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Gemeinsamer Ministerrat, 30. 4. 1889

456 Nr. 42 Gemeinsamer Ministerrat, Wien, 30. 4. 1889

Nr. 42 Gemeinsamer Ministerrat, Wien, 30. April 1889

     RS. (und RK.)
     Gegenwärtige: der k. u. k. gemeinsame Minister des Äußern Graf Kälnoky (o. D.), der kgl. ung.
Ministerpräsident v. Tisza (10. 6.), der k. k. Ministerpräsident Graf Taaffe (6. 5.), der k u k
gemeinsame Finanzminister v. Källay (7. 5.), der k. u. k. gemeinsame Kriegsminister FZM. Freiherr
v. Bauer (10. 5.), der k. k. Finanzminister Ritter v. Dunajewski (o. D.), der kgl. ung. Finanzminister
Wekerle (3. 6.), der k. u. k. Marinekommandant Admiral Freiherr v. Sterneck (29.5.), der k u k
Sektionschef v. Szögyeny-Marich, der k. u. k. Sektionschef Lambert.
    Protokollführer: Hof- und Ministerialrat Ritter v. Khu.
    Gegenstand: Delegationsvorlagen.

   KZ. 31 - RMRZ. 358
   Protokoll des zu Wien am 30. April 1889 abgehaltenen Ministerrates für
gemeinsame Angelegenheiten unter dem Ah. Vorsitze Sr. Majestät des Kaisers.

    Se. k. u. k. apost. Majestät geruhen, nachdem der k. u. k. Mini¬
ster des Äußern Graf Kälnoky über Ah. Wunsch den allgemeinen Verlauf der
gestrigen und vorgestrigen Ministerkonferenzen berichtet hat, den Reichskriegs¬
minister zur Angabe der einzelnen Posten, die er zur Streichung beantragt hat,
aufzufordern, indem sich Allerhöchstdieselben noch die Entscheidung über die
einzelnen Posten Vorbehalten.

   Derk. k. Reichskriegsminister FZM. Freiherr von Bauer
erlaubt sich zu bemerken, daß er bei Feststellung der Abstriche es als Prinzip
angenommen habe, alle Punkte aufrechtzuhalten, von welchen nach seiner
Ansicht im Interesse der Schlagfertigkeit der Armee nicht abgegangen werden
könne. Es wären dies vor allem: die Aufstellung der 14 schweren Batterien, die
Aufstellung eines dritten Bataillons beim Eisenbahn- und Telegraphenregimen-
te, die Anschaffung neuartiger Kavalleriekarabiner und die Anforderungen für
die Kavalleriereitpferde. Als unmittelbar die Schlagfertigkeit nicht tangierend
und daher noch verschiebbar habe er bezeichnet:

    1. im Ordinarium:                                            21 000 fl.
                                                                150 000 fl.
   Das Mehrerfordernis infolge der öfteren Einberufung einzel¬   27 673 fl.
ner Reserveoffiziere zu den Waffenübungen
                                                                100 000 fl.
   von der Erhöhung des Erfordernisses für Waffenübungen
und Konzentrierungen pr. 300 000 fl. die Summe von

   Die Aufstellung der fünften Militär-Unterrealschule in Mar¬
burg

   Die Präliminierung des Erfordernisses für bauliche Herstel¬
lungen infolge von Elementarschäden, dann für die Desinfek¬
tion der Militärgebäude und für sonstige unvorhergesehene
Auslagen der Geniedirektionen
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2. im Extraordinarium:

   Titel 3, Punkt 3 Peterwardein, Assanierung der Festung etc.     44 000 fl.
   Titel 9, P. 2 Budapest, Bau von Magazinen                       80 000 fl.
   Titel 9, P. 3 Kaschau, Militärverpflegsetablissement           195 000 fl.
   Titel 10, P. 2 Przemysl, Permanierung der Festung              240 000 fl.
   Titel 26 Aufstellung einer fünften Militär-Unterrealschule in
Marburg                                                           126 368 fl.

   3. im Okkupationskredite:

Fortifikatorische Sicherung von Sarajevo                          50 000 fl.

4. in den Nachtragskrediten:

   Die in Post 5 einbegriffene Anforderung für ein Korpskom¬      200 000 fl.
mandogebäude in Przemysl per

   Se. k. u. k. apost. Majestät geruhen darauf hinzuweisen, daß die
Anforderung für Permanierung der Festung Przemysl pr. 240 000 fl. wohl nicht
als abstreichbar erscheine und der Reichskriegsminister diesen Abstrich noch
neuerlich werde in Erwägung ziehen müssen.

   Nachdem der k. k. Reichskriegsminister FZM. Freiherr v.
Bauer noch die von ihm in den beiden letzten Ministerkonferenzen gegebe¬
nen Aufklärungen über einzelne Punkte des Budgets rekapituliert hat, geruhen
Se. k. u. k. apost. Majestät die Frage zu stellen, ob die Transloka¬
tion des Korpskommando von Brünn nach Przemysl Anlaß zur Beanstandung
gegeben.

   Der k. k. Reichskriegsminister FZM. Freiherr v. Bauer
erlaubt sich zu erwidern, daß die Translokation selbst, deren Gründe er ausein¬
andergesetzt habe, zu einem Einwande nicht Anlaß gegeben habe, daß aber
allerdings über den Bau von Gebäuden in Przemysl und Jaroslau eine prinzipiel¬
le Differenz zwischen beiderseitigen Regierungen obwalte.

   Der kgl. ung. Ministerpräsident v. Tisza erlaubt sich im An¬
schluß hieran zu bemerken, daß der Bau der beanstandeten Gebäude, für die
zirka 520 000 fl. veranschlagt seien, auf Kosten des gemeinsamen Staatshaushal¬
tes mit Rücksicht auf den Wortlaut des Einquartierungsgesetzes vom Jahre
18791 seitens der ungarischen Regierung unmöglich zugegeben werden könne.
Schon die Permanierung der Baracken in Galizien aus gemeinsamen Mitteln
werde gewiß in der ungarischen Delegation angegriffen werden, doch lasse sich
diese immerhin noch rechtfertigen. Bei den Bauten in Przemysl und Jaroslau
wäre das aber ganz aussichtslos.

   Der k. u. k. Minister des Äußern Graf Kälnoky konstatiert,
daß nach den gestrigen Beratungen die Miete von Ubikationen zu den in Rede

i GA. XXXVI vom Jahre 1879 über die Einquartierung der gemeinsamen Armee (Kriegsmarine)
       und der Landwehr. Magyar Törv£nytär 1879-1880 148-178.
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stehenden Zwecken aus gemeinsamen Mitteln nicht den gleichen gesetzlichen
Bedenken begegnen.

   Se. k. u. k. apost. Majestät geruhen zu bemerken, daß die Miete
von Gebäuden jedenfalls die finanziell ungünstigste Maßregel sein würde, im
übrigen müsse diese Frage jedenfalls noch vor Einbringung des Budgets ausge¬
tragen werden.

   Der k. k. Reichskriegsminister FZM. Freiherr v. Bauer
erlaubt sich nun noch seine Ausführungen über die letzten Verhandlungen zu
beschließen, indem er hinweist, daß ein Abstrich von 6 000 000 fl. bzw. nach
Abrechnung des Abstriches in der Marine noch immer eine Abminderung von
zirka 5,3 Millionen in seinem Budget verlangt worden, während er mit seinem
Willen nur auf eine Abminderung von nicht ganz 11/2 Millionen eingehen
könnte, so daß die bedeutende Differenz von nahezu 4 Millionen übrigbleibe.

   Der kgl. ung. Ministerpräsident v. Tisza erbittet sich das
Wort, um über den von ihm in der letzten Ministerkonferenz beantragten
Abstrich im Marinebudget zu berichten. Er habe beantragt, den vom Marine¬
kommandanten angebotenen Abstrich im Ordinarium pr. 142 000 fl., den Ver¬
zicht auf die Nachtragskredite pr. 75 000 fl. zu akzeptieren und hiezu noch die
erste Rate für einen Rammkreuzer pr. 550 000 im Extraordinarium, also im
ganzen 767 000 fl. abzustreichen. Es wäre zwar wünschenswert gewesen, alle
ersten Raten vorläufig zu sistieren, aber wenigstens sollte die größte Rate,
welche noch dazu die weitere Ausgabe von 3 000 000 fl. in den nächsten Jahren
impliziert, sistiert werden. Im nächsten Jahre werde eine Anforderung für zwei
Schiffsbauten, die für dieses Jahr 480 000 fl. ausmachen, nicht mehr erscheinen,
dann lasse sich eher wieder die Erbauung eines neuen Schiffes in Erwägung
ziehen.

   Derk. k. Marinekommandant Admiral Freiherr v. Stern¬
eck erlaubt sich zu bemerken, daß er nach Durchsicht seines Budgets nur
einen Gesamtabstrich von 622 000 fl. ermöglichen könne, ohne die Fortentwick¬
lung des Systems der Marine zu beeinträchtigen. Es handle sich nur um die
Differenz von 145 000 fl., eine mit Rücksicht auf den angestrebten Zweck
geringe Summe.

   Der kgl. ung. Ministerpräsident v. Tisza bemerkt, daß es sich
um eine prinzipielle Frage handle, da der Marinekommandant bei seiner Auf¬
stellung die Belassung einer Rate für den Rammkreuzer im nächsten Budget
ermöglichen wolle, was gerade mit Rücksicht auf die hiedurch für die folgenden
Jahre implizierten Mehrauslagen verhindert werden solle. Im übrigen sei der
vom Marinekommandanten in Aussicht genommene Modus auch gefährlich,
weil die Delegationen möglicherweise zu den Abstrichen, die zugestanden wür¬
den, auch noch die erste Rate für den Rammkreuzer streichen könnten.

   Se k. u. k. apost. Majestät geruhen sich dahin auszusprechen,
daß der Marinekommandant es erwägen solle, die Summe von 145 000 fl.
vielleicht noch woanders zu ersparen.

   Der k. k. Finanzminister Ritter v. Dunajewski erbittet sich
nun das Wort zur Darlegung seines Standpunktes. Er habe die dermalige
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 Budgetvorlage nur mit großem Bedauern entgegengenommen. Nachdem man
 in den letzten Jahren außer dem gemeinsamen Budget und den Kosten der
 Landesverteidigung noch für militärische Zwecke nahezu 70 000 000 aufge¬
 bracht habe, konnte immerhin erwartet werden, daß endlich eingehalten und
auch die anderen großen Zweige der Staatsverwaltung, die schließlich auch ihre
 Existenzberechtigung haben, berücksichtigt werden könnten. Nun stehe aber
die Finanzverwaltung wieder vor der Notwendigkeit, ganz unerwartete Über¬
schreitungen in solcher Höhe zu bedecken. Er halte sich für verpflichtet, auf die
Unmöglichkeit der Erfüllung solcher Anforderungen, die jede geordnete Staats¬
wirtschaft untergraben, hinzuweisen. Abgesehen von der wirtschaftlichen Not¬
lage im allgemeinen sei auch das laufende Staatseinkommen gefährdet, da im
Reichsrate auf die endliche Erledigung von Gesetzesvorlagen gedrängt werde,
die eine Ermäßigung der direkten Steuern zur Folge haben werden. Nun sei ihm
auch vom Landesverteidigungsministerium eine Anforderung von 6 000 000 fl.
für das kommende Jahr in Aussicht gestellt. Er müsse erklären, daß er letztere
nicht bedecken könne, wenn nicht im gemeinsamen Budget ein entsprechender
Betrag abgestrichen werde.

   Der k. u. k. Minister des Äußern Graf Kälnoky würdigt

vollkommen die Berechtigung der Einwände der beiderseitigen Finanzverwal¬
tungen gegen die Anforderungen von ihrem Standpunkte aus, allein die Lage
sei leider tatsächlich eine solche, daß ein Stillhalten in der Entwicklung der
Armee nicht möglich und auch eine Änderung in der Situation nicht für die
nächste Zeit zu erwarten sei. Die Maßregeln, die durch die Verhältnisse über
unserer Grenze hervorgerufen wurden, müssen weiter erhalten und entwickelt
werden. Alle Nachrichten zeigen, daß die Vermehrung der Truppen in Rußland
in den Grenzgebieten gegen Deutschland und Österreich-Ungarü eine sehr
bedeutende ist, und daß auch die Fortifikationen in den westlichen Gouverne¬
ments Rußlands fortgesetzt werden. Politisch ist die Situation wohl ruhiger,
aber vielleicht nur insoweit, als die Tendenz besteht, die Lage militärisch auf die
Spitze zu treiben. Es werden sich massierte Armeen gegenüberstehen, und ein
Inzidenzfall kann alles zur Entscheidung bringen. Die Zeit, die die Russen zur
Mobilisierung brauchen, nimmt immer mehr ab, so daß die Verpflichtung zur
rechtzeitigen Avisierung von einer drohenden Gefahr nicht mehr übernommen
werden könne. Erwägungen letzterer Art haben es auch veranlaßt, daß mit der
Konsumtion der Verpflegsvorräte im Jahre 1888 nicht vorgegangen werden
konnte.

   Derk. k. Finanzminister Ritter v. Dunajewski weist darauf
hin, daß diese Ersparung im gemeinsamen Ministerrate unter Zustimmung der

gemeinsamen Minister gegen die Zusage beschlossen wurde, daß beide Regie¬
rungen im Falle der Gefahr der Kriegsverwaltung sofort jene Summe zur
Verfügung stellen werden, die zur Ersetzung der verbrauchten Naturalvorräte
nötig ist.2

2 GMR. v. 27. 9. 1887, RMRZ. 344.
<pb/>460 Nr. 42 Gemeinsamer Ministerrat, Wien, 30. 4. 1889

   Auf die hieran gefügte Bemerkung des kgl. ung. Ministerpräsi¬
denten v. Tisza, daß durch diese Nachtragsforderung das Vertrauen in
die im heurigen Budget beantragte analoge Ersparung sehr erschüttert würde,
geruhen Se. k. u. k. apost. Majestät zu erwidern, daß Allerhöchst-
derselbe diese Ersparungen immer als eine höchst problematische angesehen
habe. Was die Ausführungen der Vertreter der beiden Regierungen einerseits
und der Kriegsverwaltung andererseits anbelange, so sei die Berechtigung beider
Teile nicht anzuzweifeln; angesichts der militärischen Situation, welche durch
die Fortsetzung der russischen Truppenanhäufungen jedenfalls seit vorigem
Jahre eine schlechtere geworden sei, wäre aber den Beschwerden schwer abzu¬
helfen.

   Derkgl. ung. Ministerpräsident v. T i s z a erlaubt sich nun dar¬
auf hinzuweisen, daß eine sehr bedeutende Entlastung des Budgets pro 1890 -
um 2 Millionen Gulden - schon dadurch erzielt würde, wenn zwei Drittel der
Anforderung für Kavalleriekarabiner auf das Präliminare pro 1891 verschoben
würden. Durch diese budgetäre Maßnahme kann die Schlagfertigkeit der Armee
in keiner Weise tangiert werden, da ja die Kavalleriekarabiner jedenfalls in den
letzten Monaten des Jahres 1890 hergestellt und die Bewilligungen pro 1891
Anfang des letzteren Jahres flüssig seien.

   Der k. k. Reichskriegsminister FZM. Freiherr v. Bauer
wiederholt die Gründe, welche die Fertigstellung der Kavalleriekarabiner im
unmittelbaren Anschlüsse an die neuartigen Infanteriewaffen notwendig ma¬
chen, und bemerkt, daß er die Sicherheit haben müßte, Anfang 1891 die nötige
Summe zur Verfügung zu haben.

   Der kgl. ung. Ministerpräsident v. Tisza erwidert, daß eine
absolute Sicherheit allerdings mit Rücksicht auf den Umstand, daß keine Dele¬
gation die nächste durch ihre Beschlüsse binden könne, nicht gegeben werden
könnte; aber die gleichen Verhältnisse hindern doch nicht, einen Bau auf Raten
zu beginnen, und ebenso könne jetzt ausdrücklich die erste Rate für Herstellung
der Karabiner angesprochen werden.

   Se. k. u. k. apost. Majestät geruhen sich dahin auszusprechen,
daß es Sache des Reichskriegsministers sei, diese Anregung in Erwägung zu
ziehen und bei den nächsten für Ende dieser Woche in Aussicht stehenden
Konferenzen darüber zu berichten.

   Se. k. u. k. apost. Majestät geruhen hierauf die Sitzung zu schließen.

Ah. E. Ich habe den Inhalt dieses Protokolls zur Kenntnis genommen.
Wien, 6. Juni 1889. Franz Joseph.
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