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Gemeinsamer Ministerrat, 16. 4. 1887

I. Inanspruchnahme eines Teiles des mit dem Ah. sanktionierten Delegationsbeschlusse vom 7. März 1887 bewilligten Eventualkredites

Siehe PDF-Daten https://hw.oeaw.ac.at/ministerrat/serie-2/oe_hu_mrp_IV/pdf/oe_hu_mrp_IV_z23.pdf.

Nr. 23 Gemeinsamer Ministerrat, Wien, 16. 4. 1887                     337

heimb und der kgl. ung. Landesverteidigungsminister FML.
Freiherr v. Fejerväry berichten über den Stand der Angelegenheit
und die Ursachen, die bisher eine Verzögerung derselben veranlaßt haben.

   Se. k. u. k. apost. Majestät geruhen zu genehmigen, daß zur Er¬
ledigung der Sache in der Art vorgegangen werde, daß, mit Rücksicht auf, den
Umstand, als dieselbe eben im ungarischen Ministerrate pendent sei,3 sofort
nach Rückkehr der königlich ungarischen Minister der ausstehende Beschluß
gefaßt, der diesseitigen Regierung mitgeteilt und sohin in direkter Zusammen-
tretung der beteiligten beiderseitigen Minister die noch schwebenden Schwierig¬
keiten ausgetragen und der Text der Verordnung festgestellt werde, wenn auch
bis zur Durchbringung des zur Unterstellung der Fuhrleute unter die Militärju¬
risdiktion in Ungarn fehlenden Gesetzes von jeder Herausgabe der Verordnung
abgesehen werden müßte.4

   Der kgl. ung. Landesverteidigungsminister FML. Frei¬
herr v. Fejerväry erbittet sich schließlich noch das Wort, um mit
Rücksicht auf die beabsichtigte Gründung einer Gewehrfabrik in Ungarn das
Ersuchen auszusprechen, daß seitens der Kriegsverwaltung baldmöglichst be¬
kanntgegeben werde, in welchem Ausmaße und in welcher Zeitfrist sie eventuell
auf Lieferung einer Partie der neuen Gewehre seitens der gedachten Fabrik
reflektiere.

   Reichskriegsminister FZM. Graf Bylandt bemerkt, daß er
dermalen sich in dieser Hinsicht nicht definitiv aussprechen könne, daß aber im
Hinblick darauf, daß die Unternehmer der Fabrik erst in dreieinhalb Jahren
liefern zu können erklärt hätten, in welcher Zeit er hoffe, den ganzen Bedarf an
Repetiergewehren bereits fertiggestellt zu haben, er kaum in der Lage sein
werde, auf die Leistungen der projektierten Fabrik Rücksicht nehmen zu kön¬
nen.

   Se. Majestät geruhen hierauf die Sitzung zu schließen.

Ah. E, Ich habe den Inhalt dieses Protokolles zur Kenntnis genommen.
Budapest, 7. März 1887. Franz Joseph.

   Nr. 23 Gemeinsamer Ministerrat, Wien, 16. April 1887

    RS. (und RK.)
    Gegenwärtige: der kgl. ung. Ministerpräsident v. Tisza (27. 4.), der k. k. Ministerpräsident Graf
Taaffe (22. 4.), der k. u. k. gemeinsame Kriegsminister FZM. Graf Bylandt (3. 5.), der k. u. k.
gemeinsame Finanzminister v. Källay (23. 4.), der k. k. Finanzminister Ritter v. Dunajewski
(23. 4.).

        2/MT. Ung.MR. v. 14. 1. 1887. 8. Der Gesetzesantrag und die Verordnung bezüglich der
        Kriegsleistungen, OL., K. 27, Karton 41.
4 4/MT. Ung.MR. v. 4. 2.1887. 3. Gesetzesantrag über die notwendigen Maßnahmen anläßlich
        einer Mobilisierung, OL., K. 27, Karton 42.
<pb/>338 Nr. 23 Gemeinsamer Ministerrat, Wien, 16. 4. 1887

     Protokollführer: Hof- und Ministerialrat Ritter v. Khu.
     Gegenstand: Inanspruchnahme eines Teiles des mit dem Ah. sanktionierten Delegationsbe-
 schlusse vom 7. März 1887 bewilligten Eventualkredites.

    KZ. 31 - RMRZ. 339
   Protokoll des zu Wien am 16. April 1887 abgehaltenen Ministerrates für
gemeinsame Angelegenheiten unter dem Vorsitze des k. u. k. gemeinsamen
Ministers des Äußern Grafen Kälnoky.

   Der Vorsitzende eröffnet die Sitzung, indem er auf die den beiderseiti¬
gen Ministerpräsidenten über den Beratungsgegenstand zugegangenen Noten
des Reichskriegsministers hinweist1 und letzteren ersucht, die etwa noch seitens
der Mitglieder der beiden Regierungen gewünschten weiteren Aufklärungen zu
erteilen.

   Derkgl. ung. Ministerpräsident v. Tisza bemerkt, daß ihm al¬
lerdings solche Aufklärungen notwendig erscheinen, u. zw. in erster Linie im
Hinblick auf die Beantwortung der Frage, ob und inwieweit sich nach den
Voraussetzungen, an welche in dem Ah. sanktionierten Delegationsbeschlusse
vom 7. März2 die Inanspruchnahme des Eventualkredites geknüpft worden sei,
die dermalige Verwendung der vom Kriegsministerium beanspruchten Posten
rechtfertigen lasse. Der k. k. Ministerpräsident Graf Taaffe
schließt sich dieser Frage an.

   Der k. k. Reichskriegsminister FZM- Graf Bylandt be¬
merkt, daß er die einzelnen Posten, um die es sich handle, in einer Beilage seiner
Note mitgeteilt habe, und stellt die Anfrage, ob er alle diese Posten besprechen
solle oder nur bezüglich einzelner Aufklärungen gewünscht würden.

   Derk. k. Finanzminister Ritter v. Dunajewski weist darauf
hin, daß das, um was es sich vor allem handle, die Beantwortung der allgemei¬
nen Frage sei, ob wirklich der Fall eingetreten sei, für welchen nach dem
Wortlaute des Delegationsbeschlusses die Inanspruchnahme des Eventualkredi¬
tes in Aussicht genommen worden sei?

   Im Einklage mit dem in der Ministerkonferenz unter Ah. Vorsitze gefaßten
Beschlüsse sei sowohl in der Regierungsvorlage als in dem betreffenden Be¬
schlüsse der Delegation ausdrücklich diese Anspruchnahme an den Fall ,,unab¬
weisbarer und dringender Notwendigkeit&quot; geknüpft, und es sei in dem Budget-
ausschusse der Delegation seitens des Herrn Kriegsministers auch versichert
worden, daß die aus diesem Eventualkredit zu bestreitenden Vorkehrungsma߬
regeln nur nach Maßgabe eintretender tatsächlicher Notwendigkeit und Dring¬
lichkeit eventuell sukzessiv durchzuführen seien, sowie die Gefahr einer Bedro¬
hung der Monarchie deutliche Konturen annehmen sollte. In analoger Weise

       12/MT. Ung.MR. v. 17. 4.1887. 1. Über Inanspruchnahme eines Teiles des Kredites, welcher
       für außerordentlichen Kriegsbedarf votiert wurde, OL., K. 27, Karton 42. - Siehe noch den
       Brief Kälnokys v. 26. 4. 1887, HHStA., PA. I, 562.
       Kolmer, Parlament und Verfassung in Österreich Bd. 4, 52-54.
<pb/>Nr. 23 Gemeinsamer Ministerrat, Wien, 16. 4. 1887  339

sei auch seitens der k. k. Regierung im Budgetausschusse die Regierungsvorlage
betreffend die Bedeckung der von der Delegation bewilligten Kredite begründet
und speziell die vom Ausschüsse beabsichtigte Teilung der beiden Summen
durch die Versicherung hintangehalten worden, daß von dem Eventualkredite
nur, wenn die Kriegsgefahr nähertreten würde, Gebrauch gemacht werden solle.
Sobald nun, wie dies schon wegen der Beschaffung der Gelder unvermeidlich ist,
der Beschluß der Ministerkonferenz über die Inanspruchnahme eines Teiles des
Kredites bekannt werden dürfte, müsse notwendigerweise mit Rücksicht auf die
obigen Erklärungen der Glaube im Publikum auftreten, daß die Kriegsgefahr
eine nähere geworden sei, und jedenfalls müsse die k. k. Regierung gefaßt sein,
Anfragen im Parlamente darüber zu beantworten, welche Gründe sie im Hin¬
blick auf den Text der Delegationsbeschlüsse zur Erteilung der Genehmigung
zur Inanspruchnahme des Kredits veranlaßt hätten. Es wäre also vor dem
Eingehen in die Einzelheiten der Anforderungen des Reichskriegsministers
notwendig zu wissen, ob die Situation wirklich eine solche sei, daß der im
Delegationsbeschlusse vorausgesehene Fall als eingetreten angesehen werden
könne.

   Der Minister des Äußern Graf Kälnoky bemerkt, daß, wenn
man die ganze politische Situation zusammenfasse, man allerdings nicht sagen
könne, daß die Kriegsgefahr jetzt näher gerückt sei als vor zwei Monaten,
dieselbe erscheine vielmehr im Augenblick weniger drohend, und sei gerade jetzt
eine merkliche Detente der gefahrdrohenden Lage eingetreten. In Rußland
scheine man, vielleicht mit Rücksicht auf innere Vorkommnisse, zu erkennen,
wie gefährlich es wäre, sich in einen großen Krieg einzulassen.3 Die allgemeinen
Verhältnisse seien also wohl momentan solche, und auch in Deutschland sehe
man sie so an, daß eine unmittelbare Kriegsgefahr nicht bestehe.4 Dafür aber
könne heute noch niemand einstehen, daß diese Situation zu einem bleibenden
friedlichen Zustand führen werde; im Hinblick auf die noch immer fortbeste¬
henden Quellen der Unruhe müsse es als möglich angesehen werden, daß man
in kurzer Zeit wieder dort stehen werde, wo man in einigen Monaten gestanden
sei, und aus diesem Grunde sei es unumgänglich notwendig, die Armee in
demselben Zustande der Bereitschaft für alle Eventualitäten zu erhalten, den
man in den letzten Beratungen für erforderlich erachtet habe. Wenn die allge¬
meine Lage also auch keine Erhöhung der Kriegsvorbereitungen bedinge, so
müsse doch jede Verminderung derselben ausgeschlossen werden, insbesondere
erscheine ein jäher Abbruch der bereits eingeleiteten Maßnahmen, durch welche
die Wirkung der letzteren überhaupt in Frage gestellt werden könne, kaum
möglich.

   Dem k. k. Ministerpräsident Graf Taaffe erscheint als not¬
wendig, gerade den von dem Minister des Äußern hervorgehobenen Umstand,
daß eine bleibende Beruhigung der Lage noch nicht in Aussicht gestellt werden

3 Vgl. Kälnoky an Wolkenstein v. 7. 5. 1887, HHStA., PA. I, 460.
4 Cants, Bismarck und Waldersee 202. - Mms, Das Leben des Kronprinzen Rudolf 359-364.
<pb/>340 Nr. 23 Gemeinsamer Ministerrat, Wien, 16. 4. 1887

könne, besonders ins Auge zu fassen. Unter diesen Verhältnissen werde es leicht
notwendig werden, vielleicht in dem nächsten Jahre wieder an die Delegation
mit der Forderung eines Eventualkredites heranzutreten. Wenn man nun der¬
malen sich nicht sehr genau an die Voraussetzungen halte, unter denen der
jetzige Kredit nicht nur bewilligt, sondern auch angesprochen worden sei, so
werde das Vertrauen der Vertretungskörper in analoge Zusicherungen der
Regierungen begreiflicherweise sehr abgeschwächt und kaum mehr ein Eventu¬
alkredit zu erhalten sein. Es handle sich darum, das Vertrauen der Vertretungs¬
körper für wichtige Eventualitäten der Zukunft zu erhalten, und schon aus
dieser politischen Rücksicht müsse er bitten, die Frage, inwieferne die dermalige
Inanspruchnahme des Kredits gerechtfertigt sei, auf das strengste zu beurteilen.

   Der kgl. ung. Ministerpräsident v. Tisza erklärt sein Einver¬
ständnis mit den obigen Ausführungen, indem er betont, daß im Augenblicke
nach den Aufklärungen des Ministers des Äußern die Kriegsgefahr nicht nur
nicht näher gerückt sei, sondern die Verhältnisse sich eher friedlicher gestaltet
haben. Wenn wirklich die Lage im Laufe der nächsten Zeit wieder kritischer
werden sollte, so werde eben auch erst dann der Moment gekommen sein, in
dem der Eventualkredit in Anspruch genommen werden könne.

   Der k. u. k. Reichsfinanzminister v. Källay glaubt auf zwei
Momente aufmerksam machen zu sollen, welche die anscheinend friedlichere
Situation plötzlich in ihr Gegenteil umwandeln können. Es sei dies einerseits die
Lage in Rußland, welche durchaus keinen sicheren Schluß auf die Entschließun¬
gen des Zaren infolge der letzteren inneren Vorkommnisse gestatten, anderer¬
seits die Unruhe und Ungeduld, welche in Bulgarien herrsche und einen Inzi¬
denzfall daselbst jeden Moment möglich, ja wahrscheinlich erscheinen lasse.
Diese Gefahren würden noch verstärkt durch das Herannahen der guten Jahres¬
zeit, welche kriegerische Entschlüsse und Unternehmungen begünstige. Mit
Rücksicht auf diese gefährliche Lage erscheine ihm die Durchführung der
Maßnahmen, die das Kriegsministerium vorschlage und die ja nur die Fortset¬
zung solcher Maßnahmen bezwecken, die eben bei bereits vorhandener Kriegs¬
gefahr nicht mehr erreichbar seien, unabweislich.

   Der k. k. Reichskriegsminister FZM. Graf Bylandt be¬
merkt, daß es immerhin richtig sein möge, daß dermalen die Situation ein
friedlicheres Ansehen habe, doch könne dies auch nur ein absichtlich hervorge¬
rufener Schein sein. Die Einflüsse, die in Rußland zur Geltung kommen, seien
nicht berechenbar. Als ein höchst beachtenswertes Symptom müsse er es anse-
hen, daß nach allen ihm vorliegenden verläßlichen Daten in Rußland und
insbesondere in Russisch-Polen Lieferungen von außerordentlichem Umfange
für den Monat Juli zu militärischen Zwecken ausgeschrieben worden seien.
Während in anderen Ländern das Frühjahr, sei in Rußland und besonders in
Russisch-Polen gerade der Monat Juli erst die Zeit, wo mit Rücksicht auf die
Wege etc. ernstlich an eine Kriegsführung gedacht werden kann. Diesen Monat
müßte man erst abwarten, um beurteilen zu können, was von der jetzigen
friedlichen Strömung zu halten sei. Die Vorsicht gebiete, sich auf den schlimm¬
sten Fall vorzubereiten. Wenn bei Abfassung der Vorlagen für die außerordent-
<pb/>Nr. 23 Gemeinsamer Ministerrat, Wien, 16. 4. 1887  341

liehe Delegationssession die Inanspruchnahme des Eventualkredites vom Ein¬
tritte gewisser Voraussetzungen abhängig gemacht worden sei, so sei hiebei doch
zunächst an die hauptsächlichsten Auslagen, welche der Periode, für welche
dieser Kredit bestimmt war, ihren Charakter aufprägen, aber nicht an die
notwendig werdende Flüssigmachung einzelner Summen zur Fortsetzung der
bereits im Gange befindlichen Maßnahmen gedacht worden. Bei Feststellung
der Summe von 23 Millionen sei das Kriegsministerium mit Rücksicht auf die
Schonung der Finanzen von dem Prinzip ausgegangen, nur die Auslagen für
diejenigen Objekte in diese Summe aufzunehmen, welche auch wirklich in drei
bzw. vier Monaten fertiggestellt werden könnten, es gehe aber nicht an, nun,
wo dies erfolgt sei, die Vervollständigung dieser Anschaffungen abzuschneiden.
Der Reichskriegsminister weist als Beispiel auf die neuen Munitionswägen hin,
von denselben seien 1800 Stück nötig; da in drei Monaten nur 900 fertig werden
konnten, habe er auch nur die Auslagen für diese 900 Stück in dem fixen Kredit
in Anschlag gebracht, deswegen müßten aber doch auch jetzt die noch weiter
nötigen 900 Stück beschafft werden. Die aufgestapelten Vorräte müßten in statu
quo erhalten, die Konserven, die aus verschiedenen Jahrgängen stammen, er¬
gänzt werden. Der Reichskriegsminister gibt diesfalls sowie über die Anforde¬
rungen für Anschaffung von Schuhwerk, von neuartigen Patrontaschen zu dem
Repetiergewehr eingehende Daten und schließt seine Ausführungen, indem er
erklärt, daß nach seiner Ansicht die Lage nicht eine so friedliche sei, um auf
diese Vorsorgen Verzicht leisten zu können. Sollten die beiden Regierungen sich
durch den Text der Delegationsbeschlüsse verhindert erachten, ihre Zustim¬
mung zu geben, so müßte an die Einberufung der Delegationen gedacht werden.

   Der k. k. Finanzminister Ritter v. Dunajewski konstatiert,
daß er in keiner Weise die Stichhältigkeit der Beleuchtung der auswärtigen
Situation durch den Reichsfinanzminister oder aber die Ersprießlichkeit der
vom Reichskriegsminister beantragten Maßnahmen anzweifle, daß aber insbe¬
sondere aus den Ausführungen des letzteren er nur eine Konsequenz ziehen
könne, daß man den 23-Millionen-Kredit seinerzeit zu nieder bemessen und in
Anbetracht der beabsichtigten Art der Verwendung des Eventualkredites die
Vorlage nicht richtig stilisiert habe. Nun aber befinde man sich einmal vor einer
ganz präzisen Gesetzesbestimmung, mit der man die beantragten Maßnahmen
in Harmonie setzen müsse, und er könne im Hinblicke auf die bevorstehende
Budgetdebatte nicht anders als seine Bitte um Angabe solcher konkreter Grün¬
de wiederholen, welche zur Rechtfertigung des Eintrittes des im Gesetze vorge¬
sehenen Falles tauglich wären.

   Auf die Bemerkung des Reichsfinanzministers v. Källay, daß
nach dem Texte des Gesetzes ja nicht die Angabe konkreter Gründe, die ja sogar
bei vorhandenen Gründen möglicherweise aus pohtischem Grunde ausgeschlos¬
sen werden müßte, sondern nur die allgemeine Erklärung der Regierung, daß
sie den Fall nach ihrer Verantwortung gegeben betrachte, genüge, erwidert der
k. k. Finanzminister Ritter v. Dunajewski, daß zur Abgabe
einer solchen Erklärung wenigstens den Regierungen selbst die Überzeugung
beigebracht werden müßte, daß es sich um den Fall der unäbweislichen und
<pb/>342 Nr. 23 Gemeinsamer Ministerrat, Wien, 16. 4. 1887

dringenden Notwendigkeit handle. Im übrigen müsse er bemerken, daß wenn
die Regierung auf eine Interpellation bloß erwidern würde, daß sie diesen Fall
nach ihrer Überzeugung gekommen erachtet, dies allseits als die Ankündigung
der imminenten Kriegsgefahr erachtet würde, was möglicherweise gerade für die
internationalen Beziehungen der Monarchie von größtem Nachteile wäre.

    Der Reichsfinanzminister v. Kä 11 ay weist darauf hin, daß mög¬
licherweise die vom Reichskriegsminister angeführte Tatsache der für Juli in
Rußland ausgeschriebenen Rüstungen als Begründung dienen könnte.

   Der Minister des Äußern Graf Kälnoky bemerkt, daß nach
seinen Wahrnehmungen unter den Delegierten allgemein schon die Überzeu¬
gung vorhanden war, daß es gar nicht möglich sein werde, den Eventualkredit
ganz intakt zu erhalten. Wenn es daher gelingen sollte, einen beträchtlichen Teil
dieses Kredites zu salvieren, so glaube er nicht, daß die Inanspruchnahme eines
Bruchteiles desselben irgend überraschen oder der Regierung eine schwierige
Position bereiten werde. Es handle sich dermalen somit wohl nur darum, die
Grenze zu. ziehen, bei der überhaupt eine Unterbrechung der Fortsetzung der
militärischen Maßnahmen möglich sei. Arbeiten, die bereits angefangen wurden
und die durch die Unterbrechung mehr oder weniger nutzlos werden würden,
könnten wohl keinesfalls eingestellt werden. In erster Linie gehörten hieher die
fortifikatorischen Bauten; auch seien sonst gewiß andere Auslagen, wie jene für
Konservierung der Vorräte etc., unzweifelhaft nötig.

   Derk. k. Ministerpräsident Graf Taaffe erklärt, daß er durch¬
aus die Richtigkeit der vorgebrachten Argumente, welche die Notwendigkeit der
Fortsetzung der eingeleiteten Maßnahmen erweisen sollen, anerkenne, er müsse
aber betonen, daß man sich einmal durch die Vorlage an die Delegationen an
eine ganz bestimmte Voraussetzung für die Inanspruchnahme des Eventualkre¬
dites gebunden habe, und wenn man aus irgendwelchen noch so triftigen Erwä¬
gungen hinausgehen wolle, so müsse man sich gegenwärtig halten, daß damit
das Gesetz tatsächlich verletzt werde und es weiter sich nicht nur um die Frage
handle, ob man die Macht habe, hiefür die Indemnität durchzusetzen. Gewiß
gebiete in gewissen Fällen das Staatswohl und die politische Notwendigkeit, die
Verantwortung für die Nichtberücksichtigung eines Gesetzes auf sich zu neh¬
men, aber es sei dies eine sehr ernste Sache, über die man sich klar sein müsse,
bevor man diesfalls einen Entschluß fasse.

   Der kgl. ung. Ministerpräsident v. Tisza bestätigt seinerseits
die Richtigkeit der vom Minister des Äußern gemachten Wahrnehmung, daß
unter den Delegierten eine vollständige Wahrung des Eventualkredites nicht
erwartet worden sei. Gerade aber dieser Zweifel habe es so schwer gemacht,
endlich jene Einmütigkeit zustande zu bringen, welche im Interesse der Sache
bei den Beschlüssen zu Tage getreten ist. Wenn nun die Vertretungskörper sich
getäuscht meinen sollten, so werde es unmöglich sein, künftighin einen Eventu¬
alkredit zu erlangen. Nach der Ansicht des Redners ist es für die Regierungen
unmöglich, ihre Zustimmung zur Außerachtlassung des Gesetzes zu geben, da
die einzigen Bedingungen, welche die Übertretung des Gesetzes rechtfertigen
könnten, nämlich die Unmöglichkeit, die Vertretungskörper zu berufen, und die
<pb/>Nr. 23 Gemeinsamer Ministerrat, Wien, 16. 4. 1887  343

unabweisbare Dringlichkeit der Sache fehlen. Unter diesen Umständen könne
wohl an die Inanspruchnahme des Eventualkedites in der vom Kriegsministe¬
rium beantragten Summe nicht gedacht werden. Wenn die Kriegsgefahr im
Laufe des Sommers wirklich nähertrete, so werden die Regierungen gewiß ohne
weiters nicht nur die jetzt angesprochenen 8 Millionen, sondern den ganzen
Eventualkredit bewilligen.

   Nach einigen Bemerkungen, die zwischen dem kgl. ung. Minister¬
präsidenten und dem Reichskriegsminister über die Verrechnung
der Ergänzung der Konserven und Mundvorräte gemacht wurden, ersucht der
erstere um Aufklärungen über die Fortifikationen.

   Reichskriegsminister FZM. Graf Bylandt gibt eine Aufzäh¬
lung der im Werke begriffenen fortifikatorischen Arbeiten unter Darlegung der
Gründe, welche eine Unterbrechung derselben unmöglich machen, indem er
zugleich über eine spezielle Anfrage des k. k. Finanzministers Ritter
v. Dunajewski die technischen Erwägungen ausführt, die mit Bezug auf
die exponierte Lage in Krakau es notwendig machen, daselbst schon jetzt
gewisse Arbeiten auszuführen, welche bei mehr im Lande gelegenen Festungen
einem späteren Stadium Vorbehalten werden können.

   Der kgl. ung. Ministerpräsident v. Tisza ersucht weiter um
Aufklärungen bezüglich der Ansprüche der Marine.

   Der Reichskriegsminister FZM. Graf Bylandt bemerkt, daß
mit Ausnahme des Ankaufes des vom Lloyd spontan hergestellten Torpedo-
schiffes, es sich ausschließlich um letzte Raten für bereits bewilligte Bauten
handle.

   Der kgl. ung. Ministerpräsident v. Tisza erklärt, daß diese
letzten Raten ebenso wie in früheren Fällen als Überschreitungen bei Vorlage
des regelmäßigen Marinebudgets zu beanspruchen wären.

   Der k. k. Finanzminister Ritter v. Dunajewski schließt sich
dieser Auffassung an, indem er bemerkt, daß auch die Bezahlung des Torpedo¬
bootes bis nach Erledigung des ordentlichen Marinebudgets verschoben werden
könnte.

   Nachdem noch der Reichskriegsminister FZM. Graf Bylandt
auf die Schwierigkeit dieser Gebahrung für die Marine mit Rücksicht auf den
Mangel einer Kassenreserve hingewiesen, wird zu der Beratung der Anforderun¬
gen für das Heer zurückgekehrt und erklären sowohl der kgl. ung. Mi¬
nisterpräsident v. Tisza und der k. k. Finanzminister Ritter
v. Dunajewski, daß nach ihrer Auffassung eventuell die Flüssigmachung
der zur Fortsetzung der fortifikatorischen Arbeiten nötigen Beträge aus dem
Eventualkredite mit Rücksicht auf die heute gegebenen Aufklärungen bewilligt
werden könnte. Der k. k. Finanzminister anerkennt die Richtigkeit der Bemer¬
kung des Ministers des Äußern, daß nach den Erwartungen, die in der Delega¬
tion an die Bewilligung des Eventualkredites geknüpft wurden, die Inanspruch¬
nahme eines kleinen Teiles desselben wohl gerechtfertigt werden könnte, doch
müßte die betreffende Summe weit unter der jetzt beanspruchten Zurückbleiben.
Im übrigen weist der k. k. Finanzminister darauf hin, daß ein definitiver Be-
<pb/>344 Nr. 24 Gemeinsamer Ministerrat, Wien, 19. 4. 1887

Schluß heute in keinem Falle gefaßt werden könnte, da jedenfalls noch nach dem
Wortlaute des Gesetzes die beiderseitigen Ministerräte einzuvernehmen wären.

    Derk. k. Reichskriegsminister FZM. Graf Bylandt erklärt,
daß er bei aller Berücksichtigung der Bedenken, die geäußert wurden, auf der
&#39; ungeschmälerten Bewilligung der von ihm angesprochenen Positionen im Inter¬
esse der Schlagfertigkeit des Heeres im Ernstfälle beharren müsse. Die Positio¬
nen seien auf das knappste berechnet, und es komme nur eine Post von 70 000
fl. in Abrechnung, nachdem Se. Majestät gestern die Bewilligung gegeben habe,
daß&#39;die für die erste Periode zur Waffenübung einberufenen Reservisten statt
für 28 Tage nur 13 Tage zu behalten seien.

   Der Vorsitzende bemerkt, daß die einander entgegenstehende gegen¬
sätzliche Auffassung eine Einigung in der heutigen Beratung wohl kaum erwar¬
ten lasse und daß daher vorerst nur über das weitere Vorgehen in der Sache
schlüssig zu werden sei.

   Die Konferenz einigt sich darüber, daß sich eine Fühlungnahme mit den
beiderseitigen Ministerräten und sodann eine Beratung des Gegenstandes unter
Ah- Vorsitz Se. Majestät als notwendig erweisen dürfte. Der Sitzung unter Ah.
Vorsitz hätte noch eine Konferenz im Ministerium des Äußern voranzugehen,
für welche eine noch näher zu bestimmende Stunde am Dienstag des 19. April
in Aussicht genommen wird.

   Die Sitzung wird hierauf geschlossen-
                                                                                       Kälnoky

Ah. E. Ich habe den Inhalt dieses Protokolls zur Kenntnis genommen.
Wien, 19. April 1887. Franz Joseph.

    Nr. 24 Gemeinsamer Ministerrat, Wien, 19. April 1887

     RS. (und RK.)
    Gegenwärtige: der kgl. ung. Ministerpräsident v. Tisza (20. 4.), der k. k. Ministerpräsident Graf
TaafFe (20. 4.), der k. u. k. gemeinsame Kriegsminister FZM. Graf Bylandt-Rheidt (3. 6.), der
k. u. k. gemeinsame Finanzminister v. Källay (22.4.), der k. k. Finanzminister Ritter v. Dunajewski
(o. D.), der k. u. k. Vizeadmiral Freiherr v. Stemeck (o. D.).
    Protokollführer: Hof- und Ministerialrat Ritter v. Khu.
    Gegenstand: Inanspruchnahme eines Teiles des mit dem Ah. sanktionierten Delegationsbe-
schlusse vom 7. März 1. J. bewilligten.Eventualkredites.

    RMRZ. 340
   Protokoll des zu Wien am 19. April 1887 abgehaltenen Ministerrates für
gemeinsame Angelegenheiten unter dem Vorsitze des k. u. k. gemeinsamen
Ministers des Äußern Grafen Kälnoky.

   Der Vorsitzende eröffnet die Sitzung, indem er unter Hinweis darauf,
daß man in der letzten Konferenz noch die vorgängige Fühlungnahme der
<pb/>