Gemeinsamer Ministerrat, 1. 6. 1895
I. Regelung des Vorganges bei offiziellen Enunziationen über die auswärtige Politik in den Parlamenten der beiden Reichshälften
Siehe PDF-Daten https://hw.oeaw.ac.at/ministerrat/serie-2/oe_hu_mrp_IV/pdf/oe_hu_mrp_IV_z73.pdf.
660 Nr. 73 Gemeinsamer Ministerrat, Wien, 1. 6. 1895 100 000 fl. und einen Bruchteil beläuft. Die Details sollen erst zusammengestellt werden. Se. k. u. k. apost. Majestät geruhen zu konstatieren, daß zufolge der Beschlüsse des Ministerrates bezüglich des gemeinsamen Voranschlages und des Budgets für Bosnien und die Herzegowina keine Meinungsverschiedenheit herrsche, und daran anknüpfend, an die beiderseitigen Minister die Aufforde¬ rung zu richten, sie mögen dahin wirken, daß das Budget in den vereinbarten Ziffern von den beiden Delegationen auch unverändert angenommen werde, wie dies in den letzten Jahren geschehen ist. Der k. u. k. Minister des Äußern Graf Kälnoky erlaubt sich schließlich zu beantragen, daß die Delegationen für die Zeit unmittelbar nach Pfingsten einberufen werden. Se. k. u. k. apost. Majestät geruhen, Sich hiemit einverstanden zu erklären und die Sitzung sonach zu schließen. Ah. E. Ich habe den Inhalt dieses Protokolles zur Kenntnis genommen. Wien, 14. Mai 1895. Franz Joseph. Nr. 73 Gemeinsamer Ministerrat, Wien, 1. Juni 1895 RS. (und RK.) Gegenwärtige: der k. u. k. gemeinsame Minister des Äußern Graf Goiuchowski (o. D.), der k. k. Ministerpräsident Fürst zu Windisch-Grätz (o. D.), der kgl. ung. Ministerpräsident Freiherr v. Bänffy (o. D.), der k. u. k. gemeinsame Finanzminister v. Källay (o. D.), der k. u. k. gfiTneinsamp Kriegsminister GdK. Edler v. Krieghammer (o. D.), der k. k. Ackerbauminister Graf Falkenhayn (o. D.), der kgl. ung. Minister am Ah. Hoflager Baron Josika (o. D.). Protokollführer: Sektionsrat v. Jettei. Gegenstand: Regelung des Vorganges bei offiziellen Enunziationen über die auswärtige Politik in den Parlamenten der beiden Reichshälften. KZ. 48 - RMRZ. 389 Protokoll des zu Wien am 1. Juni 1895 abgehaltenen Ministerrates für ge¬ meinsame Angelegenheiten unter dem Ah. Vorsitze Sr. Majestät des Kaisers. Se. k. u. k. äpost. Majestät geruhen die Beratung mit folgenden Worten zu eröffnen: Die letzten Vorfallenheiten im ungarischen Reichstage1 haben es Mir notwen¬ dig erscheinen lassen, für die Fälle, als auswärtige Angelegenheiten in den Parlamenten zur Sprache kämen oder darüber Interpellationen stattfanden, den dabei einzuhaltenden Vorgang im Sinne des Ausgleiches und der bisherigen Praxis zu präzisieren. Es wird nötig sein, daß bei der heutigen Besprechung hierüber genaue Punktationen aufgestellt und zu Protokoll gegeben werden, i Vgl. Engel-Jänosi, Graf Kälnokys Rücktritt als Außenminister 246-254. <pb/>Nr. 73 Gemeinsamer Ministerrat, Wien, 1. 6. 1895 661 damit sie für die Zukunft Geltung haben, sowohl für die gegenwärtige Regie¬ rung als für den Fall, daß neue Regierungen berufen würden, welchen dann diese Vorschriften ebenfalls zur Richtschnur zu dienen haben werden. Ich habe deshalb den Minister des Äußern gebeten, den Entwurf einen solchen Norm auszuarbeiten, und ersuche ihn, denselben zur Verlesung zu bringen. Der k. u. k. Minister des Äußern Graf Goluchowski be¬ merkt, daß dem Ah. Befehle gemäß über den Gegenstand mit den beiden Ministerpräsidenten eine Besprechung stattgefunden habe und daß im Einver¬ nehmen mit denselben die Normen festgestellt worden seien, nach welchen in Zukunft bei Enunziationen über Fragen der auswärtigen Politik oder über Angelegenheiten, welche die Beziehungen zu den fremden Mächten berühren, im österreichischen oder ungarischen Parlamente vorgegangen werden soll. Der vereinbarte Entwurf lautet: Seit der im Jahre 1867 erfolgten Regelung der zwischen den im Reichsrate vertretenen Königreichen und Ländern und den Ländern der ungarischen Kro¬ ne gemeinsamen Angelegenheiten haben sowohl die k. k. wie die kgl. ung. Regierung konstant daran festgehalten, daß von keiner derselben über die auswärtige Politik oder in Angelegenheiten, welche die Beziehungen zu den fremden Mächten berühren, eine Erklärung abgegeben werden solle, ohne daß dieselbe mit dem gemeinsamen Minister des Äußern vorher vereinbart worden wäre. Es liegt dies in der Natur der Sache, da die Verantwortung für die Leitung der auswärtigen Politik und die Gestaltung der internationalen Beziehungen, auf welche solche Erklärungen leicht rückwirken können, den gemeinsamen Minister des Äußern allein trifft. Ein jüngst eingetretener Zwischenfall hat gezeigt, zu welchen Konsequenzen ein Abweichen von der bisher ausnahmslos beobachteten Übung führen kann und daß es notwendig ist, der Wiederholung solcher Konflikte in der Zukunft grundsätzlich vorzubeugen. Es wurde allerseits anerkannt, daß dies sowohl im Interesse des Ansehens der Monarchie und ihrer Beziehungen zum Auslande als in jenem der k. k. und der kgl. ung. Regierung gelegen ist, und es ist einvernehmlich beschlossen worden, daß, im Einklänge mit dem bisherigen Gebrauche, in bezug auf die auswärtige Politik und in Angelegenheiten, welche die Beziehungen zu den fremden Mäch¬ ten berühren, von seiten der einen oder der anderen Regierung keinerlei Enunzi- ation erfolgen werde, deren Wortlaut nicht im vorhinein mit dem gemeinsamen Minister des Äußern schriftlich vereinbart worden wäre. Se. k. u. k. apost. Majestät geruhen die beiden Ministerpräsiden¬ ten aufzufordern, sich hierüber auszusprechen. Der k. k. Ministerpräsident Fürst Windisch-Grätz erklärt sich mit der beantragten Fassung vollkommen einverstanden, da er sie als die Festlegung des Zustandes betrachte, wie er aus der staatsrechtlichen Gestaltung der Monarchie naturgemäß hervorgeht. Der kgl. ung. Ministerpräsident Freiherr v. Bänffy erklärt sich auch seinerseits damit einverstanden, daß die Angelegenheit in der vorge¬ schlagenen Weise endgiltig geregelt werde. <pb/>662 Nr. 73 Gemeinsamer Ministerrat, Wien, 1. 6. 1895 Se. k. u. k. apost. Majestät geruhen von diesen Erklärungen Akt zu nehmen und anzuordnen, daß dieselben zu Protokoll gebracht werden. Sonach geruhen Se. Majestät nochmals die Ansicht zum Ausdrucke zu brin¬ gen, daß die österreichisch-ungarische auswärtige Politik immer nur eine Politik der Gesamtmonarchie sein kann, wie dies auch im Sinne des Ausgleiches gelegen ist, da die Monarchie dem Auslande gegenüber stets nur als ein Ganzes erscheint und nur als solches behandelt werden kann. Das hindere nicht, daß in handels¬ politischen Angelegenheiten die Interessen auch nur einer Reichshälfte vertreten werden. Dies könne aber auch nur durch Vermittlung des Ministeriums des Äußern geschehen. Es erscheine daher absolut unzulässig und auch für die Zukunft ausgeschlossen, daß sich die ungarische Regierung, wie es unter dem vorigen Ministerium geschehen ist, mit einer fremden Macht in "Verhandlungen einlasse". Se. k. u. k. apöst. Majestät glauben ferner gegenüber den Vorkommnissen in Ungarn auf das entschiedenste betonen zu müssen, daß die Ernennung der gemeinsamen Minister, also auch des Ministers des Äußern, ein Recht der Krone ist und daß Allerhöchstdieselben dieses Recht ausschließlich in Aller- höchsteigener Person ausüben, daß daher eine Ingerenz der beiden Ministerprä¬ sidenten bei der Ernennung der gemeinsamen Minister niemals stattfindet und auch in der letzten Zeit nicht stattgefunden hat. Weiters bemerken Se. k. u. k. apost. Majestät, daß die Publizierung der über die Ernennung des Grafen Goluchowski zum Minister des Äußern an den ung. Ministerpräsidenten ergangenen Mitteilung und die Kontrasignierung des be¬ züglichen Handschreibens durch den letzteren nicht korrekt war und in Hin¬ kunft nicht mehr Vorkommen darf. Ein Präzedenzfall, in welchem das Hand¬ schreiben wegen Ernennung des Kriegsministers durch den damaligen Minister¬ präsidenten Wekerle kontrasigniert war, kann den diesmal beobachteten Vor¬ gang nicht rechtfertigen. Die Ernennung des Grafen Goluchowski war nur vom früheren Minister des Äußern Grafen Kälnoky kontrasigniert, eine weitere Kontrasignierung war ausgeschlossen. Das Ah. Handschreiben an den ungari¬ schen Ministerpräsidenten habe nur den Zweck gehabt, demselben das Faktum der erfolgten Ernennung mitzuteilen, auf welche ihm eine Ingerenz nicht zu- stand. Se. Majestät geruhen schließlich den bereits gelegentlich der Feststellung des gemeinsamen Voranschlages geäußerten Wunsch zu wiederholen, die beiden Regierungen mögen dahin wirken, daß das Budget, wie es festgestellt wurde, von den beiden Delegationen angenommen werde und daß insbesondere am Kriegsbudget keine Abstriche stattfinden. Die ungarische Regierung möge auch dafür Sorge tragen, daß verschiedene unangenehme militärische Fragen nicht zur Sprache kommen oder sich daraus wenigstens keine Schwierigkeiten ergeben. Allerhöchstdieselben seien fest ent¬ schlossen, in dieser Richtung keine Zugeständnisse zu machen, und ersuchen a-a Korrektur des Kaisers aus eine Art von Vereinbarung einlasse. <pb/>Nr. 73 Gemeinsamer Ministerrat, Wien, 1. 6. 1895 663 auch den Kriegsminister, daß er allen diesen Wünschen gegenüber auf dem Standpunkte der jetzigen Bestimmungen, Einrichtungen und Gesetze beharren möge. Hierauf wird die Sitzung geschlossen. Ah. E. Ich habe den Inhalt dieses Protokolles zur Kenntnis genommen. Wien, 10. Juni 1895. Franz Joseph. <pb/><pb/>