Gemeinsamer Ministerrat, 19. 2. 1893
I. Maßnahmen zum Zwecke der weiteren Entwicklung der Wehrmacht der österreichisch-ungarischen Monarchie
Siehe PDF-Daten https://hw.oeaw.ac.at/ministerrat/serie-2/oe_hu_mrp_IV/pdf/oe_hu_mrp_IV_z62.pdf.
Nr. 62 Gemeinsamer Ministerrat, Wien, 19. 2. 1893 581 Konferenz zur Abgabe der von den Vertretern der beiderseitigen Regierungen in Aussicht gestellten definitiven Erklärungen über die Anträge der Kriegsver¬ waltung für den 19. Februar d. J. in Aussicht nimmt. Kälnoky Ah. E. Ich habe den Inhalt dieses Protokolls zur Kenntnis genommen. Wien, 25. Februar 1893. Franz Joseph. Nr. 62 Gemeinsamer Ministerrat, Wien, 19. Februar 1893 RS. (und RK.) Gegenwärtige: der k. k. Ministerpräsident Graf Taafife (1. 3.), der kgl. ung. Ministerpräsident Wekerle (14. 3.), der k. u. k. gemeinsame Finanzminister v. Källay (2. 3.), der k. u. k. gemeinsame Kriegsminister FZM. Freiherr v. Bauer (2. 3.), der k. k. Landesverteidigungsminister FZM. Graf Welsersheimb (o. D.), der kgl. ung. Landesverteidigungsminister FZM. Freiherr v. Fejerväry (16. 3.), der k. k. Finanzminister Steinbach (o. D.), der kgl. ung. Minister am Ah. Hoflager Graf Tisza (10. 3.), der k. u. k. Marinekommandant Admiral Freiherr v. Stemeck (o. D.), der k. u. k. Chef des Generalstabes FZM. Freiherr v. Beck (2. 3.), der k. u. k. Chef der Militärintendantur Sektionschef Ritter v. Röckenzaun, der k. u. k. Marinegeneralkomissär Fehr. Protokollführer: Hof- und Ministerialrat Ritter v. Khu. Gegenstand: Maßnahmen zum Zwecke der weiteren Entwicklung der Wehrmacht der österrei¬ chisch-ungarischen Monarchie. KZ. 20 - RMRZ. 378 Protokoll des zu Wien am 19. Februar 1893 abgehaltenen Ministerrates für gemeinsame Angelegenheiten unter dem Vorsitze des k. u. k. gemeinsamen Ministers des Äußern Grafen Kälnoky. Der Vorsitzende eröffnet die Sitzung, indem er unter Hinweis auf die Ergebnisse der letzten Beratung1 ersucht, in die in derselben vorbehaltene weite¬ re Erörterung des Gegenstandes einzugehen. Der kgl. ung. Ministerpräsident Wekerle bezeichnet es als not¬ wendig, sich vor allem über die Summe zu orientieren, welche in toto für die Mehrerfordernisse aller Zweige der Wehrmacht geleistet werden könne. Nach der am Schlüsse der letzten Sitzung gegebenen Anregung des Chefs des General¬ stabes würde es sich darum handeln, im nächsten Jahre (1894) für alle Zweige zusammen ein Mehrerfordernis von über 8 Milhonen, Gulden, bzw. für das gemeinsame Heer 6 Millionen zu decken. Bekanntlich sei im vorigen Jahr ein jährliches Mehrerfordemis von 4 Millionen für die gesamten gemeinsamen Auslagen in Aussicht genommen und daher von den Finanzministern auch nur ein solches in Rechnung gezogen worden. Eine höhere Präliminierung als diese Summe wäre ohne Tangierung des budgetären Gleichgewichtes nicht möglich. Es könnte der Anregung des Chefs des Generalstabes aber auf diese Weise i Siehe GMR. v. 2. 2. 1893, RMRZ. 377. <pb/>582 Nr. 62 Gemeinsamer Ministerrat, Wien, 19. 2. 1893 nachgekommen werden, daß ein Mehrerfordernis von 4 000 000 Gulden in das nächste Budget eingestellt, zum Zwecke weiterer Mehrauslagen für das Heer aber ein Betrag bis zur Höhe von 2 Millionen Gulden - a conto des Jahres 1895 der Kriegsverwaltung zur Verfügung gestellt, und im letzteren Jahre zur Ver¬ rechnung gebracht würde. Der kgl. ung. Landesverteidigungsminister FZM. Frei¬ herr v. Fejerväry hält es für geboten, zu erklären, daß er mit den aus den für die ungarische Landwehr in Aussicht genommenen Quoten des für die gesamte Wehrmacht bestimmten Mehrbetrages das Auslangen nicht finden kann. Er habe ein streng berechnetes Kalkül der eigenen Mehrerfordernisse aufgestellt, welche durch die an die kgl. ung. Landwehr gemachten Anforderun¬ gen, falls dieselbe der Aufgabe, in erster Linie an den Feind gebracht zu werden, entsprechen solle, verursacht würden, und wäre demnach gegen das Jahr 1893 im Jahre 1894 ein Mehrbetrag von 3 552 000, im Jahre 1895 von 2 955 000, im Jahre 1896 von 2 844 000, im Jahre 1897 von 3 081 000, im Jahre 1898 von 2 714 000, im Jahre 1899 von 2 934 000 Gulden, im ganzen also rund ein Mehrbetrag von 18 000 000 fl. erforderlich. Diese Summen seien unabweislich nötig, wenn für die ungarische Landwehr in der gegebenen Zeit das erreicht werden solle, was zur Stärkung derselben nun verlangt werde. Es sei untunlich, die Durchführung gewisser Maßnahmen hinauszuschieben oder auf eine kurze Zeit zusammenzudrängen, so z. B. die Beschaffung einer so großen Anzahl von Offizieren, wie sie beantragt werde, die Herstellung der Unterkünfte, welche eine Konsequenz der begehrten vollen Ausnützung der zweijährigen Präsenzzeit bilden, und außerdem gäbe es noch eine Reihe von Anforderungen, die befrie¬ digt werden müßten.2 Der k. k. Finanzminister Steinbach weist zunächst darauf hin, daß die eben gehörten Ausführungen des kgl. ung. Landesverteidigungsmini¬ sters allerdings geeignet sein könnten, die Grundlage zu erschüttern, welche für die heutigen Beratungen die eingangs derselben gegebenen Andeutungen des kgl. ung. Ministerpräsidenten zu bilden hätten. Wenn für das nächste Jahr der kgl. ung. Finanzminister außer der aus der Gesamtsumme von 8 Millionen zur Verfügung stehenden Quote von 600 000 fl. noch ein so bedeutendes Mehrerfor¬ dernis von fast drei Millionen für die ung. Landwehr aus dem Budget der Länder der ung. Krone zu decken hätte, wäre es allerdings fraglich, ob dies nicht auf die Leistungsfähigkeit Ungarns für das gemeinsame Heer einen Einfluß üben würde. Doch wolle er hievon, als einer zunächst die ung. Regirung betref¬ fenden Sache, vorerst absehen und seinen Standpunkt präzisieren. Was die k. k. Landwehr anbelange, so habe der k. k. Landesverteidigungsmi¬ nister sein Mehrerfordernis für die nächsten sechs Jahre dem Redner gegenüber auf 18 000 000 fl. angegeben; da diese Summe nun in dem Rahmen der für die k. k. Landwehr aus der Gesamtsumme in Aussicht genommenen, jährlich stei- 2 Maßnahmen für die Weiterentwicklung der ung. Landwehr und Landsturm, KA., MKSM. 12-3/10 ex 1893. <pb/>Nr. 62 Gemeinsamer Ministerrat, Wien, 19. 2. 1893 583 genden Mehrauslage ihre Deckung finde, so habe er keinen Anstand genommen, diesfalls zuzustimmen. Er sei ferner einverstanden, daß für das Jahr 1894 der Kriegsverwaltung außer einem im Voranschläge pro 1894 erscheinenden Mehrerfordernisse von 4 000 000 fl. noch eine Summe von 2 000 000 Gulden für weitere Mehrauslagen zur Verfügung gestellt werde, die im Jahre 1895 zu verrechnen wäre. Er müsse aber die Bedingung daran knüpfen, daß, wenn es nicht gelänge, aus dem im Jahre 1895 sich schon (gegen 1893) auf 8 000 000 belaufenden Mehrerfordernis¬ se die obige Summe von 2 000 000 hereinzubringen, dieser Betrag ganz zuverläs¬ sig aus dem im Jahre 1896 auf 12 000 000 fl. anwachsenden Mehrerfordernisse zurückgezahlt und so effektiv für die Jahre 1894, 1895 und 1896 nicht mehr als die in Aussicht genommenen 24 000 000 an Mehrauslagen verwendet werden. Zu der Bedeckung aus dem Betrage von 2 Millionen wären solche Posten zu wählen, wo es sich um Investitionen handelt, da man bei denselben die Verrech¬ nung in der Hand habe; doch brauchten (falls sich die Überführung der ge¬ dachten Summe auf 1896 notwendig erweisen sollte) nicht wieder dieselben Posten gewählt zu werden. Auf diese Art wäre für die gesamte Wehrmacht afür das Jahr 1894a eine Mehrauslage von 8 000 000 gesichert, von denen 6 Millionen in den drei bezüglichen Budgets erscheinen würden, 2 Millionen aber nicht. Unerledigt bliebe im Augenblicke im Hinblick auf die heutige Erklärung des kgl. ung. Landesverteidigungsministers freilich die Frage, in welcher Weise und Progression die kgl. ung. Landwehr an der Gesamtsumme partizipieren solle. Der kgl. ung. Ministerpräsident Wekerle bemerkt, daß der Unterschied zwischen dem vom Chef des Generalstabes proponierten Modus der Verteilung der gesamten Mehrbewilligung auf die einzelnen Zweige der Wehrmacht und den heutigen Darlegungen des kgl. ung. Landesverteidigungs¬ ministers darauf zu beruhen scheine, daß FZM. Freiherr von Beck von der Ansicht ausgegangen sei, daß zunächst in größerem Ausmaße für die Entwick¬ lung des gemeinsamen Heeres und dann erst für die Landwehren vorzusorgen wäre. Der kgl. ung. Landesverteidigungsminister FZM. Frei¬ herr v. Fejerväry erwidert, daß nachdem mit Recht konstatiert wurde, daß die Landwehr am meisten zurückgeblieben sei, es eben auch notwendig wäre, zuerst für dieselbe vorzusorgen. Er könne seinerseits nur auf das bestimm¬ teste bitten, genau zu präzisieren, welche Quote den Erfordernissen der kgl. ung. Landwehr zugewiesen werden wolle und in welcher Zeit die an die kgl. ung. Landwehr gestellten Anforderungen bezüglich der Entwicklung derselben er¬ füllt werden sollen. Werden diesfalls die nötigen Summen zur Verfügung ge¬ stellt, oder könnte der Minister des Äußern eine längere ruhige Zeit für die Durchführung der nötigen Maßnahmen in Aussicht stellen, so könne den Anforderungen entsprochen werden -- sonst nicht. Der Redner müßte aber für den letzten Fall die Verantwortung von sich ablehnen, wenn die kgl. ung. a-a Einfügung Steinbachs. <pb/>584 Nr. 62 Gemeinsamer Ministerrat, Wien, 19. 2. 1893 Landwehr nicht in vollständig entsprechender Verfassung im Ernstfälle an den Feind gebracht werden könnte. Der Chef des Generalstabes FZM. Freiherr v. Beck weist darauf hin, daß man bei Feststellung eines Gesamtbildes der zu dem weiteren Ausbau unserer Wehrmacht auszuführenden Maßnahmen sich vor allem gegen¬ wärtig halten müßte, nur solche Summen zu verlangen, die zu erreichen wären, ohne das budgetäre Gleichgewicht der beiden Teile der Monarchie zu tangieren. Ohne eine solche Einschränkung hätte man allerdings, lediglich vom militäri¬ schen Gesichtspunkte ausgehend, noch eine Reihe weiterer Maßnahmen for¬ dern müssen. Es wurde zunächst aus diesem Grunde, mit Ausnahme einer geringen Vermehrung der Feldbatterien, alles vermieden, was in das Gebiet der Neuformationen gehört, und hat man sich lediglich auf Maßnahmen zur Ausge¬ staltung und Besserung des Bestehenden beschränkt. In dieser Hinsicht sind aber Maßnahmen, wie die Vervollkommnung der Heeresausrüstung und der Verpflegsvorkehrungenb unabweislich notwendig, und würde deren Hinaus¬ schiebung die Schlagfertigkeit der ganzen Wehrmacht treffen; es war daher dringend geboten, für die ersten drei Jahre das Gros der zum weiteren Ausbau unserer Wehrmacht zu bewilligenden Summe dem gemeinsamen Heere zu wid¬ men; vom Jahre 1897 sollen dann erhöhte Beträge auf die Ausgestaltung0 der Landwehr verwendet werden. Das aufgestellte Programm scheint dem Redner aber auch bei näherer Betrachtung nicht so sehr mit den Anforderungen der Landesverteidigungsminister zu differieren. Für die k. k. Landwehr nähme FZM. Graf Welsersheimb 18 Millionen in Anspruch, diese fanden auch hinrei¬ chende Deckung in dem Programm. Für die ungarische Landwehr sei allerdings, mit Rücksicht auf die weiter fortgeschrittene Ausbildung derselben, der Betrag von 11 000 000 ursprünglich in Aussicht genommen worden, und dieser Betrag bleibe allerdings hinter der heute entwickelten Berechnung des kgl. ung. Landes¬ verteidigungsministers zurück, doch scheine dem Redner, daß in diese Berech¬ nung eine Reihe von Auslagen wie Unterkünfte, rauchloses Pulver, etc. aufge¬ nommen wurden, die auch bei der gegenwärtigen Organisation der ungarischen Landwehr ohne Rücksicht auf die an sie gestellten Entwicklungsforderungen hätten bestritten werden müssen und daher außer den Rahmen der Auslagen fallen, die heute zur Beratung stehen und für die aus der Gesamtsumme von 8 Millionen Deckung zu finden sein würde. Diese Posten könnten vielleicht durch eine nicht zu bedeutende Erhöhung des Landwehrsbudgets0 gedeckt werden, ohne daß hiedurch die Beitragsleistung der ung. Finanzen zu den 8 Milhonen tangiert würde. Von letzteren träfe ein Betrag von 5 459 000 fl. die im Reichsrate vertretenen Königreiche und Länder und ein Betrag von 2 641 000 fl. die Länder der ungarischen Krone. - Wenn nun etwa diese Mehrauslage Ungarns noch auf 3 000 000 erhöht bzw. der Restbetrag dem ungarischen Landwehrbudget zuge¬ wiesen würde, so wäre schon vorläufig etwas erreicht. Jedenfalls könnte aber b Korrektur Becks aus Vorrichtungen. c Korrektur Becks aus Ausbildung. d Korrektur Becks aus Heeresbudgets. <pb/>Nr. 62 Gemeinsamer Ministerrat, Wien, 19. 2. 1893 585 ohne schwere Schädigung der gesamten Wehrmacht nicht von der für das k. u. k. Heer bestimmten Quote abgegangen werden. Der kgl. ung. Landesverteidigungsminister FZM. Frei- rr ,V' Fejerväry ergreift das Wort, um darzulegen, daß die von dem orredner bezeichneten Maßnahmen, wie die Vermehrung der Unterkünfte durchaus nicht außer Zusammenhang mit den in dem in Beratung stehenden Programm gestellten Anforderungen stehen, sondern eine direkte Folge der Ausführung dieser Forderungen, insbesondere der vollen Ausnützung der zwei- jahngen Prasenzdienstpfhcht seien; gesetzlich bestehe in Ungarn allerdings schon die Zu assigkeit der zweijährigen Präsenzdienstpflicht, tatsächlich sei aber aus finanziellen Rücksichten von der Regierung von diesem ihr zustehenden Rechte kein Gebrauch gemacht worden, obwohl vom militärischen Standpunk- te kern Zweifel sei, daß die Ausbildung eines Soldaten in der Zeit unter zwei Jahren kaum möglich sei. Der Vorsitzende bemerkt, daß es sich in der Diskussion zunächst nur mehr darum handele, ob der kgl. ung. Finanzminister in der Lage wäre, außer der gemäß dem hier zugrunde liegenden Programme für die gesamte Wehrmacht zu widmenden Summe noch für die speziell zur Erhöhung seines Budgets vom ung. Landesverteidigungsminister geltend gemachten Wünsche etwas zu tun Bei der außerordentlichen Wichtigkeit der von dem kgl. ung. Landesverteidi¬ gungsminister zu erfüllenden Aufgaben könne die Berücksichtigung der Anfor¬ derungen der kgl. ung. Landwehr im Interesse der Machtstellung der Monarchie nur auf das wärmste dem kgl. ung. Ministerpräsidenten empfohlen werden. Vom praktischen Standpunkte sei es ganz richtig, daß man trachte, die zum Ausbau unserer Wehrmacht in allen ihren Zweigen nötigen Auslagen in ihrer Gesamtheit zu berücksichtigen, doch sei damit nicht ausgeschlossen, daß es gewisse Anforderungen der einen oder der anderen Reichshälfte gäbe, die außerhalb des Rahmens dieses Anschlages bleiben und doch befriedigt werden müßten. Was speziell die an den Redner gerichtete Frage des kgl. ung. Landes- verteidigungsministers betreffe, ob er die Erhaltung des Friedens für längere Zeit verbürgen könne, so lasse er sich nicht gerne auf politische Prophezeiungen ein. Er habe in den letzten Jahren sich nicht gescheut, eine große Verantwortung auf sich zu nehmen, indem er die Befürchtungen dämpfte und seine Meinung dahin abgab, daß keine imminente Kriegsgefahr bestehe. Bei der Bedeutung aber, welche in der heutigen Situation Inzidenzfälle haben könnten, könne er unmög¬ lich dafür die Bürgschaft übernehmen, daß nicht plötzlich eine bedrohliche Situation eintrete, die den gegenwärtigen, relativ günstigen Auspizien ein ra¬ sches Ende bereite. Der kgl. ung. Ministerpräsident Wekerle bemerkt, daß er voll¬ kommen anerkenne, daß es im Interesse der Machtstellung der Monarchie unumgänglich notwendig sei, die gesamte Wehrmacht auch wirklich durch Entwicklung der Landwehren und des Landsturmes effektiv zu machen, was jetzt noch bei weitem nicht der Fall sei. Doch erscheine es ihm möglich, diesfalls eine Reihenfolge zu beobachten, welche das Auskommen mit der in Aussicht genommenen Gesamtsumme ermögliche. Gewiß sei zunächst ohne Verzug an <pb/>586 Nr. 62 Gemeinsamer Ministerrat, Wien, 19. 2. 1893 die Komplettierung des Offizierkorps zu schreiten, aber es könne z. B. vielleicht die tatsächliche Ausnützung des Präsenzstandes durch Erhöhung der tatsächli¬ chen Dienstzeit von 19 1/2 auf 24 Monate um so leichter ohne Schädigung der militärischen Interessen hinausgeschoben werden, als eben durch die bedeuten¬ de Erhöhung der Kader und Offiziersstände die Ausbildung in nächster Zeit erleichtert würde. Der k. u. k. Reichskriegsminister FZM. Freiherr v. Bauer betont, daß bei der Aufstellung der in den nächsten sechs Jahren zum Ausbau unserer Wehrmacht noch erforderlichen Mehrauslagen die Idee maßgebend gewesen sei, mit der anzufordernden Summe in einem die Bedürfnisse aller vier Zweige der Wehrmacht, des gemeinsamen Heeres, der Marine und der beidersei¬ tigen Landwehren, zu befriedigen. Der erste diesfalls gemachte Kalkül konnte natürlich nur auf Grund der aus den bestehenden Organisationsplänen, Nor¬ men etc. dem Kriegsministerium bekannten Erfordernisse zusammengestellt werden, und waren insbesondere die erhöhten Anforderungen der kgl. ung. Landwehr nicht bekannt. In einer Beratung nun, die in jüngster Zeit zwischen dem Kriegsminister und den beiden Landesverteidigungsministern stattgefun¬ den,3 habe es sich herausgestellt, daß für die österreichische Landwehr noch 4 Millionen, für die ungarische 2 Millionen mehr erforderlich seien und daß daher in der Zeit bis inkl. 1899 ein Gesamtbetrag von 94 000 000 fl. zu bedecken sein würde, der sich verteilen würde in runden Ziffern mit 49 000 000 auf das gemein¬ same Heer, 10 000 000 auf die Marine, 22 000 000 auf die k. k. und 13 000 000 auf die ungarische Landwehr. Der kgl. ung. Landesverteidigungsminister FZM. Freiherr v. Fejerväry macht darauf aufmerksam, daß er das Plus von 2 Millionen nur auf Grund einer Berechnung für die nächsten vier Jahre angesprochen habe; wenn es sich aber um die Mehranforderungen für die kgl. ung. Landwehr für die nächsten sechs Jahre handle, so könne er absolut das Auslangen nicht unter der von ihm eingangs der Beratungen angeführten Summe finden. Der Vorsitzende weist daraufhin, daß es sich dermalen darum hande¬ le, über die Hauptsumme schlüssig zu werden, welche als Mehraufwand in den Jahren 1894-1899 für den Ausbau unserer gesamten Wehrmacht die beiden Teile der Monarchie zu leisten in der Lage wären. So berechtigt die Anforderun¬ gen des kgl. ung. Landesverteidigungsministers gewiß sind, so müßten sie doch, soweit sie außer den Rahmen des zur Beratung stehenden Programmes fallen, der speziellen Vereinbarung desselben mit dem kgl. ung. Ministerpräsidenten überlassen bleiben. Der Vorsitzende stellt hienach noch die Anfrage, wie sich die Ansprüche der Marine in den allgemeinen Rahmen einfügen. Der k. u. k. Marinekommandant Admiral Freiherr v. Sterneck beantwortet diese Frage dahin, daß er sich bei Berechnung der Erfor- Ergebnis der am 17. Februar 1893 durchgeführten Besprechung betreffend die Ausgestaltung der k. k. Landwehr. Abschrift, KA., MKSM. 20-1/4 de 1893. <pb/>Nr. 62 Gemeinsamer Ministerrat, Wien, 19. 2. 1893 587 dernisse für die Marine "hinsichtlich des Schiffbaues" in den engsten Grenzen gehalten und nur die Fertigstellung einer vollen Eskadre bis zum Ablauf dieses Jahrhunderts in Aussicht genommen. Hiezu reichen die im Rahmen der Haupt¬ summe von 94 000 000 fl. der Marine zufallenden 10 000 000 fl. aus. Der k. u. k. Reichskriegsminister FZM. Freiherr v. Bauer ersucht nun die beiderseitigen Regierungen, sich zu äußern, ob sie bereit seien, die Summe der gesamten zum Ausbau unserer Wehrmacht bis 1899 (inkl.) zu machenden Mehrauslagen auf 94 000 000 fl. festzustellen. Der k. k. Finanzminister Steinbach bemerkt, daß die Haupt¬ summe keiner Schwierigkeit unterliege, da sie durch die ja bereits von beiden Regierungen zugesagten Jahresraten in den nächsten sechs Jahren mehr als erreicht werde. Es wird nun in die Feststellung der Gruppierung der Leistungen für die einzelnen Jahre eingegangen, mit Rücksicht auf die Erfordernisse der Marine per 500 000 fl., der pro 1894 noch über die im Budget erscheinende Summe hinaus zur Verfügung gestellte Betrag von 2 000 000 fl. auf 2 1/2 Millionen erhöht und über Ersuchen des Reichskriegsministers vereinbart, daß für die effektive Rückzahlung des Vorschusses von 2 1/2 Millionen nicht, wie in dem auf Basis der Anregung des kgl. ung. Ministerpräsidenten gestellten Anträge des k. k. Finanzministers vorausgesehen wurde, ein Spielraum von drei, sondern von vier Jahren, also bis 1897 gelassen werde. Der k. k. Finanzminister Steinbach resümiert das Ergebnis der getroffenen Vereinbarung dahin, daß für das Heer und die Marine für jedes der Jahre 1894 bis inklusive 1899 eine Erhöhung des Budgets gegenüber der Bewilli¬ gung des unmittelbaren Vorjahres um zusammen 4 Millionen Gulden pro Jahr (3,5 Millionen für das Heer und 0,5 Millionen für die Marine) bis zur Erreichung des Gesamtbetrages der von der Heeres- und Marineverwaltung für diese Jahre beanspruchten 59,7 Millionen in Aussicht genommen werde. Hienach wäre für Heer und Marine zunächst für die vier Jahre 1894-1897 budgetmäßig zu präli- minieren gegen die Bewilligung pro 1893 eine Erhöhung des Budgets: pro 1894 um 4 000 000 fl. pro 1895 um 8 000 000 fl. pro 1896 um 12 000 000 fl. pro 1897 um 16 000 000 fl. zusammen: 40 000 000 fl. Um die rechtzeitige Durchführung der zur Hebung der Schlagfertigkeit des Heeres notwendigen Anschaffungen zu sichern, erklären sich die beiderseitigen Regierungen auf Wunsch der Kriegsverwaltung damit einverstanden, daß im Jahre 1894, im Falle sich dies seinerzeit als geboten heraussteilen sollte, über die für dieses Jahr oben festgestellte Erhöhung des Budgets hinaus noch ein weite¬ rer, spätestens von der budgetmäßigen Bewilligung für das Jahr 1897 hereinzu- e-e Einfügung Steinbachs. <pb/>588 Nr. 62 Gemeinsamer Ministerrat, Wien, 19. 2. 1893 bringender Betrag von 2,5 Millionen Gulden zur Verwendung gelange, so daß demnach der Heeres- und Marineverwaltung gegen die Bewilligung pro 1893 mehr zu Verfügung stehen werden: im Jahre 1894 um 6 500 000 fl. im Jahre 1895 um im Jahre 1896 um 8 000 000 fl. im Jahre 1897 um 12 000 000 fl. zusammen: 13 500 000 fl. 40 000 000 fl. Der nach Vorstehendem von der Heeresverwaltung im Jahre 1894 eventuell weiters aufzuwendende Betrag von 2,5 Millionen Gulden wird zur Fortsetzung verschiedener Anschaffungen verwendet werden. Die dadurch in dem Jahre 1894 resultierende Mehrverwendung bei einzelnen für dieses Jahr bewilligten Raten wird vom Jahre 1894 an jeweilig den nächstjährigen Raten angelastet und spätestens im Jahre 1897 beglichen werden. Der kgl. ung. Landesverteidigungsminister FZM. Freiherr v. Fejerväry bemerkt, daß, nachdem er bezüglich der Auslagen, welche er für die kgl. ung. Landwehr für notwendig erachte und die nicht aus der ihm aus der Gesamtsumme von 94 000 000 fl. zuzuweisenden Quote bestritten werden könnten, an die besondere Vereinbarung mit dem kgl. ung. Ministerpräsidenten angewiesen sei, er an letzteren die Frage richten müsse, ob die kgl. ung. Finanz¬ verwaltung über die nun für die gesamte Wehrmacht pro 1894 bis 1899 zuge¬ standenen Mehrauslagen per 94 000 000 fl. noch in der Lage wäre, speziell zur Erhöhung der Auslagen der kgl. ung. Landwehr eine Summe zu widmen. Der kgl. ung. Ministerpräsident W e k e r 1 e weist darauf hin, daß erst im Herbste vorigen Jahres im kgl. ung. Ministerrate vereinbart worden sei, daß der Voranschlag der kgl. ung. Landwehr pro 1891 in den nächsten Jahren nicht mehr überschritten würde; ferner sei er nach den Beratungen der vorigjäh¬ rigen gemeinsamen Konferenzen zu der Annahme berechtigt gewesen, daß die Mehrauslage für die gemeinsamen Angelegenheiten im Jahre 1894 nicht mehr als 4 000 000 fl. betragen werde. Auf diesen Voraussetzungen habe er sein Kalkül aufgestellt und sei nun allerdings wenigstens für die nächsten Jahre nicht in der Lage, eine Mehrbewilligung für die kgl. ung. Landwehr aus den Finanzen der Länder der ung. Krone in Aussicht zu stellen. Doch müsse er seiner bereits ausgesprochenen Zuversicht Ausdruck geben, daß es sich bei richtiger Vertei¬ lung der Beschaffungen auf die einzelnen Jahre möglich zeigen werde, durch die ja in den späteren Jahren immer steigenden Quoten für die Landwehren alle notwendigen Erfordernisse der kgl. ung. Landwehr zu decken. Der kgl. ung. Landesverteidigungsminister FZM. Freiherr v. Fejerväry ersieht aus dieser Erklärung des kgl. ung. Ministerpräsiden¬ ten, daß er für die kgl. ung. Landwehr außer den auf dieselbe von der Gesamt¬ summe per 94 000 000 fl. entfallenden Quoten keine weiteren Mehrbeiträge zu erwarten hat, und ersucht um genaue Präzisierung der obigen Quoten der Hauptsumme. <pb/>Nr. 63 Gemeinsamer Ministerrat, Wien, 28. 3. 1893 589 Der k. u. k. Reichskriegsminister FZM. Freiherr v. Bauer erwidert, daß der kgl. ung. Landwehr als Mehrerfordernis gegen das Budget 1893 zugewiesen würden: pro 1894 600 000 fl. pro 1895 1 200 000 fl. pro 1896 1 800 000 fl. pro 1897 2 400 000 fl. pro 1898 3 000 000 fl. pro 1899 3 600 000 fl. zusammen also: 12 600 000 fl. Der kgl. ung. Landesverteidigungsminister FZM. Frei¬ herr v. Fejerväry konstatiert, daß diese Summe um 4 000 000 fl. gegen die Summe zurückbleibt, welche nach seiner Berechnung nötig wäre, um allen an die kgl. ung. Landwehr gestellten Forderungen zu entsprechen. Der Vorsitz e n d e erachtet, daß durch Feststellung der Hauptsumme, welche von den beiden Teilen der Monarchie im Laufe der nächsten sechs Jahre zur Bestreitung der zur Entwicklung der gesamten Wehrmacht erforderlichen Mehrauslagen geleistet werden könne, sowie durch die Fixierung der Jahresra¬ ten die Aufgabe der heutigen Beratungen erschöpft sei und es nun noch erfor¬ derlich sei, die Vereinbarung protokollarisch zu fixieren und darüber Ah. Ortes, eventuell in einer unter Ah. Vorsitz abzuhaltenden Konferenz zu berichten. Der k. k. Ministerpräsident Graf Taaffe ergreift noch das Wort, um im Hinblicke auf die für Ende Mai in Aussicht genommene Einberu¬ fung der Delegationen den Wunsch auszusprechen, daß ihm die Aufforderung zur Veranlassung der Wahl der Delegationsmitglieder längstens in der Zeit vom 20.-23. März 1. J. zukomme. Der Vorsitzende sagt das zu und schließt die Sitzung. Kälnoky Ah. E. Ich habe den Inhalt dieses Protokolls zur Kenntnis genommen. Wien, 30. März 1893. Franz Joseph. Nr. 63 Gemeinsamer Ministerrat, Wien, 28. März 1893 RS. (und RK.) Gegenwärtige: der k. u. k. gemeinsame Minister des Äußern Graf Kälnoky (o. D.), der k. k. Ministerpräsident Graf Taaffe (13.4.), der kgl. ung. Ministerpräsident Wekerle (23.4), der k. u. k. gemeinsame Finanzminister v. Källay (14. 4.), der k- u. k. gemeinsame Kriegsminister FZM. Frei¬ herr v. Bauer (15. 4 ), der k. k. Landesyerteidigungsminister FZM. Graf Welsersheimb (18.4.), der kgl. ung. Landesverteidigungsminister FZM. Freiherr v. Fejerväry (25. 4.), der k. k. Finanzminister Steinbach (18. 4.), der kgl. ung. Minister am Ah. Hoflager Graf Tisza (20. 4.), der k. u. k. Marine¬ kommandant Admiral Freiherr v. Sterneck (21.4.), der k. u. k. Chef des Generalstabes FZM. Freiherr v. Beck (17.4.). <pb/>