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Gemeinsamer Ministerrat, 4. 5. 1890

Nr. 50 Gemeinsamer Ministerrat, Wien, 4. 5. 1890                     499

   Der k. u. k. Minister des Äußern Graf Kälnoky erlaubt sich
hierauf zu berichten, daß in der unter seinem Vorsitze heute abgehaltenen
Konferenz auch die Frage der Verlegung von bosnisch-herzegowinischen Infan¬
teriebataillonen in das Innere der Monarchie eingehend besprochen wurde, aber
vorerst kein Mittel zur Lösung der Frage gefunden worden sei, da nach Auffas¬
sung des kgl. ung. Ministerpräsidenten durch die ungarische Gesetzgebung die
Heranziehung dieser Infanteriebataillone selbst zu Lagerübungen nach Ungarn,
u. zw. auch in den auf ungarischem Gebiete gelegenen Teil des Brücker Lagers,
ohne vorgängige Einbringung eines speziellen Gesetzes ausgeschlossen sei. Es
würde sich daher empfehlen, die Aufnahme der Verhandlung dieser Angelegen¬
heit einer späteren Konferenz vorzubehalten.

   Se. k. u. k. apost. Majestät geruhen diesem Anträge zuzustim¬
men, weiter die Einberufung der Delegationen für den 4. Juni 1. J. Ag. zu
genehmigen und hierauf die Sitzung zu schließen.

Ah. E. Ich habe den Inhalt dieses Protokolls zur Kenntnis genommen.
Wien, 12. Mai 1890. Franz Joseph.

    Nr. 50 Gemeinsamer Ministerrat, Wien, 4. Mai 1890

     RS. (und RK.)
     Gegenwärtige: der k. k. Ministerpräsident Graf Taaffe (6. 5.), der kgl. ung. Ministerpräsident
Graf Szapäry (5. 5.), der k. u. k. gemeinsame Finanzminister v. Källay (7. 5.), der k. u. k. gemeinsa¬
me Kriegsminister FZM. Freiherr v. Bauer (5. 5.), der k. k. Finanzminister Ritter v. Dunajewski
(7. 5.), der kgl. ung. Finanzminister Wekerle (5. 5.), der k. u. k. Marinekommandant Admiral
Freiherr v. Sterneck (8. 5.), der k. u. k. Sektionschef v. Szögyeny-Marich, der k. u. k. Generalinten¬
dant Ritter v. Röckenzaun.
    Protokollführer: Hof- und Ministerialrat Ritter v. Khu.
    Gegenstand: Delegationsvorlagen.

   KZ. 31 - RMRZ. 366
   Protokoll des zu Wien am 4. Mai 1890 abgehaltenen Ministerrates für ge¬
meinsame Angelegenheiten unter dem Vorsitze des k. u. k. gemeinsamen Mini¬
ster des Äußern Grafen Kälnoky.

   Der Vorsitzende konstatiert bei Eröffnung der Sitzung, daß in der letz¬
ten Konferenz die Beratung des Heereserfordernisses abgebrochen worden sei,
nachdem die beiderseitigen Regierungen dem Wunsche Ausdruck gegeben hat¬
ten, daß über die damals vereinbarten Abstriche von 8 699 896 fl. noch eine
weitere Verminderung des Heereserfordemisses um zirka 2 1/2 Millionen Gul¬
den erzielt werden möge. Der Vorsitzende ersucht den k. u. k. Reichskriegsmini¬
ster, das Ergebnis der von ihm infolge dieses Wunsches in Aussicht gestellten
neuerlichen Prüfung des Präliminares bekanntzugeben.

   Der k. u. k. Reichskriegsminister FZM. Freiherr v. Bauer
weist vor allem daraufhin, daß er, um sich bei der sehr beträchtlichen Herabset-
<pb/> 500 Nr. 50 Gemeinsamer Ministerrat, Wien, 4. 5. 1890

zung der Quote für Anschaffung des rauchlosen Pulvers wenigstens eine freiere
Verfügung bei Verwendung der bewilligten Summe für die einzelnen Erforder¬
nisse und ein leichteres Kalkül bezüglich der Aufteilung auf die einzelnen
Fabriken zu ermöglichen, sich entschlossen habe, von der Einreihung der für
 1891 zur Einführung des rauchlosen Pulvers gestellten Anforderungen in das
Ordinarium und Extraordinarium des Präliminares abzusehen und die nächst¬
jährige Rate in einer Gesamtsumme zu verlangen. Ohne etwaigen finanztechni¬
schen Bedenken präjudizieren zu wollen, erschiene es ihm am geeignetsten, die
für das nächste Jahr entfallende Rate in der Form einer besonderen Vorlage als
Spezialkredit zu beanspruchen, u. zw. wäre von dem Gesamterfordemisse von
 11,4 Millionen Gulden ein Betrag von 3 000 000 fl. pro 1891 anzufordem.

   Was nun die weiteren Herabminderungen in den einzelnen Posten anbelange,
so dürften höchstens die nachfolgenden Reduktionen noch möglich sein:

   A. Im Ordinarium:

    1. durch Unterlassung der bei der Post ,,Reorganisation der Festungsartille¬
rie&quot; in Aussicht genommenen Aufstellung je eines Generals der Artilleriewaffe
als Inspizierenden der Festungsartillerie in Wien und Budapest wird ein Ab¬
strich von 20 815 fl. erzielt;

   2. die Anforderung für einen technischen Adjutanten beim Eisenbahn- und
Telegraphenregiment per 1760 fl. würde entfallen;

   3. bei der Post ,,Standeserhöhung der Traintruppe und Bewaffnung der
Trainsoldaten mit Karabinern&quot; würde nur die zur Deckung der Erhöhung des
Friedensstandes um 2 Rechnungshilfsarbeiter nötige Summe per 400 fl. erhal¬
ten, der Rest der Post per 20 494 fl. entfallen;

   4. das Erfordernis aus Anlaß des rauchlosen Pulvers per 337 314 fl. würde im
Ordinarium mit Rücksicht auf die beantragte Anforderung einer Gesamtsumme
im Wege eines Spezialkredites ganz gestrichen;

   5. die Post Mehrerfordemis für die Ausbildung der Pioniere der Infanterie-
und Jägertruppe per 1800 fl. würde entfallen und

   6. die Post Mehrerfordernis an sachlichen Auslagen für das Eisenbahn- und
Telegraphenregiment (7000 fl.) um 2000 fl. herabgemindert.

   Diese Abstriche im Ordinarium würden zusammen 384 183 fl. ausmachen.

   B. im Extraordinarium würde

   1. bei Titel 2, Post 1 ,,Beschaffung von neuartigen Gewehren&quot; noch ein
weiterer Abstrich 1 000 000 fl. vorgenommen (blieben 2 000 000 fl.);

   2. Titel 2, Post 7 ,,Einführung eines rauchlosen Pulvers&quot; mit 2 000 000 fl.
entfiele in der Voraussetzung der Einbringung eines Spezialkredites für die
Anschaffung des rauchlosen Pulvers;

   3. bei Titel 9 würde das Erfordernis für Montur, Armatur und Rüstung für
die errichteten schweren Batterien auf 2 Jahre aufgeteilt, und entfiele hiedurch
für dieses Jahr ein Betrag von 93 400 fl.;

   4. bei Titel 20, Post 2 ,,Elektrische Beleuchtungsapparate für feste Plätze&quot;
würde ein Abstrich von 10 000 fl. vorgenommen (blieben noch 30 000 fl.);
<pb/>Nr. 50 Gemeinsamer Ministerrat, Wien, 4. 5. 1890  501

    bei Titel 20, Post 2 ,,Verpflegsetablissement in Kaschau&quot; würde die erste Rate
 auf 155 000 fl. herabgemindert, daher ein Abstrich von 40 000 fl.

    Dagegen hat sich bei näherer Prüfung der in den letzten Sitzungen vereinbar¬
 ten Abstriche herausgestellt, daß zwei derselben, u. zw. Extraordinarium, in der
 in Aussicht genommenen Höhe nicht durchführbar seien, es müßte

    1. in Titel 7 ,,Beschaffung einer neuen Sprengmittelausrüstung für die techni¬
 schen Truppen&quot; wenigstens ein Teilbetrag von 50 000 fl. und

    2. bei Titel 15 zur Beschaffung von Kochkesseln ä 360 Portionen und der dazu
 gehörigen eisernen Herdbestandteile zur Einrichtung von Küchen in den Eisen¬
 bahnverköstigungsstationen von dem Gesamterfordernisse per 300 000 fl. die
erste Rate per 150 000 fl. eingestellt werden.

    Unter Berücksichtigung dieser teilweisen Wiederherstellung früherer Positio¬
nen und im Falle der Akzeptierung der Modalität der Anforderung der Kosten
für das rauchlose Pulver in einem Spezialkredite würden sich diese Abstriche im
Extraordinarium auf 2 943 400 fl. stellen. Hält man diesen Abstrichen im Ordi-
narium und Extraordinarium per 3 327 583 fl. den Spezialkredit für rauchloses
Pulver per 3 000 000 fl. entgegen, so ergibt sich noch ein Mehrabstrich von
327 583 fl. über die bereits in den letzten Sitzungen vereinbarten Abstriche.

    Der k. u. k. Reichskriegsminter fügt dieser Darlegung bei, daß er wiederholt
konstatieren müsse, daß er sowie für die in den früheren Konferenzen vereinbar¬
ten Abstriche, so für die jetzt in Antrag gebrachten Herabminderungen und
Verschiebungen die Verantwortung von sich ablehnen und sich Vorbehalten
müsse, dieselben lediglich als eine ihm durch die entschiedene Erklärung der
beiderseitigen Regierungen, mit Bezug auf die finanzielle und wirtschaftliche
Leistungsfähigkeit der Monarchie nicht weiter gehen zu können, gebotene
Notwendigkeit darzustellen. Er behalte sich auch vor, in den gedruckten Bud¬
gets die Bezeichnung einzelner Posten als Teilbeträge auszulassen, da dies in
Fachkreisen üblen Eindruck hervorbringen müßte und die Ansprechung solcher
Teilbeträge sich tatsächlich nur mit der Notwendigkeit, für den Kriegsfall
wenigstens den Rahmen für gewisse Institutionen herzustellen, rechtfertigen
lasse. Weiter erklärt der k. u. k. Reichskriegsminister, daß er auf die neuerliche
Herabminderung des Anspruches für Herstellung der neuartigen Feuerwaffen
um 1 000 000 fl. nur unter der Voraussetzung eingehen könnte, daß

   1. von dem im außerordentlichen Heereserfordemisse für das Jahr 1890 unter
Titel 2, Post 1 zu dem Beginne der Beschaffung von Repetierkarabinern be¬
willigten Betrage von 1 063 880 fl. nach Verwendung eines Teilbetrages von
972 000 fl. zum Beginne der Umgestaltung der Repetiergewehre des Kalibers
11 mm aufjenes 8 mm noch erübrigenden Reste von 91 880 fl. und aus dem pro
1891 im Titel 2, Post 1 des Extraordinariums angeforderten 2 000 000 fl. ledig¬
lich Repetierkarabiner für die Bewaffnung der Kavallerie erzeugt werden,

   2. die Einleitung getroffen werde, damit in Steyr gegen Kreditgewährung die
Erzeugung der Repetiergewehre fortgesetzt werde, was für die ungestörte Fort¬
erzeugung dieser Waffe notwendig ist, und die aus Anlaß dieser Kreditgewäh¬
rung seitens der Fabrik eventuell geforderte Vergütung für Verzugszinsen durch
nachträgliche Geldforderung gedeckt werden könne,
<pb/>502 Nr. 50 Gemeinsamer Ministerrat, Wien, 4. 5. 1890

   3. die Munition für die Repetiergewehre aus dem Kredite für rauchloses
Pulver beschafft werden dürfe, und

   4., nachdem die Restringierung in der Anzahl der Reservegewehre eintrete,
nunmehr das kgl. ung. Landesverteidigungsministerium für die Deckung des
Bedarfes an Repetiergewehren für die kgl. ung. Landwehr selbst vorzusorgen
habe.

   Der k. k. Finanzminister Ritter v. Dunajewski bemerkt, daß
wenn es sich zur Weitererhaltung der Fabrikation in Steyr bei Überschreitung
des Kredites pro 1891 um eine nicht bedeutende Summe handeln würde, es sich
wohl eher empfehlen dürfte, in den letzten Monaten 1891 sich an die beiderseiti¬
gen Finanzministerien um Gewährung eines unverzinslichen Vorschusses zu
wenden und die Inanspruchnahme der Kreditgewährung seitens der Steyrer
Fabrik gegen Verzinsung zu vermeiden.

   Was die von dem k. u. k. Reichskriegsminister in Aussicht genommene Form
der Anforderung des Kredits für Einführung des rauchlosen Pulvers als Spezial¬
kredit in einer besonderen Vorlage anbelange, so erachtet der k. k. Finanzmini¬
ster diese Form als eine ungewöhnliche und Aufsehen erregende für nicht
opportun und auch zur Erreichung der von der Kriegsverwaltung hiemit ange¬
strebten Zwecke nicht erforderlich und beantragt daher, ohne sich noch vorläu¬
fig über die Höhe der Ziffer auszusprechen, daß die gesamte Anforderung für
Einführung des rauchlosen Pulvers pro 1891 in das Extraordinarium für dieses
Jahr eingestellt werde.

   Die Konferenz tritt diesem Anträge bei, und es wird daher von der Einbrin¬
gung eines Spezialkredites für Einführung des rauchlosen Pulvers abgesehen
und die noch in ihrer Höhe zu bestimmende erste Rate zu diesem Zwecke in das
Extraordinarium, u. zw. ausschließlich in das letztere, eingestellt werden.

   Der kgl. ung. Finanzminister Wekerle bemerkt, daß nach den
vom k. u. k. Reichskriegsminister heute in Aussicht gestellten Abstrichen im
Nettobeträge von 327 583 fl. das Mehrerfordemis im Heeresbudget noch immer
3 874 670 fl., und wenn man die Mehranforderungen in den übrigen Ressorts
hinzuzähle, das Mehrerfordernis für gemeinsame Auslagen im ganzen zirka
4 200 000 fl. ausmache. Diese Summe übersteige den Betrag, bis zu welchem die
Vertreter der kgl. ung. Regierung zu gehen in der Lage wären, und er müsse das
dringende Ersuchen stellen, daß die Kriegsverwaltung eine weitere Herabminde¬
rung ihres Heereserfordemisses um 11/2 Millionen durch Abstriche an einzel¬
nen Posten ermögliche.

   Es entspinnt sich nun eine eingehende Diskussion über eine Reihe von Posten,
bei denen von dem kgl. ung. Finanzminister eine Verminderung angeregt wird,
ohne daß jedoch eine Einigung zustande kommt.

   Der Vorsitzende ergreift das Wort, um darauf hinzuweisen, daß, so
gewichtig die geltend gemachten finanziellen Bedenken gewiß seien, denselben
doch durch die bisherigen Abstriche in weitgehendem Maße Rechnung getragen
worden sei und nun auch die militärisch-politische Situation zu berücksichtigen
wäre. Angesichts der durch die letztere gebotenen Rücksichten sei ja schließlich
<pb/>Nr. 50 Gemeinsamer Ministerrat, Wien, 4. 5. 1890  503

die Summe von 11/2 Millionen, über die noch eine Differenz schwebe, nicht so
bedeutend, um nicht zu einer Einigung darüber zu gelangen.

    Im Einvernehmen mit den Vertretern der k. k. Regierung gibt nun der
kgl. ung. Ministerpräsident Graf Szapäry die Erklärung ab, daß
die beiderseitigen Regierungen bereit wären, den Betrag von 3 000 000 fl. für
Einführung des rauchlosen Pulvers im Jahre 1891 zu bewilligen und eine Mehr¬
forderung in dieser Höhe im gemeinsamen Budget, die eben durch die Notwen¬
digkeit der Anschaffung des rauchlosen Pulvers motiviert werden könnte, zu
vertreten. Über den Betrag von 3 000 000 fl. könnten sie nicht hinausgehen, und
es müsse das restliche Mehrerfordernis noch durch Abstriche hereingebracht
werden. Als Positionen, bei denen bis zu einer Million Abstrich gegangen
werden könnte, bezeichnet der Redner die bereits in der früheren Diskussion
wiederholt zur Sprache gebrachten Forderungen für den Ausbau von Krakau
und Przemysl und für die Armierung einiger fester Plätze durch Geschütze neuer
Konstruktion, von welchen noch3 500 000 fl. abgemindert werden könnten.

   Der k. u. k. Reichskriegsminister FZM. Freiherr v. Bauer
erklärt, auf eine weitere Abminderung dieser beiden Positionen absolut nicht
eingehen zu können, indem er daraufhinweist, daß die für Krakau und Przemysl
noch bewilligte Summe ohnedies nur für Przemysl werde verwendet werden
können. Im äußersten Falle könnte er noch seine Zustimmung geben, daß die
für Errichtung eines Proviantdepots in Kaschau eingesetzte Summe per 155 000
fl. gestrichen und, vorbehaltlich der Ah. Genehmigung Sr. k. u. k. apost. Maje¬
stät, daß die Anforderung für rauchloses Pulver pro 1891 auf 2 500 000 fl., also
um 500 000 fl. herabgemindert werde. Diese beiden Abstriche ergeben 655 000 fl.

   Der k. k. Finanzminister Ritter v. Dunajewski bedauert, daß
der Abstrich gerade bei dem Erfordernisse für rauchloses Pulver gemacht wer¬
den solle, da hiedurch der Zweck, Mehrforderung per 3 000 000 fl. durch die
Anschaffung des rauchlosen Pulvers zu motivieren, erschwert werde.

   Der kgl. ung. Ministerpräsident Graf Szapäry konstatiert,
daß nach den letzten Zugeständnissen des k. u. k. Reichskriegsministers sich das
Mehrerfordernis des Heeres auf 3 219 670 fl. und das aller gemeinsamen Res¬
sorts auf 3 562 000 fl. stelle, es wäre demnach noch der Betrag von 562 000 fl.
hereinzubringen.

   Der kgl. ung. Finanzminister Wekerle erneuert die Anregung, ob
nicht bei den Festungsbauten und Festungsarmierung zusammen wenigstens
der Betrag von 500 000 fl. hereingebracht werden könne.

   Der k. u. k. Reichskriegsminister FZM. Freiherr v. Bauer
beharrt darauf, bei diesen Posten eine weitere Streichung nicht mehr vorneh¬
men, überhaupt seinerseits keinen Posten angeben zu können, wo noch eine
Herabminderung möglich wäre.

   Der k. k. Ministerpräsident Graf Taaffe beantragt, daß ange¬
sichts dieser bestimmten Erklärung des k. u. k. Reichskriegsministers von einer

Streichung Szapärys je.
<pb/>504 Nr. 50 Gemeinsamer Ministerrat, Wien, 4. 5. 1890

weiteren Forderung der Herabminderung abgestanden und auf Grund der
letzten Pfopositionen des k. u. k. Reichskriegsministers eine Einigung erzielt
werde.

   Nachdem der kgl. ung. Ministerpräsident und der kgl. ung. Finanzminister
erklären, auf der Herabminderung des Mehrerfordernisses für die gemeinsa¬
men Ressorts auf 3 000 000 fl. bestehen zu müssen, ergreift der k. u. k.
Reichsfinanzminister v. Källay das Wort, um darzulegen, daß,
nachdem einerseits der Standpunkt der beiderseitigen Regierungen, den Vertre¬
tungskörpern keine höhere als die durch die Einführung des rauchlosen Pulvers
gerechtfertigte Mehrforderung vorzulegen, vom politischen Gesichtspunkte ge¬
wiß nicht unberechtigt sei, andererseits aber der Reichskriegsminister auf die
noch restliche Forderung von 562 000 fl. nicht verzichten zu können erklärt
habe, so würde vielleicht am besten beiden Standpunkten Rechnung getragen,
wenn zwar in dem Präliminare des Heereserfordernisses in beliebig von der
Kriegsverwaltung zu wählenden Posten noch 562 000 fl. abgestrichen, dem
k. u. k. Reichskriegsminister aber jetzt schon seitens der beiderseitigen Regie¬
rungen die Ermächtigung gegeben würde, durch Überschreitungen in gleicher
Höhe sich die Möglichkeit der Deckung der obigen Summe zu verschaffen.

   Der kgl. ung. Finanzminister Wekerle spricht sich gegen diesen
Antrag aus, da derselbe den Prinzipien einer reellen Budgetierung wider¬
spreche.

   Der k. u. k. Reichskriegsminister FZM. Freiherr v. Bauer
erklärt auch seinerseits, den in Rede stehenden Ausweg nicht akzeptieren zu
können, da er einer klaren Präliminierung bedürfe, um den einzelnen Unterbe¬
hörden sofort die Summe zu bezeichnen, die sie verwenden können; außerdem
widerspreche dieses Vorgehen seinem dauernden Bestreben, das Budget korrekt
einhalten zu lassen, und liege demselben die Annahme eines Normalbudgets
zugrunde, die für das Heereserfordernis absolut keine Anwendbarkeit habe.

   Der k. k. Ministerpräsident Graf Taaffe und der kgl. ung.
Ministerpräsident Graf Szapäry perhorreszieren gleichfalls die frag¬
liche Anregung, indem sie erklären vorzuziehen, wenn schon der Betrag bewil¬
ligt werden müßte, denselben offen ins Präliminare einzusetzen.

   Der Vorsitzende macht darauf aufmerksam, daß der Betrag von
562 000 fl. doch im Verhältnisse ein zu geringfügiger sei, um als eine Durchbre¬
chung des von den beiderseitigen Regierungen aufgestellten Prinzips angesehen
werden zu können. Eine Vereinbarung auf Grund der letzten Zugeständnisse
des Reichskriegsministers erschiene ihm daher nicht nur sehr erwünscht, son¬
dern auch leicht möglich.

   Der kgl. ung. Finanzminister Wekerle bemerkt, daß nicht bloß
der restliche Betrag von 562 000 fl., sondern die ganze Mehrforderung für dieses
Jahr in Betracht gezogen werden müsse, die umso mehr ins Gewicht falle, als,
wie er in den früheren Konferenzen bereits hervorgehoben, für das Jahr 1891
in der von ihm zitierten Enunziation eine bedeutende Erleichterung der militäri¬
schen Anforderungen in Aussicht gestellt worden sei und in dem nächsten Jahre
auch, wenigstens in Ungarn, für größere Ansprüche der kgl. ung. Landwehr
<pb/>Nr. 50 Gemeinsamer Ministerrat, Wien, 4. 5. 1890  505

vorgesorgt werden müßte. Es sei übrigens auch nicht der Eindruck zu überse¬
hen, den mit Rücksicht auf die jetzigen politischen Verhältnisse im Lande das
Heryortreten mit bedeutenden Mehrforderungen haben werde. Die Stellung der
Regierung werde umso schwieriger sein, als sie es bisher sorgsam vermieden
habe, irgendwie die militärischen Lasten als Ursache der finanziellen Schwierig¬
keiten des Landes hinzustellen, im Gegenteile Versuchen einer solchen Darstel¬
lung immer entgegengetreten sei.

   Der k. k. Finanzminister Ritter v. Dunajewski macht hiebei
darauf aufmerksam, daß es nicht angehe, aus der erfolgten Einsetzung einer
Post zu einer außerordentlichen, einmaligen größeren Anforderung gewisserma¬
ßen die Begründung herzuleiten, nach Bestreitung dieser außerordentlichen
Ausgabe sofort mit einem neuen Ansprüche hervorzutreten.

   Der Vorsitzende erklärt, daß angesichts dieses Standes der Beratungen
eine Hoffnung auf eine Einigung nicht vorhanden sei, konstatiert das Bestehen
der Differenz über den Betrag von 562 000 fl., dessen Abstrich noch gewünscht,
von der Kriegsverwaltung aber nicht zugestanden werde, und behält sich dem¬
nach vor, in der morgen unter Ah. Vorsitze stattfindenden Konferenz Bericht
zu erstatten und die Ah. Entscheidung zu erbitten.

   Der Vorsitzende bringt nun die in der letzten Konferenz besprochene
Frage der Verlegung von bosnisch-herzegowinischen Infanteriebataillonen in
das Innere der Monarchie zur Sprache, indem er konstatiert, daß der Stand
derselben der sei, daß nach den in der diesseitigen Reichshälfte geltenden
Gesetzen eine neue gesetzliche Ermächtigung zu dieser Verlegung an sich nicht
erforderlich wäre, daß aber mit Rücksicht auf die ungarische Gesetzgebung die
Garnisonierung dieser Truppen auf ungarischem Gebiete, selbst bloß zum
Zwecke zeitweiliger Truppenübungen, u. zw. auch im ungarischen Teile des
Brücker Lagers, auf dem die Baracken stehen, ohne vorherige Einbringung eines
Gesetzes nicht möglich ist. Da es nun sehr dringlich sei, mit der Zuziehung von
bosnisch-herzegowinischen Truppenteilen wenigstens zu Übungen vorzugehen,
und zu wünschen wäre, damit schon in diesem Jahre den Anfang zu machen,
so würde nichts erübrigen, als sie zu Übungen auf unzweifelhaft zum Territo¬
rium des diesseitigen Teiles der Monarchie gehörigem Gebiete, etwa anläßlich
der bKorpsmanöverb in Oberösterreich, heranzuziehen.

   Der kgl. ung. Ministerpräsident Graf Szapäry bemerkt, daß
allerdings weder eine zeitweilige noch dauernde Gamisonierung bosnischer
Truppenteile selbst bloß zu Lagerübungen in Ungarn ohne Gesetz möglich sei,
daß aber die ungarische Regierung bereit wäre, ein solches Gesetz einzubrin¬
gen.1

b-b Korrektur Bauers aus Linzer Divisionsmanöver.

1 Vgl. 24/MT. Ung.MR. v. 4. 7. 1890. 2. Über das Hereinbringen bosnischer Truppen nach
       Ungarn, OL., K. 27, Karton 47.
<pb/>506 Nr. 50 Gemeinsamer Ministerrat, Wien, 4. 5. 1890

Derk. k. Ministerpräsident Graf Taaffe bemerkt, daß im Fal¬

le der Einbringung eines solchen Gesetzes in Ungarn der Parität halber ein

solches auch in den Vertretungskörpern der im Reichsrate vertretenen Königrei¬

che und Länder eingebracht werden müßte. Gegen die Beiziehung bosnischer

Truppenteile zu Manövern auf österreichischem Territorium wäre kein An¬

stand, wenn nicht zu besorgen wäre, daß dies sofort von ungarischen Blättern

aufgegriffen und insbesondere im Hinblicke auf die verschiedene Behandlung

beider Teile der Monarchie diskutiert würde.

Der k. u. k. Minister des Äußern Graf Kälnoky zweifelt

auch seinerseits nicht daran, daß die Heranziehung der bosnischen Truppen

nach der Monarchie von der Publizistik und insbesondere von der russischen

und panslawischen Presse lebhaft erörtert werden dürfte, doch müsse man das

eben als unvermeidlich hinnehmen. Der k. u. k. Minister des Äußern kommt

sohin auf seine Anregung bezüglich der Zuziehung der bosnischen Truppen zu

den Linzer Manövern zurück.

Derk. k. Ministerpräsident Graf Taaffe bemerkt, daß er per¬

sönlich glaube, daß hiegegen kein Bedenken obwalten dürfte, daß er aber weder

heute noch in der morgen unter Ah. Vorsitze stattfindenden Konferenz eine

endgiltige Erklärung abgeben könnte, sondern sich noch Vorbehalten müßte, die

Sache dem k. k. Ministerrate vorzulegen.

Der Vorsitzende wird in diesem Sinne Ah. Ortes berichten.

Seitens der Vertreter der beiderseitigen Regierungen wird hierauf die in den

früheren Konferenzen angeregte Abänderung des Einquartierungsgesetzes2 und

die Austragung der Frage bezüglich der Herstellungspflicht der Militärspitäler

zur Sprache gebracht und die Feststellung der Zeit der Besprechung der beider¬

seitigen Regierungen in dieser Sache der Anwesenheit des k. k. Ministerpräsi¬

denten in Budapest bei Beginn der Delegationen Vorbehalten.

Derk. k. Ministerpräsident Graf Taaffe befürwortet erneuert

die Austragung der im Heereserfordernisse gebliebenen Differenz durch eine

Vereinbarung auf Grund der letzten Zugeständnisse des k. u. k. Reichskriegsmi¬

nisters.

Eine solche Vereinbarung wird jedoch, nachdem seitens der Vertreter der

kgl. ung. Regierung an der oben angeführten Motivierung ihres Standpunktes

festgehalten wird, nicht erzielt.

Die Sitzung wird hierauf geschlossen.                        Kälnoky

Ah. E. Ich habe den Inhalt dieses Protokolls zur Kenntnis genommen.
Wien, 12. Mai 1890. Franz Joseph.

2 GA. XXXVI vom Jahre 1879 über die Einquartierung der gemeinsamen Armee (Kriegsmarine)
        und der Landwehr. Magyar Törvenytär 1879-1880 148-178.
<pb/>