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Gemeinsamer Ministerrat, 25. 9. 1886

I. Gemeinsamer Voranschlag für 1887

Siehe PDF-Daten https://hw.oeaw.ac.at/ministerrat/serie-2/oe_hu_mrp_IV/pdf/oe_hu_mrp_IV_z15.pdf.

294 Nr. 15 Gemeinsamer Ministerrat, Budapest, 25. 9. 1886

gend zu wünschen, daß durch eine entgegenkommende Haltung in diesen für
Rumänien vitalen Fragen die Grundlage für die Ausgleichung der dort unleug¬
bar bestehenden Mißstimmung gegeben werde.

   Se. k. u. k. apost. Majestät geruhte hierauf die Sitzung zu schließen.

Ah. E. Ich habe den Inhalt dieses Protokolls zur Kenntnis genommen.
Wien, 26. Jänner 1886. Franz Joseph.

Nr. 15 Gemeinsamer Ministerrat, Budapest, 25. September 1886

    RS. (und RK.)
    Gegenwärtige: der kgl. ung. Ministerpräsident v. Tisza (5. 10.), der k. k. Ministerpräsident Graf
Taaffe (2. 10.), der k. u. k. gemeinsame Kriegsminister Graf Bylandt-Rheidt (4. 10.), der k. u. k.
gemeinsame Finanzminister v. Kallay (5. 10.), der k. k. Finanzminister v. Dunajewski (6. 10.), der
erste Sektionschef im k. u. k. Ministerium des Äußern v. Szögyeny (1. 10.), der Leiter der k. u. k.
Marinesektion Vizeadmiral Freiherr v. Stemeck (5. 10.), der Sektionschef im k. u. k. Kriegsministe¬
rium und Chef der Militärintendantur Lambert (5. 10.).
    Protokollführer: Ministerialrat Tarkovich.
    Gegenstand: Gemeinsamer Voranschlag für 1887.

   KZ. 70-RMRZ. 331
   Protokoll der am 25. September 1886 in Budapest abgehaltenen gemeinsamen
Ministerkonferenz unter dem Vorsitze des k. u. k. gemeinsamen Ministers des
Äußern Grafen Kälnoky.

   Nachdem die Sitzung eröffnet wurde, ergriff der öster. Finanzmini¬
ster v. Dunajewski das Wort. Er möchte vor Eintreten in die Verhand¬
lung des gemeinsamen Voranschlages eine Aufklärung über die politische Lage
erbitten. Zur Begründung dieser Bitte führt er an, daß angesichts der schwieri¬
gen finanziellen Lage, der man im Jahre 1887 entgegensieht, und des großen,
16 Millionen Gulden betragenden Mehraufwandes für die gemeinsamen Ausla¬
gen, der teils aus den Mehrforderungen, teils aus dem Zurückbleiben der Bedek-
kung resultiert, das Verlangen gerechtfertigt erscheint zu erfahren, inwiefern die
erhöhten Forderungen, wovon der Hauptteil auf das Heeresbudget entfallt,
durch die politische Situation begründet erscheinen. Tatsächlich herrsche in der
Bevölkerung eine Mißstimmung und Beunruhigung, mit welcher man - mag
dieselbe auch ungerechtfertigt sein - rechnen müsse. Die Bevölkerung will
erfahren, daß nachdem für die Heeresausrüstung in den letzten Jahren so
bedeutende finanzielle Opfer gebracht wurden, wie die politische Lage der
Monarchie beschaffen sei, für welche neuere Opfer verlangt werden. Sprecher
sei überzeugt, daß der Herr Minister des Äußern in den Delegationen diesbezüg¬
lich vollkommen beruhigende Aufklärungen wird geben können, die anderen
Minister aber befinden sich diesem Verlangen gegenüber bei ihrer parlamentari¬
schen Verantwortung in einer schwierigen Lage, da sie infolge der besonderen
<pb/>Nr. 15 Gemeinsamer Ministerrat, Budapest, 25. 9. 1886           295

Gestaltung der Yerfassungseinrichtungen der Monarchie über die auswärtigen
politischen Verhältnisse nur im geringen Maße authentisch unterrichtet sind.
Den Regierungen der beiden Teile der Monarchie falle die Aufgabe zu, auf die
Delegationen einzuwirken, daß der eingebrachte Voranschlag möglichst unver¬
ändert angenommen werde; dieselben müssen daher in der Lage sein, die
Befürchtungen, die hinsichtlich der Entwicklung der äußeren Verhältnisse der
Monarchie gehegt werden, zerstreuen zu können. Deshalb habe er sich erlaubt,
die Bitte zu stellen, daß zuförderst eine Aufklärung über die politische Situation

gegeben werden möge.
   Der Minister des Äußern Graf Kälnoky findet dieses Verlan¬

gen um so gerechtfertigter, als bei der Schwierigkeit, einen gemeinsamen Mini¬
sterrat einzuberufen, der Kontakt der beiderseitigen Ministerien tatsächlich ein

geringer ist.
   Der Herr Minister des Äußern erörtert dann, daß obwohl dem gemeinsamen

Ministerium die finanziellen Schwierigkeiten in beiden Teilen der Monarchie
bekannt sind und man sich vollkommen dessen bewußt ist, daß für das Heer
schon große Opfer gebracht wurden, die gemeinsame Regierung dennoch ge¬
zwungen ist, noch weitere Opfer für die Armee zu verlangen: da bei dem
fortdauernden Bestreben der anderen Mächte, ihre Heeresmacht auf das äußer¬
ste zu spannen, auch unsere Monarchie in dieser Hinsicht nicht Zurückbleiben
darf, soll die Monarchie ihre Großmachtstellung behaupten können. Die Politik
des Sprechers meidet die extremen Entschließungen, eben weil auch auf die
inneren Verhältnisse der Monarchie Rücksicht genommen werden müsse, allein
es könnte doch eine Phase eintreten, wo die Lebensbedingungen der Monarchie
angegriffen werden und wo die Monarchie dann ihre Stellung auch mit Waffen¬
gewalt verteidigen müßte, aund eben weil in diesem Falle alles darauf ankomme,
eine schlagfertige Armee zu haben, seien gewiß die bereits gebrachten Opfer und

die gestellten Anforderungen nicht umsonst gebracht.3
   Die gegenwärtige politische Lage sei nicht leicht zu definieren, da wir uns

eben mitten in einer Krise befinden. Was die öffentliche Meinung am meisten
beunruhigt, das ist, daß ein Gefühl der Unsicherheit hinsichtlich unserer Allian¬
zen und unseres Verhältnisses zu den übrigen Mächten Platz gegriffen hat.
Sprecher kann die Versicherung geben, daß tatsächlich in dieser Hinsicht sich
nichts verändert habe; das Bündnis mit Deutschland1 stehe innerhalb der Gren¬
zen, wie dasselbe geschlossen wurde, vollkommen aufrecht; das Verhältnis zu
Rußland sei ein solches, welches zur Aufrechterhaltung des Friedens von grö߬
ter Wichtigkeit ist, allein gebunden sind wir dieser Macht gegenüber nicht. Es
lasse sich nicht leugnen, daß in letzterer Zeit das Prestige Deutschlands einiger¬
maßen gesunken ist, wogegen dasjenige Rußlands und Frankreichs sich hob,
nicht zwar in der Wirklichkeit, aber in der öffentlichen Meinung, was haupt-

Einfügung Kälnokys.
Pribram, Die politischen Geheimverträge Österreich-Ungams 6-9.
<pb/>296 Nr. 15 Gemeinsamer Ministerrat, Budapest, 25. 9. 1886

sächlich den Erörterungen der deutschen11 Presse über das Verhältnis der
Mächte zueinander zuzuschreiben ist. Denn mag Rußland auch in Bulgarien
durch die Vertreibung des Fürsten Alexander2 momentan einige moralische
Erfolge errungen haben, so stehe es noch von einer dauernden Besitzergreifung
weit entfernt, da auch die Gesinnung der dortigen Bevölkerung in Rechnung zu
ziehen ist.

   Was zunächst unser Verhältnis zu Deutschland betrifft: so stehe dieses ganz
auf der alten Basis, nur müsse bemerkt werden, daß das Bündnis mit Deutsch¬
land niemals ein anderes als bloß ein defensives war, gegen einen uns provozie¬
renden Angriff. Die Beunruhigung jetzt in dieser Beziehung stamme daher, weil
die Bevölkerung diesem Bündnisse eine viel größere Tragweite zuschrieb3 und
sich in eine solche Auslegung dieses Verhältnisses hineinlebte, welche jetzt eine
gewisse Enttäuschung hervojruft, wenn deutscherseits erklärt wird, daß die
bulgarischen Angelegenheiten Deutschland nicht berühren. Tatsächlich aber sei
Deutschland nach dem Inhalte des Bündnisses nicht verpflichtet, für unsere
Interessen in Bulgarien einzustehen, ebensowenig wie wir für Deutschland
gegenüber Frankreich eintreten müßten. Die Haltung Deutschlands wird durch
seine eigenen Interessen bestimmt in Hinblick auf sein Verhältnis zu Frankreich.
Deutschland sieht mit Unbehagen die Entwicklung der französischen Kriegs¬
macht: alle Versuche, ein besseres Verhältnis zwischen beiden Reichen dauernd
herzustelleh, blieben erfolglos, und die Revanchegelüste in Frankreich gewinnen
neuerer Zeit wieder an Stärke, so daß Deutschland mit Grunde befürchten
müsse, daß bei einer jeden Komplikation, in welche Deutschland gerät, Frank¬
reich ihm feindlich gegenüberstehen wird. Daher das Bestreben Deutschlands,
Rußland für sich freundlich zu stimmen, um es von einem Bündnisse mit
Frankreich abzuhalten; daher auch seine Bestrebungen, zwischen uns und
Rußland das gute Verhältnis aufrechtzuerhalten.4 Die Versuche in dieser Bezie¬
hung auf Ausgleichung der Interessengegensätze blieben aber erfolglos, weil wir
wohl sicher unserer Vertragstreue sind, aber die Versprechungen Rußlands nur
mit Mißtrauen entgegennehmen können.5 Tatsächlich also sind wir in betreffder
Wahrung unserer Interessen auf der Balkanhalbinsel auf uns selbst angewiesen,
und die Lage ist in dieser Beziehung in Hinsicht der Haltung der übrigen Mächte
keineswegs günstig.

   Auf England könnte man nicht rechnen, außer es wäre dasselbe schon in eine
Aktion eingetreten, nachdem England neuerer Zeit von der richtigen Grundidee
der früheren englischen Politik, daß Indien in Konstantinopel verteidigt werden
muß, abgewichen ist. Auch müsse in Rechnung gezogen werden, daß das

b Einfügung Kälnokys.

1 Am 21. August 1886. Vgl. Das Tagebuch des österreichisch-ungarischen Generalkonsuls in Sofia
        Istvän Buriän. Eintragung vom 21. August 1886. Das Tagebuch befindet sich im Privatbesitz.

3 Die grosse Politik Bd. 5, 123.
4 Ebd. 149-150.
5 Kaiser Franz Joseph an Kälnoky v. 26. 7. 1884, HHStA., PA. I, Karton 460.
<pb/>Nr. 15 Gemeinsamer Ministerrat, Budapest, 25. 9. 1886  297

englische Ministerium infolge seiner wenig befestigten Stellung zu einer energi¬
schen äußeren Aktion kaum geneigt wäre und daß in England ein Ministerwech¬
sel meistens auch einen Wechsel in der Politik bedeutet. &quot;Frankreich zeigt sich
eben jetzt den russischen Wünschen gegenüber besonders gefällig und&quot; Italien
kommt bei der obschwebenden Frage nicht in Rechnung.

   Von der Türkei könnte man eine Aktion nur dann erwarten, wenn England
tatsächlich Rußland angreifen und die Türkei mit Geld unterstützen würde,
außer diesen Fall ist momentan0 von der Türkei eher eine russenfreundliche als
russenfeindliche Haltung zu erwarten.

   Nach dem Dargelegten ist unsere Situation&quot;-jetzt nicht günstig, und sollten
wir im gegenwärtigen Augenblicke in eine Aktion eintreten, so würden wir
wahrscheinlich allein bleiben. Deshalb sei nach Sprechers Ansicht für die Mon¬
archie jetzt eine zuwartende, reservierte Haltung ratsam um so mehr, als von
seiten des russischen Kaisers wiederholt erklärt wurde, daß er an keine Okkupa¬
tion Bulgariens denke und nach wie vor auf dem Standpunkt stehe, der in
Skiemiewice und Kremsier besprochen wurde, nämlich fauf der Balkanhalbinsel
den durch den Berliner Vertrag festgesetzte^ Status quo aufrechtzuerhalten und
ohne gemeinsamer Übereinstimmung nichts gan demselben zu ändern.®6

   Sprecher glaubt, daß vorläufig eine Verletzung dieser Vereinbarungen nicht
zu befürchten stehe, freilich könne man sich darauf mit Sicherheit auch nicht
verlassen. Immerhin sei aber die Lage der Monarchie keine schlechte, da sich
in den Völkerschaften der Balkanhalbinsel ein Freiheits- und Unabhängigkeits¬
sinn ausgebildet hat, der nicht verfehlen würde, gegen die russischen Ausbrei¬
tungsbestrebungen zu reagieren.

   Vortragender wiederholt seine Ansicht, daß unter den gegenwärtigen Ver¬
hältnissen bei der reservierten Haltung zu verbleiben ratsam erscheine und eine
Bezeichnung der Grenze, bis zu welcher die Monarchie in der zuwartenden
Haltung zu verbleiben gedenkt, gefährlich wäre, weil man sich durch eine solche
Erklärung binden würde und ohne Einbuße an dem Ansehen der Monarchie
nicht mehr zurückweichen könnte. Ein gewaltsames Vorgehen Rußlands sei
übrigens gegenwärtig auch deshalb nicht wahrscheinlich, weil die inneren Ver¬
hältnisse desselben, namentlich die finanzielle Lage, einen Krieg für Rußland
nicht wünschenswert erscheinen lassen; immerhin bilden aber die Agitationen
der panslawistischen Presse ein beunruhigendes Moment.

   Finanzminister v. Dunajewski dankt für die erhaltenen Aufklä¬
rungen, kann aber nicht umhin zu bemerken, daß die Bevölkerung der Gedanke
beunruhigt, daß wenn die einzelnen Aggressionen Rußlands geduldet werden

&quot;&quot; Einfügung Kälnokys.
d Einfügung Kälnokys.
&quot; Streichung Kälnokys hinsichtlich unserer Bündnisse.
f&#39;f Einfügung Kälnokys.
g&quot;g Korrektur Kälnokys aus vorzunehmen.

6 L&#39;Empereur Alexandre III ä PEmpereur Frangois Joseph. Beilage zu dem Vortrag Kälnokys
        an Kaiser Franz Joseph v. 17. 9. 1886, HHStA., PA. XL, Karton 55.
<pb/>298 Nr. 15 Gemeinsamer Ministerrat, Budapest, 25. 9. 1886

und man dasselbe fortwährend gewähren lasse, schließlich man zu einem Punkte
gelangen wird, wo bereits die vitalen Interessen der Monarchie geschädigt sein
werden.

   Minister des Äußern Graf Kälnoky bemerkt, daß er die befolg¬
te Politik nicht in diesem Sinne ausgelegt wissen möchte, denn allerdings gebe
es einen Punkt, wo die Monarchie aus ihren Reserven heraustreten müßte. Ein
solcher Moment wäre seiner Ansicht nach, wenn eine faktische Vertragsverlet¬
zung einträte, wenn also Rußland sich in Bulgarien hmit Gewalt11 festsetzen und
es in einer Weise okkupieren sollte, welche die Absicht, dasselbe auch dauernd
zu behalten, andeuten würde, da nach den Verträgen Bulgarien ein Vasallstaat
der Türkei, Ostrumelien sogar eine Provinz derselben ist.

   Finanzminister v. Dunajewski wendet ein, daß in dieser Hinsicht
von Rußland wohl Versicherungen gegeben werden dürften, die aber dann nicht
eingehalten werden.

   Graf Kälnoky entgegnet, daß er eben deshalb auch von Gefahren, die
die Situation bietet, gesprochen habe, da es an Zusicherungen nicht fehle.

   Finanzminister v. Dunajewski möchte wünschen, daß auch
die Bevölkerung in betreff der Auffassung der Situation in richtiger Weise
beeinflußt werden möchte; die Presse leiste in dieser Beziehung keine guten
Dienste.

   Minister des Äußern Graf Kälnoky bemerkt, daß bereits im
ungarischen Abgeordnetenhause Interpellationen über die äußere Lage einge¬
bracht wurden,7 welche Gelegenheit bieten werden, `mit voller Autorität und
daher in einer wirksamen Weise1 die notwendigen Aufklärungen zu geben.

   Ministerpräsident v. Tisza will dem nicht vorgreifen, in welcher
Weise die an ihn gestellten Interpellationen beantwortet werden sollen, in
welcher Beziehung er sich noch mit dem Minister des Äußern ins Einvernehmen
zu setzen haben wird; er beschränkt sich daher jetzt bloß auf eine kurze Bemer¬
kung. Ihm ist es bekannt, daß der Inhalt des deutschen Bündnisses niemals
weiter gegangen ist, als ihn der Minister des Äußern vorher skizziert hatte; er
begreife es, daß Fürst Bismarck in seiner Haltung vor allem durch die Interessen
Deutschlands bestimmt wird, auch räumte er ein, daß Fürst Bismarck alles tut,
um einen Zusammenstoß zu verhindern; nur mache es auf ihn den Eindruck,
daß Bismarck jetzt, um dieses Ziel zu erreichen, einen geringeren Druck auf
Rußland ausübt als früher. Und eben darin liege seiner Ansicht nach die Gefahr,
daß die Leute sagen, Bismarck wolle mehr auf uns den Druck üben als auf
Rußland. Er glaubt, daß Deutschland ebensogut Österreich-Ungarns bedarf als
das letztere Deutschlands. Ist aber dieser Satz richtig, dann müßte in Hinsicht
der Haltung Deutschlands eine Besserung eintreten.

 h`h Einfügung Kälnokys.
 w Einfügung Kälnokys.

 l- Az 1884. evi szeptember hö 21-ere hirdetett orszAggyül£s k£pviselöhäzänak naplöja Bd.
         12,7-11.
<pb/>Nr. 15 Gemeinsamer Ministerrat, Budapest, 25. 9. 1886         299

   Graf Kälnoky gibt zu, daß in der vom ungarischen Ministerpräsiden¬
ten bezeichneten Richtung ein gewisser Umschwung zu fühlen ist, was zur

Ursache jenen bereits früher berührten Umstand habe, daß sich Deutschland
durch die Machtentfaltung Frankreichs beunruhigt fühlt und erkannt hat, daß
eine wirkliche Annäherung zwischen Deutschland und Frankreich nicht mög¬
lich sei, daher lehnt es sich wieder mehr an Rußland an, um letzteres von einem
Bündnisse mit Frankreich abzuhalten.

   Hierauf wird zur Verhandlung des 1887er gemeinsamen Voranschlages ge¬
schritten.

   (Die während der Diskussion über die politische Lage abgetretenen Fachrefe¬
renten erscheinen wieder im Konferenzsaale.)

   Ministerium des Äußern

   Präliminiert war im Ordinarium: 4 449 550 fl., um 45 150 fl. mehr, als für
1886 bewilligt wurde; im Extraordinarium: 94 600 fl., um 49 200 fl. mehr als im
Jahre 1886, daher erscheint das Gesamterfordernis um 94 350 fl. größer, dage¬
gen ist die Bedeckung durch eigene Einnahmen mit 601 140 fl. um 5360 fl.
geringer als im Jahre 1886.

   Sowohl der öster. als auch der ung. Finanzminister drücken den
Wunsch aus, daß angesichts der sich sehr ungünstig gestaltenden Finanzlage
möglichst keine Mehrforderungen gestellt werden, namentlich sei unter ungün¬
stigen finanziellen Verhältnissen jede Vermehrung des Personalstandes oder
Erhöhung der Bezüge desselben zu meiden.

Diesem Wunsche entsprechend wurden im Titel 2 die Erhö¬

hung der Zulage des Gesandten in Rio de Janeiro mit effektiv  4 950 fl.

dann die erste Rate zur Herstellung des Sommerpalastes in

Jeniköi mit                                                   50 000 fl.

im Titel 3 bei den Konsulatsauslagen, Erhöhung des Pau¬

schales in Liverpool mit                                      300 fl.

Kreierung einer Hafenkapitänsstelle in Marseille mit          1 600 fl.

Erhöhung des Pauschales in Saloniki und Skutari mit           400 fl.

bzw. 292 fl.

Erhöhung der Zulage des Generalkonsuls und des Pauscha¬

les in Tanger mit                                             2 000 fl.

eine Hilfsbeamtenstelle in Ancona mit                         800 fl.

Erhebung zum Generalkonsulate in Bombay mit                   4 000 fl.

Erhöhung des Pauschales in Bukarest mit                       400 fl.

Erhöhung des Pauschales in Canea mit                          1 000 fl.

Teuerungszulage für den Hafenkapitän in Konstantinopel mit    800 fl.

Erhöhung des Dienstentgeltes in Messina mit                   285 fl.

gestrichen, somit wird sich das Gesamterfordernis um 66 827 fl. vermindern,

wovon auf das Ordinarium 16 827 fl. und auf das Extraordinarium 50 000 fl.

entfallen.
<pb/>300 Nr. 15 Gemeinsamer Ministerrat, Budapest, 25. 9. 1886

   Der Voranschlag des gemeinsamen Finanzministeriums
   im Ordinarium mit 171 280 fl. Ausgaben und mit 1009 fl. eigenen Einnahmen,
   im Pensionsetat mit 1 826 700 fl. Ausgaben und 1583 fl. eigenen Einnahmen,
dann unter verschiedenen Titeln mit 4000 fl. Einnahmen, daher im ganzen mit
einem Nettoerfordernisse von 1 991 388 fl. wird unverändert angenommen.
   Ebenso werden der Voranschlag des gemeinsamen Obersten Rechnungshofes
mit 128 867 fl. Ausgaben und mit 267 fl. eigener Bedeckung, daher mit einem
Nettoerfordernisse von 128 600 fl., dann die Nachtragskredite für das Jahr 1886
im Ministerium des Äußern mit 9000 fl., im Kriegsministerium (Ordinarium,
Unterkunftsauslagen) mit 1 614 000 fl., bei Marine mit 67 140 fl., daher im
ganzen mit 1 690 140 fl. unverändert genehmigt.
   In betreff der Nachtragskredite wird jedoch von beiden Landesfi¬
nanzministern der dringende Wunsch ausgedrückt, daß Budgetüber¬
schreitungen, welche dann unliebsame Nachtragsforderungen erheischen, mög¬
lichst vermieden werden mögen.
   Der Kriegsminister entgegnet, daß die Nachtragsforderung im
Kriegsministerium, welche aus den Mehrauslagen bei den Unterkunftsgebühren
resultiert, die unvermeidliche Konsequenz des Einquartierungsgesetzes8 bilde,
welches sehr abänderungsbedürftig ist. Er verweist auf das Memorandum,
welches er diesbezüglich den beiden Landesfinanzministern zugeschickt habe.
   Der Voranschlag des Zollgefälles, welcher mit einem Überschüsse von
43 057 666 fl. präliminiert erscheint, wovon nach Abrechnung der Verzeh¬
rungssteuerrestitutionen mit 23 815 460 fl. und des bosnisch-herzegowinischen
Zollpauschales mit 600 000 fl., zur Deckung der gemeinsamen Auslagen
18 642 206 fl. verbleiben, wird gleichfalls unverändert angenommen.
   Voranschlag des gemeinsamen Kriegsministeriums. Bevor zur Detailver¬
handlung dieses Voranschlages geschritten wird, gibt der Kriegsminister ein
allgemeines Bild des präliminierten Voranschlages.9
   Das Budget der Heeresverwaltung weist mit Hinzunehmung des Okkupa¬
tionskredites und des Nachtragskredites für 1886 gegenüber der für 1886 bewil¬
ligten Summe für das Jahr 1887 ein Mehrerfordemis von 9 768 236 fl. auf. Die
Hauptposten, wodurch dieses Mehrerfordemis erzeugt wird, sind:
   eine Mehrforderung für die Aufbesserung der Mannschaftskost durch Verab¬
reichung eines Abendmahles von 4 303 003 fl. Vortragender führt an, daß es
sehr wünschenswert sei, die Verpflegung der Mannschaft zu verbessern, nament¬
lich es zu ermöglichen, daß die Mannschaft auch abends eine Speise bekomme;
übrigens komme er auch einer Resolution der österreichischen Delegation nach,
indem er die Aufbesserung der Mannschaftskost initiiert. Die gewissenhaftesten
Berechnungen und Versuche haben erwiesen, daß das Abendmahl nicht unter
Skr. per Mann zu beschaffen sei; daher die eingestellte Summe, wenn die
Verabreichung des Abendmahles bewilligt wird, nicht herabgemindert werden
könnte.

        GA. XXXVI vom Jahre 1879. Magyar Törv£nytär 1879-1880 148-178.
        Gesamterfordemis des stehenden Heeres pro 1887, KA., MKSM. 51-1/6 ex 1886.
<pb/>Nr. 15 Gemeinsamer Ministerrat. Budapest, 25. 9. 1886  301

    Der zweite größere Posten ist: 3 500 000 fl. als erste Rate für die Beschaffung
 von Repetiergewehren. Zur Motivierung dieses Postens führt Vortragender an,
daß nachdem es nach vielfachen Versuchen gelungen ist, ein Präzisionsgewehr

zu konstruieren, das den gestellten Anforderungen in vollkommenster Weise
entspricht,10 und nachdem alle anderen Großmächte daran sind, die Handfeuer¬
waffen der Truppen mit Präzisionsgewehren zu vertauschen, auch Österreich-
Ungarn in dieser Hinsicht nicht Zurückbleiben kann, wenn es seine Armee
hinsichtlich der Bewaffnung nicht in der Inferiorität belassen will.11 Namentlich
die Erhaltung des moralischen Mutes der Truppen erfordere es, daß dieselbe
nicht durch das Bewußtsein gedrückt werden, daß sie sich in betreff der Bewaff¬
nung gegenüber dem Feinde im Nachteile befinden.

    Vortragender gibt dann eine Beschreibung der neuen Feuerwaffe, der Vorteile
derselben, der Verfügungen, die andere Staaten in betreff der Einführung eines
Präzisionsgewehres getroffen haben; ferner macht er Mitteilungen über die
Erzeugungskosten und über die beabsichtigten Verfügungen wegen Sicherung
der Beschaffung des notwendigen Waffenvorrates. Er bemerkt schließlich, daß
er mit der jetzt ins Budget eingestellten Summen, da noch 1/2 Millionen Gulden
aus dem für 1886 zur Komplettierung des Waffenvorrates bewilligten Kredite
nicht verwendet sind, zwei Armeekorps mit Repetiergewehren ausrüsten könne.

   Für Subsistenzbeiträge für die Militärgeistlichen und subalternen Militärbe¬
amten erscheint ein Mehrerfordemis im Ordinarium und Extraordinarium von
zusammen 140 400 fl., nachdem auch die Delegationen die Gleichstellung der
subalternen Beamten hinsichtlich ihrer Bezüge gewünscht haben.

   Endlich erscheint eine namhafte Mehrforderung bei den Unterkunftsausla¬
gen mit 1 614 005 fl. Da dieses Mehrerfordemis, wie schon bei dem gleichartigen
Nachtragskredite bemerkt wurde, auf den Bestimmungen des Bequartierungs-
gesetzes beruht, mußte Vortragender den gesetzlichen Bestimmungen Rechnung
tragen.

   Sprecher hebt hervor, daß die eben berührten vier Ausgabeposten mit Hinzu¬
rechnung des Nachtragskredites für 1886 zusammen 11 248 000 fl. ausmachen;
während das gesamte Mehrerfordemis bloß 9 768 236 fl. beträgt; wodurch er
den Beweis geliefert zu haben glaubt, daß die Heeresverwaltung selbst bestrebt
war, durch Herabminderung der weniger dringenden Ausgaben das Budget zu
erleichtern und der finanziellen Lage Rechnung zu tragen.

   Finanzminister v. Dunajewski bittet bezüglich des Postens für
die Repetiergewehre noch weitere Aufklärungen, namentlich darüber: welche
Kosten der Monarchie aus der Einführung der Repetiergewehre im gesamten
erwachsen werden und in wieviel Jahren die Neubewaffnung durchgeführt sein
werde? - worauf der Kriegsminister entgegnet, daß samt der 50%igen
Reserve insgesamt 733 000 Stück Repetiergewehre benötigt werden, deren Be-

10 Memoire über die Notwendigkeit der Beschaffung von Repetiergewehren, KA., MKSM
       25-2/2 de 1886.

11 Vortrag des Reichskriegsministers v. 25. 1. 1887, mit welchem die Ah. Genehmigung zur

        Einführung des Repetiergewehres M 1886 au. erbeten wird, KA., MKSM. 4-1/1 ex 1887.
<pb/>302 Nr. 15 Gemeinsamer Ministerrat, Budapest, 25. 9. 1886

schaffungskosten beiläufig 35 Millionen Gulden betragen werden. Die Entloh¬
nung des Erfinders,12 welche für die gelieferten Gewehre nach einer Dekursiv-
skala stückweise berechnet wird, berechnet beiläufig mit 160 000 fl.; wenn aber
die Entlohnung gleich auf einmal ausgezahlt werden möchte, würde sich der
Erfinder auch mit 130 000 fl. begnügen. Die Aufteilung der ganzen für die
Repetiergewehre benötigten Summe denkt sich Sprecher in der Art, daß über
die für 1887 beanspruchte Summe von 3 1/2 Millionen Gulden hinaus während
der darauffolgenden vier Jahre jährlich zirka 8 Millionen Gulden ins Budget
eingestellt werden sollten. Es sei wünschenswert, daß die Durchführung der
NeubewafFnung binnen eines je kürzeren Zeitraumes erfolge; andererseits müsse
aber auch die Erzeugungsfahigkeit der Fabrik in Rücksicht genommen werden,
der gemäß im ersten Jahre, wenn auch die finanziellen Mittel bewilligt wären,
über die ins Budget tatsächlich eingestellte Summe hinaus Waffen nicht erzeugt
werden könnten. In den folgenden Jahren wird die Erzeugungsfähigkeit der
Fabrik vergrößert werden.

   Ministerpräsident v. Tisza sowie die beiden Landesfinanzmi¬
nister erklären, daß es zwar sehr schwer falle, die Kosten der NeubewafF¬
nung zu bestreiten, da jedoch von der Kriegsleitung die Einführung der Repe¬
tiergewehre im Interesse der Wehrhaftigkeit des Heeres als unerläßlich bezeich¬
net wird, wollen sie diesfalls ihrerseits keine Hindernisse entgegenstellen, müssen
aber mit Rücksicht auf die finanzielle Lage unbedingt fordern, daß bei anderen
Posten größere Abstriche gemacht werden, um das Gesamterfordemis auf die
Höhe der für das Jahr 1886 bewilligten Summe herabzudrücken.

    Diesem entsprechend wird mit der unter AnhofFung der Ah. Genehmigung
abgegebenen Zustimmung des Kriegsministers beschlossen:

   die Systemisierung eines Subsistenzbeitrages für die subalternen Militärbe¬
amten fallen zu lassen, infolgedessen aus dem Ordinarium 125 400 fl. und aus
dem Extraordinarium 10 000 fl. gestrichen werden.

   Die Aufstellung eines vierten Remontendepots entfallt für diesmal, wodurch
im Ordinarium 52 445 fl. und im Extraordinarium 130 000 fl. zum Abstrich
gelangen.

    Bei der Mannschaftskost im Titel XXIII werden infolge Fallenlassens der
Verabreichung des Abendmahles 4 281 103 fl. gestrichen. Infolge dieser Strei¬
chung erhöht sich aber das Erfordernis bei den Okkupationstruppen unter
diesem Titel um 332 000 fl.

    Im Okkupationskredite werden durch die Auflassung der unentgeltlichen
Etappen für die Gagisten 10 000 fl., durch Restriktion der Subsistenzzulage für
das Limgebiet auf das Aufmaß für Bosnien 35 000 fl., endlich durch die Be¬
schränkung des unentgeltlichen Tabaks für die Mannschaft im Okkupationsge¬
biete ausschließlich auf den Kordon 75 000 fl. in Abstrich gebracht.

    Es wurde außerdem gewünscht, daß das Erfordernis für das mobile Streif¬
korps in Bosnien und der Herzegowina auf das Budget der Zivilverwaltung der

12 Ingenieur Ferdinand Mannlicher.
<pb/>Nr. 16 Gemeinsamer Ministerrat, Budapest, 26. 9. 1886                303

okkupierten Provinzen übernommen werde, nachdem die Einkünfte dieser

Länder wieder eine namhafte Steigerung aufweisen.

Der gemeinsame Finanzminister erklärt sich mit Rücksicht dar¬

auf, daß die eigenen Einnahmen der okkupierten Länder einen Überschuß

hoffen lassen, mit diesem Anträge im Prinzip einverstanden; da jedoch das

Budget für Bosnien und die Herzegowina bereits zusammengestellt ist und,

wenn die fragliche Post jetzt ins Budget eingestellt werden würde, das Budget

ein Defizit aufweisen würde, was er jedenfalls vermeiden möchte, so macht er

den Vorschlag, daß die Entscheidung in betreff der Übernahme dieses Postens

zu Lasten der bosnisch-herzegowinischen Einkünfte auf die Zeit der Delega¬

tionsverhandlungen aufgeschoben werde.

Ministerpräsident v. Tisza gibt zu erwägen, daß nachdem die

Ausgaben im bosnischen Budget um 400 000 fl. höher präliminiert wurden, sich

vielleicht durch eine Herabminderung des Ausgabeetats die budgetmäßige Be¬

deckung für die Kosten des Streifkorps finden ließe.

Da sich Finanzminister v. Kä 11 ay gegen diesen Antrag erklärt und

das bosnische Budget erst später zur Verhandlung gelangen wird, wird die

Entscheidung über die Frage der wieartigen Bedeckung dieser Kosten auf die

künftige Konferenzsitzung aufgeschoben.

Es wurde noch seitens des öster. Ministerpräsidenten die Frage

aufgeworfen, ob sich durch administrative Maßregeln, namentlich durch Beur¬

laubungen bei der Mannschaft, nicht etwa eine Herabminderung der Ausgaben

erzielen ließe? was jedoch durch den Kriegsminister als untunlich erklärt wird.

Hiermit wurde die Fortsetzung der Budgetverhandlung auf den künftigen

Tag bestimmt und die Sitzung geschlossen.              Kälnoky

Ah. E. Ich habe den Inhalt dieses Protokolls zur Kenntnis genommen.
Wien, 13. Oktober 1886. Franz Joseph.

Nr. 16 Gemeinsamer Ministerrat, Budapest, 26. September 1886

    RS. (und RK.)
    Gegenwärtige: der kgl. ung. Ministerpräsident v. Tisza (5. 10.), der k. k. Ministerpräsident Graf
Taaffe (2.10.), der k. u. k. gemeinsame Finanzminister v. Källay (5. 10.), der kgl. ung. Finanzmini¬
ster Graf Szapäry (5. 10.), der k. k. Finanzminister v. Dunajewski (6. 10.), der erste Sektionschef
im k. u. k. Ministerium des Äußern v. Szögyeny (1. 10.), der Leiter der k. u. k. Marinesektion
Vizeadmiral Freiherr v. Sterneck (5. 10.), der Sektionschef im k. u. k. Kriegsministerium und Chef
der Militärintendantur Lambert (5. 10.).
    Protokollführer: Ministerialrat Tarkovich.
    Gegenstand: Fortsetzungsweise Verhandlung des gemeinsamen Voranschlages pro 1887 und
Feststellung des Termines für die Einberufung der Delegationen.

   KZ. 71 - RMRZ. 332
   Protokoll der am 26. September 1886 in Budapest abgehaltenen gemeinsamen
Ministerkonferenz unter dem Vorsitze des k. u. k. gemeinsamen Ministers des
Äußern Grafen Kälnoky.
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