- I. Vortrag des Reichskriegsministers über den Wunsch einiger Mitglieder der ungarischen Delegation, eine Inpektion der Militärvorräte herbeizuführen
- II. Anträge des Reichskriegsministers bezüglich der Erhöhung der Schlagfertigkeit der Armee im Falle der Mobilisierung im Frühjahre
- III. Antrag des Reichskriegsministers rücksichtlich der Verpflegung des Heeres in entsprechenden Fällen
Gemeinsamer Ministerrat, 6. 12. 1870
I. Vortrag des Reichskriegsministers über den Wunsch einiger Mitglieder der ungarischen Delegation, eine Inpektion der Militärvorräte herbeizuführen
Siehe PDF-Daten https://hw.oeaw.ac.at/ministerrat/serie-2/oe_hu_mrp_I2/pdf/oe_hu_mrp_I2_z27.pdf.
II. Anträge des Reichskriegsministers bezüglich der Erhöhung der Schlagfertigkeit der Armee im Falle der Mobilisierung im Frühjahre
Siehe PDF-Daten https://hw.oeaw.ac.at/ministerrat/serie-2/oe_hu_mrp_I2/pdf/oe_hu_mrp_I2_z27.pdf#page=5.
III. Antrag des Reichskriegsministers rücksichtlich der Verpflegung des Heeres in entsprechenden Fällen
Siehe PDF-Daten https://hw.oeaw.ac.at/ministerrat/serie-2/oe_hu_mrp_I2/pdf/oe_hu_mrp_I2_z27.pdf#page=6.
184 Nr. 27 Gemeinsamer Ministermt, Ofen, 6. 12. 1870 brachten Motive und im Sinne der Anträge des Reichsfinanzministers zu erzie¬ len. Womit die Sitzung geschlossen wurde. Beust Ah. E. Ich habe den Inhalt dieses Protokolls zur Kenntnis genommen. Ofen, 13. Jänner 1871. Franz Joseph. Nr. 27 Gemeinsamer Ministerrat, Ofen, 6. Dezember 1870 RS. (und RK.) Gegenwärtige: der Reichskanzler Graf Beust (o. D.), der kgl. ung. Ministerpräsident Graf Andrässy (o. D.), der Reichskriegsminister Freiherr v. Kuhn (o. D.), der Reichsfinanzminister v. Lönyay (12. 12.). Protokollführer: Sektionsrat v. Teschenberg. Gegenstand: I. Vortrag des Reichskriegsministers über den Wunsch einiger Mitglieder der unga¬ rischen Delegation, eine Inspektion der Militärvorräte herbeizuführen. II. Anträge des Reichs¬ kriegsministers bezüglich der Erhöhung der Schlagfertigkeit der Armee im Falle der Mobilisierung im Frühjahre. III. Antrag des Reichskriegsministers rücksichtlich der Verpflegung des Heeres in entsprechenden Fällen. KZ. 4712-RMRZ. 93 Protokoll des zu Ofen am 6. Dezember 1870 abgehaltenen Ministerrates für gemeinsame Angelegenheiten unter dem Ah. Vorsitze Sr. Majestät des Kaisers. I. Seine Majestät der Kaiser geruhte die Sitzung zu eröffiien, indem Allerhöchstderselbe zunächst dem Reichskriegsminister das Wort erteilte. Reichskriegsminister Freiherr v. Kuhn teilt mit, daß mehrere Mitglieder der ungarischen Delegation ihm den Wunsch ausgesprochen haben, der eventuell auch in einer Resolution Ausdruck finden könnte, Abgeord¬ neten der Delegation die Möglichkeit zu eröffiien, die Vorräte für das Heer, so¬ wohl nach ihrer Quantität als nach ihrer Qualität einer prüfenden Untersuchung zu unterziehen. Er habe diesem Wunsche gegenüber sich dahin geäußert, daß er seinerseits kein sachliches Bedenken gegen die Vornahme einer derartigen Unter¬ suchung hege, daß aber die Entscheidung hierüber in einer Ah. Willensäußerung Seiner Majestät als des obersten Kriegsherrn liege. Die Sache habe offenbar zwei Seiten, sie könne ganz unschädlich sein, wenn sie eben nur die Überzeugung von dem Vorhandensein der aufgeführten Vorräte bezwecke, sie könne aber auch wei¬ tere Konsequenzen nach sich ziehen. Das Zugeständnis eines Visitationsrechtes lasse die Folgerung zu, die Visitation nicht allein auf die Magazine und Vorräte einzuschränken, sondern auch auf die Visitation der Truppen, die Prüfung der Abrichtung usf. auszudehnen. Das sei offenbar nicht Sache der Delegationen und <pb/>Nr. 27 Gemeinsamer Ministerrat, Ofen, 6. 12. 1870 185 in diesem Sinne habe der Reichskriegsminister an die Revolutionskommissäre der 90er Jahre des vorigen Jahrhunderts erinnert. Allerdings habe er die beruhi¬ gendsten Versicherungen über die Tendenz des Wunsches in dieser Beziehung von Seite der betreffenden Delegationsmitglieder erhalten, aber jedenfalls sei auch die Art der Ausführung des modus procedendi einer Erwägung zu unterzie¬ hen. Seine Majestät der Kaiser geruhte hervorzuheben, daß den Andeutungen des Reichskriegsministers entsprechend jedenfalls der politische und verfassungsmäßige Standpunkt in der Frage von dem praktisch-technischen scharf zu unterscheiden sei. Von letzterem könne der Vorgang nur erwünscht er¬ scheinen, weil er die Überzeugung von dem Vorhandensein der Vorräte und von der Handhabung strenger Ordnung verallgemeine. Auf alle Fälle müsse aber auch die Mitwirkung beider Delegationen herangezogen und die Angelegenheit nicht bloß als Sache der ungarischen Delegation behandelt werden. Reichskanzler Graf Beust betont ebenfalls den praktischen Nutzen, der sich offenbar durch die Berichtigung irrtümlicher Auffassungen und durch die Begründung einer klaren Überzeugung in dieser Richtung heraussteilen müsse. Die Frage sei aber nicht gleichgültig, weil sie in das Gebiet der Exekutive hineingreifen könne. Man habe jedenfalls zwischen den Begriffen einer Enquete und einer Inspektion zu unterscheiden. Erstere umschließe eventuell Anträge auf Verbesserung und eine Beeinträchtigung der Exekutivrechte, sie sei deshalb un¬ statthaft. Letztere beschränke sich auf die Einsicht in das vorhandene Material, auf einen Augenschein in betreff der Existenz der Vorräte, und dagegen sei nichts zu erinnern. Die Inspektion würde zu einem bloßen Befunde, zu einem Berichte führen, der Begriff der Enquete sei davon auszuschließen. Ministerpräsident Graf Andrässy: Es liege die Alternative vor, den Wunsch der Delegationsmitglieder anzunehmen oder abzuweisen, nach beiden Richtungen hin habe man die Vorteile und Nachteile abzuwägen. Die Vor¬ teile der Annahme bieten sich auf den ersten Blick dar. Ein Teil der Opposition gegen das Institut der Delegationen, stütze sich insbesondere auf den Satz: letzte¬ re seien überhaupt nicht in der Lage, eine wirksame Kontrolle auszuüben, sie hätten nur den Zweck, die Forderungen der Regierung zu bewilligen. Die Linke lasse es an Äußerungen nicht fehlen, daß alle Vorräte nur auf dem Papier existier¬ ten. Im allgemeinen sei der Mangel an Vertrauen ein sehr vorherrschender Zug unseres öffentlichen Lebens. Von diesem Standpunkt könnte die Bewilligung im Interesse Seiner Majestät nur empfohlen werden, sie werde unstreitig eine sehr günstige Wirkung nach sich ziehen. Andererseits habe man sich aber allerdings die Folgen vorzuhalten und die Möglichkeit eines Auftretens von Delegations¬ kommissären nach Art der Revolutionskommissäre von vornherein zu beseitigen. Die Garantie dagegen könne aber in mehreren Richtungen hin gefunden werden. Zunächst müsse unzweideutig daran festgehalten werden, daß die Genehmigung des Wunsches nur in dem Willen des obersten Kriegsherrn gelegen und von die¬ sem Willen abhängig sei, dann sei auf die Form Gewicht zu legen, und für diese <pb/>186 Nr. 27 Gemeinsamer Ministerrat, Ofen, 6. 12. 1870 empfehle sich der Modus der Einladung. Da die Delegation den Wunsch nach einer derartigen Visitation ausgesprochen habe, so werde sie zu derselben einge¬ laden. Endlich sei der Delegation nahezulegen, daß ihre Aufgabe nach dieser Richtung sich in der Erstattung eines Berichtes erschöpfe, Anträge aber nicht gestellt werden könnten. Diese drei Momente böten genügende Garantien gegen die Entstehung eines staatsrechtlichen Präjudizes. Reichsfinanzminister v. Lönyay: In der Möglichkeit einer Relation in der Sache von Seite der Delegationen lägen unbestreitbar Vorteile. Jedenfalls sei die Form, wie diese Relation zu erzielen, von hohem Gewichte. Man habe die Wahl, ob in der Delegation selbst der erste Schritt geschehen, oder dieser Schritt dem Kriegsminister überlassen werden solle. Es sei zu bedenken, ob die Delegation sich im ersteren Falle nicht in ein gewisses Recht setze. Im zweiten Falle lege der Kriegsminister nur die Rechnungsbücher vor. Der Stand der Vorräte werde mit diesen verglichen und dann erfolge der Bericht. Es sei dann der Schein einer Pression vermieden, der man nachgebe. Wenn die Delegation drei bis fünf Mitglieder wähle, welche die Untersuchung in zehn bis zwölf Tagen vornehmen, könne Bericht erstattet werden. Das Ganze erscheine dann als ein freiwilliger Akt der Regierung. Seine Majestät der Kaiser hebt hervor, daß eine Initiative des Kriegsministers allerdings gewisse Vorteile darbiete, es aber doch geratener er¬ scheine, die erste Anregung den Delegationen zu überlassen. Reichskriegsminister Freiherr v. Kuhn erwidert auf eine Ah. Anfrage Seiner Majestät und einige Bemerkungen des Reichsfinanzmi¬ nisters, daß ihm spezielle Wünsche in der in Verhandlung stehenden Angelegen¬ heit nur von Seite einiger Mitglieder der ungarischen Delegation zugekommen seien, während die Mitglieder der Delegation des Reichsrates sich auf allgemeine Andeutungen beschränkten. Ministerpräsident Graf Andrässy verweist auf den staats¬ rechtlichen Unterschied, der zwischen den Delegationen und eigentlichen legis¬ lativen Körperschaften bestehe. Erstere seien wesentlich zur Kontrolle da und seien im gewissen Sinne als Komitees zu betrachten. Dieser Charakter lasse ih¬ nen gegenüber manches als unbedenklich erscheinen, was eigentlichen Legislati¬ ven gegenüber als bedenklich betrachtet werden müßte. Seine Majestät der Kaiser betont nochmals, daß in der Sache selbst keine Einwendung vorliege, daß aber die Form der Inszenesetzung in ho¬ hem Grade wichtig sei, um die Wirkungen zu erzielen, die man sich von dem Schritt verspreche. Allerhöchstderselbe gibt zu bedenken, ob der Reichsfinanzmi¬ nister nicht in der Lage wäre, die geeigneten Einleitungen in der ungarischen Delegation zu treffen. Ministerpräsident Graf Andrässy schlägt die Form einer Interpellation in Pleno der Delegation vor. Reichsfinanzminister v. Lönyay verweist darauf, daß die Beratung des Kriegsbudgets die passende Gelegenheit zur Einbringung einer derartigen Interpellation darbiete, deren Be- <pb/>Nr. 27 Gemeinsamer Ministerrat, Ofen, 6. 12. 1870 187 antwortung dann dem Kriegsminister zufalle. Die Form der Interpellation und der Beantwortung seien vorher gemeinsam festzustellen. Seine Majestät der Kaiser geruhte darauf aufmerksam zu ma¬ chen, daß die Aufgabe nicht dahin aufzufassen sei, eine Resolution der Delegati¬ on zu erzielen. Resolutionen, Beschlüsse der Delegationen usf. wurden nach der bisherigen Gepflogenheit immer erst zum Schluß der Delegationsverhandlungen formuliert. Dann aber entfalle die Möglichkeit eines Referates, denn es sei wohl zu beachten, daß nach der in Ungarn herrschenden staatsrechtlichen Auffassung die Verhandlung jeder Delegation ein geschlossenes Ganzes sei, und eine äußere Verbindung zwischen einer Delegation und der ihr nachfolgenden im Sinne die¬ ser Auffassung nicht bestehe, mindestens von ungarischer Seite nicht zuerkannt sei. Die Interpellation sei deshalb jedenfalls vor den Ferien der Delegation einzu¬ bringen, der Besuch der Magazine und Etablissements während der Ferien einzu¬ leiten, damit noch dieser Delegation Bericht erstattet werden könne. Ministerpräsident Graf Andrässy macht geltend, daß auch mit einer Interpellation gewisse Schwierigkeiten verbunden sein könnten, inso¬ fern man dieselbe mit einer gegen den Kriegsminister gerichteten Tendenz in Verbindung brächte. Dem sei einfach abzuhelfen. Die Delegation sei zur Einbrin¬ gung einer Interpellation zu bestimmen und in dieser Interpellation auszudrük- ken, daß die Delegation selbst in der Sache keinen Zweifel und nur den Wunsch habe, der Regierung Gelegenheit zu geben, dem Lande Beruhigung zu verschaf¬ fen. Reichskriegsminister Freiherr v. Kuhn und Reichs- finanzminister v. Lönyay resümieren nochmals den einzuschla¬ genden Weg den Delegationen gegenüber, letzterer betont insbesondere, daß die Antwort des Kriegsministers das Material für den Antrag in den Delegationen zu enthalten habe. Seine Majestät der Kaiser ordnet an, daß den Delegationen die Wahl der zu besichtigenden Magazine und Etablissements völlig ffeizustellen sei. Reichskanzler Graf Beust entwickelt, daß, was die Form der Interpellation anbelangt, kein Zweifel über die wohlwollende Tendenz der Dele¬ gation obwalten dürfe. Die Absicht, der Regierung einen Dienst zu leisten und im Interesse der Regierung zu handeln, müsse angemessenen Ausdruck erhalten. Ministerpräsident Graf Andrässy betont, daß selbst auf die Beispiele hingewiesen werden könne, wie in Zentralregierungen Illusionen und Selbsttäuschungen in den in Rede stehenden Richtungen vorwalten könnten. Nachdem Seine Majestät der Kaiser noch auf die Art und Weise hingewiesen, in welcher die von den Delegationen gewählte Kommission sich der Lösung ihrer Aufgabe zu unterziehen haben werde, faßt Allerhöchstder- selbe den Beschluß im Sinne der Ergebnisse der Verhandlungen. Dementspre¬ chend wird eine Interpellation im Schoße der Delegationen vor den Ferien zu veranlassen und von dem Reichskriegsminister in der Art zu beantworten sein, <pb/>188 Nr. 27 Gemeinsamer Ministerrat, Ofen, 6. 12. 1870 daß darauf ein formeller Antrag der Delegationen gegründet werden kann. Es wäre sodann die Wahl der Kommission und während der Ferien die Inspektion der Magazine vorzunehmen, so daß nach denselben Bericht erstattet werden könnte. II. Reichskriegsminister Freiherr v. Kuhn referiert so¬ dann über eine Reihe von Anträgen zur Erhöhung der Schlagfertigkeit der Armee für den Fall eines Eintrittes von Eventualitäten, welche die Mobilisierung der Armee nötig machen. Der Reichskriegsminister verweist insbesondere auf den ungünstigen Stand der Armee im nächsten Frühjahr hin, welcher dadurch eintritt, daß sich ein Ausfall von 56 000 Mann, die in die Landwehr einberufen werden, ergibt. Es entstehe die Frage, ob nicht durch die Einberufung der Reservisten in die Armee im Frühjahre vorgesorgt werden könne. Dafür aber sei jetzt schon im Dezember die Vorsorge zu treffen. Ministerpräsident Graf Andrässy führt an, der erste Ein¬ druck der Maßregel sei ein solcher, daß sie direkt gegen das Gesetz erscheine. Nachdem noch Reichskanzler Graf Beust angedeutet, daß die augenblickliche Lage nicht darnach angetan sei, um die Maßregel aus dem Cha¬ rakter der politischen Situation jetzt zu rechtfertigen, geruhten Seine Majestät der Kaiser zu beschließen, daß von derselben abgesehen werde. Reichskriegsminister Freiherr v. Kuhn schließt hieran den Antrag, die Rekrutierung in den im Reichsrate vertretenen Königreichen und Ländern entsprechend der Rekrutierung in den Ländern der ungarischen Krone gleichfalls in den Monaten Februar und März (statt April und Mai) vorzuneh¬ men. Seine Majestät der Kaiser verweist auf die Notwendigkeit der Mitwirkung des Reichsrates zur gesetzlichen Durchführung dieser Maßregel. Ministerpräsident Graf Andrässy macht geltend, daß die Maßregel ohne Alarmierung der öffentlichen Meinung aus Rücksicht auf den namhaften Ausfall motiviert werden könne, welchem die Armee im nächsten Frühjahr unterworfen sein werde. Seine Majestät der Kaiser gibt der Erwägung anheim, ob die Maßregel Aussicht auf eine Annahme von Seite des Reichsrates haben werde. Reichskanzler Graf Beust bemerkt, daß mindestens Zweifel in dieser Richtung gestattet seien. Das Zentrum werde sich vielleicht nicht in Über¬ einstimmung mit der Linken in der Frage befinden. Die Rücksichten auf die poli¬ tische Lage könnten immerhin als weiteres illustrierendes Motiv den Rücksichten auf die speziellen Verhältnisse der Armee hinzugefügt werden. Minister¬ präsident Graf Andrässy: Man solle eine Vorlage an den Reichsrat nicht erstatten, wenn man nicht ihrer Annahme gewiß sei. Die Vorteile der Bewil¬ ligung stünden nicht im Gleichgewicht mit den Nachteilen der Verweigerung. Reichskriegsminister Freiherr v. Kuhn stellt mit Rück¬ sicht auf die Resultate der Besprechung den Antrag, den Ministem für die im <pb/>Nr. 27 Gemeinsamer Ministerrat, Ofen, 6. 12. 1870 189 Reichsrate vertretenen Königreiche und Länder die Entscheidung über den be¬ rührten Punkt zu überlassen. Gleichzeitig sei ihnen aber die Beschleunigung ihrer Beratung und die ungesäumte Einleitung der Vorarbeiten Allerhöchstenortes auf¬ zutragen, weil sonst die eventuelle Vornahme der Rekrutierung im Monate Febru¬ ar unmöglich sei. Seine Majestät der Kaiser erteilte diesem An¬ träge die Ah. Genehmigung. Ein weiterer Antrag des Reichskriegsministers, die Rekruten vor Oktober einzuberufen, wird von Seiner Majestät dem Kaiser mit Rücksicht auf die Möglichkeit späterer Beratung und Beschlußfassung vertagt. Demnächst motiviert der Reichskriegsminister einen Antrag wegen baldiger Durchführung des Landsturmgesetzes, insbesondere mit Rücksicht auf die Even¬ tualität eines Krieges mit Rußland, bei welchem ein derartiges Gesetz von her¬ vorragend praktischer Bedeutung werden könnte.1 Es gelte dem aufzubietenden Landsturm die Vorteile einer internationalen Anerkennung und den Charakter ei¬ ner gesetzmäßigen und normalen Institution zu sichern. Seine Majestät der Kaiser verweist auf das Ungleichartige der Verhältnisse in der Monarchie, deren Westhälfte sowie Tirol das Landsturmge¬ setz als fertige Institution kennen, während der Rest der Monarchie dieses Geset¬ zes entbehre. Allerhöchstderselbe genehmigt den Antrag des Kriegsministers auch in dieser Beziehung das Ministerium für die im Reichsrate vertretenen Kö¬ nigreiche und Länder zur Einleitung der erforderlichen Schritte aufzufordem. III. Den Schluß der Verhandlung bildet ein Antrag des Reichskriegsministers bezüglich der Verpflegung des Heeres im Falle einer Mobilisierung. Der Reichs¬ kriegsminister teilt mit, daß er eine Kommission zur Enquetierung der hieher gehörigen Fragen eingesetzt habe. Mit Rücksicht auf die Ergebnisse der Enquete müsse er als dringendes Erfordernis bezeichnen, daß dem Reichskriegsminister die Möglichkeit oder Wahrscheinlichkeit einer Mobilisierung drei bis vier Wo¬ chen vor ihrem wirklichen Eintreten zur Beschaffung eines Vorrates für das ge¬ samte Heer auf 20 Tage angezeigt würde. Dazu müßte ihm gleichzeitig eine Summe von zehn bis zwölf Millionen zur Verfügung gestellt werden, ohne die Berücksichtigung dieses in jedem Sinne gebotenen Anspruches sei eine Mobili¬ sierung und der gleichzeitig damit notwendige strategische Aufmarsch durchaus nicht möglich. Seine Majestät der Kaiser betont die hohe Wichtigkeit des An¬ trages. Hier handle es sich nicht um eine unnütze Verausgabung. Trete die Mobi- Das Wehrgesetz von 1868 teilte die bewaffnete Macht in drei Anstalten ein: gemeinsames Heer, Landwehr und Landsturm der beiden Staaten. Ursprünglich wollte man Landwehr und Landsturm in den beiden Staaten gleichzeitig organisieren. Dies gelangjedoch nur bezüglich der Landwehr (GA. XLI von 1868, Gesetz vom 13. Mai 1869, RGBl. Nr. 68). In Ungarn wurde mit GA. XLII von 1868 ein freiwilliger Landsturm inartikuliert, aber in Österreich blieb, mit Ausnahme von Tirol und Vorarlberg, auch diese Form des Landsturms unbekannt. Siehe Schmidt-Brentano, Die Armee in Österreich 88-89; Diöszegi, Einleitung 53. <pb/>190 Nr. 27 Gemeinsamer Ministerrat, Ofen, 6. 12. 1870 lisierung nicht ein, so würden eben die angeschafften Vorräte ihrer gewöhnlichen Verwendung zugeführt. Die Rücksicht auf die Preisdifferenzen sei für die Beur¬ teilung der ganzen Lage in erster Linie entscheidend. Gewissermaßen könne man sie im Lichte eines Vörschußgeschäftes betrachten, bei welchem entschiedene Vorteile zugunsten der Eingehung desselben sprächen. Vor allem aber habe man sich gegenwärtig zu halten, daß ohne die Maßregel eine Mobilisierung und ein Aufmarsch eben unmöglich seien und die spätere Ausgabe einer Milliarde das erste Versäumnis nicht gutmachen könne. Reichsfinanzminister v. Lönyay stellt als zweifelhaft hin, ob die nötigen Werte, um den Ansprüchen des Kriegsministers zu genügen, von Seite der beiden Landesfinanzminister zur Verfügung des Reichsfinanzministers gelassen bleiben. Die Beschaffung der zehn Millionen sei indessen jedenfalls durch einen Vorschuß der beiden Finanzminister zu erzielen. Es ergebe sich hier entweder die Chance, daß die nötigen Werte im Reichsfinanzministerium vorhan¬ den seien, oder daß die beiden Finanzminister eine Vorauszahlung der Raten von einem oder zwei Monaten leisten, was als genügend angesehen werden könne. Seine Majestät der Kaiser betont nochmals die Bedeutung des Prinzips, während Reichskanzler Graf Beust seine Bereitwillig¬ keit ausspricht, dem Wunsche des Reichskriegsministers bezüglich einer frühe¬ ren Anzeige der eventuell nötigen Mobilisierung zu entsprechen. Reichskriegsminister Freiherr v. Kuhn weist auf das Beispiel Preußens hin, wo ein zweijähriger Vorrat für den Friedensstand bereitge¬ halten wird, was einem Vorräte für sechs bis acht Monate für den Kriegsstand gleichkommt. Er habe nicht die Absicht, in seinen Anträgen so weit zu gehen, einmal wegen der Unverzinslichkeit des für die Anlegung eines derartigen Vorra¬ tes aufzuwendenden Kapitals, dann aber insbesondere wegen gewisser Verluste und Schwindungen in dem aufgespeicherten Material. Umsomehr müsse er auf seinen Vorschlag Gewicht legen. Nachdem Seine Majestät der Kaiser sich gleichfalls in die¬ sem Sinne ausgesprochen und dem Vorschlag die Ah. Genehmigung zu erteilen geruht habe, schließt Allerhöchstderselbe die Verhandlung. Beust Ah. E. Ich habe den Inhalt dieses Protokolls zur Kenntnis genommen. Ofen, 14. Dezember 1870. Franz Joseph. <pb/>