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Gemeinsamer Ministerrat, 18. 10. 1889

I. Offizielle Bezeichnung der gemeinsamen Armee

Siehe PDF-Daten https://hw.oeaw.ac.at/ministerrat/serie-2/oe_hu_mrp_IV/pdf/oe_hu_mrp_IV_z45.pdf.

Nr. 45 Gemeinsamer Ministerrat, Wien, 18. 10. 1889                   467

Das Gesamterfordernis des stehenden Heeres beträgt darnach:

A. Ordinarium pro 1890                              98 360 820 fl.
B. Extraordinarium pro 1890                         13 358 948 fl.
C. Okkupationskredit pro 1890                        4 370 000 fl.
D. Nachtragskredite                                  6 435 386 fl.

Das Gesamterfordernis der Kriegsmarine:

Ordinarium                                                   9 254 877 fl.
Extraordinarium                                              1 889 200 fl.

   Se. k. u. k. apost. Majestät geruhen nun die Frage des Zeitpunk¬
tes des Zusammentrittes der Delegationen zur Sprache zu bringen. Auf Grund
der Darlegungen der beiderseitigen Ministerpräsidenten über den Stand der
legislativen Arbeiten in den beiden Teilen der Monarchie geruhen Se. k. u. k.
apost. Majestät zu genehmigen, daß der Zusammentritt der Delegation für die
Zeit nach Schluß der beiderseitigen Legislativen, jedenfalls noch für den Som¬
mer in Aussicht genommen werde.

   Se. k. u. k. apost. Majestät geruhen hierauf die Sitzung zu schließen.

Ah. E. Ich habe den Inhalt dieses Protokolls zur Kenntnis genommen.
Wien, 6. Juni 1889. Franz Joseph.

Nr. 45 Gemeinsamer Ministerrat, Wien, 18. Oktober 1889

    RS. (und RK.)
    Gegenwärtige: der k. u. k. gemeinsame Minister des Äußern Graf Kälnoky (o. D.), der kgl. ung.
Ministerpräsident v. Tisza (27. 10.), der k. k. Ministerpräsident Graf Taaffe (24. 10.), der k. u. k.
gemeinsame Finanzminister v. Källay (25. 10.), der k. u. k. gemeinsame Kriegsminister FZM.
Freiherr v. Bauer (25. 10.).
    Protokollführer: Sektionschef Freiherr v. Falke.
    Gegenstand: Offizielle Bezeichnung der gemeinsamen Armee.

   KZ. 58 - RMRZ. 361
   Protokoll des zu Wien am 18. Oktober 1889 abgehaltenen Ministerrates für
gemeinsame Angelegenheiten unter dem Ah. Vorsitze Sr. Majestät des Kaisers.

   Nach Eröffnung der Sitzung geruhten Se. k. u. k. apost. Maje¬
stät Allerhöchstihrem Befremden und Mißfallen darüber Ausdruck zu ge¬
ben, daß die ,,Neue Freie Presse" in die Lage gebracht worden sei, über die eben
in Beratung stehende Frage und besonders auch über deren Vorgeschichte in
ihrem heute vorliegenden Blatte genaue, im wesentlichen ziemlich richtige, wenn
auch in einzelnen Punkten von der Wahrheit abweichende, detaillierte Mittei¬
lungen zu bringen, welche auch dem in der Hauptsache gutgemeinten, jedoch
<pb/>    468 Nr. 45 Gemeinsamer Ministerrat, Wien, 18. 10. 1889

    in der Sache weit hinausgehenden Artikel des genannten Blattes zur Grundlage
    dienen.

        Es könne dies nur die Folge einer höchst bedauerlichen Indiskretion sein, und
    erachtet es Se. k. u. k. apost. Majestät besonders konstatieren zu müssen, daß
/ dies ein neuerlicher Beweis dafür sei, daß, sobald die ungarischen Herrn Mini-
I ster zu pflegenden Beratungen in Wien eintreffen, stets in bezug auf die Ver¬
    handlungen ähnliche Indiskretionen Vorkommen, welche bei ansonstigen Mini-
j sterkonferenzen vollkommen ausgeschlossen erscheinen.
I Se. k. u. k. apost. Majestät erklären, dies im vorliegenden Falle um so ernster
    und tiefer bedauern zu müssen, als es sich um eine hochwichtige Angelegenheit
    handelt und durch derlei Indiskretionen, welche eine vorzeitige öffentliche
    Diskussion der Fragen provozieren, der notwendigen freien Erörterung im Rate
    der Krone, ja selbst der Ah. Entscheidung und Schlußfassung in ganz unzulässi¬
    ger Weise präjudiziert wird.

       Ministerpräsident v. Tisza erlaubt sich gegenüber den ernstrügen¬
    den Ah. Bemerkungen Se. k. u. k. apost. Majestät vor allem ehrerbietigst zu
    konstatieren, daß er seit seinem Eintreffen in Wien bis heute früh nicht einen
    Journalisten zu Gesicht bekommen habe, und daß er auch heute in Beantwor¬
    tung einer direkten Anfrage in bezug auf die schwebenden Beratungen lediglich
    das eine Moment richtiggestellt habe, daß es sich hiebei in betreff militärischer
    Fragen höchstens um die Titulatur der gemeinsamen Armee handeln könne. Er
    glaube daher auch ehrerbietigst Verwahrung dagegen einlegen zu dürfen, als ob
    er &quot;oder seine Kollegen&quot; mit der auch von ihm tief bedauerten Indiskretion in
    Verbindung stehe.

       Se. k. u. k. apost. Majestät geruhen demgegenüber noch hervor¬
    zuheben, wienach durch den Umstand, daß in den aus Budapest datierten
    Mitteilungen der ,,Neuen Freien Presse&quot; eingehende Details über die Vorge¬
    schichte der schwebenden Verhandlungen miteingeflochten sind, welche nur der
    ungarischen Regierung bekannt sein konnten, die ungarische Provenienz der
 | stattgehabten Indiskretion wohl außer Zweifel gestellt ist; -- übrigens müsse die
    Indiskretion in diesem Falle um so ernstlicher beklagt werden, als durch sie
    zugleich die Frage der Fahnen und Embleme der gemeinsamen Armee, welche
    mit dem in Verhandlung stehenden Gegenstände in gajjceinem Konnexe steht,
  1 direkt der publizistischen Diskussion überantwortet wurde.

       Auf den eigentlichen Gegenstand der heutigen Beratung übergehend, geruhen
    Se. k. u. k. apost. Majestät zunächst die Entwürfe jener Ah. Ent¬
    schließungen zur Verlesung zu bringen, welche Allerhöchstdemselben in bezug
    auf die in Frage gebrachte Abänderung in der bisherigen Bezeichnung der
    gemeinsamen Armee unterbreitet worden sind und um deren Feststellung es sich
    heute handelt.

       Se. k. u. k. apost. Majestät verlesen zuerst den Wortlaut des an den k. u. k.

     a-a Einfügung Tiszas.
<pb/>Nr. 45 Gemeinsamer Ministerrat, Wien, 18. 10. 1889  469

Reichskxjegsminjster zu erlassenden Ah. Befehlschreibens, gegen dessen Text
keine Einwendung erhoben wird.

   Es gelangt hierauf der Text eines vom Minister Grafen Kälnoky verfaßten
Entwurfes für ein Ah. Handschreiben an den k. u. k. Minister des Äußern zur
Verlesung,1 in betreff dessen sich nach der Bemerkung Ah. Sr. Majestät der
Ministerpräsident Graf Taaffe das Wort erbeten hat.

   Ministerpräsident Graf Taaffe erklärt, seine Bemerkungen zu¬
nächst gegen jenen Passus in dem vorgelesenen Entwürfe des Ah. Handschrei¬
bens richten zu müssen, in welchem gesagt werden soll, daß Se. Majestät die
intendierte Verfügung in betreff der künftigen Bezeichnung der gemeinsamen j
Armee ,,nach Anhörung der gemeinsamen Minister und der beiderseitigen /
Ministerpräsidenten&quot; erlassen habe. In betreff dieses Passus müsse er die drin-!
gende Bitte stellen, daß derselbe womöghch ganz oder wenigstens in bezug auf
die beiderseitigen Ministerpräsidenten aus dem Ah. Handschreiben eliminiert
werde und daß Se. k. u. k. apost. Majestät geruhen wolle, die beabsichtigte Ah.
Verfügung ausschließend auf Grund der Eigenen Machtvollkommenheit als
Oberster Kriegsherr, welche von niemandem in Frage gestellt werden kann, zu
erlassen.

   Es sei Ah. Sr. k. u. k. apost. Majestät aus den bezüglichen Ministerratsproto- ?
kollen bekannt, daß sich der diesseitige Ministerrat mit der vorliegenden Frage I
wiederholt eingehend beschäftigt und schon bei der ersten Beratung einhellig I
das Votum abgegeben habe: daß er von der in Antrag gebrachten Abänderung I
in der bisherigen Benennung der gemeinsamen Armee die ernstesten Folgen für \
die Einheit und Kraft der Armee und speziell auch eine sehFnachhaltige und
peinlicKeRückwirkung auf die gesamte öffentliche Meinung in den im Reichsra¬
te vertretenen Königreichen und Ländern, und ganz besonders aücKTm König¬
reiche Böhmen befürchten müsse., welche auch in den eben tagenden Landtagen
in nicht unbedenklicher Weise zu lautem Ausdrucke kommen könnte. Der
zisleithanische Ministerrat erkläre daher einhellig, daß er der in Antrag stehen¬
den Maßnahme seinerseits nicht beistimmen und diese Maßregel nicht einraten

könnte. In Berücksichtigung jedoch der von seiten des kgl. ung. Ministeriums j

geltend gemachten zwingenden Verhältnisse erklärte sich das diesseitige Mini- /
sterium bereit, die projektierte Maßregel, falls dieselbe auf Grund der Macht- /
Vollkommenheit Sr. Majestät als Oberster Kriegsherr erlassen werden sollte, &#39;
seinerseits zu akzeptieren, ohne für sicETdäräüs weitere Konsequenzen zu ziehen.
Diesen Standpunkt habe das zisleithanische Ministerium auch bei der neuerli¬
chen Beratung der Frage einhellig aufrechterhalten.

   Ministerpräsident Graf Taaffe erklärt sich angesichts der Stellung, welche das
Gesamtkabinett in dieser Frage eingenommen hat, seinerseits außerstande, die
beabsichtigte Maßregel auch nur indirekt mit seiner Verantwortlichkeit als Chef
des Kabinetts zu decken und müsse daher seinerseits auf das dringendste die
Bitte wiederholen, daß der von ihm beanstandete Passus aus dem Ah. Hand-

i Entwurffür ein Ah. Handschreiben v. 17. und 18. Oktober 1889, HHSxA., PA. I, Karton 465.
<pb/>470 Nr. 45 Gemeinsamer Ministerrat, Wien, 18. 10. 1889

! schreiben eliminiert werde; wobei er zugleich betont, daß die kgl. ung. Minister

| bei der heute hierüber gepflogenen Vorberatung sich mit dieser Weglassung

einverstanden erklärt hätten.  v=&quot;             ----

Ministerpräsident Graf Taaffe erklärt gleichzeitig, daß er für den Fall, daß

seiner Bitte nicht willfahrt und das Ah. Handschreiben in der vorliegenden

Form erlassen werden sollte, sich gezwungen sehen würde, sein Portefeuille in

die Hände Ah. Sr. Majestät zurückzulegen, welchem Vorgehen sicFvoraussicht-

lich auch seine übrigen Ministerkolleggn anschließen dürften.

Ministerpräsident v. Tis za bemerkt, daß die ungarischen Minister

ihrerseits zwar aus Rücksicht für die konstitutionellen Formen ein gewisses

Gewicht darauf gelegt hätten, daß der vom Ministerpräsidenten beanstandete

Passus in dem Ah. Handschreiben verbleibe, daß sie jedoch in Rücksicht darauf,

daß die Lage der diesseitigen Regierung die Eliminierung dieses Passus indirekt

erheische, sich mit der Weglassung desselben einverstanden erklärten. Seiner

Ansicht nach ändere letzteres aber nichts an der Pflicht der beiden Regierungen,

für den Inhalt des Ah. Handschreibens einzutreten, schon deshalb, weil für den

Fall, als einer der Minister damit nicht einverstanden wäre, er nach Erlassung

desselben nicht im Amte hätte bleiben können.

Der k. u. k. Minister des Äußern Graf Kälnoky hebt zu¬

nächst hervor, daß er den in Frage stehenden Passus als Ausdruck des Gedan¬

kens in diesem Ah. Sr. Majestät ehrerbietigst unterbreiteten Entwürfe aufge¬

nommen habe, daß, wenn auch die in Frage stehende Maßregel unbestreitbar

Ausfluß der Ah. Machtvollkommenheit des Obersten Kriegsherrn ist, Se.

1 k. u. k. apost. Majestät doch, bevor von dieser Machtvoflkommenheit Ge¬

brauch gemacht wurde, die Anschauung Seiner verantwortlichen Räte, und

Minister eingeholt habe. Er lege jedoch hierauf kein solches Gewicht, um nicht

gegenüber der Erklärungen des Herrn Ministerpräsidenten Grafen Taaffe auch

seinerseits der eventuellen Weglassung des betreffenden Satzes zuzustimmen.

Se. k. u. k. apost. Majestät können zwar die vom Ministerpräsi¬

denten Grafen Taaffe an den angefochtenen Satz geknüpften Bedenken in ihrer

Wesenheit nicht teilen, denn der bezogene Satz konstatiere nur eine Tatsache,

und wird in demselben nicht von einer Zustimmung, sondern bloß von der

Anhörung der gemeinsamen Minister wie der beiden Ministerpräsidenten ge¬

sprochen. In diesem Sinne habe auch Allerhöchstseine k. u. k. apost. Majestät

den in Frage stehenden Satz anstandslos akzeptiert. In Anbetracht jedoch der

I Tragweite, welche diesem Satze von seiten des Ministerpräsidenten und dem

j diesseitigen Gesamtministerium beigelegt wird, nehmen Se. k. u. k. apost. Maje-

I stät keinen Anstand, auch Allerhöchstihrerseits in die Weglassung dieses Satzes

| zu willigen, sprechen aber zugleich die positive Erwartung aus, daß, wenn die

i in Beratung stehende Verfügung in dieser Form erlassen wird, jedenfalls doch

beide Regierungen mit voller Entschiedenheit für dieselbe eintreten werden.

Dies wird auch von seiten der bgideiL Herrn Ministerpräsidenten in der

bündigsten Form zugesichert.

Ministerpräsident Graf Taaffe erachtet es ferner für dringend

geboten, um jeder möglichen Irredeutung zu begegnen und einer kaum hintan-
<pb/>Nr. 45 Gemeinsamer Ministerrat, Wien, 18. 10. 1889  471

zuhaltenden ernsten Beunruhigung weiterer Kreise vorzubeugen, in dem zu
erlassenden Handschreiben die Unantastbarkeit der Einheitjund Untrennbar¬
keit der gemeinsamen Armee als eine für alle Zeiten enägültig-festgestellte,
unverrückbare Tatsache hinzustellen und zugleich in betreff der Embleme und
des Eides der gemeinsamen Armee einen dasselbe betonenden Passus in das zu
verfassende Handschreiben einzufügen. Es würde dies in die weitesten Kreise
in dieser wichtigsten Frage eine volle Beruhigung tragen, und bittet er, diese
seine Anregung tunlichst zu berücksichtigen.

   Ministerpräsident v. Tisza gibt seiner ernsten Befürchtung dar¬
über Ausdruck, daß ein Herausheben einzelner Detailfragen Tn der von dem
Herrn Ministerpräsidenten intendierten Weise die Frage ernstlich komplizieren
und speziell in Ungarn eine bedenkliche Diskussion hervorrufen würde. Er
glaubt seinerseits insbesondere davor entschieden warnen zu müssen, daß die
Frage der Fahnen und Embleme sowie des Eides der Armee gerade im gegen¬
wärtigen Momente und im Konnexe mit der in Beratung stehenden Verfügung
vom Throne aus gestellt werde, und bittet daher, von der vom Herrn Minister¬
präsidenten Graf Taaffe gestellten Anregung abzusehen.

   Minister des Äußern Graf Kälnoky glaubt, es sei in der ohne¬
hin schwierigen Situation eine Hauptsache, daß bei der Durchführung der
Maßregel keiner der beiden Regierungen neue, nicht absolut hineingehörige
Schwierigkeiten bereitet werden. Die von dem Herrn Ministerpräsidenten dar¬
gelegten Motive und ausgesprochenen Besorgnisse sind gewiß vollkommen
berechtigt, da die von ihm angeregten Fragen von der Opposition immer wieder
aufgeworfen werden können. Ungeachtet dessen hat auch er das Gefühl, daß
es für die Sache nicht vorteilhaft, ja geradezu bedenklich wäre, die Fahnen- und
Eidesfrage in das Ah. Handbillet hineinzutragen. Er würde es der Sache viel
zuträglicher halten, wenn diese Fragen von seiten des Herrn kgl. ung. Minister¬
präsidenten bei einer sich im ungarischen Parlamente gewiß darbietenden Gele¬
genheit mit Entschiedenheit abgetan würden, wodurch in allen Kreisen der
diesseitigen Bevölkerung das von Seite des Herrn Ministerpräsidenten, Grafen
Taaffe, bei seinem Anträge ins Auge gefaßte Resultat der Beruhigung am besten
erreicht werden würde.

   Reichskriegsminister Freiherr v. Bauer kann es sich absolut
nicht denken, daß die Frage der Embleme und des Eides der gemeinsamen
Armee, welcher sich allerdings einzelne Agitatoren zu ihren wühlerischen Zwek-
ken bemächtigen dürften, an die maßgebenden pohtischen Faktoren in einer
solchen Gestalt herantreten könnten, daß sich die Regierungen selbst mit den¬
selben ernstlich beschäftigen müßten. Es wäre dies eine solche Erschütterung des
ganzen Wesens der Einheit und der Kraft der gemeinsamen Armee, daß in einem
solchen Falle niemand mehr die Vertretung der Armee auf sich nehmen könnte.
Er glaubt daher schon von diesem Gesichtspunkte aus, daß es nicht zweckmäßig
wäre, diese außer Diskussion stehenden Fragen hier eigens zu relevieren, da sie
sich dann in den parlamentarischen Kreisen sowohl wie in der Öffentlichkeit erst
recht geltend machen würden.

   Reichsfinanzminister v. Kallay spricht seine Anschauung dahin
<pb/> 472 Nr. 45 Gemeinsamer Ministerrat, Wien, 18. 10. 1889

 aus, daß die Einheitlichkeit und Untrennbarkeit der gemeinsamen Armee,
 welche in der beiderseitigen Gesetzgebung außer Zweifel gestellt ist, bereits alles
 in sich enthält, und daß daher auch die Aufwerfung dieser Fragen gerade im
 gegenwärtigen Zeitpunkte und bei diesem Anlasse nicht angezeigt wäre. Auch
 er hält es für viel besser und wirksamer, wenn die kgl. ung. Regierung, sobald
 sich der Fall hiezu ergibt, die Unantastbarkeit dieser Fragen mit ganzer Ent¬
 schiedenheit zum Ausdrucke bringt.

    S®- k- u- k. apost. Majestät konstatieren zunächst, daß Aller-
 hochstdieselben die vorliegende Frage vom ersten Momente an konform der
 Anschauung fast aller Mitglieder der Konferenz in dem Sinne aufgefaßt haben,
 daß dieselbe einfach und rein erhalten bleiben müsse und in dieselbe nichts
 Unnötiges hineingetragen werden dürfe. Das einfachste und richtigste wäre
 eigentlich das Hinausgeben eines, die künftige Bezeichnung des gemeinsamen
 Heeres normierenden Befehleschreibens. Jedenfalls müssen aber auch Aller-
 höchstdieselben jede über diesen Gegenstand hinausgehende Enuntiation in
 dem zu erlassenden Ah. Handschreiben als nicht zweckmäßig und daher auch
als nicht tunlich bezeichnen.

    Die Frage der Embleme und des Eides der Armee ist eine jeden Zweifel
ausschließende und unabänderlich feststehende, sie darf überhaupt nicht in
Frage gestellt werden. - Die Einheit und Untrennbarkeit der Armee ist schon
in dem vorliegenden Entwürfe des beabsichtigten Handschreibens mit Klarheit
und Entschiedenheit betont, so daß eine Steigerung kaum möglich wäre. Se.
k. u. k. apostJVIajestät würden demnach auch das Aufwerfen weiterer Fragen
für nicht rätlich, ja geradezu für gefährlich halten. Allerhöchstdieselben spre¬
chen jedoch die sichere Erwartung aus, daß für den Fall, als die Frage der
Fahnen und Embleme der Armee gelegentlich der Beantwortung der im ungari-
sehen Abgeordnetenhause gestellten Interpellation durch die Opposition aufge¬
worfen werden sollte, von seiten der ungarischen Regierung eine entschiedene
und unzweideutige Antwort in dem Ah. bezeichneten Sinne finden werde.

   Ministerpräsident v. Tisza gibt hierauf die bindende Erklärung
ab, daß die Beantwortung der vorgebrachten Interpellation im Sinne der ausge¬
sprochenen Erwartung Sr. k. u. k. apost. Majestät erfolgen werde.

   Se. k. u. k. apost. Majestät nehmen von dieser Erklärung des
Ministerpräsidenten von Tisza mit Freude und voller Befriedigung Akt und
betonen nur noch Allerhöchstdieselben, daß die bevorstehende Interpellations¬
beantwortung über die Monorer Fahnenaffäre2 als eine vollkommen unabhän¬
gige Sache mit dem heute in Behandlung stehenden Gegenstände in keinen
Zusammenhang gebracht werden dürfe.

   Ministerpräsident Graf Taaffe äußert noch einige Bedenken in
bezug auf den im Eingänge des Ah. Handschreibens bezogenen ,,historischen

       Im Laufe der 1889 stattgefmdenen Feldübungen wurden in Monor Truppen einquartiert. Sändor
       Molnar, ein später der Unabhängigkeitspartei angehörender Zeitungsredakteur, riß am 23.
       September vom Haus des Dorfschulzen die dort ausgesteckte schwarz-gelbe Fahne ab. Beschrei-
       bung des Falles: Tarr, A delibäbok orszaga 39-40.
<pb/>Nr. 45 Gemeinsamer Ministerrat, Wien, 18. 10. 1889      473

Gebrauch&quot; betreffend die Benennung der Wehrmacht. Er fürchtet, daß viel¬

leicht in einzelnen Teilen des Reiches durch das Wort ,,Gebrauch&quot; historische

Reminiszenzen geweckt werden dürften, und daß man sich speziell in Pöhmen

leicht der Erinnerungen an die noch unter weiland der Kaiserin Maria Theresia

gebrauchte Bezeichnung ,,ungarisch und böhmische Armee&quot;3 zu Agitations¬

zwecken .bernächtigen könnte. ~

Nach einigen aufklärenden Gegenbemerkungen des Herrn k. u. k. Minister

des Äußern Grafen Kälnoky akzeptiert Ministerpräsident Graf Taaffe den

vorliegenden Text mit Hinweglassung des Passus ,,nach Anhörung etc. etc.&quot;.

Se. k. u. k. apost. MajesTät geruhen nuiTauf die Frage überzuge¬

hen, wann die Publikation der beschlossenen Verfügungen zu erfolgen hätte?

Ah. Se. Majestät haben Sich Selbst die Frage gestellt: ob diese Publikation

der bevorstehenden Interpellationsbeantwortung im ungarischen Abgeordne¬

tenhause vorauszugehen oder derselben nachzufolgen habe? Schließlich seien

Allerhöchstdieselben zu der Anschauung gelangt, daß eine tunlichst beschleu¬
                                                    TM
nigte Verlautbarung sich empfehlen würde.

Sowohl der kgl. ung. Ministerpräsident v. Tisza als auch der

k. u. k. Reichs kriegsmini ster sprechen sich für eine tunlichst rasche

Publikation aus und würde speziell Ministerpräsident v. Tisza ein großes Ge¬

wicht darauf legen, daß diese Publikation der Interpellationsbeantwortung

vorausgehe, damit, wenn letztere zu erregten Debatten oder irgendwelchen

leidenschaftlichen Agitationen durch die Opposition Anlaß geben sollte, nicht

der Schein entstehe, als sei die neue Benennung der Armee ein unter diesem

Drucke entstandenes Zugeständnis.

Se. k. u. k. apost. Majestät geruhen hierauf auszusprechen, daß

Allerhöchstdieselben die beiden in Frage stehenden Aktenstücke mit dem Da¬

tum von 17. Oktober noch im Verlaufe des heutigen Tages ausfertigen, lassen

werden, wobei Ällerhöchstdieselben noch besondersliefvorhoben, wienach die

ganze Angelegenheit vielleicht die eine gute Seite habe, daß sie einen neuerlichen

Anlaß geboten, die Einheit und Untrennbarkeit der gemeinsamen Armee wieder

einmal als gesetzlich feststehend und mit voller Entschiedenheit zu betonen.

Es wird hierauf die Publikation der Ah. Emanationen in den beiden Amts¬

blättern Vom 20. Oktober beschlossen.

   Se. k. u. k. apost. Majestät wollen bei diesem Anlasse, wo eben
beide Ministerpräsidenten anwesend sind, die Gelegenheit dazu benützen, um
noch einen andern Gegenstand, welcher Allerhöchstdenselben zur Schlußfas¬
sung vorliegt, zur Beratung zu bringen; es ist dies der Gesetzentwurf, welcher
den beiden Legislativen in bezug auf die neuerliche Votierung der Dotation für
den Ah. Hof vorgelegt werden soll. Allerhöchstseine Majestät heben hiebei
besonders hervor, daß in dem bezüglichen Gesetze die Dotation Allerhöchstdes-

3 Vgl. Archivalische Erhebungen über die Benennung der Truppen als ,,kaiserlich-königlich&quot;,
       KA., MKSM. 38-1/6 ex 1889.
<pb/>474 Nr. 46 Gemeinsamer Ministerrat, Wien, 26. 4. 1890

 selben ad personam unter der ausdrücklichen Anführung des Ah. Namens auf
 10 Jahre bewilligt werden solle.

    Abgesehen nun ganz davon, daß die bezügliche Textierung speziell in dem
 die diesseitige Reichshälfte betreffenden Gesetze in bezug auf die Sanktionie¬
 rungsklausel etwas eigentümlich erscheint, ergebe sich aus dem Texte des Geset¬
zes die Konsequenz, daß dieselbe für den Fall, daß ein Thronwechsel eintreten
würde, welcher in Hinblick auf die zehnjährige Dauer des Gesetzes immerhin
in Betracht gezogen werden müsse, für Allerhöchstihren Nachfolger die Geltung
verlieren würde und derselbe eigentlich ohne Staatsdotation bliebe. Se. k. u. k.
apost. Majestät erachten diese Bedenken doch hier zur Sprache bringen zu
müssen.

    Die beiden Ministerpräsidenten, welche die von Sr. k. u. k. apost.
Majestät berührte Eventualität ihrerseits gar nicht in das Auge fassen können,
berufen sich auf die einschlägigen Präzedenzfalle, welche dem ehrfurchtsvoll
unterbreiteten Gesetzentwurf in seiner Fassung nahezu eine historische Geltung
geben. Es sei das in Frage stehende Gesetz bereits dreimal in derselben Fassung
votiert worden. Es müssen demnach auch beide Ministerpräsidenten eine Ände¬
rung in der Textierung dieses Gesetzentwurfes entschieden abraten,4 um nicht
hiedurch eine prinzipielle Diskussion der Frage in den Legislativen zu provozie¬
ren. Se. k. u. k. apost. Majestät geruhen, in Hinblick auf die obi¬
gen Bemerkungen der beiden Herrn Ministerpräsidenten eine weitere Diskus¬
sion dieser Frage auf sich beruhen zu lassen, und schließen hierauf die Sitzung.

Ah. E. Ich habe den Inhalt dieses Protokolls zur Kenntnis genommen.
Wien, 4. November 1889. Franz Joseph.

Nr. 46 Gemeinsamer Ministerrat, Wien, 26. April 1890

     RS. (und RK.)
     Gegenwärtige: der k. k. Ministerpräsident Graf Taaffe (28. 4.), der kgl. ung. Ministerpräsident
Graf Szapäry (2. 5.), der k. u. k. gemeinsame Finanzminister v. Källay (28.4.), der k. u. k. gemeinsa¬
me Kriegsminister FZM. Freiherr v. Bauer (29. 4.), der k. k. Finanzminister Ritter v. Dunajewski
(30. 4.), der kgl. ung. Finanzminister Wekerle (4. 5.), der k. u. k. Marinekommandant Admiral
Freiherr v. Sterneck (1. 5.), der k. u. k. Sektionschef v. Szögyeny-Marich, der k. u. k. Generalinten¬
dant Ritter v. Röckenzaun, der k. u. k. Marinegeneralkommissär Kleemann.
    Protokollführer: Hof- und Ministerialrat Ritter v. Khu.
    Gegenstand: Delegationsvorlagen.

   KZ. 28 - RMRZ. 362
   Protokoll des zu Wien am 26. April 1890 abgehaltenen Ministerrates für
gemeinsame Angelegenheiten unter dem Vorsitze des k. u. k. gemeinsamen
Ministers des Äußern Grafen Kälnoky.

4 23/MT. Ung.MR. 18. 9. 1889. 5. Von der Ermittlung der Kosten der Ah. Hofhaltung für
        weitere 10 Jahre, OL., K. 27, Karton 45.
<pb/>