Gemeinsamer Ministerrat, 14. 10. 1869
I. Waldverkauf in der Militärgrenze
Siehe PDF-Daten https://hw.oeaw.ac.at/ministerrat/serie-2/oe_hu_mrp_I1/pdf/oe_hu_mrp_I1_z62.pdf.
Nr. 62 Gemeinsamer Ministerrat, Wien, 14. 10. 1869 355 ge, nur jährlich 1500 Joch überständiges Holz verkauft werden soll, handle es sich nach seiner Meinung nur um eine Maßregel der Administration. Zwischendiskussion über die durch die Auflösung der Grenze bedingte Änderung des Quotenverhältnisses, worauf der Reichskanzler Graf Beust folgende Punkte als der Entscheidung bedürftig bezeich- nete: a) Wie soll sich das ungarische Ministerium gegenüber dem Landtage, wenn über die Ausführung des Zsedenyischen Antrages von ihm Rechen¬ schaft begehrt wird, verhalten? b) Wie sollen die durch die Abstriche der Delegation entstandenen Lücken im Budget der Militärgrenze ausgefüllt werden? und c) Was hat zu geschehen, um die Beunruhigung in der Grenze wegen des Holzungsrechtes der Bevölkerung zu kalmieren? Da auch bei nochmaliger Besprechung zwischen dem Ministerpräsiden¬ ten Grafen Andrässy und dem Reichskriegsminister, von denen jeder auf seinem Standpunkte beharrte, eine Einigung nicht erzielt werden konnte, so wurde beschlossen, die Entscheidung Seiner Majestät in einem unter Ah. Vorsitze abzuhaltenden neuerlichen Ministerrate zu erbitten.9 Womit die Sitzung geschlossen wurde. Beust Ah. E. Ich habe den Inhalt dieses Protokolls zur Kenntnis genommen. Wien, 15. Oktober 1869. Franz Joseph. Nr. 62 Gemeinsamer Ministerrat, Wien, 14. Oktober 1869 RS. (und RK.) Gegenwärtige: der Reichskanzler Graf Beust, der kgl. ung. Ministerpräsident Graf Andrässy (o. D.), der Reichskriegsminister [FML.] Freiherr v. Kuhn (19. 10.), der kgl. ung. Finanzminister v. Lönyay (25. 10.). Protokollführer: Sektionschef Freiherr v. Konradsheim. Gegenstand: Waldverkauf in der Militärgrenze. KZ. 3313 -RMRZ. 62 Protokoll des zu Wien am 14. Oktober 1869 abgehaltenen Ministerrates für gemeinsame Angelegenheiten unter dem Ah. Vorsitze Sr. Majestät des Kaisers. Vor Beginn der eigentlichen Beratung geruhte Seine Majestät der Kaiser eines Ihm zugekommenen au. Vortrages des Reichs¬ kriegsministers zu erwähnen, worin anknüpfend an Punkt 6 und 7 der von 9 Vgl GMR. V. 14. 10. 1869, RMRZ. 62. <pb/>356 Nr. 62 Gemeinsamer Ministerrat, Wien, 14. 10. 1869 den zuletzt versammelt gewesenen Delegationen gefaßten Resolutionen in bezug auf die Militärpensionen gewisse Anträge gestellt werden. Inwiefern diesen Anträgen die Ansicht zugrunde liege, daß die Ah. Sanktion des von den Delegationen verhandelten und beschlossenen gemeinsamen Budgets zugleich eine Sanktionierung der gefaßten Resolutionen involviere, geruhte Seine Majestät eine solche Auffassung für irrig und in den tatsächlichen Verhältnissen nicht begründet, mit dem Beifügen zu bezeichnen, daß sich die Sanktionierung nur auf die Ziffern des Budgets beziehe, Allerhöchst- derselbe aber sich durch derartige Resolutionen nicht gebunden fühle.1 Sei¬ ne Majestät hielt es für nötig, diesen Umstand für jetzt und alle Folge um so mehr zu konstatieren, als ja den Delegationen ein eigentlich legislativer Wirkungskreis nicht zustehe.2 Bei der nun folgenden kurzen Diskussion sprachen sich sämtliche Konferenzmitglieder im Sinne der von Seiner Majestät geäußerten Ansicht aus, namentlich betonte Reichskanzler Graf Beust den sachlichen Unterschied zwischen den nur den Charakter von Anträgen ha¬ benden Resolutionen und den verfassungsmäßig gefaßten Beschlüssen der Delegationen und bewies aus dem Wortlaute der Publikation des gemeinsa¬ men Finanzgesetzes in der Wiener Zeitung, ,,daß sich die Ah. Sanktion nur auf die Ziffern des Budgets beziehe". Ebenso bezeichnete Minister¬ präsident Graf Andrässy die Resolutionen nur als eine Feststellung von Prinzipien im Schoße der Delegation, die nicht einmal die nächstfolgenden Delegationen binden, wobei sich aber allerdings nicht fin¬ den lasse, daß diese die Anträge früherer Delegationen akzeptieren. Reichskriegsminister Freiherr v. Kuhn benütze diesen Anlaß, um - worin ihm die übrigen Konferenzmitglieder gleichfalls zustimmen - darauf hinzuweisen, wie es doch wünschenswert sei, der in Angelegenheit eines Militärpensionsnormales von den Delegationen ausge- Beschluß der 1869er Delegation in Angelegenheit der Militärpensionen: Das k. u. k. gemeinsame Kriegsministerium wird aufgefordert: a) ehestens einen Gesetzentwurf we¬ gen vollständiger Regelung des Militärversorgungswesens und der Pensionsbezüge zur verfassungsmäßigen Verhandlung vorzulegen; b) bis zum Zustandekommen dieses neu¬ en Pensionsgesetzes im administrativen Wege die möglichste Herabsetzung des außeror¬ dentlich großen Erfordernisses für die Militärversorgung zu bewirken. Stenographische Sitzungsprotokolle der Delegation des Reichsrathes, Zweite Session 370-371. Au. Vortrag des Reichskriegsministers war nicht auffindbar. Die Delegation hat kein Gesetzgebungsrecht: In diser Frage unterscheiden sich die un¬ garischen von den cisleithanischen Gesetzen. Nach RGBl. Nr. 146/1867 § 6: Das den Vertretungskörpem beider Reichshälften zustehende Gesetzgebungsrecht wird von den¬ selben, insoweit es sich um die gemeinsamen Angelegenheiten handelt, mittels zu entsendender Delegationen ausgeübt. Das entsprechende ungarische Gesetz (GA. XII/ 1867) dagegen kennt das Gesetzgebungsrecht der Delegation nicht. Siehe Somogyi, A delegäciö 487-488. <pb/>Nr. 62 Gemeinsamer Ministerrat, Wien, 14. 10. 1869 357 gangenen Anregung durch entsprechende Regelung des Pensionswesens eine Folge zu geben, wodurch den stets wiederkehrenden Bemerkungen und Einwendungen in den Delegationen am sichersten vorgebeugt werden könnte. Der einzuschlagende Weg wäre nach seiner Ansicht durch das Prä- zedenz beim Zustandekommen des Wehrgesetzes vorgezeichnet. Seine Majestät der Kaiser hatte noch weiter die Gnade, auch die Kostenfrage für die durch die letzten Ereignisse in Dalmatien ge¬ botenen verstärkten Truppensendungen nach Cattaro zur Sprache zu brin¬ gen, um schon jetzt zu konstatieren, daß, so dringend notwendig ein rasches und energisches Einschreiten auch sei, um nicht wie im Jahre 1848 eine Schlappe von den widerspenstigen Dalmatinern zu erleiden, doch dem Ein¬ schreiten der bewaffneten Macht nicht der Charakter einer militärischen Maßregel, sondern nur jene der Assistenz zur Durchführung einer admi¬ nistrativen Verfügung beigemessen werden könne, daher denn auch die fraglichen Kosten unmöglich auf das gewöhnliche Kriegsbudget überwälzt werden könnten.3 Reichskriegsminister Freiherr v. Kuhn gab hierauf die Aufklärung, daß er über telegrafisches Ansuchen des Generals Wagner4 nicht gezögert habe, Truppen nach Dalmatien zu beordern, nun¬ mehr aber, da die Truppensendungen größere Dimensionen annehmen, die Klarstellung der Kostenfrage beim cisleithanischen Ministerrate in Anre¬ gung bringen zu müssen geglaubt habe und hierüber der Verständigung ent¬ gegensehe. Übergehend auf den Gegenstand der Tagesordnung5 geruhte Seine Majestät der Kaiser die Notwendigkeit zu betonen, daß man bezüglich des in der Ministerratssitzung vom 12. d. M. unentschieden ge¬ bliebenen Waldverkaufes in der Militärgrenze endlich einmal zu einem Re¬ sultate gelange.6 Die Notwendigkeit liege nicht nur in dem finanziellen Grunde, daß der durch die bekannten Delegationsabstriche in der Admi¬ nistration gestörte Kriegsminister in die Lage gesetzt werden müsse, fort- Im Sinne des neuen Wehrgesetzes, das die früheren Privilegien aufhob, mußten die Ragusaner und Cattareser in die österreichische Landwehr eingereiht werden. Deswe¬ gen brach ein bewaffneter Aufstand aus. Am S. 5. 1869 wurde im Gebiet der Bezirks¬ hauptmannschaft Cattaro durch Verordnung des Gesamtministeriums der Ausnahmezu¬ stand verkündet, und eine kais. Verordnung v. 25. 10. 1869 verfügte aufgrund des § 14 des RGBl. Nr. 146/1867 die Verhängung des Standrechtes. Hauptmann, General Rodic i Politika Austrijske vlade u krivoäijskom ustanku 1869/1870 53 ff.; Czeschka, Die Auf¬ stände in Süddalmatien in den Jahren 1869/70 und 1881/82 29 ff. FML. Johann Wagner Ritter v. Wagensburg, geh. 1815, 1868--1870 Statthalter von Dalmatien. Es ist völlig unüblich, daß der Ministerrat eine nicht auf der Tagesordnung stehende Frage behandelt. GMR. v. 12. 10. 1869, RMRZ. 61. <pb/>358 Nr. 62 Gemeinsamer Ministerrat, Wien, 14. 10. 1869 administrieren zu können, sondern auch darin, daß man in der Grenze in allem und jedem überhaupt einmal vorwärtsgehen müsse, um einerseits die schon teilweise beschlossene Provinzialisierung vornehmen,7 andemteils die zur Anbahnung der Provinzialisierung in den übrigen Grenzteilen beab¬ sichtigten Verbesserungen und Reformen einleiten zu können. Hierzu sollte aber der Waldverkauf und die damit beabsichtigten Zwecke und Maßregeln den ersten Anfang bilden. Der gegenwärtige Zustand der Stagnation wirke nach allen Seiten hin verderblich und sei in bezug auf die Grenzbevöl¬ kerung geradezu bedenklich. Reichskriegsminister Freiherr v. Kuhn: Die Vor¬ arbeiten zur Provinzialisierung der Warasdiner Regimenter seien im Kriegsministerium bereits fertig, sie würden im Kurzen den betreffenden Ministerien mitgeteilt werden, welchen es dann obliege, darüber weiter zu beraten und die Vorlagen für die Vertretungen einzuleiten.8 Was die heute zu verhandelnde Waldfrage betreffe, so fuße Vortragender auf dem Ministerratsbeschlusse vom 1. Juli 1869, worin als Zweck der be¬ wußten Kommission lediglich die Prüfung der forstwirtschaftlichen Seite des Waldgeschäftes hingestellt und alles, was sich auf die Verwaltung der Grenze bezog, eliminiert worden sei.9 Es gehe nun ganz und gar nicht an, aus diesem Beschlüsse auch Folgerungen auf die Kontrolle des Kriegsmi¬ nisters durch das ungarische Ministerium in der gesamten Administration zu ziehen. Der beabsichtigte Verkauf sei nur eine administrative Maßregel und außergewöhnlich daran nur der Umstand, daß man, um sich für gewisse auf eine längere Dauer von Jahren berechnete Investitionen, als Kanäle, Eisenbahnen, etc., einen finanziellen Rückhalt zu sichern, mit einem Kon¬ sortium in Verbindung getreten sei, mit dem man den Verkauf auf einmal abschließen wolle, während ungarischerseits die Verteilung des von jener Seite, übrigens mit einem weit höherem Quantum - nämlich 103 000 Joch gegen die vom Kriegsministerium proponierten 30 000 Joch - berechneten schlagbaren Holzvorrates auf fünf Jahre beantragt worden sei. Von der anderen Seite werde stets der Zsedenyische Antrag vorge¬ schoben, durch welchen die ungarische Regierung gebunden sei, es lasse sich aber punktweise zeigen, daß allen darin gestellten Anforderungen ent¬ sprochen werde.10 Daß der Verkauf forstwirtschaftlich nötig sei, darüber sei 7 Ah. E. v. 19. 8. 1869, Wiener Zeitung v. 22. 8. 1869. Vgl. GMRProt. v. 13. 8. 1869, RMRZ. 59. Anm. 8. 8 Vgl. MKSM. an Reichskriegsminister Kuhn v. 25. 10. 1869, KA., KM., Präs. 25-12/145. 9 Nach Beschluß des GMR. v. 1. 7. 1869, RMRZ. 53 ist die Aufgabe der gemischten Kom¬ mission das detaillierte Studium des Waldverkaufes in der Militärgrenze. 0 Der Zsedenyische Antrag lautet, daß 1. der Verkaufnur in vorteilhafter Weise und nicht ohne Wissen des ungarischen Ministeriums geschehen solle; 2. die Ansprüche der Servitutsberechtigten gewahrt bleiben sollen; 3. der Erlös nur zu heimischen Investi¬ tionen verwendet werden solle. Siehe GMR. v. 12. 10. 1869, RMRZ. 61. <pb/>Nr. 62 Gemeinsamer Ministerrat, Wien, 14. 10. 1869 359 man einig. Daß er zum Vorteile des Landes geschehe, darüber könne die oben angedeutete Verwendung des Erlöses beruhigen. Daß den Servituts¬ berechtigten ihre Ansprüche gewahrt werden sollen, darüber habe das Kriegsministerium auch bereits prinzipielle Garantien gegeben. Wohl kön¬ ne, wenn das Waldgeschäft nicht auf unbestimmte Zeit verschoben werden solle, eine langwierige zivilrechtliche Segregation sofort nicht Platz grei¬ fen, aber das Kriegsministerium habe in Aussicht genommen, daß die ver¬ bleibende Waldung den Regimentern, zu Recht gegeben werde, welche die Verteilung an die Gemeinden durchfuhren soll [sic!]. In dieser Beziehung werde er Seiner Majestät abgesonderten Vortrag er¬ statten und beabsichtige denselben Vorgang wie mit den seiner Zeit den Grenzern überlassenen Rindgründen.11 Die Einwendung, daß kein genügen¬ der Wald verbleibe, sei unrichtig, der Verkauf im Brooder und Peterwar- deiner Regimentsbezirke betrage kaum ein Viertel des Waldes. Vortragender müsse sich nur gegen jenen Teil der ungarischen Anschau¬ ung wenden, wonach der Waldverkauf einen Kapitalsangriff mit der Rechtsfolge involviere, daß die ungarisch-kroatische Regierung auf die Verwendung des Erlöses und damit auf die Administration selbst Einfluß zu nehmen habe. Solange der Ausgleich noch stehe, müsse er die ausschließli¬ che Verwaltung der Grenze dem Kriegsministerium vindizieren. Ministerpräsident Graf Andrässy: Er wolle nicht wiederholen, was er bereits vorgestern über das Zustandekommen des Zsedenyischen Antrages gesagt, und betone nur, daß der Antrag das einzige und nach der Stimmung im Landtage wahrlich nicht leicht zu erreichende Mittel gewesen sei, um den Antrag der Opposition, die den Verkauf ganz annullieren wollte, zuvorzukommen. Ob also dieser Antrag von der ungari¬ schen Regierung eingehalten werden müsse, sei gar nicht diskutierbar, es frage sich nur, wie er eingehalten werden müsse? Die Meinungen stünden sich nach der stattgefundenen mündlichen Auseinandersetzung nicht mehr so schroff gegenüber wie unmittelbar nach der Kommission. Heute handle es sich nur noch um zweierlei: um die Servitutsfrage und um die Frage, ob der Verkauf einen Kapitalsangriff bilde oder nicht. In ersterer Beziehung genüge die Zusage des Kriegsministers, daß die Servituten überhaupt be¬ rücksichtigt werden; die Details der Durchführung würden nicht in Frage kommen, und Vortragender lege nur darauf Gewicht, daß dieselbe im Befehlswege und noch von seiten der Militärfrage erfolge. Vortrag des Reichskriegsministers v. 25. 1. 1870 KA., MKSM. 49-1/1 betreffend die Anträge zur Durchführung der mit Ah. Handschreiben v. 19. 8. 1869 angeordneten Übergabe der Warasdiner Grenze, dann der 11. und 12. Kompanie des Sluiner Regiments, endlich der Kommunitäten Zengg, Belovär, Festung Ivani6 und Land¬ gemeinde Sissek in die Zivilverwaltung. <pb/>360 Nr. 62 Gemeinsamer Ministerrat, Wien, 14. 10. 1869 Die zweite Frage müsse Vortragender bejahen, übrigens könnte die unga¬ rische Regierung, auch wenn ein Kapitalsangriff nicht vorliege, den Wald¬ verkauf schon wegen des Lärmes, den die Sache gemacht, nicht ignorieren. Jedenfalls müsse dem Landtag, anknüpfend an Zsedenyis Antrag, eine Auf¬ klärung gegeben werden, und zwar handle es sich nach Austragung der Servitutsfrage speziell um die im Punkte 3 dieses Antrages geforderte In¬ vestition des Erlöses zu heimischen Zwecken, unter Einflußnahme der un¬ garischen Regierung, welche darüber zu wachen habe, daß der Erlös nicht zu gemeinsamen Zwecken verwendet werde, was Vortragender ausdrück¬ lich ausgesprochen wünsche. Die ungarische Regierung, welche nebstbei schon deshalb nicht umgan¬ gen werden könne, weil die aus dem Erlös beabsichtigten Kanäle und Eisenbahnen auf ungarischem Verwaltungsgebiete einmünden, müsse also in die Lage gesetzt werden, dem Landtage sagen zu können, wieviel der Verkauf abwerfe, wozu der Erlös verwendet werde, daß sie damit einver¬ standen sei, und daß der Landtag sich auch beruhigen könne. Den Einfluß der ungarischen Regierung in dieser Sache zurückzuweisen, gehe nicht an, weil es sich eben um keine reinen Administrationsfragen handle. In letztere sich einzumischen, falle der ungarischen Regierung nicht ein. Es komme eben nur darauf an, wie dieser Einfluß definiert und ausgeübt werde? Vortragender glaube, daß sich das Einverständnis beider Regierungen am ehesten und in wenigst zeitraubender Weise durch die persönlichen Aufklä¬ rungen des Referenten des Kriegsministeriums herstellen lasse; wobei er immer nur die Hauptfrage im Auge habe und die Durchführung ausschlie߬ lich dem Kriegsministerium überlassen bleibe. Vortragender erklärte schließlich einen solchen Vorgang zugleich geeig¬ net, das Einverständnis über die nötigen Vorarbeiten zur Provinzialisierung der bekannten Grenzgebiete, deren baldige Inangriffnahme nötig sei, herzu¬ stellen, und wies darauf hin, wie es in der Natur der Sache liege, daß die ungarisch-kroatische Regierung auch im allgemeinen bei der Provinziali¬ sierung anbahnenden Reformen nicht umgangen werde, nachdem bei dem innigen Zusammenhänge von Zivil- und Militär-Kroatien zwischen beiden auch auf administrativem Gebiete Wechselbeziehungen bestehen, die man nicht übersehen dürfe. Seine Majestät der Kaiser geruhte zu bemerken, daß der beabsichtigte Waldverkauf, wenn auch nicht einen Kapitalsangriff durch Deteriorierung, so doch eine Kapitalsveränderung bedeute, und daß ohne Präjudizierung der Kriegsverwaltung zwischen dieser und dem unga¬ rischen Ministerium ein ähnliches Verhältnis, wie es Graf Andrässy andeu¬ te, bereits in griechisch-orientalischen Kultusangelegenheiten bestehe. Allerhöchstderselbe erblicke also kein prinzipielles Hindernis gegen ein einvemehmliches Vorgehen, und namentlich in diesem Falle werde eine Übereinbarung des Kriegsministeriums mit der ungarischen Regierung nicht schwer werden, da beide über die Verwendung des Walderlöses zu <pb/>Nr. 62 Gemeinsamer Ministerrat, Wien, 14. 10. 1869 361 Landeszwecken einig seien. Schwieriger gestalte sich das Verhältnis in den übrigen administrativen Reformfragen, wo es nicht möglich sei, daß die un¬ garische Regierung jedesmal eine Ingerenz ausübe, aber da bestehe ja kein Anstand dagegen, daß nicht Seine Majestät über Anträge der obersten Grenzverwaltung die ungarische Regierung gleichfalls höre. Was die Mitteilungen an den ungarischen und kroatischen Landtag über den Waldverkauf und die Verwendung des Erlöses belange, müsse man sich gegenwärtig halten, daß denselben eine Kontrolle der eingehenden Sum¬ men nicht zustehe und daß es sich nur um eine einfache Verständigung ohne alle Konsequenzen handle, man müsse also Einleitungen treffen, daß sie sich mit den ihnen gemachten Eröffnungen begnügen. Ministerpräsident Graf Andrässy machte sich an¬ heischig, durch den Banus in diesem Sinne sowie auch dahin zu wirken, daß der kroatische Landtag bezüglich der Servituten der Grenzer keine weiteren Diffikultäten erhebe, und nicht etwa auf ein förmliches Commassations- verfahren dringe, das die Geschäftsabwicklung nur erschweren könnte. Üb¬ rigens betonte er, daß die Landtage von jeher Einfluß auf die Krongüter genommen hätten. Finanzminister v. Lönyay: In bezug auf die Zwecke, die man durch den Verkauf erreichen wolle, sei die ungarische Regierung, der Kriegsminister und das Land einig. Ebenso im Wesen über die Servi¬ tuten. Die Hauptsache bleibe also nur noch die Auffindung eines modus procedendi, damit einerseits die oberste Kriegsverwaltung in der Admi¬ nistration nicht behindert, andererseits die Rechte Ungarns berücksichtigt und die Landtage beschwichtigt werden. Löse man diesen Knoten, so sei alles in Ordnung. Große Kommissionen seien nicht nötig, da sie die Beschlußfassung nur verzögern. Er halte es für das Zweckmäßigste, wenn sich die Ministerien untereinander ins Einvernehmen setzen, dann au. Vortrag erstattet und bei Differenzen die Entscheidung Seiner Majestät angerufen werde. Die Mo¬ mente, welche bei diesen Auseinandersetzungen in Betracht kämen, seien finanzielle, kommerzielle, dann Kommunikationsrücksichten. Würde die¬ sen bei dem Waldverkauf Rechnung getragen, so sei es für das ungarische Ministerium leicht, denselben im Landtage zu unterstützen und den Zse- denyischen Antrag befriedigend zu beantworten. Dazu aber sei es nötig, daß die oberste Kriegsverwaltung dem ungarischen Ministerium den Plan, nach welchem sie mit dem eingehenden Erlöse verfahren wolle, mitteile. Reichskanzler Graf Beust: Auch er meine, daß der Kriegsminister darauf geleitet werden müsse, sich mit Ungarn im Prinzip zu verständigen, was aber die Ausführung anbelange, so müsse derselbe selb¬ ständig bleiben; eine zweiseitige Verwaltung sei eine Unmöglichkeit. Die Einflußnahme Ungarns könne aber nur so aufgefaßt werden, daß Sei¬ ner Majestät über einschlägige Anträge des Kriegsministers als Grenzver¬ walter eventuell auch Ungarn höre und berücksichtige. Eine Vorberatung in <pb/>362 Nr. 62 Gemeinsamer Ministerrat, Wien, 14. 10. 1869 Kommissionen werde -- wie die Erfahrung lehre -- nie zu einem Ergebnisse führen, vielmehr würden sich über das Quomodo stets entgegengesetzte Strömungen geltend machen. So sei es auch im gegenwärtigen Falle, wo die ungarischen Kommissionsmitglieder nur zur Beurteilung der forstwirt¬ schaftlichen Zulässigkeit des Verkaufes berufen, dennoch sofort auch in die Operation eintreten. Nachdem noch Ministerpräsident Graf Andrässy her¬ vorgehoben, wie dem Kriegsminister eine gewisse Ingerenz des ungari¬ schen Ministeriums sogar erwünscht sein müsse, da ihm eine solche Kon¬ trolle gegenüber etwaigen Verdächtigungen Kroatiens nur zustatten kom¬ men könne, geruhte Seine Majestät der Kaiser den Be¬ schluß dahin zu fassen, daß der Kriegsminister unter Mitteilung eines Programmes über die beabsichtigten Investitionen sich über die Verwen¬ dung des Erlöses aus dem Waldgeschäfte mit dem ungarischen Ministerium ins Einvernehmen setze, sodann aber das Weitere im eigenen Wirkungs¬ kreise veranlasse. Schließlich ergriff noch Reichskanzler Graf Beust das Wort, um auf die Budgetschwierigkeiten hinzuweisen, in welche die Regie¬ rung durch den von den Delegationen vorgenommenen Abstrich der Kosten für Post und Telegrafenwesen in der Militärgrenze geraten sei. Die Frage, wie da herauszukommen sei, sei nicht leicht. Es stünden sich zwei Ansich¬ ten gegenüber. Minister v. Lonyay habe sich in dem Sinne ausgesprochen, daß es nicht angehe, die Posten und Telegrafen in den Händen der Militär¬ verwaltung zu behalten und die Kosten aus dem Waldgeschäfte herauszu¬ schlagen, wonach also die Übergabe in die Zivilverwaltung folgen würde; demgegenüber werde aber von cisleithanischer Seite geltend gemacht, daß in dem die Provinzialisierung eines Teiles der Grenze betreffenden Ah. Handschreiben die vorläufige Belassung der Verwaltung im Status quo an¬ befohlen worden sei, welcher durch eine Änderung im Post- und Telegra¬ fenwesen alteriert werden würde. Es werde wohl nichts übrig bleiben, als zur Übergabe dieser Verwaltungszweige an das ungarische Handels¬ ministerium dennoch zu schreiten, dies möge aber nicht ohne vorherige Begrüßung des cisleithanischen Ministeriums geschehen. Seine Majestät der Kaiser hatte die Gnade zu geneh¬ migen, daß in diesem Sinne vorgegangen werde, geruhte jedoch zu bemer¬ ken, daß Minister Gorove12 der Ah. Wunsch bedeutet werde, daß die gegen¬ wärtigen Post- und Telegrafenbeamten in der Grenze beibehalten werden, womit die Sitzung geschlossen wurde. Beust 12 Istvän Gorove (1818-1881), 20. 2. 1867 - 24. 5. 1870 Ackerbau-, Industrie- und Handelsminister. <pb/>Nr. 63 Gemeinsamer Ministerrat, Wien, 19. 10. 1869 363 Ah. E. Ich habe den Inhalt dieses Protokolls zur Kenntnis genommen und ist nun vom Kriegsministerium sogleich im Sinne der gefaßten Beschlüsse vor¬ zugehen.13 Wien, 18. Oktober 1869. Franz Joseph. Nr. 63 Gemeinsamer Ministerrat, Wien, 19. Oktober 1869 Ministerratsprotokoll fehlt.1 Es ist ungewöhnlich, daß sich die Ah. Entschließung nicht aufdie bloße Kenntnisnahme beschränkt, sondern der Kaiser auch weitergehende Anweisung erteilt, nämlich, daß das Kriegsministerium entsprechend dem Ministerratsbeschluß verfahren solle. In diesem Geist entstehen die Punktationen, welche infolge der Beschlüsse des Ministerrates dto. Wien, 14. 10. 1869 bezüglich einiger Militärgrenzangelegenheiten zwischen dem kgl. ung. Ministerium und dem k. k. Kriegsministerium vereinbart wurden. Die Punktatio¬ nen Unterzeichneten am 28. Dezember 1869 Gustav König im Namen des Reichskriegs¬ ministeriums und Gyula Andrässy im Namen der ungarischen Regierung. KA., MKSM. 49-1/1. Das Ministerratsprotokoll konnte trotz langer Suche nicht gefunden werden. Mein von mir hochgeschätzter, tragisch früh verstorbener Kollege, Dr. Horst Brettner-Messler, halfmir bei der Durchsicht einer Reihe von Archivfonds, um das gewiß schon vor Jahr¬ zehnten zwischen andere Akten gelangte Protokoll irgendwo zu entdecken, aber auch seine Suche blieb ergebnislos. Ich bin ihmfür seine Bemühungen und dafür dankbar, daß er mirjahrzehntelang mit großer Zuvorkommenheit bei meiner Arbeit geholfen hat. Aus anderen Quellen geht hervor, daß der Ministerrat Budgetfragen behandelt und be¬ schlossen hat; nämlich a) bezüglich des Nachtragskredits für die ostasiatische Expedi¬ tion. Denn unter den Protokollen von 1869 findet sich: Auszug aus dem Ministerrats¬ protokolle vom 19. Oktober, betreffend die Beschlüsse bezüglich des Nachtragskredites für die ostasiatische Expedition. Gedruckt als Beilage 63a. b) Voranschlag des Ah. Hofstandes pro 1870. Siehe die Zusammenstellung HHStA., PA. XL, Karton 273 (die die Tagesordnung und Beschlüsse der Ministerräte enthält). Demnach wurde die Hofdotation für zehn Jahre mit 300 000 pro anno festgesetzt, wozu beide Reichshälften zu gleichen Teilen beitragen. <pb/>