübten und daher nicht notwendigerweise immer übereinstimmenden Einflußnahme auf die Verwaltung führen würde, nach Redners Ansicht schädliche Folgen nach sich ziehen müßte. Im Hinblicke auf die lange Periode einer schlechten Verwaltung, welche der Okkupation vorausging, und angesichts der ganz eigenartigen Verhältnisse jener Länder müsse dem jeweüigen Chef der Admini¬ stration ein gewisses Vertrauen geschenkt werden. Auch wäre es ein sehr bedenklicher Fehler, wenn man bezüglich des bosnisch-hercegovinischen Budgets und der Über¬ schüsse desselben sich auf einen rein fiskalischen Standpunkt stellen wollte. Redner könnte sich eventuell mit dem in Verhandlung stehenden Anträge einverstanden erklä¬ ren, wenn er die Gewißheit hätte, daß bis zum Zeitpunkte der Annexion die Kontrolle des Budgets nicht schärfer gehandhabt werde als bisher. Der kgl. ung. Ministerpräsident Baron B änffy teüt die Ansicht des Vorredners, daß das mit der Verwaltung jener Länder betraute Organ einer gewissen Freiheit bedürfe. Eben von diesem Gesichtspunkte aus aber scheine es ihm besser, durch die vorgängige Feststellung des an die gemeinsamen Einnahmen abzu¬ führenden Beitrages zu verhindern, daß die beiden Regierungen sich eingehend mit der Prüfung des bosnisch-hercegovinischen Budgets beschäftigen. Der k.u. k. gemeinsame Finanzminister v. Källay bittet, nicht zu übersehen, daß die Verwaltung Bosniens und der Hercegoyina stets das Ziel vor Augen habe, daß die Zuschüsse der Monarchie sukzessive aufhören. Es würde bereits derma¬ len eine Reihe von Auslagen, zum Teüe rein militärischer Natur wie für neue Kasernen, für Wege, die zu müitärischen Objekten führen etc., nicht mehr aus gemeinsamen Mitteln, sondern aus den eigenen Einnahmen der Länder bestritten. Überhaupt gebe Bosnien und die Hercegovina proportionell schon mehr für müitärische Lasten aus, als die Monarchie selbst. Die Folge davon aber sei, daß das Budget jener Länder stetig anwachse. Redner müsse daher auch bei diesem Anlasse betonen, von welcher Wich¬ tigkeit es sei, daß Bosnien und die Hercegovina seitens der beiden Regierungen in wirtschaftlichen Fragen, wie z. B. bei den Ausgleichsverhandlungen, bei den Eisen¬ bahnbauten u. dgl., gefördert werde. i Der k. k. MinisterpräsidentGrafBadeni erklärt, er perhorresziere unbedingt, daß in dem gemeinsamen Budget eine spezielle Post für die Kosten der bosnisch-hercegovinischen Truppen vorkomme. Es handle sich nun um die Frage, ob man - wie dies die vorjährige Konferenz bestimmte - zuerst das bosnisch-hercegovini- sche Budget prüfen und dann den Überschuß desselben an die gemeinsamen Einnah- <pb/>76 Nr. 10 Gemeinsamer Ministerrat, Wien, 30.1.1897 - Protokoll II men abföhren wolle, oder ob man vorziehe, einen Beitrag in der Höhe des Erfordernis¬ ses für jene Truppen vorwegzunehmen, dann das bosnisch-hercegovinische Budget aufzustellen und dessen eventuellen Überschuß an die gemeinsamen Einnahmen abzu¬ führen. Im letzteren Falle würden sich voraussichtlich die Delegationen das Recht vindizieren, den vorwegzunehmenden Beitrag festzusetzen, was somit in jedem Jahre eine Debatte über diesen Punkt zur Folge hätte und daher nicht praktisch erscheine. Redner beantrage daher, an dem in der vorjährigen Konferenz gefaßten Beschlüsse festzuhalten. Der k.u.k. gemeinsame Kriegsminister GdK Edler v. Krieg¬ hammer möchte sich gleichfalls von seinem Standpunkte aus den schon im Vorjahre dargelegten Gründen gegen den vorliegenden Antrag aussprechen und die Beibehal¬ tung des damals gefaßten Beschlusses befürworten. Der kgl. ung. Ministerpräsident Baron Bänffy erklärt, zwar auf seinem Anträge nicht unbedingt beharren zu wollen, sich aber der Überzeugung nicht verschließen zu können, daß im Falle der Aufrecbterhaltung des seinerzeitigen Konfe¬ renzbeschlusses die beiden Regierungen eine eingehendere Prüfung des bosnisch-her- cegovinischen Budgets und überhaupt eine weitergehende Einflußnahme auf die dortige Verwaltung eintreten lassen werden, als dies gegenwärtig der Fall sei. Der k. u. k. gemeinsame Finanzminister v. Källay stellt zur Erwä¬ gung, ob es nötig sei, dermalen einen endgUtigen Beschluß über diese Frage zu fassen. Es könnte der in Beratung stehende Antrag im Protokolle fixiert und die Entscheidung darüber dem Zeitpunkte der Annexion Vorbehalten bleiben. Der Vorsitzende spricht sich gegen diese Modalität aus, nachdem eben die vorjährigen Konferenzen über die im Zusammenhänge mit der eventuellen Annexion Bosniens und der Hercegovina zu treffenden Verfügungen den Zweck verfolgt haben, schon dermalen über die verschiedenen, dann auftretenden Fragen klar und schlüssig zu werden. Übrigens werde der in Beratung stehende Gegenstand noch in einer unter Ah. Vorsitze stattfindenden gemeinsamen Ministerkonferenz diskutiert und entschie¬ den werden können. Der Vorsitzende konstatiert schließlich, daß den beiden Ministerpräsidenten sowie demk. u. k. gemeinsamen Finanzminister bishernoch die Zeit gemangelthabe, um über die im Falle der Annexion sonst noch zu treffenden und in der-mehrerwähnten Note des kgl. ung. Ministerpräsidenten gleichfalls erörterten gesetzlichen Verfügungen das Einvernehmen zu pflegen.3 Hierauf wird die Sitzung geschlossen. Goluchowski Ah. E. Ich habe den Inhalt dieses Protokolles zur Kenntnis genommen. Wien, 11. Februar 1897. Franz Joseph. 3 Siehe GMR. v. 31.1.1897, GMCZ. 402. <pb/>