Gemeinsamer Ministerrat, 9. 1. 1871
I. Durchführung der Divisionseinteilung
Siehe PDF-Daten https://hw.oeaw.ac.at/ministerrat/serie-2/oe_hu_mrp_I2/pdf/oe_hu_mrp_I2_z31.pdf.
II. Bau der Eisenbahnlinie Villach-Franzensfeste
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III. Meinungsdifferenz der beiden Landesfinanzminister über den Fälligkeitstermin der ungarischen Beitragsquoten zu den Zinsen der konsolidierten Staatsschuld
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Nr. 31 Gemeinsamer Ministerrat, Wien, 9. 1. 1871 211 Antrag zurückzukommen, die Rekrutierung für die im Reichsrate vertretenen Kö¬ nigreiche und Länder im Februar und März anzuordnen und zu Ende zu fuhren und die Wichtigkeit dieses Antrages mit Beziehung auf die allgemeine Lage und das Vorgehen Rußlands warm zu motivieren. Seine Majestät der Kaiser geruhte zu bemerken, daß nach Mit¬ teilung des Ministerpräsidenten Grafen Potocki die Vorarbeiten zur Rekrutierung dem Anträge des Reichskriegsministers entsprechend bsogleich eingeleitet wer- denb, womit die Sitzung geschlossen wurde. Beust Ah. E. Ich habe den Inhalt dieses Protokolls zur Kenntnis genommen. Innsbruck, 2. Jänner 1871. Franz Joseph. Nr. 31 Gemeinsamer Ministerrat, Wien, 9. Jänner 1871 RS. (und RK.) Gegenwärtige: der kgl. ung. Ministerpräsident GrafAndrässy (o. D.), der k. k. Ministerpräsident Graf Potocki (17. 1.), der Reichskriegsminister Freiherr v. Kuhn (o. D.), der Reichsfinanzminister v. Lönyay (16. 1.), derk. k. Finanzminister Freiherr v. Holzgethan (20. 1.), der kgl. ung. Finanzmi- nister v. Kerkäpoly. Protokollführer: Sektionsrat Freiherr v. Konradsheim. Gegenstand: I. Durchführung der Divisionseinteilung. II. Bau der Eisenbahnlinie Villach-Fran¬ zensfeste. III. Meinungsdifferenz der beiden Landesfinanzminister über den Fälligkeitstermin der ungarischen Beitragsquoten zu den Zinsen der konsolidierten Staatsschuld. KZ. 71-RMRZ. 97 Protokoll des zu Wien am 9. Jänner 1871 abgehaltenen Ministerrates für ge¬ meinsame Angelegenheiten unter dem Vorsitze Sr. Exzellenz des Reichskanzlers Grafen Beust. [L] Reichskanzler Graf Beust eröffnet die Sitzung mit der Bekanntgabe, daß Seine Majestät der Kaiser über zwei Vorlagen des Kriegsmini¬ sters die Beratung in einer Ministerkonferenz anzuordnen geruht habe, und bezeichnete als ersten Gegenstand der heutigen Tagesordnung die Nachtragsfor¬ derung des Kriegsministers wegen Geldbewilligung zur Durchführung der Divi- sionseinteilung, indem er zugleich betonte, daß dies ein Gegenstand sei, welcher von Seite Ungarns eifrig befürwortet werde.1 b_b Korrektur des Kaisers aus bereits eingeleitet seien. i Aufdie Einberufung des Ministerrates drängt in Sachen der ersten beiden Tagesordnungspunk¬ te der Reichskriegsminister: Kuhn an Beust v. 5.1.1871, HHSxA., PA, I. Karton 560. Über die Durchführung der Divisionseinteilung siehe GMR. v. 6. 11. 1870, RMRZ. 90.Anm. 6. <pb/>212 Nr. 31 Gemeinsamer Ministerrat, Wien, 9. 1. 1871 Reichsfinanzminister v. Lönyay schaltete ein, daß man in ungarischen Delegiertenkreisen die Durchführung dieser Maßregel so ziemlich zur conditio sine qua non der übrigen Geldbewilligungen für den Knegsminister mache, worauf Reichskriegsminister Freiherr v. Kuhn das Wort nahm zur Darlegung des Zweckes und Wesens der Divisionseintei- lung- Ersterer sei auf die raschere Mobilisierung durch entsprechende Dezentralisie¬ rung gerichtet, indem die nunmehr stabil zu dislozierenden Divisionen a priori mit all jenen Ausrüstungsgegenständen, welche bisher im Mobilisierungsfalle erst gefaßt werden mußten, z. B. Waffen, Munition, Pferdegeschirre usw., verse¬ hen werden, so daß bei einem Ausmarsche nur die Einberufung der Leute und Konskribierung der Pferde (das baldige Zustandekommen des bezüglichen Ge¬ setzes vorausgesetzt) erübrige, um dem Marschbefehle sofort genügen zu kön¬ nen. Dies bedinge aber neben der Rückverlegung der Regimenter in ihre Ergän¬ zungsbezirke, soweit dieselbe teils mit Rücksicht auf politische Erwägungen, teils mit Rücksicht auf das Gamisonserfordemis Dalmatiens, Wiens und sonsti¬ ger größerer Städte möglich ist, die Vermehrung der heute bestehenden Korps und Divisionsstäbe, die Standeserhöhung einzelner Verwaltungsanstalten, die Anschaffung und Magazinierung des erforderlichen Materials usf. Um dies alles durchfuhren zu können, sei es aber nicht nur unerläßlich, daß der von dem Budgetausschusse der Reichsratsdelegation im Ordinarium pro 1871 bei den Kosten für höhere Kommanden und Stäbe gemachte Abstrich von 300 000 fl. durch das Plenum der Delegationen repariert werde, sondern es wären für heuer und auch in der Folge unter dieser Rubrik noch weitere 281 000 fl. in das Ordina¬ rium einzustellen und ergebe sich überdies für die ersten Vorkehrungen im Laufe des heurigen Jahres ein für allemal noch ein außerordentliches Erfordernis von 2 536 257 fl., welches bei den Delegationen nachträglich in Anspruch genommen werden müßte. Ministerpräsident Graf Potocki erklärt, sich in die Beurtei¬ lung der militärischen Seite der Frage nicht einlassen zu wollen. Wenn er ein Bedenken habe, so beziehe es sich auf die Vergrößerung des administrativen Ap¬ parates. Reichskriegsminister Freiherr v. Kuhn entgegnetemit der Hinweisung auf die im Mobilisierungsfalle nötige Vermehrung der jetzt be¬ stehenden Divisionen, welche ein derartiges Personalvirement erheische, daß es gut sei, wenn die Stäbe schon im Frieden gebildet werden.Vortragender kam so¬ dann wieder auf den obigen Abstrich von 300 000 fl. zu sprechen und bemerkte zur Kritik des Ausschußbeschlusses, daß derselbe die Reduzierung der Divisionä¬ re und Brigadiere um den fünften Teil ihres dermaligen Bestandes involviere, was einer Vernichtung der gegenwärtigen Armeeeinteilung gleichkommen würde. Er müsse also ebenso inständig als dringend die Einflußnahme der Herrn Minister in Anspruch nehmen, daß seine Vorlage als Normalbudget anerkannt und ohne die¬ sen Abstrich angenommen werde. <pb/>Nr. 31 Gemeinsamer Ministerrat, Wien, 9. 1. 1871 213 Reichskanzler Graf Beust interpretierte den Abstrich im Aus¬ schuß dahin, daß gewisse höhere Militärposten durch Funktionäre mindereren Grades versehen werden sollen, was jedoch der Kriegsminister als zu weitgehend für untunlich erklärte. Auf Wunsch des Ministerpräsidenten Graf Potocki teilte sofort der Reichskriegsminister die in der neuen Ordre de bataille in Aussicht genommenen Standorte der Korps- und Divisionskommanden und sonstige Details der projektierten Einteilung mit, worauf Finanzminister v. Kerkäpoly sich dahin aussprach, daß auch er die Einführung der Territori¬ aldivisionen als Grundlage der schnelleren Mobilisierung für nötig erachte. Reichsfinanzminister v. Lönyay konstatierte sofort, daß es nunmehr Sache des Kriegsministers sein werde, zwei neue Vorlagen, nämlich a) wegen des einmaligen Erfordernisses von 2 536 257 fl. zur Einführung des neuen Systems und b) wegen des Mehrerfordemisses von 281 000 fl. im Ordinarium als Folge dieses Systems den Delegationen zu erstatten, womit sich die Konferenz einverstanden erklärte. II. Reichskanzler Graf Beust besprach sodann als weiteren Gegenstand der Tagesordnung die Pustertaler-Bahn, Villach-Franzensfeste, de¬ ren beschleunigten Ausbau gegen eine der Südbahn zu leistenden Prämie von 225 000 fl. der Reichskriegsminister in einem au. Vortrage in Anregung gebracht habe.2 Die Südbahn sei zur Vollendung dieser Bahn erst in der zweiten Hälfte 1872 verpflichtet, es erscheine daher die bezeichnete Prämie im Vergleich zu den Vorteilen des Ausbaus im Jahre 1871 billig, aber gleichwohl sei es fraglich, ob die Verausgabung jenes Betrages aus gemeinsamen Mitteln von den Delegationen werde geleistet werden wollen. Reichskriegsminister Freiherr v. Kuhn rekapitulierte den Hergang der Verhandlungen mit der Südbahn. Ursprünglich habe dieselbe für die Verkehrsübergabe der Bahn im Monate November 1871 statt im Monate Sep¬ tember 1872 eine Vergütung von 800 000 fl. verlangt, wodurch sich die Verhand¬ lungen zerschlugen. Nach einer Mitteilung des Freiherm v. Pretis3 sei aber die Südbahn in ihrer Anforderung nunmehr auf 225 000 fl. herabgegangen. Dies stel¬ le die Sache allerdings anders, denn angesichts der noch immer ungewissen Zu¬ kunft sei es in strategischer Beziehung von großem Gewinne, um zehn Monate früher eine Bahnherstellung zu erlangen, welche Tirol ohne Berührung Bayerns mit den übrigen Teilen der Monarchie verbindet. Die allgemeinen Handelsinter¬ essen und eigenen Interessen des Landes Tirol zu vertreten, sei nicht Aufgabe des Au. Vortrag des Reichskriegsministers v. 26. 12. 1870, KA. MKSM. 34-1/2/1870. Reichs¬ kriegsminister an Beust v. 5. 1. 1871. KA. KM. Präs. 25-3/1/1871. Pretis-Cagnodo Sisino Freiherr von (1828-1890), Sektionschefim k. k. Handelsministerium. In dieser Funktion war er im Kabinett Potocki 1870/71 mit der Leitung des Handelsministe¬ riums betraut. <pb/>214 Nr. 31 Gemeinsamer Ministerrat, Wien, 9. 1. 1871 Kriegsministers, doch scheine es ihm auch für Tirol, dessen eigene Bodenpro¬ duktion bekanntlich nur für eine fünfmonatliche Verpflegung der Bevölkerung hinreiche, wichtig zu sein, wenn es eine Bahn früher erlange, welche dem Lande statt den bisher aus Italien bezogenen zollbaren Zerealien die Verpflegsgegen- stände aus dem Inlande zollfrei zuführt. Ministerpräsident Graf Andrässy sprach sich aus prinzipi¬ ellen Gründen gegen die Einbringung einer diesbezüglichen Delegationsvorlage aus; der Antrag des Kriegsministers knüpfe offenbar an die im Sommer v. J. statt- gefundenen Besprechungen an. Damals habe man den forcierten Ausbau einiger Eisenbahnlinien mit Rücksicht auf die Möglichkeit einer Kriegsgefahr im Inter¬ esse der leichteren und rascheren Wehrhaftmachung des Reiches für geboten er¬ achtet und in der militärischen Notwendigkeit der Beschleunigung des Ausbaus den Anhalt zur Einstellung der den Eisenbahngesellschaften zu leistenden Vergü¬ tung in das Kriegsbudget gefunden.4 Sobald aber die Gefahr weniger akut wurde, habe man die Sache selbst bei der gewiß noch wichtigeren ungarisch-galizischen Verbindungsbahn fallengelassen und sei die Inanspruchnahme der Geldbewilli¬ gung von den Delegationen auch faktisch unterblieben. So gewiß nun damals im Zusammenhang mit den übrigen militärisch wichtigen Eisenbahnen der Monar¬ chie auch die Villach-Franzensfeste-Bahn hätte forciert werden können, so we¬ nig gehe es heute an, gerade für diese Bahn strategische Gründe geltend zu ma¬ chen, wo doch weder von Italien noch von Bayern eine Kriegsgefahr drohe. Entfalle aber die militärische Dringlichkeit, so könne auch von einer Beköstigung aus gemeinsamen Mitteln keine Rede sein, man würde daher mit einer solchen Anforderung bei den Delegationen nicht durchdringen. Reichsfinanzminister v. Lönyay und Finanzmini¬ ster v. Kerkäpoly äußerten sich in ähnlichem Sinne und betonten, daß sich die Ausgabe aus gemeinsamen Mitteln heute nicht mehr rechtfertigen lasse. Ministerpräsident Graf Potocki fand es auffällig, daß eine so große Gesellschaft wie die Südbahn auf die relativ geringe Subvention von 225 000 fl. anstehen sollte, wo ja die Gesellschaft selbst von der früheren Eröff¬ nung der Bahn namhafte Vorteile ziehe. Reichskanzler Graf Beust machte die Andeutung, daß es der Direktion der Südbahn an gutem Willen wohl nicht fehle und daß sie die erwähn¬ te Prämie zumeist nur zur eigenen Deckung gegenüber dem Verwaltungsrat zu verlangen scheine. Reichsfinanzminister v. Lönyay machte geltend, daß die Bahn zunächst für Tirol und die diesseitige Reichshälfte von Wichtigkeit sei, be¬ sonders beim Anschluß der Tiroler an die Vorarlberger Eisenbahn. Es liege daher in der Aufgabe des diesseitigen Ministeriums, jene Prämienleistung vom Reichs¬ rate zu erwirken, worauf Finanzminister v. Kerkäpoly zuge¬ stand, daß er selbst der Ansicht sei, das cisleithanische Ministerium werde die 4 Siehe GMR. v. 3. 8. 1870, RMRZ. 72. <pb/>Nr. 31 Gemeinsamer Ministerrat, Wien, 9. 1. 1871 215 Sache im Reichsrate leichter durchbringen als das gemeinsame Ministerium in den Delegationen. Im ganzen aber sei die Ausgabe im Vergleich zu den erzielten Vorteilen gering zu nennen. Vortragender stellte die Frage, ob die diesseitige Re¬ gierung die Posten in ihr Budget aufzunehmen geneigt sei. Ministerpräsident Graf Potocki erklärte sich außerstande, hierauf heute zu antworten; er werde aber über den Gegenstand mit Baron Pretis und mit Herrn Bontoux,5 welcher noch aufzuklären habe, was für eine Bewandt¬ nis es eigentlich mitjenen 225 000 fl. habe, Rücksprache pflegen und sodann dem Reichskriegsminister eine schriftliche Mitteilung zukommen lassen. Freiherr v. Kuhn war hiemit zufrieden und bemerkte, daß er von der bezüglichen Delegationsvorlage nach den heute geäußerten Anschauungen abse- hen zu sollen glaube. III. Zum Schlüsse machte Reichskanzler Graf Beust die Mit¬ teilung, daß ihm gestern eine Note des cisleithanischen Ministerpräsidenten we¬ gen Vermittlung der pünktlicheren Monatsabführ Ungarns an Beiträgen zu den Zinsen der konsolidierten Staatsschuld zugekommen sei,6 und ersuchte die Kon¬ ferenz, diese Angelegenheit gleich heute zu verhandeln. Ministerpräsident Graf Potocki rekapitulierte das Anliegen der cisleithanischen Regierung folgendermaßen: Nach § 9 des Gesetzes vom 24. Dezember 1867 hätten sich die Länder der ungarischen Krone verpflichtet, zur Deckung ihres Beitrages zur Staatsschuld jeden Monat eine solche Quote in Ab¬ fuhr zu bringen, die hinreicht, um Stockungen im gemeinsamen Haushalte hint¬ anzuhalten.7 Da nun die Staatsgläubiger berechtigt seien, schon am 1. jedes Monats die Bezahlung der fälligen Coupons zu verlangen, so ergebe sich zunächst für die mit Bontoux, Paul-Eugene (1820-1904), französischer Ingenieur und Finanzexperte, Direktor der österreichischen Südbahn. Potocki an Beust v. 6. 1. 1871, HHStA., PA. I, Karton 558. Weitere Korrespondenz über diese Frage: Note des Reichsfinanzministers an k. k. Finanzminister v. 23. 1. 1871; Potocki an Beust v. 4. 2. 1871. Ebd. Gesetz vom 24. 12. 1867, RGBl. Nr. 3 für 1868, wodurch das Ministerium der im Reichsrate vertretenen Königreiche und Länder ermächtigt wird, mit dem Ministerium der Länder der ungarischen Krone ein Übereinkommen in Betreff der Beitragleistung der letzteren zu den Lasten der allgemeinen Staatsschuld abzuschließen. § 9. Sowohl die durch den Reichsrat vertretenen Länder, als auch die Länder der ungarischen Krone verpflichten sich, zur Dek- kung ihrer Beiträge für die Staatsschuld jeden Monat eine Quote ihrer Monatseinnahmen in Abfuhr zu bringen, welche zu diesen in demselben Verhältnisse steht, wie die Summe jener Beiträge zu der Gesamtsumme des Ausgabenbudgets des betreffenden Jahres. Sollte die Gesamtsumme jener Beiträge der monatlichen Quoten die Summe jener Beiträge nicht erreichen, so verpflichten sich jene Länder, die Differenz ohne Rücksicht auf ihre Ein¬ nahmen vollständig und in solchen Zeiträumen abzuführen, daß der gemeinsame Finanz- haushalt nicht ins Stocken gerät. In: Bernatzk, Die österreichischen Verfassungsgesetze 529-535. <pb/>216 Nr. 31 Gemeinsamer Ministerrat, Wien, 9. 1. 1871 der Verwaltung der konsolidierten Staatsschuld betraute diesseitige Finanzver¬ waltung die Verpflichtung, für die jeweilig zur Zahlung gelangenden Zinsen die volle Deckung schon am Verfallstage bereitzuhalten; es obliege aber gleichzeitig auch der ungarischen Finanzverwaltung, welche einen Teil dieser Bedeckung zu beschaffen hat, die Aufgabe, dafür zu sorgen, daß die ungarische Tangente recht¬ zeitig, also am Fälligkeitstage, der Staatsschuldenkasse zur Verfügung gestellt werde. Die ungarische Finanzverwaltung glaube aber ihrer gesetzlichen Ver¬ pflichtung nachgekommen zu sein, wenn sie erst im Laufe des Monats ratenweise nach Tunlichkeit ihrer Kassenbestände den zwölften Teil ihres Jahresbeitrages an die Staatsschuldenkasse gelangen lasse. Dadurch aber werde die diesseitige Fi¬ nanzverwaltung in die Notwendigkeit versetzt, in den ersten Tagenjeden Monats, wo das Groß der Zahlungen sich zusammendrängt, die erst später einlangenden Beiträge Ungarns aus eigenen Mitteln gleichsam vorschußweise aufzutreiben, wozu ihr gewiß eine gesetzliche Verpflichtung nicht zugemutet werden könne. Finanzminister Freiherr v. Holzgethan ergänzte diese Ausführung mit der Mitteilung, daß an Beitragsleistung für den Monat Dezember 1870 noch 293 833 fl. in Silber rückständig seien. Pro Jänner sei zwar die in Bankvaluta zahlbare Quote schon abgestattet worden, von der Tangente des Sil¬ berbeitrages aber noch gar nichts abgeführt. Finanzminister v. Kerkäpoly erwiderte: Es trete hier neuer¬ dings eine Meinungsverschiedenheit in der Auffassung des Gesetzes zu Tage, die bereits in Ofen einmal unter Ah. Vorsitze besprochen worden sei. Das Gesetz sage, daß jeder Finanzminister die Monatsquote des Beitrages für die Staats¬ schuld im Verhältnis seiner Einnahmen abzuführen habe. Wenn er nun für seine Abführen eine Latitude bis zum Ende des Monats in Anspruch nehme, so habe er jedenfalls den Wortlaut des Gesetzes für sich. Gleichwohl sei er stets bereit gewe¬ sen und auch für die Zukunft bereit, die Abführen rechtzeitig an die Staatsschul¬ denkasse zu leisten (denn die Silberrückstände pro Dezember und Jänner, welche Freiherr v. Holzgethan erwähnte, seien durch eine mit dem Prinzip nichts gemein habende Inzidenzverhandlung entstanden und würden in kürzester Zeit beglichen werden), aber er könne, solange das Gesetz so lautet, wie es lautet, eine Verpflich¬ tung zur Beitragsleistung vor dem 1. d. M. nicht anerkennen, und es sei dies le¬ diglich Sache des guten Willens. Ministerpräsident Graf Potocki betonte, daß es wünschens¬ wert sei, über die prinzipielle Frage, ob eine Latitude zulässig sei, ins Reine zu kommen. Finanzminister Freiherr v. Holzgethan replizierte auf die Bemerkungen des ungarischen Finanzministers mit dem Hinweis auf den Wortlaut des § 9 des Gesetzes vom 24. Dezember 1867. Die Bestimmung der ersten Alinea lautet ,,Sowohl die durch den Reichsrat vertretenen Länder als auch die Länder der ungarischen Krone verpflichten sich, zur Deckung ihrer Beiträge für die Staatsschuldjeden Monat eine Quote ihrer Monatseinnahmen abzuführen, welche zu diesen in demselben Verhältnisse steht wie die Summe jener Beiträge <pb/>Nr. 31 Gemeinsamer Ministerrat, Wien, 9. 1. 1871 217 zu der Gesamtsumme des Ausgabebudgets des betreffenden Jahres" sei geradezu unverständlich, weil sich dieses Verhältnis erst nach Jahren aus den Rechnungs¬ abschlüssen ermitteln lasse [sic!]. Diese Undeutlichkeit erhalte aber ihr Korrektiv durch die gleich darauf folgende Bestimmung, wonach die Beiträge zu der Staats¬ schuld in solchen Zeiträumen abzuführen sind, daß der gemeinsame Finanzhaus¬ halt nicht in Stockungen gerät. Das Gesetz laute somit zugunsten der cisleithani- schen Auffassung. Wenn die cisleithanische Finanzverwaltung, welcher die Gebarung der Staatsschuld nunmehr oblieg, am 1. Jänner den Coupon einlösen müsse, so sei es klar, daß der beitragspflichtige ungarische Finanzminister sie auch schon am 1. Jänner unterstützen müsse. Die vorschußweise Beischaffung des Geldes könne ihr nicht zugemutet werden. Ministerpräsident Graf Andrässy stimmte dem letzteren Satze zu und erkannte im übrigen an, daß das Gesetz lückenhaft sei. Dies gab auch Reichsfinanzminister v. Lönyay mit Rücksicht auf die heutige Lage zu. Er gab eine Darstellung der Genesis des Gesetzes, welches unter der Voraussetzung zustande kam, daß die Abfuhren der Beiträge für die konsoli¬ dierte Staatsschuld an das Reichsfinanzministerium, welches sich bei Verspätung der Beiträge leichter helfen könnte, geschehen werden, ada die gemeinsamen Ak¬ tiven in größeren Beträgen zur Deckung etwaiger minderer Abfuhren zeitweilig verwendet werden könnten,11 während heute das cisleithanische Finanzministeri¬ um die Verwaltung hat, bdaher es notwendig erscheint, daß die Abfuhren von Seite des ungarischen Finanzministeriums zum Anfänge jedes Monats stattfin¬ den, umsomehr, da das Gesetz diesen Sinn ausdrückt.b Finanzminister v. Kerkäpoly erneuerte seine Bereitwillig¬ keitserklärung zur pünktlichen Beitragsleistung, blieb aber bei seiner Ansicht, daß das Gesetz, welches unter andern als den heutigen Verhältnissen zustande kam, ihn dazu nicht verpflichte. Demgegenüber einigten sich die übrigen Konferenzmitglieder zu der von Graf Andrässy ausgesprochenen Meinung, daß das Verlangen des cisleithanischen Fi¬ nanzministers, wenn auch nicht im Wortlaut, so doch im Geiste des Gesetzes begründet sei. Womit die Sitzung geschlossen wurde. Beust Ah. E. Ich habe den Inhalt dieses Protokolls zur Kenntnis genommen. Wien, 22. Jänner 1871. Franz Joseph. a-a Einfügung Lönyays. b-b Einfügung Lönyays. <pb/>