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Gemeinsamer Ministerrat, 19. 4. 1871

I. Vorbesprechung über die Delegationsvorlagen

Siehe PDF-Daten https://hw.oeaw.ac.at/ministerrat/serie-2/oe_hu_mrp_I2/pdf/oe_hu_mrp_I2_z42.pdf.

284 Nr. 42 Gemeinsamer Ministerrat, Wien, 19. 4. 1871

   Reichskriegsminister Freiherr v. Kuhn besprach hier¬
auf für den Fall des Ausbruches einer Bewegung in der Walachei mit Rücksicht
auf ihre mögliche Rückwirkung auf die Siebenbürger Walachen die Notwendig¬
keit der Aufstellung eines Observationskorps in Siebenbürgen, wozu jedoch
10 000 Mann genügen dürften. Ministerpräsident Graf Hohen¬
wart deutete an, daß er die Rückwirkung auf die Walachen [für] weniger ge¬
fährlich halte als jene auf die Slawen, wenn Rußland aktiv auftreten sollte.
Reichskanzler Graf Beust bemerkte, daß zur Observierung an der
siebenbürgischen Grenze die Honveds verwendet werden können. Reichs-
finanzminister v. Lönyay riet hievon ab, um bei den Walachen
nicht die mißliebigen 1848er Erinnerungen wachzurufen. Reichskriegs¬
minister Freiherr v. Kuhn stimmte dem bei, mit dem Bemerken,
daß er Linientruppen gemeint habe.

   Hiemit wurde die Sitzung geschlossen.
                                                                                                   Beust

[Ah. E.] Ich habe den Inhalt dieses Protokolls zur Kenntnis genommen.
Wien, 17. April 1871. Franz Joseph.

Nr. 42 Gemeinsamer Ministerrat, Wien, 19. April 1871

    RS. (und RK.)
    Gegenwärtige: der Reichskriegsminister Freiherr v. Kuhn (o. D.), der Reichsfinanzminister v.
Lonyay (23. 4.).
    Protokollführer: Sektionsrat Freiherr v. Konradsheim.
    Gegenstand: Vorbesprechung über die Delegationsvorlagen.

   KZ. 1057-RMRZ. 108
   Protokoll des zu Wien am 19. April 1871 abgehaltenen Ministerrates für ge¬
meinsame Angelegenheiten unter dem Vorsitze Sr. Exzellenz des Reichskanzlers
Grafen Beust.

Reichskanzler Graf Beust eröffhete die Sitzung mit dem Be¬

merken, daß demnächst die Budgetbesprechungen unter Ah. Vorsitze stattfinden

dürften, daher es sich empfehle, daß sich vorläufig das gemeinsame Ministerium

unter sich über den in den Summarien schon fertigen gemeinsamen Staatsvoran¬

schlag für das Jahr 1872 verständige.

Reichsfinanzminister v. Lönyay nahm hierauf das Wort,

um an der Hand dieser Summarien zunächst das Heeresbudget einigen kritischen

Bemerkungen zu unterziehen:

Der Voranschlag für das Jahr 1872 belaufe sich

im Ordinarium auf                               89 662 000 fl.,
<pb/>Nr. 42 Gemeinsamer Ministerrat, Wien, 19. 4. 1871                         285

also im Entgegenhalte zu dem Voranschlag für das Jahr

1871 mit                                                     87 854 752 fl.

höher um                                                     1 807 248 fl.

Werde aber der nächstjährige Voranschlag mit dem für heuer

verfassungsmäßig bewilligten Ordinarium von                  82 546 667 fl.

verglichen, so ergebe sich ein tatsächliches Mehrerfordemis

von 7 115 333 fl.

Im Extraordinarium würden für nächstes Jahr                  25 809 520 fl.

in Anforderung gebracht, was im Zusammenhang mit dem

Ordinarium ä                                                 89 662 000 fl.

ein Gesamterfordemis von                                     115 471 520 fl.

ergebe.

Im großen und ganzen lasse sich ein Mehrerfordemis rechtfertigen, der Grund

liege teils in den Kosten der Durchführung der Divisionseinteilung, teils in den

Verhältnissen, welche eine fertige Armee und hiemit selbstverständlich auch die

Vötierung höherer Summen erheischen, aber es sei doch auffällig, daß selbst auch

das Ordinarium in fast allen Positionen ein Plus enthalte, was den Delegationen

gewiß sogleich in die Augen fallen und die Verhandlung ab initio erschweren

werde. Wenn es nun auch, wie es wünschenswert wäre und in den Budgets der

übrigen gemeinsamen Ministerien so viel als möglich beobachtet wurde, bei den

bestehenden Verhältnissen nicht möglich sei, die Positionen des Heeresordinari-

ums in allen Rubriken auf den Betrag der letzten Bewilligung herabzudrücken, so

müsse er gerade zur Erleichterung der Budgetbehandlung doch Wert darauf legen

und beantragen, daß gewisse minder belangreiche Posten egalisiert und nur die

wichtigeren Posten, auf welche sich sodann eventuell die Diskussion in der Ver¬

tretung beschränken würde, im projektierten Ansätze festgehalten werden.

Reichskriegsminister Freiherr v. Kuhn replizierte mit

einer Darlegung der Verhältnisse, welche einzelne Erhöhungen nötig machten.

Vor allem komme im nächsten Jahre der Schalttag in Betracht, welcher in den

einzelnen Rubriken allein ein Mehrerfordemis von zusammen 103 000 fl. erhei¬

sche, und wenn nach dem Antrag des Reichsfinanzministers vorgegangen werde,

als abgesonderte Post eingestellt werden müsse. Eine weitere Erhöhung ergebe

sich bei der mit 338 584 fl. eingestellten Gagenerhöhung, in welche aufAh. Be¬

fehl diesmal auch die Militärbeamten etc. einbezogen wurden. Ferner ergebe sich

infolge der Systemisierung berittener Hauptleute ein Plus von 390 000 fl., wie

nicht minder ein Mehrerfordemis infolge der beabsichtigten Errichtung eines 13.

Artillerieregiments und infolge der bis zur prinzipiellen Entscheidung der Streit¬

frage notgedrungenen abermaligen Einstellung des Erfordernisses für die Grenz-

truppen. Weiters mußte ein höherer Betrag eingestellt werden bei dem militä¬

risch-geografischen Institut, dann für Bauherstellung an Militärgebäuden, welche

in den letzten Jahren infolge der Abstriche zum Teil bis zur Baufalligkeit ver¬

nachlässigt werden mußten. Endlich sei auch für Exerzierübungen und für die

Verlängerung der bisher 21 Tage betragenden Präsenzzeit der Reservisten auf die
<pb/>286 Nr. 42 Gemeinsamer Ministerrat, Wien, 19. 4. 1871

gesetzliche vierwöchentliche Dauer ein Mehrbetrag eingestellt worden. Das
Mehrerfordemis komme übrigens im ganzen, bis auf beiläufig eine halbe Million
mehr, den am 1871er Voranschläge gemachten Abstrichen gleich.

   Reichsfinanzminister v. Lönyay konstatierte, daß demnach
dies die Posten seien, welche man zu rechtfertigen in der Lage sei und welche
ungeschmälert im Voranschlag belassen werden können, während in den übrigen
Posten die vorjährigen Ansätze beizubehalten wären. Es sei auch für die Zukunft
nötig, zu einem Normalbudget zu gelangen, und daher gut, wenn der Kriegsmini¬
ster zeige, daß er sich einem solchen näheren wolle.

   Reichskriegsminister Freiherr v. Kuhn betonte seiner¬
seits, wie die heuer gemachten Ansätze sich zum Teil aufAh. Anordnungen grün¬
den und innerhalb des Rahmens dieser Anordnungen inalterabel seien. Jedenfalls
aber sei es nötig, bezüglich der Beköstigung der Grenztruppen einmal einen Be¬
schluß zu fassen. Was die Schlußbemerkung des Reichsfinanzministers betreffe,
so sei ein in der Ziffer sich vollständig gleichbleibendes Budget nicht möglich,
weil manche Positionen doch wechseln und die Naturalpreise so namhaften
Schwankungen unterliegen.

   Reichsfinanzminister v. Lönyay fahrt sofort in der Kritik
des Heeresbudgets fort, indem er die Positionen des Extraordinariums besprach:
Die Torpedos würden wahrscheinlich gestrichen werden. Gegen das Erfordernis
für Waffenwesen lasse sich nichts einwenden, wenn die Verhältnisse noch nicht
friedlich seien, dagegen lasse sich nicht leugnen, daß die Kosten für Montur- und
Rüstungswesen hoch angesetzt sind und zum mindesten auf Seite der deutschen
Delegation umso größeren Schwierigkeiten begegnen würden, als es schon
schwer war, im Vorjahr vier Millionen unter diesem Titel durchzubringen.

   Reichskriegsminister Freiherr v. Kuhn wies demge¬
genüber auf den dermaligen Stand der Monturen hin. Früher habe der Mann zwei
Monturen, nämlich eine alte und eine neue besessen, während er jetzt nur eine
erhält, die natürlich mehr strapaziert wird und also nachher ergänzt werden muß.
Auch müsse auf die 90 000 Mann zählende Ersatzreserve vorgedacht werden,
von welcher nötigenfalls durch Heranziehung der Warenkaution nur 40 000 Mann
bekleidet werden können. Ferner brauche die Kavallerie anstatt der jetzigen
schlecht konstruierten Sättel neue. Es könnten höchstens die Kapuzen und Leib¬
binden mit 283 000 fl. bis zum Falle des effektiven Bedarfes weggelassen und das
Extraordinarium durch weitere Herabminderung noch allenfalls um zwei Millio¬
nen erleichtert werden.

   Reichskanzler Graf Beust sprach sich ebenfalls in dem Sinne
aus, daß es gut wäre, wenn die früheren Posten beibehalten werden könnten, denn
man müsse an die Manipulation denken, wie man das Budget in den Delegatio¬
nen durchbringe. In dieser Beziehung habe sich die Stellung der Regierung in den
letzten Jahren verbessert. Im Jahre 1869 sei ihr in der deutschen Delegation ein
aus der Majorität des Abgeordnetenhauses hervorgegangenes Ministerium unter¬
stützend zur Seite gestanden; 1870 sei dies schon weniger der Fall gewesen,
<pb/>Nr. 42 Gemeinsamer Ministerrat, Wien, 19. 4. 1871  287

nachdem das damalige Ministerium abzutreten im Begriffe war; heute dagegen
befinde sich die Majorität mit dem Ministerium geradezu in Opposition und kön¬
ne also auf einen Sukkurs von dieser Seite schon gar nicht gerechnet werden.
Man möge sich hierüber keiner Täuschung hingeben und vor allem trachten, daß
nicht gewisse Schlagworte aufkommen. Ein solches würde aber sein, daß das
Militärbudget von Jahr zu Jahr höher werde. Er müsse also von einer wachsenden
Ziffer abraten, und es scheine ihm deshalb besser, das Ordinarium stetig zu belas¬
sen und lieber das Extraordinarium zu erhöhen.

   Reichskriegsminister Freiherr v. Kuhn äußerte die Be¬
fürchtung, daß man ihm, wenn er auch die 1871er Bewilligungen festhalte,
gleichwohl schon aus Gewohnheit streichen werde.

   Reichskanzler Graf Beust stellte dies in Abrede mit dem Be¬
merken, daß man, um eine Mehrvotierung zu erlangen, den günstigen Moment
dazu erhaschen müsse. Dieser sei aber jetzt gewiß nicht vorhanden, vielmehr
könne man darauf rechnen, daß der größte Teil der Delegierten die Notwendig¬
keit militärischer Maßregeln bestreiten werde. Vortragender bemerkte noch spe¬
ziell bezüglich des Erfordernisses für den Schalttag, welches übrigens nach sei¬
ner Meinung nicht verweigert werden könne, daß es sachgemäßer sei, dasselbe
ins Extraordinarium einzustellen.

   Reichskriegsminister Freiherr v. Kuhn wies daraufhin,
wie die Hauptschwierigkeit immer in der Naturalienverpflegung liege. Werde
hievon etwas gestrichen, so müsse er, da man Mannschaft und Pferde in Kost und
Futter nicht reduzieren könne, den Abstrich in anderen Titeln einbringen, und in
der Tat werde der nächste Rechnungsabschluß zeigen, daß er zu falschen Vire¬
ments zu greifen bemüßigt war. Vortragender bemerkte noch weiter, daß er die
Kosten für Kommanden und Stäbe abermals in den früheren Ansatz einzustellen
bemüßigt war, und wies nebstbei auch auf das bestehende Kontrollsystem hin,
welches ihm nicht gestatte, das Fachrechnungspersonal unter 240 Personen zu
vermindern. Wenn sonach die Delegationen Abstriche zu machen für gut befin¬
den, so müsse er sich dem wohl fügen, aber von seinem Standpunkte müsse er das

Nötige stets wieder verlangen.
    Reichskanzler Graf Beust stellte es als besonders bedenklich

dar, daß der Kriegsminister in seinem Voranschläge nicht nur die vorjährige Be¬
willigung, sondern sogar seinen eigenen Voranschlag für das Jahr 1871 um
1 807 000 fl. überschreite, und bat dies zu vermeiden, weil dadurch das Terrain in
der Delegation im vorhinein verdorben werde.

    Reichsfinanzminister v. Lönyay schloß sich dem Reichs¬
kanzler in dem Satze an, daß man es vermeiden solle, die Delegationen vom
Anfänge in eine schlechte Stimmung zu versetzen, und rekapitulierte seinen An¬
trag, daß man die nötigsten Überschreitungen motivieren, im übrigen aber an die
früheren Bewilligungen halten solle.

    Vortragender schloß sofort seine Erörterung des gemeinsamen Budgets pro
1871 mit einem Blick auf die Summarien der übrigen Ministerien: Das Budget
<pb/>288 Nr. 42 Gemeinsamer Ministerrat, Wien, 19. 4. 1871

des Ministeriums des Äußern schließe sich in der Hauptsache dem vorjährigen
an, weise jedoch im Ordinarium neben unbedeutenden Erhöhungen für Zentral¬
leitung und Konsulatsauslagen die Erhöhung des Erfordernisses für geheime
Auslagen um 60 000 fl. und der diplomatischen Auslagen um 66 069 fl. aus. Er-
stere sei durch die Unzulänglichkeit der letzteren Bewilligung gerechtfertigt, da¬
gegen wäre letzteres Mehrerfordemis aufzuklären. Es sei ferner die von der
Lloydsubvention abzuziehende Einkommensteuer und das Posterträgnis mit den
bisherigen Ziffern eingetragen worden; dasselbe belaufe sich aber effektiv höher
als der Ansatz. Vortragender habe hierüber Erhebungen angeordnet und werde
das Ergebnis noch rechtzeitig dem Minister des Äußern mitteilen, um hienach
eine Rektifizierung seines sodann verhältnismäßig niederer ausfallenden Budgets
vornehmen zu können.

   Was das Budget des gemeinsamen Finanzministeriums und des gemeinsamen
Obersten Rechnungshofes betreffe, so sei letzteres mit dem vorjährigen ganz und
ersteres bis auf den Mehrbetrag von 116 fl. gleichlautend, welcher sich aus der
Gehaltserhöhung von zwei Offizialen ergebe, aber in der Budgetvorlage durch
Einstellung eines wahrscheinlichen Mehreinganges an Diensttaxa ausgeglichen
werden würde. Bezüglich des Summariums und des gemeinsamen Finanzmini¬
steriums bemerkte Vortragender, daß darin die Posten für die Versorgungsgenüsse
bei dem Mangel der neuesten Daten vorläufig nach dem letzten Budgetansatze
eingestellt wurden, jedoch nach Erhalt der neuen Standesausweise der betreffen¬
den Ministerien, die er sich hiemit erbitte, richtiggestellt werden sollen.

   Bezüglich der Mehransätze im Summarium des Ministers des Äußern erhielt
die Konferenz durch den mittlerweile herbeigerufenen Sektionschef v.
H o f m a n n die Aufklärung, daß das Mehrerfordemis von 2258 fl. für die Zen¬
tralleitung sich auf einige Diener und Lithographen beziehe, welche wegen zu
geringen Lohns den Dienst kündigten. Was speziell die Lithographen betreffe, so
mußten dieselben in ihren Bezügen den korrespondierenden Arbeitern in der
Staatsdruckerei umsomehr gleichgestellt werden, als man auf diesen Posten ver¬
trauenswürdige Leute benötige. Bei der Erhöhung von 8149 fl. für Konsulatsaus¬
lagen sei den Wünschen der vorjährigen Konsularenquete Rechnung getragen
worden. Dagegen sei die Erhöhung von 66 069 fl. für diplomatische Auslagen nur
scheinbar und rühre von einer das Budget im ganzen nicht alterierenden Ver¬
schiebung der Rubriken her, indem nebst anderen geringen Beträgen die im Jahre
1871 ins Extraordinarium eingestellten Beträge für die Gesandtschaften in Dres¬
den, München und Stuttgart pro 1872 in das Ordinarium rückübertragen wurden.3
Nach diesen Aufklärungen bemerkte noch ferner Reichsfinanzmini¬
ster v. Lönyay bezüglich des Budgets des Ministeriums des Äußern, daß
eigentlich noch die Einstellung von 160 000 fl. an Reparaturkosten für den Palaz¬
zo di Venezia notwendig wäre.

    Reichskanzler Graf Beust hielt dies für ein heikles Thema, des¬
sen Berührung voraussichtlich den Antrag auf Veräußerung hervormfen werde.

         Randbemerkung des Kaisers: oho!!
<pb/>Nr. 42 Gemeinsamer Ministerrat, Wien, 19. 4. 1871  289

    Reichsfinanzminister v. Lönyay erwiderte, daß er nach den
in ungarischen Kreisen gemachten Wahrnehmungen die Bewilligung der Herstel¬
lungskosten von dieser Seite in Aussicht stellen zu können glaube, wenn ein Teil
dieses geräumigen Palais zu unentgeltlichen Wohnungen und Ateliers für heimi¬
sche junge Künstler, wie es z. B. von Frankreich und Preußen geschieht, herge¬
richtet wird, in welchen dieselben unter Aufsicht eines angestellten Direktors ar¬
beiten können. Ein solcher Antrag des Ministers des Äußern könne auf
Popularität rechnen.

    Übrigens hätte Italien für den Palazzo di Venezia den Palazzo di Firenze und
zwei-drei Millionen Francs angeboten, und Vortragender sei jüngst in Florenz
dringend angegangen worden, den Verkauf hier zur Sprache zu bringen.

    Reichskanzler Graf Beust machte der Konferenz noch schlie߬
lich die Mitteilung: Es sei angeregt worden, ob es nicht angezeigt sei, der Mutter
des Vizeadmirals Tegetthoff1, die bekanntlich in dürftigen Verhältnissen zurück¬
geblieben sei, von Staatswegen ein Einkommen zuzuwenden, um auf solche Wei¬
se das Andenken des Verstorbenen zu ehren?

   Reichsfinanzminister v. Lönyay schaltete ein, daß, wie er
unterrichtet sei, ein bezüglicher Antrag vielleicht in der Delegation zur Sprache
kommen werde und daß man ihnen den Anlaß zu einer solchen Sympathiebezeu¬
gung nicht nehmen soll.

    Reichskriegsminister Freiherr v. Kuhn erklärte sich
mit einer Pensionsanwirkung für Frau v. TegetthofF von seinem Standpunkte ein¬
verstanden, sprach sich aber bezüglich des modus procedendi dahin aus, daß er
die in keinem Gesetze vorgeschriebene Mitwirkung der Delegationen bei der le¬
diglich von der Gnade Seiner Majestät abhängenden Pensionsbewilligung für die
Mutter des verstorbenen Vizeadmirals nicht für geboten erachte, sondern es für
genügend halte, wenn er, wie seinerzeit für die Witwe des Baron Hess2 Seiner
Majestät einen au. Antrag erstatte.

    Gegen diese Auffassung argumentierte Reichskanzler Graf
Beust, welchemsichauch Reichsfinanzminister v. Lönyay,
letzterer zugleich mit Hinweis auf bestehende Delegationsresolutionen anschloß,
daß bei dem Umstande, als einer Mutter kein Pensionsanspruch zukomme, der
Begriff einer Pension in diesem Falle ebensowenig Platz greifen könne wie die
bezüglich der eigentlichen Versorgungsgenüsse maßgebenden Normen. Es sei
daher jedenfalls angezeigt und werde als eine dem Andenken Tegetthoffs darge¬
brachte Huldigung einen besseren Eindruck machen, wenn die Delegationen hie¬
bei nicht umgegangen werden. Demnach werde es darauf ankommen, Seine Ma¬
jestät, vorbehaltlich der Ziffer, vorläufig um die prinzipielle Genehmigung einer
den Delegationen in diesem Sinne zu machenden Vorlage zu bitten.

Tegetthoff, Wilhelm von (1827-1871), 1868-1871 Chefder Marinesektion im Kriegsministe¬
rium.
Hess, Heinrich Freiherr von (1788-1870), Feldmarschall.
<pb/>290 Nr. 43 Gemeinsamer Ministerrat, Wien, 22. 4. 1871

   Reichskriegsminister Freiherr v. Kuhn erklärte hier¬
auf, abwarten zu wollen, was Seine Majestät nach Kenntnisnahme des heutigen
Protokolls zu beschließen geruhen werde - worauf die Sitzung geschlossen
wurde.

                                                                                                   Beust

[Ah. E.] Ich habe den Inhalt dieses Protokolls zur Kenntnis genommen.
Wien, 25. April 1871. Franz Joseph.

         Nr. 43 Gemeinsamer Ministerrat, Wien, 22. April 1871

    RS. (und RK.)
    Gegenwärtige: der Reichskanzler Graf Beust (o. D.), der kgl. ung. Ministerpräsident Graf
Andrässy (o. D.), der k. k. Ministerpräsident Graf Hohenwart (o. D.), der Reichskriegsminister
Freiherr v. Kuhn (o. D.), der Reichsfinanzminister v. Lönyay (2. 4. [sic!]), der k. k. Finanzminister
Freiherr v. Holzgethan (3. 5.), der kgl. ung. Finanzminister v. Kerkäpoly (o. D.), Sektionschef v.
Früh.
    Protokollführer: Sektionsrat Freiherr v. Konradsheim.
    Gegenstand: Gemeinsames Budget für das Jahr 1872.

   KZ. 1059-RMRZ. 109
   Protokoll des zu Wien am 22. April 1871 abgehaltenen Ministerrates für ge¬
meinsame Angelegenheiten unter dem Ah. Vorsitze Sr. Majestät des Kaisers.

   Seine Majestät der Kais&amp;r geruhte die Sitzung zu eröffiien,
indem Allerhöchstderselbe es als Aufgabe der heutigen Konferenz bezeichnete,
daß in der Sitzung des gemeinsamen Ministeriums vom 19. April1 bereits vorbe¬
ratene gemeinsame Budget für das Jahr 1872 heute unter Zuziehung von Vertre¬
tern der beiden Landesministerien definitiv festzustellen.

   Reichsfinanzminister v. Lönyay erbat sich hieraufdas Wort
zur Darstellung der Hauptziffem des Budgets und Vergleichung mit der vorjähri¬
gen Bewilligung. Seit der Besprechung vom 19. April hätten sich einige Positio¬
nen verändert. So sei namentlich

   A. beim Ministerium des Äußern gegenüber dem Vorjahr im Ordinarium bei
der Zentralleitung ein Mindererfordemis von 300 fl. und bei den Konsulatsausla¬
gen ein solches im Betrage von 420 fl. erzielt worden. Dagegen übersteige das
Präliminare die vorjährige Bewilligung um ein Mehrerfordemis für Geheimaus¬
lagen von 60 000 fl. und für diplomatische Auslagen von 62 268 fl. Letztere be¬
treffen die Dotationen für einige, früher im Extraordinarium geführte und jetzt
wieder im Ordinarium übertragene deutsche Gesandtschaften. Diesem Mehrer-

1 GMR. v. 19, 4. 1871, RMRZ. 108.
<pb/>