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Gemeinsamer Ministerrat, 6. 12. 1870

I. Vortrag des Reichskriegsministers über den Wunsch einiger Mitglieder der ungarischen Delegation, eine Inpektion der Militärvorräte herbeizuführen

Siehe PDF-Daten https://hw.oeaw.ac.at/ministerrat/serie-2/oe_hu_mrp_I2/pdf/oe_hu_mrp_I2_z27.pdf.

II. Anträge des Reichskriegsministers bezüglich der Erhöhung der Schlagfertigkeit der Armee im Falle der Mobilisierung im Frühjahre

Siehe PDF-Daten https://hw.oeaw.ac.at/ministerrat/serie-2/oe_hu_mrp_I2/pdf/oe_hu_mrp_I2_z27.pdf#page=5.

III. Antrag des Reichskriegsministers rücksichtlich der Verpflegung des Heeres in entsprechenden Fällen

Siehe PDF-Daten https://hw.oeaw.ac.at/ministerrat/serie-2/oe_hu_mrp_I2/pdf/oe_hu_mrp_I2_z27.pdf#page=6.

184 Nr. 27 Gemeinsamer Ministermt, Ofen, 6. 12. 1870

brachten Motive und im Sinne der Anträge des Reichsfinanzministers zu erzie¬
len.

   Womit die Sitzung geschlossen wurde.
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Ah. E. Ich habe den Inhalt dieses Protokolls zur Kenntnis genommen.
Ofen, 13. Jänner 1871. Franz Joseph.

       Nr. 27 Gemeinsamer Ministerrat, Ofen, 6. Dezember 1870

    RS. (und RK.)
    Gegenwärtige: der Reichskanzler Graf Beust (o. D.), der kgl. ung. Ministerpräsident Graf
Andrässy (o. D.), der Reichskriegsminister Freiherr v. Kuhn (o. D.), der Reichsfinanzminister v.
Lönyay (12. 12.).
    Protokollführer: Sektionsrat v. Teschenberg.
    Gegenstand: I. Vortrag des Reichskriegsministers über den Wunsch einiger Mitglieder der unga¬
rischen Delegation, eine Inspektion der Militärvorräte herbeizuführen. II. Anträge des Reichs¬
kriegsministers bezüglich der Erhöhung der Schlagfertigkeit der Armee im Falle der Mobilisierung
im Frühjahre. III. Antrag des Reichskriegsministers rücksichtlich der Verpflegung des Heeres in
entsprechenden Fällen.

   KZ. 4712-RMRZ. 93
   Protokoll des zu Ofen am 6. Dezember 1870 abgehaltenen Ministerrates für
gemeinsame Angelegenheiten unter dem Ah. Vorsitze Sr. Majestät des Kaisers.

   I. Seine Majestät der Kaiser geruhte die Sitzung zu eröffiien,
indem Allerhöchstderselbe zunächst dem Reichskriegsminister das Wort erteilte.

   Reichskriegsminister Freiherr v. Kuhn teilt mit, daß
mehrere Mitglieder der ungarischen Delegation ihm den Wunsch ausgesprochen
haben, der eventuell auch in einer Resolution Ausdruck finden könnte, Abgeord¬
neten der Delegation die Möglichkeit zu eröffiien, die Vorräte für das Heer, so¬
wohl nach ihrer Quantität als nach ihrer Qualität einer prüfenden Untersuchung
zu unterziehen. Er habe diesem Wunsche gegenüber sich dahin geäußert, daß er
seinerseits kein sachliches Bedenken gegen die Vornahme einer derartigen Unter¬
suchung hege, daß aber die Entscheidung hierüber in einer Ah. Willensäußerung
Seiner Majestät als des obersten Kriegsherrn liege. Die Sache habe offenbar zwei
Seiten, sie könne ganz unschädlich sein, wenn sie eben nur die Überzeugung von
dem Vorhandensein der aufgeführten Vorräte bezwecke, sie könne aber auch wei¬
tere Konsequenzen nach sich ziehen. Das Zugeständnis eines Visitationsrechtes
lasse die Folgerung zu, die Visitation nicht allein auf die Magazine und Vorräte
einzuschränken, sondern auch auf die Visitation der Truppen, die Prüfung der
Abrichtung usf. auszudehnen. Das sei offenbar nicht Sache der Delegationen und
<pb/>Nr. 27 Gemeinsamer Ministerrat, Ofen, 6. 12. 1870  185

in diesem Sinne habe der Reichskriegsminister an die Revolutionskommissäre
der 90er Jahre des vorigen Jahrhunderts erinnert. Allerdings habe er die beruhi¬
gendsten Versicherungen über die Tendenz des Wunsches in dieser Beziehung
von Seite der betreffenden Delegationsmitglieder erhalten, aber jedenfalls sei
auch die Art der Ausführung des modus procedendi einer Erwägung zu unterzie¬
hen.

   Seine Majestät der Kaiser geruhte hervorzuheben, daß den
Andeutungen des Reichskriegsministers entsprechend jedenfalls der politische
und verfassungsmäßige Standpunkt in der Frage von dem praktisch-technischen
scharf zu unterscheiden sei. Von letzterem könne der Vorgang nur erwünscht er¬
scheinen, weil er die Überzeugung von dem Vorhandensein der Vorräte und von
der Handhabung strenger Ordnung verallgemeine. Auf alle Fälle müsse aber auch
die Mitwirkung beider Delegationen herangezogen und die Angelegenheit nicht
bloß als Sache der ungarischen Delegation behandelt werden.

   Reichskanzler Graf Beust betont ebenfalls den praktischen
Nutzen, der sich offenbar durch die Berichtigung irrtümlicher Auffassungen und
durch die Begründung einer klaren Überzeugung in dieser Richtung heraussteilen
müsse. Die Frage sei aber nicht gleichgültig, weil sie in das Gebiet der Exekutive
hineingreifen könne. Man habe jedenfalls zwischen den Begriffen einer Enquete
und einer Inspektion zu unterscheiden. Erstere umschließe eventuell Anträge auf
Verbesserung und eine Beeinträchtigung der Exekutivrechte, sie sei deshalb un¬
statthaft. Letztere beschränke sich auf die Einsicht in das vorhandene Material,
auf einen Augenschein in betreff der Existenz der Vorräte, und dagegen sei nichts
zu erinnern. Die Inspektion würde zu einem bloßen Befunde, zu einem Berichte
führen, der Begriff der Enquete sei davon auszuschließen.

   Ministerpräsident Graf Andrässy: Es liege die Alternative
vor, den Wunsch der Delegationsmitglieder anzunehmen oder abzuweisen, nach
beiden Richtungen hin habe man die Vorteile und Nachteile abzuwägen. Die Vor¬
teile der Annahme bieten sich auf den ersten Blick dar. Ein Teil der Opposition
gegen das Institut der Delegationen, stütze sich insbesondere auf den Satz: letzte¬
re seien überhaupt nicht in der Lage, eine wirksame Kontrolle auszuüben, sie
hätten nur den Zweck, die Forderungen der Regierung zu bewilligen. Die Linke
lasse es an Äußerungen nicht fehlen, daß alle Vorräte nur auf dem Papier existier¬
ten. Im allgemeinen sei der Mangel an Vertrauen ein sehr vorherrschender Zug
unseres öffentlichen Lebens. Von diesem Standpunkt könnte die Bewilligung im
Interesse Seiner Majestät nur empfohlen werden, sie werde unstreitig eine sehr
günstige Wirkung nach sich ziehen. Andererseits habe man sich aber allerdings
die Folgen vorzuhalten und die Möglichkeit eines Auftretens von Delegations¬
kommissären nach Art der Revolutionskommissäre von vornherein zu beseitigen.
Die Garantie dagegen könne aber in mehreren Richtungen hin gefunden werden.
Zunächst müsse unzweideutig daran festgehalten werden, daß die Genehmigung
des Wunsches nur in dem Willen des obersten Kriegsherrn gelegen und von die¬
sem Willen abhängig sei, dann sei auf die Form Gewicht zu legen, und für diese
<pb/>186 Nr. 27 Gemeinsamer Ministerrat, Ofen, 6. 12. 1870

empfehle sich der Modus der Einladung. Da die Delegation den Wunsch nach
einer derartigen Visitation ausgesprochen habe, so werde sie zu derselben einge¬
laden. Endlich sei der Delegation nahezulegen, daß ihre Aufgabe nach dieser
Richtung sich in der Erstattung eines Berichtes erschöpfe, Anträge aber nicht
gestellt werden könnten. Diese drei Momente böten genügende Garantien gegen
die Entstehung eines staatsrechtlichen Präjudizes.

   Reichsfinanzminister v. Lönyay: In der Möglichkeit einer
Relation in der Sache von Seite der Delegationen lägen unbestreitbar Vorteile.
Jedenfalls sei die Form, wie diese Relation zu erzielen, von hohem Gewichte.
Man habe die Wahl, ob in der Delegation selbst der erste Schritt geschehen, oder
dieser Schritt dem Kriegsminister überlassen werden solle. Es sei zu bedenken,
ob die Delegation sich im ersteren Falle nicht in ein gewisses Recht setze. Im
zweiten Falle lege der Kriegsminister nur die Rechnungsbücher vor. Der Stand
der Vorräte werde mit diesen verglichen und dann erfolge der Bericht. Es sei dann
der Schein einer Pression vermieden, der man nachgebe. Wenn die Delegation
drei bis fünf Mitglieder wähle, welche die Untersuchung in zehn bis zwölf Tagen
vornehmen, könne Bericht erstattet werden. Das Ganze erscheine dann als ein
freiwilliger Akt der Regierung.

   Seine Majestät der Kaiser hebt hervor, daß eine Initiative des
Kriegsministers allerdings gewisse Vorteile darbiete, es aber doch geratener er¬
scheine, die erste Anregung den Delegationen zu überlassen.

   Reichskriegsminister Freiherr v. Kuhn erwidert auf
eine Ah. Anfrage Seiner Majestät und einige Bemerkungen des Reichsfinanzmi¬
nisters, daß ihm spezielle Wünsche in der in Verhandlung stehenden Angelegen¬
heit nur von Seite einiger Mitglieder der ungarischen Delegation zugekommen
seien, während die Mitglieder der Delegation des Reichsrates sich auf allgemeine
Andeutungen beschränkten.

   Ministerpräsident Graf Andrässy verweist auf den staats¬
rechtlichen Unterschied, der zwischen den Delegationen und eigentlichen legis¬
lativen Körperschaften bestehe. Erstere seien wesentlich zur Kontrolle da und
seien im gewissen Sinne als Komitees zu betrachten. Dieser Charakter lasse ih¬
nen gegenüber manches als unbedenklich erscheinen, was eigentlichen Legislati¬
ven gegenüber als bedenklich betrachtet werden müßte.

   Seine Majestät der Kaiser betont nochmals, daß in der Sache
selbst keine Einwendung vorliege, daß aber die Form der Inszenesetzung in ho¬
hem Grade wichtig sei, um die Wirkungen zu erzielen, die man sich von dem
Schritt verspreche. Allerhöchstderselbe gibt zu bedenken, ob der Reichsfinanzmi¬
nister nicht in der Lage wäre, die geeigneten Einleitungen in der ungarischen
Delegation zu treffen.

   Ministerpräsident Graf Andrässy schlägt die Form einer
Interpellation in Pleno der Delegation vor. Reichsfinanzminister v.
Lönyay verweist darauf, daß die Beratung des Kriegsbudgets die passende
Gelegenheit zur Einbringung einer derartigen Interpellation darbiete, deren Be-
<pb/>Nr. 27 Gemeinsamer Ministerrat, Ofen, 6. 12. 1870  187

antwortung dann dem Kriegsminister zufalle. Die Form der Interpellation und der
Beantwortung seien vorher gemeinsam festzustellen.

   Seine Majestät der Kaiser geruhte darauf aufmerksam zu ma¬
chen, daß die Aufgabe nicht dahin aufzufassen sei, eine Resolution der Delegati¬
on zu erzielen. Resolutionen, Beschlüsse der Delegationen usf. wurden nach der
bisherigen Gepflogenheit immer erst zum Schluß der Delegationsverhandlungen
formuliert. Dann aber entfalle die Möglichkeit eines Referates, denn es sei wohl
zu beachten, daß nach der in Ungarn herrschenden staatsrechtlichen Auffassung
die Verhandlung jeder Delegation ein geschlossenes Ganzes sei, und eine äußere
Verbindung zwischen einer Delegation und der ihr nachfolgenden im Sinne die¬
ser Auffassung nicht bestehe, mindestens von ungarischer Seite nicht zuerkannt
sei. Die Interpellation sei deshalb jedenfalls vor den Ferien der Delegation einzu¬
bringen, der Besuch der Magazine und Etablissements während der Ferien einzu¬
leiten, damit noch dieser Delegation Bericht erstattet werden könne.

   Ministerpräsident Graf Andrässy macht geltend, daß auch
mit einer Interpellation gewisse Schwierigkeiten verbunden sein könnten, inso¬
fern man dieselbe mit einer gegen den Kriegsminister gerichteten Tendenz in
Verbindung brächte. Dem sei einfach abzuhelfen. Die Delegation sei zur Einbrin¬
gung einer Interpellation zu bestimmen und in dieser Interpellation auszudrük-
ken, daß die Delegation selbst in der Sache keinen Zweifel und nur den Wunsch
habe, der Regierung Gelegenheit zu geben, dem Lande Beruhigung zu verschaf¬
fen.

   Reichskriegsminister Freiherr v. Kuhn und Reichs-
finanzminister v. Lönyay resümieren nochmals den einzuschla¬
genden Weg den Delegationen gegenüber, letzterer betont insbesondere, daß die
Antwort des Kriegsministers das Material für den Antrag in den Delegationen zu
enthalten habe.

   Seine Majestät der Kaiser ordnet an, daß den Delegationen die
Wahl der zu besichtigenden Magazine und Etablissements völlig ffeizustellen
sei.

   Reichskanzler Graf Beust entwickelt, daß, was die Form der
Interpellation anbelangt, kein Zweifel über die wohlwollende Tendenz der Dele¬
gation obwalten dürfe. Die Absicht, der Regierung einen Dienst zu leisten und im
Interesse der Regierung zu handeln, müsse angemessenen Ausdruck erhalten.

   Ministerpräsident Graf Andrässy betont, daß selbst auf die
Beispiele hingewiesen werden könne, wie in Zentralregierungen Illusionen und
Selbsttäuschungen in den in Rede stehenden Richtungen vorwalten könnten.

   Nachdem Seine Majestät der Kaiser noch auf die Art und
Weise hingewiesen, in welcher die von den Delegationen gewählte Kommission
sich der Lösung ihrer Aufgabe zu unterziehen haben werde, faßt Allerhöchstder-
selbe den Beschluß im Sinne der Ergebnisse der Verhandlungen. Dementspre¬
chend wird eine Interpellation im Schoße der Delegationen vor den Ferien zu
veranlassen und von dem Reichskriegsminister in der Art zu beantworten sein,
<pb/>188 Nr. 27 Gemeinsamer Ministerrat, Ofen, 6. 12. 1870

daß darauf ein formeller Antrag der Delegationen gegründet werden kann. Es
wäre sodann die Wahl der Kommission und während der Ferien die Inspektion
der Magazine vorzunehmen, so daß nach denselben Bericht erstattet werden
könnte.

   II. Reichskriegsminister Freiherr v. Kuhn referiert so¬
dann über eine Reihe von Anträgen zur Erhöhung der Schlagfertigkeit der Armee
für den Fall eines Eintrittes von Eventualitäten, welche die Mobilisierung der
Armee nötig machen. Der Reichskriegsminister verweist insbesondere auf den
ungünstigen Stand der Armee im nächsten Frühjahr hin, welcher dadurch eintritt,
daß sich ein Ausfall von 56 000 Mann, die in die Landwehr einberufen werden,
ergibt. Es entstehe die Frage, ob nicht durch die Einberufung der Reservisten in
die Armee im Frühjahre vorgesorgt werden könne. Dafür aber sei jetzt schon im
Dezember die Vorsorge zu treffen.

   Ministerpräsident Graf Andrässy führt an, der erste Ein¬
druck der Maßregel sei ein solcher, daß sie direkt gegen das Gesetz erscheine.
Nachdem noch Reichskanzler Graf Beust angedeutet, daß die
augenblickliche Lage nicht darnach angetan sei, um die Maßregel aus dem Cha¬
rakter der politischen Situation jetzt zu rechtfertigen, geruhten Seine Majestät der
Kaiser zu beschließen, daß von derselben abgesehen werde.

   Reichskriegsminister Freiherr v. Kuhn schließt hieran
den Antrag, die Rekrutierung in den im Reichsrate vertretenen Königreichen und
Ländern entsprechend der Rekrutierung in den Ländern der ungarischen Krone
gleichfalls in den Monaten Februar und März (statt April und Mai) vorzuneh¬
men.

   Seine Majestät der Kaiser verweist auf die Notwendigkeit der
Mitwirkung des Reichsrates zur gesetzlichen Durchführung dieser Maßregel.

   Ministerpräsident Graf Andrässy macht geltend, daß die
Maßregel ohne Alarmierung der öffentlichen Meinung aus Rücksicht auf den
namhaften Ausfall motiviert werden könne, welchem die Armee im nächsten
Frühjahr unterworfen sein werde.

    Seine Majestät der Kaiser gibt der Erwägung anheim, ob die
Maßregel Aussicht auf eine Annahme von Seite des Reichsrates haben werde.
Reichskanzler Graf Beust bemerkt, daß mindestens Zweifel in
dieser Richtung gestattet seien. Das Zentrum werde sich vielleicht nicht in Über¬
einstimmung mit der Linken in der Frage befinden. Die Rücksichten auf die poli¬
tische Lage könnten immerhin als weiteres illustrierendes Motiv den Rücksichten
auf die speziellen Verhältnisse der Armee hinzugefügt werden. Minister¬
präsident Graf Andrässy: Man solle eine Vorlage an den Reichsrat
nicht erstatten, wenn man nicht ihrer Annahme gewiß sei. Die Vorteile der Bewil¬
ligung stünden nicht im Gleichgewicht mit den Nachteilen der Verweigerung.

    Reichskriegsminister Freiherr v. Kuhn stellt mit Rück¬
sicht auf die Resultate der Besprechung den Antrag, den Ministem für die im
<pb/>Nr. 27 Gemeinsamer Ministerrat, Ofen, 6. 12. 1870  189

Reichsrate vertretenen Königreiche und Länder die Entscheidung über den be¬
rührten Punkt zu überlassen. Gleichzeitig sei ihnen aber die Beschleunigung ihrer
Beratung und die ungesäumte Einleitung der Vorarbeiten Allerhöchstenortes auf¬
zutragen, weil sonst die eventuelle Vornahme der Rekrutierung im Monate Febru¬
ar unmöglich sei. Seine Majestät der Kaiser erteilte diesem An¬
träge die Ah. Genehmigung.

   Ein weiterer Antrag des Reichskriegsministers, die Rekruten
vor Oktober einzuberufen, wird von Seiner Majestät dem Kaiser mit Rücksicht
auf die Möglichkeit späterer Beratung und Beschlußfassung vertagt.

   Demnächst motiviert der Reichskriegsminister einen Antrag wegen baldiger
Durchführung des Landsturmgesetzes, insbesondere mit Rücksicht auf die Even¬
tualität eines Krieges mit Rußland, bei welchem ein derartiges Gesetz von her¬
vorragend praktischer Bedeutung werden könnte.1 Es gelte dem aufzubietenden
Landsturm die Vorteile einer internationalen Anerkennung und den Charakter ei¬
ner gesetzmäßigen und normalen Institution zu sichern.

   Seine Majestät der Kaiser verweist auf das Ungleichartige der
Verhältnisse in der Monarchie, deren Westhälfte sowie Tirol das Landsturmge¬
setz als fertige Institution kennen, während der Rest der Monarchie dieses Geset¬
zes entbehre. Allerhöchstderselbe genehmigt den Antrag des Kriegsministers
auch in dieser Beziehung das Ministerium für die im Reichsrate vertretenen Kö¬
nigreiche und Länder zur Einleitung der erforderlichen Schritte aufzufordem.

   III. Den Schluß der Verhandlung bildet ein Antrag des Reichskriegsministers
bezüglich der Verpflegung des Heeres im Falle einer Mobilisierung. Der Reichs¬
kriegsminister teilt mit, daß er eine Kommission zur Enquetierung der hieher
gehörigen Fragen eingesetzt habe. Mit Rücksicht auf die Ergebnisse der Enquete
müsse er als dringendes Erfordernis bezeichnen, daß dem Reichskriegsminister
die Möglichkeit oder Wahrscheinlichkeit einer Mobilisierung drei bis vier Wo¬
chen vor ihrem wirklichen Eintreten zur Beschaffung eines Vorrates für das ge¬
samte Heer auf 20 Tage angezeigt würde. Dazu müßte ihm gleichzeitig eine
Summe von zehn bis zwölf Millionen zur Verfügung gestellt werden, ohne die
Berücksichtigung dieses in jedem Sinne gebotenen Anspruches sei eine Mobili¬
sierung und der gleichzeitig damit notwendige strategische Aufmarsch durchaus
nicht möglich.

   Seine Majestät der Kaiser betont die hohe Wichtigkeit des An¬
trages. Hier handle es sich nicht um eine unnütze Verausgabung. Trete die Mobi-

Das Wehrgesetz von 1868 teilte die bewaffnete Macht in drei Anstalten ein: gemeinsames
Heer, Landwehr und Landsturm der beiden Staaten. Ursprünglich wollte man Landwehr und
Landsturm in den beiden Staaten gleichzeitig organisieren. Dies gelangjedoch nur bezüglich
der Landwehr (GA. XLI von 1868, Gesetz vom 13. Mai 1869, RGBl. Nr. 68). In Ungarn
wurde mit GA. XLII von 1868 ein freiwilliger Landsturm inartikuliert, aber in Österreich
blieb, mit Ausnahme von Tirol und Vorarlberg, auch diese Form des Landsturms unbekannt.
Siehe Schmidt-Brentano, Die Armee in Österreich 88-89; Diöszegi, Einleitung 53.
<pb/>190 Nr. 27 Gemeinsamer Ministerrat, Ofen, 6. 12. 1870

lisierung nicht ein, so würden eben die angeschafften Vorräte ihrer gewöhnlichen
Verwendung zugeführt. Die Rücksicht auf die Preisdifferenzen sei für die Beur¬
teilung der ganzen Lage in erster Linie entscheidend. Gewissermaßen könne man
sie im Lichte eines Vörschußgeschäftes betrachten, bei welchem entschiedene
Vorteile zugunsten der Eingehung desselben sprächen. Vor allem aber habe man
sich gegenwärtig zu halten, daß ohne die Maßregel eine Mobilisierung und ein
Aufmarsch eben unmöglich seien und die spätere Ausgabe einer Milliarde das
erste Versäumnis nicht gutmachen könne.

   Reichsfinanzminister v. Lönyay stellt als zweifelhaft hin,
ob die nötigen Werte, um den Ansprüchen des Kriegsministers zu genügen, von
Seite der beiden Landesfinanzminister zur Verfügung des Reichsfinanzministers
gelassen bleiben. Die Beschaffung der zehn Millionen sei indessen jedenfalls
durch einen Vorschuß der beiden Finanzminister zu erzielen. Es ergebe sich hier
entweder die Chance, daß die nötigen Werte im Reichsfinanzministerium vorhan¬
den seien, oder daß die beiden Finanzminister eine Vorauszahlung der Raten von
einem oder zwei Monaten leisten, was als genügend angesehen werden könne.

   Seine Majestät der Kaiser betont nochmals die Bedeutung des
Prinzips, während Reichskanzler Graf Beust seine Bereitwillig¬
keit ausspricht, dem Wunsche des Reichskriegsministers bezüglich einer frühe¬
ren Anzeige der eventuell nötigen Mobilisierung zu entsprechen.

   Reichskriegsminister Freiherr v. Kuhn weist auf das
Beispiel Preußens hin, wo ein zweijähriger Vorrat für den Friedensstand bereitge¬
halten wird, was einem Vorräte für sechs bis acht Monate für den Kriegsstand
gleichkommt. Er habe nicht die Absicht, in seinen Anträgen so weit zu gehen,
einmal wegen der Unverzinslichkeit des für die Anlegung eines derartigen Vorra¬
tes aufzuwendenden Kapitals, dann aber insbesondere wegen gewisser Verluste
und Schwindungen in dem aufgespeicherten Material. Umsomehr müsse er auf
seinen Vorschlag Gewicht legen.

   Nachdem Seine Majestät der Kaiser sich gleichfalls in die¬
sem Sinne ausgesprochen und dem Vorschlag die Ah. Genehmigung zu erteilen
geruht habe, schließt Allerhöchstderselbe die Verhandlung.

                                                                                                  Beust

Ah. E. Ich habe den Inhalt dieses Protokolls zur Kenntnis genommen.
Ofen, 14. Dezember 1870. Franz Joseph.
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