Gemeinsamer Ministerrat, 7. 8. 1870
I. Befestigungsfrage
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52 Nr. 8 Gemeinsamer Ministerrat, Wien, 7. 8. 1870 Nr. 8 Gemeinsamer Ministerrat, Wien, 7. August 18701 RS. (und RK.) Gegenwärtige: der Reichskanzler Graf Beust (o. D.), der kgl. ung. Ministerpräsident Graf Andrässy (o. D.), der k. k. Ministerpräsident Graf Potocki (17. 8.), der Reichskriegsminister Frei¬ herr v. Kuhn (19. 8.), der Reichsfinanzminister v. Lönyay (19. 8.). Protokollführer: Sektionsrat Freiherr v. Konradsheim. Gegenstand: Befestigungsfrage. KZ. 3096 - RMRZ. 74 Protokoll des zu Wien am 7. August 1870 abgehaltenen Ministerrates für ge¬ meinsame Angelegenheiten unter dem Ah. Vorsitze Sr. Majestät des Kaisers. Seine Majestät der Kaiser geruhte, anknüpfend an das Ihm durch den Reichskanzler mitgeteilte Ergebnis einer gestern stattgefundenen Mi¬ nisterbesprechung, welche dahin zielte, die im Prinzip beschlossenen Befesti¬ gungsbauten mit Rücksicht auf die bedrängte Finanzlage des Reiches und die abfälligen Stimmen in der öffentlichen Meinung zu sistieren, zunächst den Reichsfinanzminister zur Darlegung seiner bisherigen Erfolge in der Geldbe¬ schaffung aufzufordem. Reichsfinanzminister v. Lönyay brachte sofort die in dem anverwahrten Ausweis niedergelegten Daten zur Kenntnis Seiner Majestät. Nach den ersten Beschlüssen sei das momentane Erfordernis des Kriegsministers mit zwölf Millionen festgesetzt worden.2 Später habe sich das Erfordernis auf 24 994 000 Gulden erhöht und werde hievon noch vor dem Zusammentritt der Delegationen der weitaus größere Teil von 19 Millionen benötigt.3 Von letzterer Summe können aber durch die bekannten Finanzoperationen nur 15 Millionen flüssig gemacht werden und verbleibe somit ein unbedeckter Rest von vier Mil¬ lionen. Wegen Beischaffung dieses Betrages nach dem pragmatischen Quoten¬ verhältnisse, nämlich 2 800 000 Gulden durch die diesseitige und 1 200 000 Gul¬ den durch die ungarische Reichshälfte, habe er sich sofort an die beiden Landesfinanzminister gewendet. Eine Antwort des Freiherm v. Holzgethan sei ihm noch nicht zugekommen, dagegen habe ihm der gerade in Wien anwesende ungarische Finanzminister mit¬ geteilt, daß der ungarische Ministerrat in dieses Ansinnen nicht einzugehen be¬ schlossen habe, einesteils weil die ungarischen Finanzen durch die Kosten für die Ausrüstung der Honveds und den nächstfälligen Grundentlastungskupon bis zur Erschöpfung in Anspruch genommen würden, anderseits, weil selbst der Aufiiah- Den Ministerrat analysiert Diöszegi, Österreich-Ungarn und der französisch-preußische Krieg 1870-1871 111-112. Siehe GMR. v. 23. 7. 1870, RMRZ. 69. 3 Siehe GMR. v. 30. 7. 1870, RMRZ. 71. <pb/>Nr. 8 Gemeinsamer Ministerrat, Wien, 7. 8. 1870 53 me eines gemeinsamen Anlehens die Bestimmung des § 56 des XII. Gesetzarti¬ kels vom Jahre 1867, welcher die Zustimmung dem ungarischen Reichsrat vor¬ behält, entgegenstehe.4 Es müsse also, wenn an den Befestigungen festgehalten werden solle, notwendig zu der Belehnung der Werte des noch intakten Stellver- treterfondes geschritten werden.5 Die Kosten für die Befestigungen seien aufcirca sieben Millionen veranschlagt und die Verteilung der Ausgaben nach der Zeit so eingeleitet worden, daß der größere Teil in die Zeit nach dem Zusammentritt der Delegationen falle. Seine Majestät der Kaiser geruhte hierauf, Ah. Seinem Be¬ fremden über das Bestreben auf Rückgängigmachung der beschlossenen Befesti¬ gungen Ausdruck zu geben. Man müsse wissen, was man wolle. Wolle man die eingeschlagene Politik einhalten, so müsse man auch die Konsequenzen hinneh¬ men; sonst werdejede Kombination illusorisch. Daß unsere Vorbereitungen Lärm machen werden, sei vorauszusehen gewesen, und jetzt, nachdem diese Voraus¬ sicht eingetreten, sei es ganz und gar unlogisch, sich dadurch beirren zu lassen. Was für einen Eindruck werde es auf die Armee machen und wie stehe man dem Publikum gegenüber da, wenn man eine beschlossene Maßregel revoziere. Man gestehe damit entweder ein, den ersten Beschluß leichtsinnig gefaßt zu haben, oder man lade den Schein auf sich, als ob man sich durch die ersten französischen Mißerfolge6 einschüchtem lasse. Reichskriegsminister Freiherr v. Kuhn konstatierte, wie bedauerlich und schädlich es sei, daß die Journale durch ihre ungenauen, oft entstellten und übertriebenen Mitteilungen über unsere Vorbereitungen das Publi¬ kum alarmieren. Ministerpräsident Graf Andrässy: Er habe schon in der gestrigen Besprechung daraufhingedeutet und empfehle es heute aufs neue, daß man über das Wesen und die Bedeutung unserer militärischen Vorbereitungen eine offizielle Erklärung verlautbaren solle, worin die Notwendigkeit aus dem Standpunkte der Zirkulardepesche des Grafen Beust vom 20. Juli hergeleitet wird.7 Es sei dies umso nötiger, als man im Publikum der Wehr- und Militärzei¬ tung, wo solche Nachrichten zumeist gebracht werden, nur zu sehr Glauben zu schenken geneigt sei, während durch eine offizielle Erklärung das Publikum am ehesten in die Lage gesetzt werde, die Zeitungsenten als solche zu erkennen. Ung. MR. v. 5. 8. 1870, Nr 57/1870 [KZ. XXXII], MOL. Sektion K-27. Nach § 56 des XII. Gesetzartikels vom Jahre 1867 wird die vorläufige Bestimmung dessen, ob irgendein Anle¬ hen gemeinsam aufgenommen werden soll, in Betreff Ungarns in jedem einzelnen Falle dem ungarischen Reichstage zustehen. Bernatzik, Die österreichischen Verfassungsgesetze 847. Siehe GMR. v. 23. 7. 1870, RMRZ. 69. Anm. 6. Die ersten französischen Mißerfolge: am 4. August bei Weißenburg und am 6. August bei Wörth. 7 Zirkulardepesche des Grafen Beust vom 20. Juli siehe GMR. v. 18. 7. 1870, RMRZ. 67. Anm. 10. <pb/>54 Nr. 8 Gemeinsamer Ministerrat, Wien, 7. 8. 1870 England, Belgien und andere Staaten hätten das Maß ihrer Rüstungen offen einbekannt. Warum sollten wir es nicht tun? Durch eine solche Darlegung zeige man am besten, daß die französischen Mißerfolge uns in unserer Politik nicht beirren. Was nun die Befestigungsfrage betreffe, so sei es allerdings eine unangenehme Lage, wenn man einen gefaßten Beschluß wieder fallen zu lassen genötigt sei, aber bei der Unzulänglichkeit der Geldmittel sei es doch mehr zu empfehlen, sich mit ganzer Kraft auf die unerläßliche Armierung zu verlegen, als die Geldmittel auf Befestigungen vom zweifelhaften Werte zu zersplittern. Es sei nun ganz wi¬ der die bisherigen Verabredungen auch von der Befestigung von Eperies die Rede, wogegen er sich mit Berufung auf seine früheren Äußerungen über diesen Gegenstand abermals entschieden aussprechen müsse. Die Befestigung von Ja- roslau könne er noch begreifen, sie bedeute, daß wir uns stark genug fühlen, ge¬ gebenenfalls das champ de bataille an die Grenze und nach Rußland zu verlegen, dagegen verrate die Befestigung von Eperies im vorhinein die Furcht, daß wir in die Defensive gedrängt werden könnten, und davor müsse man sich wegen den Ruthenen und slawischen Völkern hüten. Es sei auch bezüglich der übrigen Be¬ festigungen zu bedenken, daß, so sehr man im Publikum auch angefangen habe, sich mit unseren militärischen Vorkehrungen zu befreunden, jetzt nach den fran¬ zösischen Mißerfolgen doch wieder eine Abneigung gegen jede Rüstungsmaßre¬ gel eintreten werde. Da man nun aber auf die Armierung unmöglich verzichten könne und dürfe, so solle man wenigstens bei den Befestigungen der öffentlichen Meinung Rechnung tragen, zumal auch das Geld dafür fehle. Seine Majestät der Kaiser: Es wäre ein Leichtsinn, sich in einen Krieg einzulassen, ohne sich das Operationsfeld eingerichtet zu haben, und da gebe es gewisse Stützpunkte, die vor dem Kriege befestigt werden müssen, während andere erst nach dem Kriegsausbruch von den Truppen hergestellt wer¬ den können. Eine befestigte Stellung genüge oft allein, um den Feind von Angrif¬ fen femzuhalten. Was wäre im Jahre 1866 ohne die Floridsdorfer Schanzen ge¬ schehen? Diese hätten, obwohl sie gar nicht zur Verwendung kamen, die Preußen auf viele Meilen vor Wien Halt geboten. Speziell Eperies sei von allgemein aner¬ kannter strategischer Wichtigkeit. Wohl sei in Galizien die Meinung der Fach¬ männer über die Frage, ob Jaroslau oder Przemysl zu befestigen wäre, geteilt, aber die Befestigung von Eperies werde einstimmig und auch von den Ungarn, wie Perczel,8 der sie in den Delegationen befürwortete, für notwendig erkannt. Reichskriegsminister Freiherr v. Kuhn: Von der einen Seite werde gegen die Befestigung von Eperies eingewendet, sie trage zu sehr den Charakter der Defension an sich, von der anderen werde jene von Jaroslau als zu sehr offensiver Natur perhorresziert. Unter solchen Umständen müßte dann jede Befestigung unterbleiben. Es sei aber keiner dieser Einwände stichhaltig, denn einerseits könne man auch in der Defensive stark sein, anderseits sei es eine Perczel Bela, ung. Reichstagsabgeordneter. <pb/>Nr. 8 Gemeinsamer Ministerrat, Wien, 7. 8. 1870 55 unbegründete Auffassung, eine Defensionsbefestigung wie Jaroslau als Provoka¬ tion zu deuten. Für ihn stehe nur das Eine fest: halte die Diplomatie einen Krieg für möglich, so müsse sich der Kriegsminister darauf vorbereiten. Zu der Vorbe¬ reitung gehöre aber nach den Elementargrundsätzen der Strategie die Einrichtung des Operationsfeldes, und diese sei ohne Befestigungen unmöglich. Er habe sei¬ nerzeit zum Gebrauch für die Delegationen ein Befestigungsprojekt ausarbeiten lassen,9 man habe aber rechtzeitig nichts in der Sache getan, nun müsse man das Dringende nachholen. Der öffentlichen Meinung könne er in diesem Falle ein Urteil nicht einräumen, dazu seien nur Sachverständige kompetent. Ministerpräsident Graf Potocki: Er sei gerne bereit, seine Verantwortlichkeit einzusetzen für alles, was unbedingt nötig sei, und als solches betrachte er die Pferdeankäufe, Armeeanschaffungen, kurz alles, was die Schlag¬ fertigkeit des Heeres erhöhe. Was aber die Befestigungen anbelangt, so bekenne er offen, daß in ihm, obschon er seinerzeit dafür stimmte, Zweifel über die Nütz¬ lichkeit und Notwendigkeit rege wurden, und zwar hervorgerufen durch Urteile von angesehenen Fachmännern, welche namentlich die Ennslinie für überflüssig erklärten. Es stünden ihm nicht die strategischen Argumente zu Gebote, um den Kriegsminister widerlegen zu können, aber es schiene ihm nicht praktisch, die sieben Millionen, die wir auf anderer Seite so dringend bedürfen, ohne erwiese¬ nen Nutzen zu vergraben. Die Befehle für die Befestigungen dürften noch nicht so weit vollzogen sein, daß man sie ohne Gefahr der Kompromittierung nicht zurückziehen könnte. Seine Majestät der Kaiser: Die sog. Fachmänner pflegten sich bei jedem ähnlichen Anlaß mit ihrer unberufenen Ratgebung an nicht militärische Kreise heranzudrängen. Darauf sei nicht zu gehen. Schon Erzherzog Karl10 habe die Wichtigkeit der Ennslinie erkannt. Seine Majestät könne nur wiederholen, daß es Leichtsinn wäre, ohne die nötigen Stützpunkte sich auf ein Operationsfeld zu begeben, und nach den traurigen Erfahrungen, die Allerhöchstderselbe in den Jahren 1859 und 1866, wo auch der Fall vorkam, daß gefaßte Schlüsse zurückge¬ zogen wurden, gemacht habe, könne Er sich nicht bestimmt finden, in der be¬ schlossenen Befestigung der Ennslinie dann von Krakau und Eperies eine Ände¬ rung eintreten zu lassen. Reichskanzler Graf Beust: Die Finanzfrage verdiene hiebei eine vorsichtige Behandlung. Durch die öffentliche Meinung solle man sich unter Umständen allerdings nicht beirren lassen, aber dieselbe werde doch auch be¬ stimmt auf die Ansichten der Delegationen wirken, und es werde umso schwerer sein, für die Befestigungen die bereitwillige Zustimmung der Delegationen zu erreichen, je mehr man durch ein fait accompli ihrem Beschlüsse vorgegriffen Ober das Befestizunesprojekt von Kuhn siehe KA., Nachlaß Kuhn-Kuhnenfeld B und C/670: Nr. 7. 28-29. 7. 1870. io Karl, Erzherzog von Österreich (1771-1847), Sieger über Napoleon in der Schlacht von Aspern 21.722. 5. 1809 (Niederlage bei Wagram am 5J6. 7. 1809). <pb/>56 Nr. 8 Gemeinsamer Ministerrat, Wien, 7. 8. 1870 habe. Bei den Pferdeeinkäufen und sonstigen Anschaffungen, die auf einmal und ganz effektuiert werden müssen, lasse sich dies nicht vermeiden. Bei den Befesti¬ gungen, die sukzessive erfolgen, stehe die Sache aber anders. Es frage sich also, was für Arbeiten und in welchem Betrage sofort absolut nötig seien. Reichsfinanzminister v. Lönyay: Von dem Aufwand für Befestigungen gelange der größere Teil, wie gesagt, erst nach dem 12. September zur Auszahlung. Bis dahin benötige man unter dieser Rubrik 1 800 000 Gulden. Seine Majestät der Kaiser: Allerdings, aber der Rest seien nur aufgeschobene Zahlungen. Die Zahlungsverpflichtung gehe man bei Anordnung der Arbeiten vor dem 12. September ein, und die Zahlung müsse unter allen Um¬ ständen erfolgen. Ministerpräsident Graf Andrässy: Nachdem Seine Maje¬ stät die Befestigungen für notwendig erachtet habe, so müsse nun auf die Mittel zur Kostenbestreitung gedacht werden. Er glaube es nun als selbstverständlich betrachten zu können, daß der Stellvertreterfond subsidiarisch herbeigezogen werde." Die Kostenfrage werde seinerzeit in den Delegationen keine glatte Ab¬ wicklung finden. Man möge deshalb erwägen, ob sich an den Kosten nicht etwas herabmindem lasse. Seine Majestät der Kaiser: Der Entwurf der Befestigimgsar- beiten sei bereits auf das Notwendigste beschränkt und das Aufschiebbare den Truppen, wenn sie aufgestellt sind, Vorbehalten worden. Eine weitere Einschrän¬ kung gehe nicht an. Nachdem Reichskriegsminister Freiherr v. Kuhn nochmals darauf hingewiesen hatte, daß der Bestand des Stellvertreterfondes durch die beabsichtigte Finanzoperation nicht gefährdet werden dürfe, hatte Seine Majestät der Kaiser die Gnade, den Ah. Beschluß dahin zu resümieren, daß es bei den angeordneten Befestigungen zu verbleiben habe und daß auch die französischen Mißerfolge in unseren militärischen Vorkehrungen nichts ändern können, nachdem wir, wie immer das Endergebnis des Krieges ausfalle, gerüstet dastehen müssen. Deshalb möge auch den Eisenbahnbauten aus Ungarn nach Galizien ununterbrochene Aufmerksamkeit gewidmet werden. Schließlich erwähnte noch Reichskriegsminister Freiherr v. Kuhn die sich mehrenden Zeichen eines baldigen Ausbruches von Feindselig¬ keiten zwischen der Türkei und Montenegro, welch letzteres auch Dalmatien in seine Kombinationen ziehe. Wenn nun auch Umstände eintreten könnten, welche uns zwingen, das flache Land momentan preiszugeben, so müßten doch gewisse feste Plätze gehalten werden. Solche seien Zara, Cattaro und Ragusa. Er habe die Verpflegung dieser Plätze auf sechs Monate angeordnet, es werde aber auch noch die Detachierung von Truppen dahin nötig werden. 11 Über den Stellvertreterfond siehe GMR. v. 23. 7. 1870, RMRZ. 69. Anm. 6. <pb/>Nr. 9 Gemeinsamer Ministerrat, Wien, 9. 8. 1870 57 Mit der zustimmenden Erklärung des Ministerpräsidenten Grafen Andrässy, welcher das Notwendige auch in Dalmatien nicht versäumt wissen wollte, wurde die Sitzung geschlossen. Beust [Ah. E.] Ich habe den Inhalt dieses Protokolls zur Kenntnis genommen. Wien, 20. August 1870. Franz Joseph. Nr. 9 Gemeinsamer Ministerrat, Wien, 9. August 18701 RS. (und RK.) Gegenwärtige: der Reichskanzler Graf Beust (o. D.), der kgl. ung. Ministerpräsident Graf Andrässy (o. D.), der k. k. Ministerpräsident Graf Potocki (17. 8.), der k. k. Minister für Kultus und Unterricht Dr. v. Stremayr (18. 8.), Hoffat in der Ah. Kabinettskanzlei v. Päpay. Protokollführer: Sektionsrat Freiherr v. Konradsheim. Gegenstand: Wiedereinführung des Placetum regium in Ungarn. KZ. 3093 - RMRZ. 75 Protokoll des zu Wien am 9. August 1870 abgehaltenen Ministerrates für ge¬ meinsame Angelegenheiten unter dem Ah. Vorsitze Sr. Majestät des Kaisers. Seine Majestät der Kaiser geruhte, in Verfolgung früherer Be¬ sprechungen über die durch die päpstliche Infallibilitätserklärung hervorgerufe¬ nen Maßregeln der Konferenz zu eröffnen, daß Allerhöchstdemselben nunmehr auch von Seite des kgl. ung. Ministers für Kultus und Unterricht ein au. Vortrag erstattet worden sei, welcher die Wiedereinführung des Placetum regium aus An¬ laß des neuesten Dogmas betreffe.2 Seien nun auch drüben infolge der Stellung des apostolischen Königs von Ungarn die Verhältnisse anders gestaltet als in der diesseitigen Reichshälfte, wo sich die Regierung gegen die Einführung des Place¬ tum ausgesprochen habe,3 so lasse sich doch nicht verkennen, daß die Anwen- Das Protokoll analysiert bis in die Details: Adriant, Ungarn und das I. Vaticanum 304--306. Päpay steht zwar auf der Teilnehmerliste, er erhielt das Einsichtsblatt aber nicht, mußte folglich das Protokoll nicht vidimieren. Vgl. au. Vortrag des kgl. ung. Ministerpräsidenten v. 30. 7. 1870 betreffend die Anwendung des ,,Jus placeti regii" anläßlich einiger Beschlüße des römischen Consils. HHStA., Kab. Kanzlei KZ. 3008/1870. Ah. E. 9. 8. 1870. Der ursprünglich vom kgl. ung. Ministerfür Kul¬ tus und Unterricht verfasste au. Vortragv. 30. 7.1870publiziert von Adrjäni, Ungarn und das I. Vaticanum 464--476. Die cisleithanische Regierung entschied sich dafür, die Verkündigung des Infallibilitätsdog- mas mit der Aufhebung des Konkordates von 1855 zu beantworten. Siehe au. Vortrag des Ministers für Kultus und Unterricht v. 25. 7. 1870, HHStA., Kab.Kanzlei KZ. 2916/1870, Ah. E. 30. 7. 1870; au. Vortrag des Ministers für Kultus und Unterricht v. 30. 7. 1870 Ebd. <pb/>